BAG zur Frage an einen Stellenbewerber nach eingestellten Ermittlungsverfahren

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 18.11.2012

 

Im Zuge der Einstellung wird der Arbeitnehmer in der Praxis recht häufig mit der Frage konfrontiert, ob er vorbestraft sei und ob gegen ihn staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren anhängig sind bzw. in der Vergangenheit (etwa in den letzten drei Jahren) waren. Angesichts der gewachsenen Sensibilität für den Schutz der Arbeitnehmerdaten ist es nicht verwunderlich, dass diese Praxis in letzter Zeit zunehmend auf Kritik gestoßen ist. Vor einiger Zeit ist an dieser Stelle bereits über ein Urteil des LAG Hamm (Blog-Beitrag vom 29.9.2012 dort auch genaue Sachverhaltschilderung) berichtet worden, das jetzt im Revisionsverfahren vom BAG (Urteil vom 15. November 2012 - 6 AZR 339/11) bestätigt worden ist. Das BAG stellt in diesem Urteil den Grundsatz auf, dass der Arbeitgeber den Stellenbewerber nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen darf. Eine solche unspezifizierte Frage verstoße gegen Datenschutzrecht und die Wertentscheidungen des § 53 Bundeszentralregistergesetz (BZRG). Stelle der Arbeitgeber die Frage dennoch und verneine der Bewerber in Wahrnehmung seines informationellen Selbstbestimmungsrechts wahrheitswidrig, dass gegen ihn Ermittlungsverfahren anhängig waren, dürfe der Arbeitgeber das zwischenzeitlich begründete Arbeitsverhältnis nicht wegen dieser wahrheitswidrig erteilten Auskunft kündigen. Die allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung der Frage nach Ermittlungsverfahren gestützte Kündigung habe deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung, bei dem es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) handelt, zum Ausdruck komme, verstoßen. Sie wird vom BAG deshalb gemäß § 138 Abs. 1 BGB für unwirksam gehalten. Klar ist, dass die Wertung auch auf ein mögliche Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) durchschlagen muss. Sie würde angesichts der Unzulässigkeit der Frage an der Rechtswidrigkeit der Täuschung scheitern.

Interessant ist übrigens noch ein Seitenblick auf den Entwurf der EU-Datenschutzgrundverordnung; instruktiv hierzu Forst, NZA 2012, 364, der an anderer Stelle (JE vom 16.11.2012) auf Folgendes hinweist: Nach Art. 9 Abs. 1 des Verordnungsentwurfs zählen „Daten über Strafurteile oder damit zusammenhängende Sicherungsmaßregeln“ zu den besonderen Arten personenbezogener Daten, die einen stärkeren Schutz genießen als „normale“ Daten. Eine Verarbeitung dieser Daten ist nach Art. 9 Abs. 2 lit. b) zulässig, wenn sie erforderlich ist,“ damit der für die Verarbeitung Verantwortliche seine ihm aus dem Arbeitsrecht erwachsenden Rechte ausüben und seinen arbeitsrechtlichen Pflichten nachkommen kann, soweit dies nach den Vorschriften der Union oder dem Recht der Mitgliedstaaten, das angemessene Garantien vorsehen muss, zulässig ist.“ Damit könne – so die Einschätzung von Forst - die vom BAG befürwortete Abwägung auch unter dem VO-E erfolgen. Im Falle des Inkrafttretens der Verordnung müsste man im übrigen künftig damit rechnen, dass sich auch der EuGH hier einschalten und eigene Akzente setzen wird.

 

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