BAG: Arbeitgeber darf Attest schon für ersten Krankheitstag verlangen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 17.11.2012

 

Die Pflicht zur Vorlage von ärztlichen Attesten über die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit führt nicht selten zu Auseinandersetzungen der Arbeitsvertragsparteien. Dabei ist die gesetzliche Ausgangslage klar: Der Arbeitnehmer ist nach § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG verpflichtet, bei einer länger als drei Tage andauernden Arbeitsunfähigkeit spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Nach § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG ist der Arbeitgeber darüber hinaus berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Ein Verstoß des Arbeitnehmers gegen diese Vorlagepflicht kann eine Abmahnung und im Wiederholungsfall eine verhaltensbedingte Kündigung nach sich ziehen. Allerdings kann man die Frage stellen, ob das Recht des Arbeitgebers zur früheren Vorlage der AU-Bescheinigung an Voraussetzungen geknüpft ist. Die h.M. lehnt dies unter Hinweis auf den Wortlaut des § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG, der derartige Einschränkungen nicht vorsehe, ab.

Das BAG (Urteil vom 14.11.2012 – 5 AZR 886/11) hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem genau diese Rechtsfrage entscheidungserheblich war. Es ist wohl nicht ganz zufällig, dass eine solche Streitigkeit (in einem bestehenden Arbeitsverhältnis) aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes kommt. Es ging um folgenden Sachverhalt: Die Klägerin ist bei der beklagten Rundfunkanstalt (WDR) als Redakteurin beschäftigt. Nachdem einem Dienstreiseantrag nicht entsprochen worden war, meldete sie sich für den Tag der geplanten Dienstreise krank und erschien am Folgetag wieder zur Arbeit. Daraufhin forderte der WDR die Klägerin auf, künftig schon am ersten Tag der Krankmeldung einen Arzt aufzusuchen und ein entsprechendes Attest vorzulegen. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage.

Vor dem BAG hatte sie damit jedoch keinen Erfolg. Die Ausübung des dem Arbeitgeber von § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG eingeräumten Rechts stehe – so der 5. Senat - im nicht gebundenen Ermessen des Arbeitgebers. Insbesondere sei es nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer ein begründeter Verdacht besteht, er habe in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht. Eine tarifliche Regelung stehe dem nur entgegen, wenn sie das Recht des Arbeitgebers aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ausdrücklich ausschließe. Das sei vorliegend nicht der Fall gewesen.

Damit ist es dem Arbeitgeber künftig auch möglich, von vornherein in den Arbeitsverträgen eine solche Pflicht zu verankern. Ob das allerdings aus Arbeitgebersicht immer wünschenswert ist, mag durchaus zweifelhaft sein. Der Bürokratieaufwand würde jedenfalls ansteigen und ob die disziplinierende Wirkung tatsächlich signifikant ausfiele, ist so sicher auch nicht. In rechtlicher Hinsicht gilt es schließlich noch einen Punkt zu beachten: Trifft der Arbeitgeber eine generelle Anordnung über die frühere Vorlage von AU-Bescheinigungen, so hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (BAG 25.1.2000, NZA 2000, 665).

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