Wenn ich nicht weiß, wo die Wohnung ist, wie soll ich mich ihr dann nicht nähern?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 14.11.2012
Rechtsgebiete: GewaltschutzgesetzNäherungsverbotFamilienrecht20|6380 Aufrufe

Die Antragstellerin ist Radiomoderatorin und hat - unter Angabe ausschließlich der Anschrift ihres Arbeitgebers - den Antragsgegner im vorliegenden Verfahren auf Unterlassung nach dem Gewaltschutzgesetz in Anspruch genommen und den Ausspruch eines Näherungsverbots für ihre Wohnung beantragt.

Ebenso einfach wie zutreffend stellt das OLG Celle dazu fest:

Eine einstweilige Anordnung, mit der der Antragsgegner ein strafbewehrtes Abstandsgebot von "der Wohnung" der Antragstellerin aufgebeben wird, muss eine konkrete Bezeichnung der fraglichen Wohnung enthalten

OLG Celle v.  25.10.2012 - 10 WF 310/12

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20 Kommentare

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Was praktisch bedeutet, dass die Frau, die den Nachstellungen eines gewalttätigen Ex-Partners gerade glücklich entkommen ist, diesem entweder ihre neue Adresse frei Haus liefern muss oder erst dann gerichtlichen Rechtsschutz überhaupt beantragen kann, wenn der Gewalttäter sie gefunden hat.

Das kommt also heraus, wenn sich alte Männer mit solchen Fragen befassen. Wir fordern: Mehr Frauen ans OLG!

 

(Denn weil ein Verstoß gegen das Unterlassungsgebot nur bei Verschulden Sanktionen nach sich zieht, wäre es auch ohne Adresse völlig unproblematisch  -  wenn die ASt. den Bestrafungsantrag darauf stützt, dass der AG sei drei Tagen vor ihrem Fenster wartet, wird der sich ja kaum damit verteidigen können, er stehe da jetzt rein zufällig.)

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Katharina schrieb:

Das kommt also heraus, wenn sich alte Männer mit solchen Fragen befassen. Wir fordern: Mehr Frauen ans OLG!

 

 

Vielleicht sollten sie sich einfach mal anschauen, wie der entscheidende Senat besetzt ist. Aber Vorsicht, ihr Weltbild könnte einen Knacks bekommen.

 

 

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"Das kommt also heraus, wenn sich alte Männer mit solchen Fragen befassen. Wir fordern: Mehr Frauen ans OLG!"

 

Wahrscheinlich entspricht es weiblicher Logik, daß jemand, der sich einer Wohnung nicht nähern soll, gar nicht wissen muß wo diese Wohnung überhaupt ist. Ich habe meine Zweifel ob es der Rechtsprechung dienlich ist, wenn sich solche Logik an Gerichten mehr durchsetzt.

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Katharina schrieb:

Was praktisch bedeutet, dass die Frau, die den Nachstellungen eines gewalttätigen Ex-Partners gerade glücklich entkommen ist, diesem entweder ihre neue Adresse frei Haus liefern muss oder erst dann gerichtlichen Rechtsschutz überhaupt beantragen kann, wenn der Gewalttäter sie gefunden hat.

Das kommt also heraus, wenn sich alte Männer mit solchen Fragen befassen. Wir fordern: Mehr Frauen ans OLG!

(Denn weil ein Verstoß gegen das Unterlassungsgebot nur bei Verschulden Sanktionen nach sich zieht, wäre es auch ohne Adresse völlig unproblematisch  -  wenn die ASt. den Bestrafungsantrag darauf stützt, dass der AG sei drei Tagen vor ihrem Fenster wartet, wird der sich ja kaum damit verteidigen können, er stehe da jetzt rein zufällig.)

 

Ihre Ansicht hat nur einige Schönheitsfehler:

1. In dem Fall ging es überhaupt nicht um ein Ex-Paar.
2. Es reicht selbstverständlich nicht aus, erst im Rahmen der Zwangsvollstreckung oder in einem Strafverfahren zu klären, ob er von der Adresse wusste, sondern bereits dem Titel muss sich entnehmen lassen, von welchem Ort man genau fernzubleiben hat. Die Vollstreckung von Anordnungen nach dem GewSchG kann sich doch nicht von allen Prinzipchen der ZV (zu denen gehört, dass eine Vollstreckung einen bestimmten Titel erfordert) entfernen.
3. Die Frau könnte mit einem solchen Titel jederzeit in die Nähe des Verurteilten ziehen und ihm dies postalisch mitteilen. In diesem Fall müsste der Betroffene das Unterlassungsgebot ab sofort befolgen und könnte sich eben nicht mehr auf fehlendes Verschulden berufen. Er hätte keine Möglichkeit, Einwendungen gegen die Entscheidung vorzubringen, wenn diese erst einmal rechtskräftig ist. Vielleicht könnte er, wenn er seine Wohnung verlassen muss, um die Anordnung (weiterhin) einzuhalten, Härtefallgründe vortragen.
4. Genau an dieser Stelle liegt eben der grundsätzliche Fehler des Gesetzes. Denn immerhin ermöglicht es auch die Zuweisung der gemeinsamen Wohnung. Hier weiß der Betroffene aber genau, wo sie sich befindet (und hat vielleicht sogar einen Schlüssel beseite geschafft). Wirklich renitente Gewalttäter haben in der Regel solche Vorkehrungen getroffen und lassen sich daher nicht abschrecken (wer seine Frau umbringen will, wird sich um den Verstoß gegen die Gewaltschutzanordnung nicht sonderlich scheren); auf der anderen Seite bietet das Gesetz Frauen die Möglichkeit, sich mit erfundenen oder provozierten Übergriffen die gemeinsame Wohnung unter den Nagel zu reißen (und zu plündern) oder Väter den Umgang mit ihren Kindern zu erschweren. Verschärft wird diese Möglichkeit noch durch die Rechtsprechung, nach der der Antragsgegner die Beweislast für das Vorliegen einer Notwehrlage trägt (falls also provozieren nicht reicht, greift die Frau den Mann halt selbst an; wenn dieser sich dann verteidigt, beantragt sie -unter Verschweigen ihres Angriffs- die einstweilige Anordnung). Nicht umsonst hat das GewSchG nicht zu einem Rückgang der Belegung in Frauenhäusern geführt.

5. Woher wissen Sie, wie der Senat des OLG besetzt war (also in punkto Geschlechterverhältnis)? Aus dem hier verlinkten Beschluss konnte ich das nicht entnehmen.

 

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Hinsichtlich des Verschuldenserfordernisses ist das richtig. Bei Lichte besehen erfordert aber schon die Bestimmtheit des Tenors  eine Adressangabe.

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Über die amtsgerichtliche Entscheidung, wonach der Antragsgegner sich von einem nicht benannten Ort 300m entfernt zu halten hätte, hat man beim OLG bestimmt bass gestaunt und sich genau überlegen müssen, wie man das AG nicht unnötig desavouiert.

Noch interessanter an den OLG-Gründen finde ich aber, wie niederschwellig das AG eine Anordnung nach dem GewSchG erlassen hat. Anscheinend war Befürchtung gar nicht so abwegig, das GewSchG könnte für gesetzeszielfremde Zwecke instrumentalisiert werden. Es gab ja vor Zeiten bereits den Fall eines berliner Rechtsanwalts, der die Berichterstattung von Verfahren mit seiner Beteiligung dadurch zu unterbinden suchte, indem er den Berichterstatter zum Stalker erklären wollte.

 

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@ #2: Dass es hier um das Bestimmtheitserfordernis geht, ist ja klar. "Bei Lichte besehen" hat dieses Erfordernis aber den Zweck, dem Vollstreckungsorgan mitzuteilen, wie es vollstrecken soll. Wenn Vollstreckungsorgan, wie hier, das Prozessgericht ist, und es erst beim Bestrafungsantrag damit befasst wird und im Nachhinein beurteilen muss, ob der AG vor der "Wohnung" war, muss doch nicht schon im Unterlassungsgebot die Adresse dringestanden haben.

Die Auffassung des OLG läuft ja auch darauf hinaus, bei jedem Umzug wieder von vorne anfangen zu müssen mit dem Rechtsschutz  -  das lässt den Schutzzweck des GewaltSchG doch für die wichtigsten und schlimmsten Fälle teilweise leerlaufen.

Das Schlimme (und Typische) ist ja auch, dass das OLG nicht einmal das Problem erkannt hat (oder anerkennen wollte).

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Die Angabe der Wohnung ist meiner Meinung nach zwingend. Wie bitte soll sich jemand sonst daran halten, sich von der Wohnung fern zu halten. Ein solches Verlangen ist daher Meinung anch völlig verrückt. So könnte die Frau (in einem anderen Fall vielleicht auch ein Mann) ja auch den Wohnort wechseln, wenn sie der anderen Person "etwas Böses will". Oder vielleicht will die andere Person sich ja daran halten, wenn sie nur könnte... Erst im Nachhinein feststellen zu lassen, ob ein Verstoß vorliegt und damit das Risiko voll dem "Gegner" zuzuschieben, halte ich für falsch und daher die Entscheidung für richtig.

 

Nicht, dass es sich hier um den Fall "Kachelmann" handelt und der Person, deren Nachnamen man jetzt (doch) wieder laut sagen darf. Wegen OLG Celle weiß ich es jetzt aber nicht. Das wäre dann ein interessantes "Nebenspiel" der Beteiligten. Zumal die behauptete Gewalt (im Fall Kachelmann) ja gerade nicht nachgewiesen wurde. Ich müsste jetzt googeln, um das zu erfahren.

 

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Jemanden etwas zu verbieten, ohne zu sagen, was es eigentlich ist - das ist weibliche Logik. Wenn ich das so lese, hoffe ich auf keine Frauenquote am OLG. Sorry.

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@PH

Volltext unter

http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod....

Ihre Vermutung geht auch aus dem der Entscheidung entnehmbaren Sachverhalt wohl fehl. Aus Gründen der erstinstanzlichen Zuständigkeit des FamG Hannover ja ohnehin.

Im übrigen hege ich Zweifel, ob die Nebenklägerin des von Ihnen vermuteten Verfahrens eine derartige erstinstanzliche Entscheidung von der Presse ferngehalten hätte.

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@ #6: Das Gebot hieße dann der Sache nach: "Sobald Du herauskriegst, wo Deine Ex wohnt, musst Du Dich von diesem Ort fernhalten. Und wenn die Ex umzieht, gilt das für die neue Wohnung genauso."

Frauen würden das verstehen  -  Männer offenbar nicht.

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@ #8: Nein, das Gebot hieße: "Du musst dich aus einer bestimmten Gegend heraushalten, aber wir sagen dir nicht, wo. Wirst du dort beim Spazierengehen erwischt, musst du Strafe zahlen, obwohl du keine Chance hattest, einen Verstoß gegen die Anordnung zu vermeiden."

Frauen würden das vielleicht verstehen, Menschen mit Grundkenntnissen über Rechtsstaatlichkeit (Bestimmtheitsgebot z.B.) nicht.

@ #9: Wenn Sie die Kommentare zuvor gelesen hätten, wüssten Sie, dass es Sanktionen nur bei Verschulden gibt. Es wird also niemand für etwas zur Verantwortung gezogen, was er gar nicht vermeiden konnte.

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@ #10: Statt auf Kommentare hier verlasse ich mich lieber auf das Gesetz, und dort heißt es "soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist."

Wenn er also einen Nebenjob als Zeitungsausträger annimmt zur Existenzsicherung und sein Zustellbereich die "Bannmeile" umfasst, dann ist er zwar "schuldhaft", also absichtlich dort, aber im Rahmen seiner berechtigten Interessen.

Ob "schuldhaft" oder nicht - diese bequeme Möglichkeit zur Ausrede ist bewusst nicht vorgesehen ("oh, ich muss in Gedanken gewesen sein und die Orientierung verloren haben - ich bin nicht schuld daran, dass ich hier bin").

@Katharina:

 

Um das Verschulden festzustellen, wird man ein förmliches Verfahren einleiten müssen bei einem Verstoß und selbst das ist m.E.n. zu viel verlangt. Er wird damit der Gefahr einer Strafverfolgung ausgesetzt, ohne dafür auch nur irgendwas zu können. Und wie wir alle Wissen machen auch Menschen, ja, sogar Richter, manchmal Fehler und dann ist das Kind in den Brunnen gefallen...

 

 

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Was nützt mir eine Bannmeile um meine Wohnung, wenn der Stalker ausserhalb, bsph. genannt Arbeitsplatz, Verein, usw. weiter nachstellen darf? Das Amtsgericht hatte absolut recht: Der Täter darf sich dem Opfer (schuldhaft) nicht nähern. Nicht irgendeinem Areal, in welchem das Opfer sich nur temporär aufhält. Da muss der Täter nur warten, bis das Opfer die Schutzzone verlässt.

Die häufig gerügte Zahnlosigkeit des § 238 wird wieder einmal allzu deutlich. Da unterschiedliche Instanzen unterschiedlichen Auslegungen folgen, wird auch deutlich, dass es anders ginge und es tatsächlich an den Richtern liegt.

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Andreas schrieb:

Der Täter darf sich dem Opfer (schuldhaft) nicht nähern.

Wann ist das denn "schuldhaft"?

Wer hat schuld, wenn sie sich zufällig in der U-Bahn treffen?

Dann müsste die Beschuldigerin dem Beschuldigten, ja stets mitteilen, wo sie hin zu gehen gedenkt, damit er sich von diesem Ort fern halten kann.

 

Schuldhaft kann es ja nur sein, wenn es kein Zufalll ist aber nicht zufällig kann es nur sein, wenn er den Aufenthaltsort der Beschuldigerin kennt.

Oder wollen Sie auch da die Beweislast umkehren?

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Rudi P. schrieb:

Wer hat schuld, wenn sie sich zufällig in der U-Bahn treffen?

Wie es bereits im Satz steht: Es ist Zufall. Es gibt hier keinen Schuldigen. Schuldhaft ist es erst, wenn nun, nachdem der Aufenthalt der Schutzperson bekannt ist, der Täter die Schutzzone nicht verlässt.

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"
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 31. August 2012 durch die Richter am Oberlandesgericht H. und G. und die Richterin am Amtsgericht W. am 25. Oktober 2012 beschlossen:
"
1/3 Frauenquote erfüllt.

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Wegen der Strafdrohung in § 4 GewSchG ist es aus meiner Sicht nicht möglich, in einer Schutzanordnung nach dem GewSchG abstrakte Näherungsverbote auszusprechen. Die Adresse der  zu meidenden Wohnung, Arbeitsstelle o. ä. sind in den Tenor aufzunehmen.

Die beantragten Schutzmaßnahmen müssen außerdem - vgl. § 1 Abs.1 S.1 letzter Halbsatz GewSchG - zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlich sein. Wenn der/die Unterlassungspflichtige die neue Wohnanschrift noch nicht kennt und dem Antragsteller/der Antragstellerin dort noch nicht nachgestellt hat, ist ein darauf gerichtetes Näherungsverbot nicht erforderlich. Wenn es dann doch zu künftigen Nachstellungen kommen sollte, fallen diese immer noch unter die Alternative des § 1 Abs. 1 Nr. 5 GewSchG ("Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen"). In der Praxis wird hier meist noch zusätzlich folgende Regelung aufgenommen: "Sollte es zu einem zufälligen Zusammentreffen der Beteiligten kommen, hat der Unterlassungspflichtige sich unverzüglich zu entfernen und den gebotenen Schutzabstand herzustellen".

Berechtigte Interessen des Unterlassungspflichtigen sind zu berücksichtigen, sowohl bei der Formulierung der Schutzanordnungen als auch im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens (ist der angezeigte Verstoß durch berechtigte Interessen gerechtfertigt?). Das Umgangsrecht mit gemeinschaftlichen Kindern ist ein solches berechtigtes Interesse, das bereits bei der Abfassung der Schutzanordnung berücksichtigt werden sollte. Wenn ich sehe, dass es gemeinschaftliche Kinder gibt, beraume ich mündliche Verhandlung an und erörtere mit den Beteiligten auch das Umgangsrecht. Die gerichtliche oder vergleichsweise getroffene Umgangsregelung wird dann ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Schutzanordnungen ausgenommen. In der Regel ist es ausreichend, die Übergabe der Kinder so zu gestalten, dass hierbei keine neuerlichen Übergriffe stattfinden können (etwa durch Verlegung an einen beleben Ort oder die Einbindung Dritter).

Die Frage, ob der Unterlassungspflichtige sich schuldhaft in die Nähe der zu meidenden Wohnung begeben hat, ist - nicht zuletzt im Hinblick auf § 1 Abs. 3 GewSchG - kein taugliches Abgrenzungskriterium.

 

 

 

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