Ein Friseur aus Delmenhorst

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 23.11.2012
Rechtsgebiete: UnterhaltElternunterhaltFamilienrecht1|4363 Aufrufe

Wer vermeiden möchte, dass die eigenen Kinder im Alter für einen selbst Unterhalt zahlen müssen, verhält sich am besten so wie dieser Friseur aus Delmenhorst:

[Hintergrund: Das Sozialamt verlangt von dem Sohn (Antragsgegner) des 1923 geborenen Friseurs die Kosten für dessen Heimunterbringung. Das OLG hält den Unterhaltsanspruch des Vaters gegen den Sohn für verwirkt (§ 1611 I BGB)]

Unstreitig befand sich die Ehe der Eltern des Antragsgegners seit Jahren in einer schweren Krise. Unmittelbar vor der Trennung kam es am 1. Mai 1971 zu einer tätlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Vater die Mutter massiv beschimpfte und beleidigte. Dieser von dem Antragsgegner miterlebte Vorfall war - wie die Ausführungen im Scheidungsurteil zeigen - symptomatisch für die Beziehungen innerhalb der Familie. Nach der daraufhin vollzogenen Trennung wandte sich der Vater von der Familie ab. In der Folgezeit gab es nur noch einige Postkartengrüße aus dem Urlaub. Darüber hinaus besuchte der Antragsgegner seinen Vater noch gelegentlich im Friseursalon. Diese sporadischen Kontakte kamen aber bereits nach etwa einem Jahr endgültig zum Erliegen.

Wie der Antragsgegner dem Senat gegenüber glaubhaft schilderte, hatte er nach dem Scheitern der Ehe seiner Eltern mehrfach von sich aus den Kontakt zu seinem Vater gesucht, um wieder eine Vater-Sohn-Beziehung herzustellen. Wenn der Vater dann auf die Mitteilung von dem bestandenen Abitur nur mit einem Achselzucken reagierte, bringt er deutlich zum Ausdruck, dass ihn jedenfalls ab 1972 die Person seines inzwischen fast erwachsenen Sohnes und dessen Zukunft nicht mehr berührte. Dieser Eindruck bestätigt sich in der Reaktion auf die Mitteilung von der beabsichtigten Verlobung, die der Vater nur mit den Worten "Du bist ja verrückt" quittierte. Er zeigte offensichtlich kein Interesse an seiner Schwiegertochter und den Zukunftsplänen des Paares. Dass dieses nach außen getragene Desinteresse noch immer nachwirkt und den Antragsgegner bis heute belastet, war ihm bei der Schilderung der Vorfälle deutlich anzumerken.

Wenn der Antragsgegner nach diesen Erfahrungen von sich aus keine weiteren Kontakte mehr zu seinem Vater suchte, ist dies nachvollziehbar und kann nicht als einfache Kontaktlosigkeit bagatellisiert werden. Ebenso steht außer Frage, dass es seit dieser Zeit keine Kontakte zwischen Vater und Sohn mehr gab. Nicht einmal das Zusammentreffen auf der Beerdigung des Großvaters führte dazu, dass noch persönliche Worte zwischen beiden gewechselt wurden. In seinem notariellen Testament aus dem Jahr 1998 bestätigt der Vater, zu seinem Sohn seit etwa 27 Jahren - d.h. seit 1971 - keinen Kontakt mehr zu haben. Mit der gewählten laienhaften Formulierung, sein Sohn solle nur den „strengsten Pflichtteil" erhalten, spiegelt er seine innere Einstellung und dokumentiert nachdrücklich den bereits früher vollzogenen Bruch mit seinem Kind. Er wollte ihn damit ersichtlich von allen Zuwendungen ausschließen, soweit ihm das Recht einen Gestaltungsspielraum ließ.

OLG Oldenburg vom 25.10.2012 - 14 UF 80/12

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Solche Effekte gibt es viele. Beim Elterngeld wird die Mutter mit den zwei bezahlten Partnermonaten belohnt, wenn sie sich trennt. Im Unterhaltsrecht wird Partnerschaft bestraft, bei Partnerschaften des Pflichtigen wird ihm sogleich eine satte Haushaltsführungsersparnis unterstellt und der Selbstbehalt gesenkt.

 

Wer den Kindern gemäss der vom Unterhaltsrecht aufgestellten Regeln eventuelle Unterhaltspflichten ersparen will, schreibt also am Besten ein paar Zeilen wie in http://blog.beck.de/2010/11/25/traurig und geht in ein neues Leben mit Spass und ohne Kinder. Wenn soziale Beziehungen teuer kommen, wird es Menschen geben, die sie ablehnen.

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