Wieder ein Flüchtigkeitsfehler – 3 Jahre oder 3 Jahre und 3 Monate Jugendstrafe, ja was denn jetzt?

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 25.11.2012

Flüchtigkeitsfehler von Tatrichtern in Betäubungsmittelsachen habe ich bereits einige Male thematisiert (s. zum Beispiel den Blog-Beitrag vom 22.9.2012). Ein jüngst veröffentlichter Beschluss des BGH bietet mir die Möglichkeit, diese „Serie“ fortzusetzen. So hatte der 5. Strafsenat einen Fall wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. zu entscheiden, indem der Urteilstenor und die Urteilsgründe zwei verschiedene Strafen auswiesen: Im Urteilstenor war von einer Jugendstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten die Rede, zu der der Angeklagte verurteilt wurde, in den Urteilsgründen nur von einer solchen von 3 Jahren. Dieser Widerspruch führte zur Aufhebung des Strafausspruchs, nicht aber zur Rückverweisung. Der Strafsenat erkannte nämlich selbst auf die niedrigere von beiden Strafen, da er ausschließen konnte, dass das Landgericht eine niedrigere Strafe als die in den Gründen genannte Jugendstrafe hätte verhängen wollen.

Die Entscheidungsgründe lauten wie folgt (Beschluss vom 11.10.2012, 5 StR 475/12 = BeckRS 2012, 22969):

„Nach dem Urteilstenor ist der Angeklagte Kh. zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Dagegen weisen die Urteilsgründe eine Jugendstrafe von drei Jahren aus. Da die Strafzumessungsgründe keine Anhaltspunkte dafür bieten, welche der beiden Strafen das Landgericht für angemessen erachtet hat, kann dieser Widerspruch nicht aufgelöst werden. Insoweit ist das Urteil wegen einer Verletzung des sachlichen Rechts im Strafausspruch aufzuheben (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2009 - 5 StR 46/09, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Urteilstenor 5 mwN).

 Der Senat hat jedoch auf die niedrigere von beiden Strafen durcherkannt, weil auszuschließen ist, dass das Landgericht eine niedrigere Strafe als die in den Gründen genannte verhängen wollte.“

Sofern das Landgericht tatsächlich eine Jugendstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verhängen wollte, hat der Angeklagte wohl Glück gehabt…

 

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