Fall Mollath – wie geht es weiter?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 29.11.2012

ACHTUNG: Wegen der aktuellen Entwicklung ist der ursprüngliche Text nicht mehr ganz aktuell. Am Ende dieses Beitrags (nach unten scrollen!)  finden Sie aber Updates vom 30.11., vom 01.12., vom 06.12., vom 13.12.,  vom 14.12., vom 19.12.2012, vom 07.01.2013, vom 4.2.2013 und vom 20.02.2013

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Nachdem Ministerpräsident Horst Seehofer der bayerischen Justiz eine Prüfung der Unterbringungsvoraussetzungen empfohlen hat und die Staatsanwaltschaft eine entsprechende Anregung (im Rahmen des § 67 e StGB) an das zuständige Gericht angekündigt hat, meinen manche Beobachter und Unterstützer Herrn Mollaths, die Freilassung Herrn Mollaths stehe unmittelbar bevor. Andere meinen, es handele sich dabei nur um "vorgetäuschte Aufklärung". Beides trifft meines Erachtens nicht zu. Die Überprüfung bietet derzeit zumindest eine Chance, dass Herr Mollath freikommt. Eine Wiederaufnahme wird dadurch nicht ausgeschlossen.

Ich möchte im Folgenden die juristischen Konsequenzen in diesem Stadium versuchen darzustellen. Vorauszuschicken ist, dass ich kein Wahrsager bin und deshalb auch nicht in der Lage, gerichtliche Entscheidungen vorherzusagen. Es geht mir nur darum, die möglichen Entscheidungsoptionen und ihre Voraussetzungen darzustellen.

Die Überprüfung nach § 67e StGB ist keine Wiederaufnahme des Verfahrens (dazu unten), sondern ein Vorgang, der im Gesetz vorgesehen ist – „jederzeit“ kann das Gericht, aus welchem Anlass auch immer, eine Überprüfung der Unterbringungsvoraussetzungen vornehmen und nach § 67d Abs. 6 StGB entscheiden.

Die Überprüfung beinhaltet einerseits psychiatrische Fragen

a) das (weitere) Vorhandensein einer der in § 20 StGB aufgeführten Störungen bzw. Krankheiten,

sowie

b) die (weitere) Gefährlichkeit für die Allgemeinheit durch Wahrscheinlichkeit erheblicher Straftaten, wenn der Patient aus dem Vollzug entlassen wird

andererseits eine juristische Frage:

c) die Verhältnismäßigkeit der (weiteren) Unterbringung in Relation zu den begangenen und zu erwartenden Taten und zum angenommenen Risiko des Rückfalls.

Alle drei Fragen a), b) und c) müssen kumulativ positiv erfüllt sein, also mit JA beantwortet werden. Wenn nur einer der Punkte fehlt, wird man Herrn Mollath freilassen müssen.

Die Beurteilung von a) erfordert ein psychiatrisches Gutachten. Selbst wenn man Diagnose-Fehler der bisherigen Gutachten feststellt - was die Diagnose einer wahnhaften Störung betrifft - resultiert daraus noch nicht, dass gar keine Störung i.S. des § 20 StGB vorliegt. Eine Beurteilung wird prinzipiell eine Exploration des Herrn Mollath notwendig machen, also seine Mitwirkung. Natürlich kann man verstehen, wenn sich jemand, der sich zu Unrecht als psychiatrischer Fall eingestuft sieht, nunmehr einer weiteren Untersuchung misstrauisch gegenüber steht (siehe jetzt hier). Aber um Punkt a) zu beurteilen, wird man Herrn Mollath nicht guten Gewissens raten können, sich nicht untersuchen zu lassen.

Auch die Beurteilung von b) erfordert grds. ein psychiatrisches Gutachten. Nach den Informationen, die mir vorliegen, steht zwar die Gefährlichkeitsprognose im Gutachten aus dem letzten Jahr auf schwachen Füßen. Schon die wahrscheinliche Begehung weiterer Straftaten wird eher mit Vermutungen begründet. Und der Gutachter hat dann in der Verhandlung ohne weitere Gründe anzuführen aus der Wahrscheinlichkeit eine „hohe“ Wahrscheinlichkeit gemacht – angeblich habe er sich in der Formulierung geirrt. Für eine solch hohe Wahrscheinlichkeit hat er aber im schriftlichen Gutachten keine schlüssigen Argumente genannt. Allerdings ist für die Freilassung positiv eine Wahrscheinlichkeit dafür erforderlich, dass der Untergebrachte keine (erheblichen) rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Praktisch wird in der jetzigen Situation die Unterbringung des Herrn Mollath wohl nur beendet, wenn ein psychiatrisches Gutachten die Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher Straftaten verneint.

Schließlich Punkt c): Die Verhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung (§ 62 StGB) ist eine juristische Frage, die auch ohne Gutachten beantwortet werden kann. Die Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Proportionalität hängt stark mit der Unterbringungsdauer zusammen. Das Gericht kann durchaus zu dem Ergebnis kommen, was noch im letzten Jahr verhältnismäßig gewesen sei, sei es nach einem weiteren Jahr der Unterbringung nicht mehr. Aber auch dies ist eher eine theoretische Option. Praktisch wird das Gericht wohl nur dann zu diesem Ergebnis kommen, wenn das psychiatrische Gutachten signalisiert, dass auch die gegenüberliegende Seite der Proportion, nämlich die angenommene Gefährdung der Allgemeinheit nach neuerer Einschätzung nicht mehr gegeben ist oder nicht mehr so stark ins Gewicht fällt. Zu berücksichtigen ist auch, dass Herr Mollath bei einer Freilassung unter Führungsaufsicht stehen wird.

Weder das Ergebnis eines neuen Gutachtens noch die gerichtliche Entscheidung lässt sich derzeit  vorhersagen, auch nicht, wie schnell eine solche Überprüfung zum Abschluss kommen wird. Allerdings hat die öffentliche Aufmerksamkeit meiner Einschätzung nach immerhin bewirkt, dass man nicht mehr befürchten muss, dass routinemäßig bisherige Entscheidungen bestätigt werden.

 

Herrn Mollaths Interesse, das wird aus seinen Stellungnahmen deutlich, geht wesentlich weiter: Er möchte die Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung, also die Beseitigung des Urteils, aufgrund dessen er untergebracht wurde, erreichen. Das wird auch in aktuellen Kommentaren als Ziel geäußert. Da die Unterbringung auf einem rechtskräftigen Urteil beruht, ist dies nur durch eine Wiederaufnahme gem. §§ 359 ff. StPO möglich. Dazu muss ein Antrag gestellt werden, der formal die Voraussetzungen des § 366 StPO (!) erfüllt und insbesondere ein Wiederaufnahmegrund nach § 359 StPO genannt sein. Ein Wiederaufnahmeverfahren ist alles andere als einfach zu führen. Ob die bisherigen „Zweifel“ am Urteil Wiederaufnahmegründe i. S. des § 359 Nr.1 oder Nr. 5 StPO darstellen, kann ich derzeit nicht abschließend beurteilen.

Eine Überprüfung nach § 67 e StGB und eine Wiederaufnahme nach § 359 StPO sind völlig unabhängig voneinander. Das eine schließt das andere weder ein noch aus.

Der frühere Beitrag zum Fall Mollath inkl. sehr umfangreicher Diskussion in den Kommentaren  findet sich hier.

Ein lesenswerter Blog-Beitrag von Oliver Garcia  im de legibus-blog sei verlinkt. 

Bericht von Conny Neumann  in SPON

 

UPDATE 30.11.2012:

Das kommt wirklich überraschend (SZ). Offenbar soll jetzt sogar auf Anregung von Frau Merk (Justizministerin Bayern) von der Staatsanwaltschaft ein Wiederaufnahmeverfahren beantragt werden. Damit vollzieht die Ministerin eine 180-Grad-Kehre und setzt sich, könnte man fast sagen, an die Spitze der Bewegung zur Freilassung von Herrn Mollath. Das bedeutet für das oben Gesagte: Das Wiederaufnahmeverfahren, das möglicherweise mit jetzt bekannt gewordenen Tatsachen begründet wird, wird wesentlich schneller in die Gänge kommen als ich noch gestern vermutet habe. Wenn das Wiederaufnahmeverfahren erfolgreich ist, wird (im zweiten Schritt) eine neue Tatsacheninstanz klären müssen, ob Mollath überhaupt die Straftaten begangen hat, die man ihm vorgeworfen hat.  Ohne (erhebliche) Straftat(en) kommt eine Unterbringung ohnehin nicht in Betracht, so dass dafür eine psychiatrische Untersuchung nicht erforderlich wäre.

Weiter zu bedenken: In der Sache Mollath ist derzeit noch ein Beschwerdeverfahren vor dem OLG Bamberg anhängig und eine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG. In beiden Verfahren könnte die (einstweilige) Freilassung recht schnell verfügt werden, wenn sich Anhaltspunkte dafür verdichten, dass die Unterbringungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen (bzw. nie vorgelegen haben). Was man nicht vergessen sollte: Herr Mollath hat eine engagierte Verteidigerin, die zwar kaum einmal in der Presse erwähnt wird, aber sicher viel zu dieser Entwicklung beigetragen hat, ohne sich persönlich in den Vordergrund zu spielen (ich weiß nicht, ob ich ihren Namen nennen darf).

 

UPDATE 01.12.2012:

In einer neuen Stellungnahme wendet sich der Bayrische Richterverein gegen Angriffe auf die Justiz, betont deren Unabhängigkeit und fordert eine Rückkehr zur Sachlichkeit. Etwas nachdenklich macht mich eine Passage, wonach "keine Rede davon sein" könne, dass das Verfahren erst durch mediale oder politische Aufmerksamkeit in Bewegung gebracht worden sei. Das ist wohl eine komplett andere Realitätswahrnehmung als die meisten Menschen in Bayern haben. Nach meiner Einschätzung wären die jährlichen Überprüfungen der Unterbringungsvoraussetzungen bei Herrn Mollath noch einige Jahre routinemäßig behandelt worden, wenn der Fall nicht in der Öffentlichkeit diskutiert worden wäre. Die Augen vor der Realität  zu verschließen, zugleich aber eine Rückkehr zur Sachlichkeit zu fordern, erscheint mir - diplomatisch ausgedrückt -  ein etwas ungeschickter Versuch, Vertrauen in die Justiz zurückzugewinnen.

 

Eine äußerst lesenswerte, gehaltvolle und sehr plausible Analyse des Falls Mollath hat Gabriele Wolff verfasst - hier verlinkt

 

UPDATE 06.12.2012:

Ein neuer Beitrag, den ich auf LTO veröffentlicht habe, befasst sich mit den Chancen der Wiederaufnahme und mit der Revisisonsentscheidung des BGH. Allgemeiner zur Kritik der BGH-Revisionsentscheidungspraxis v.a. des 1. Senats vgl. Gisela Friedrichsen auf LTO und den Beitrag des Kollegen  v. Heintschel-Heinegg hier im Beck-Blog.

 

UPDATE 13.12.2012:

Beate Lakotta hat auf Spiegel Online "Zweifel an der Opferrolle" Mollaths zusammengestellt. Nach ihren Recherchen ist jedenfalls an der von einigen nach der Stern-Reportage aufgestellten These, das ärztliche Attest sei inhaltlich falsch oder gefälscht, nichts dran. Auch die Angaben Mollaths zur Schwarzgeldaffäre seien nicht belastbar - die angekündigten Belege habe er nie vorgelegt. Die psychiatrischen Gutachten seien zudem nachvollziehbar, da Mollath  merkwürdiges Verhalten gezeigt habe und insbesondere seine schriftlichen Äußerungen für eine wahnhafte Störung sprächen.

In der Wirklichkeit gibt es in der Regel nicht nur schwarz/weiß, sondern viel grau. Die Rechercheergebnisse von Lakotta im Spiegel und im Artikel in der heutigen "Zeit" (noch nicht online) überraschen mich daher nicht. Sie zeigen auf, dass Herr Mollath durchaus auch Symptome der ihm attestierten wahnhaften Störung aufgewiesen hat. Wer kein Psychiater ist und Herrn Mollath nicht kennt (wie ich z.B.) muss sehr vorsichtig sein mit eigenen Diagnosen (egal in welcher Richtung). Ich meine auch, diese Vorsicht gewahrt zu haben: Nur weil ein Gutachten in einigen Punkten nicht überzeugt, muss das Ergebnis nicht falsch sein. Und ein Komplott der Psychiatrie gegen Herrn Mollath gibt es sicher nicht. Aber selbst wenn eine wahnhafte Störung richtig diagnostiziert wurde, ist noch zu beachten:. § 63 StGB  setzt (anders als § 20 StGB, dort gilt in dubio pro reo) den Nachweis voraus, dass die diagnostizierte Störung auch schon bei der Tat vorhanden war und diese mitbestimmt hat. Die dafür gegebene Begründung im ersten Gutachten (immerhin musste der Gutachter fast vier Jahre zurückblicken)  ist äußerst dünn. Das Gutachten Pfäfflin baut darauf auf, da er die rechtskräftige Entscheidung als Grundlage annimmt, also die Körperverletzung als gegeben und eben als "wahnhaft" unterstellt. Das ist dann Basis für die Gefährlichkeitsprognose, die fast immer (so auch hier) im Kern auf der vergangenen festgestellten Tat beruht.

Wenn sich nun herausstellt, das Attest stamme eigentlich vom Sohn der Ärztin (ebenfalls Arzt), nicht von ihr, dann spricht das gegen ein inhaltlich falsches Attest, aber ist ein weiteres  Symptom für die Schlampigkeit der Aufklärung im Gerichtssaal, denn im Urteil heißt es: "Attest von Dr. Madeleine Reichel..." Die Verlesung erfolgte nach § 256 Abs.1 Nr.2 StPO. Hier hat möglicherweise auch die Verteidigung "geschlafen", wenn sie nicht beantragt hat, die (angebliche) Ausstellerin der Urkunde persönlich zu laden, oder wenigstens für die Revision wie Lakotta zu recherchieren, welcher Arzt eigentlich das Attest in Person unterschrieben/ausgestellt hat.

Auch wenn die Schwarzgeldvorwürfe sich im Kern als richtig herausstellen, bedeutet das nicht, dass Herr Mollath keinen Wahn hat - das habe ich in meinen Beiträgen verschiedentlich betont. Dennoch hätte man den Wahrheitsgehalt dieser Vorwürfe prüfen müssen, allein schon, um die Glaubhaftigkeit der Aussage der Ehefrau beurteilen zu können. Wären die Vorwürfe Mollaths damals bestätigt worden, hätte sicher auch nicht im Urteil gestanden, die Schwarzgeldaffäre sei "fixe Idee" und per se wahnhaft. Man hätte also das wahnhafte Erleben Herrn Mollaths genauer einordnen können, wenn sich der Kernvorwurf gegen seine Frau als zutreffend herausgestellt hätte.

 

UPDATE 14.12.2012

Drei Journalistinnen zeichnen verantwortlich für den längeren Artikel in der ZEIT, der diese Woche erschien. Insgesamt bemüht sich der Artikel darum, eine andere Perspektive der Geschichte in den Fokus zu rücken. Das wirkt gut im Gegensatz zu vielen anderen Presseberichten, die bisher etwas einseitig die Perspektive Mollaths betont haben. Und es ist grundsätzlich  richtig, sich eine Angelegneheit von verschiedenen Seiten anzuschauen, um die ganze Wahrheit zu erfahren. Die letzte Passage dieses Artikels ist allerdings so gehässig, dass ich geradezu abgestoßen bin von der Unmenschlichkeit, die aus diesem Absatz spricht:

"Florian Streibl von den Freien Wählern hat den Hamburger Rechstanwalt Strate akquiriert. Der hat Gustl Mollath in der Psychiatrie besucht, drei Vollmachten hatte er dabei - Mollath hat nicht unterschrieben. Dabei hätte Strate nicht einmal Geld verlangt. Will Mollath etwa gar keine Wiederaufnahme? hat er sich in der Rolle des Märtyrers eingerichtet?"

Herr Mollath, der eine Verteidigerin hat, hat also nicht sofort unterschrieben, als sich ihm ein Rechtsanwalt vorstellt und anbietet, seine Verteidigung im Wiederaufnahmeverfahren zu übernehmen. Sich dies gut zu überlegen ist genau das Richtige. Jeder Mensch in der Situation Mollaths sollte sich einen solchen Schritt - einen weiteren Verteidiger zu beauftragen -  gut überlegen. Herr Mollath kennt Herrn Strate ja bis dahin nicht persönlich und daher kennt er ihn auch nicht als Kapazität auf dem Gebiet der Wiederaufnahmeverfahren. Herr Mollath hat auch nicht wie wir hier draußen die Möglichkeit, Informationen über RA Strate im Internet  einzuholen. Er weiß aber, dass Herr Strate von den Freien Wählern, einer politischen Partei, beauftragt (und bezahlt?) wird, die in Opposition zur CSU steht und deren - jedenfalls medial verbreitetes - Hauptziel es ist, die CSU-Regierung bei der nächsten Wahl abzulösen.  Er muss also auch überlegen, ob die Interessen der Freien Wähler 100% mit seinen übereinstimmen. Andererseits ist es ein generöses Angebot, von einem der besten Strafverteidiger vertreten zu werden. Ich kann mir nicht vorstellen, das RA Strate, der als integer und seriös bekannt ist, seinem (beabsichtigt) künftigen Mandanten nicht schon von sich aus eine Bedenkzeit eingeräumt hat.

Wenn nun die drei Journalistinnen Herrn Mollath  zum Vorwurf machen, er habe die Vollmachten nicht sofort unterschrieben, dann scheint es mir, als habe  ihr Artikel am Ende doch das Ziel, Mollath auf eine perfide Art in ein schlechtes Licht zu rücken. Das schadet aus meiner Sicht der Reputation dieser drei Journalistinnen mehr als derjenigen Mollaths - und es wirft in der Rückschau auch ein schlechtes Licht auf den ganzen Artikel.
Ergänzung: Nach der Stellungnahme von Mollath und RA Strate in der SZ ist der letzte Absatz des ZEIT-Artikels "Unsinn".

Weitere Ergänzung (26.12.): Ursula Prem hat RA Strate zu dieser Passage des ZEIT-Artikels befragt. Hier seine Antwort:

»Der Hinweis von Frau Rückert [Anm.: Sabine Rückert, Journalistin und Mitglied der ZEIT-Chefredaktion] auf die nicht unterschriebenen Vollmachten ist besonders deshalb anstößig, weil sie mir in dem mit ihr fünf Tage vor der Veröffentlichung in der ZEIT geführten persönlichen Gespräch zugesagt hatte, alle Zitate durch mich autorisieren zu lassen. Indem sie mich nicht als Quelle zitierte, schien sie sich offenbar der Verpflichtung zur Autorisierung enthoben zu fühlen. Ich hatte ihr lediglich deshalb von den Vollmachten erzählt, weil die Reaktion von Mollath, vor Unterzeichnung der Vollmachten zunächst noch mit der für ihn bisher tätigen Rechtsanwältin Rücksprache nehmen zu wollen, gerade ein Ausweis überlegten und auch moralisch gebundenen Handelns war. Ich bekomme im Jahr mindesten fünfzig/sechzig Briefe von tatsächlich oder angeblich Unschuldigen aus Deutschlands Knästen und geschlossenen Anstalten, von denen in vergleichbarer Situation bestimmt jeder sofort unterschrieben hätte. Gerade dass Mollath dies nicht sofort getan hat, zeichnete ihn für mich aus.« (Quelle: newsandbuy.de)

Meine Kritik an dem ZEIT-Artikel und der journalistischen Tätigeit von Frau Rückert erscheint mir vor diesem Hintergrund noch als milde.

 

UPDATE 19.12.2012

In noch einem weiteren Artikel in den Nürnberger Nachrichten (das ist dieselbe Zeitung, in der die Recherchen von  Michael Kasperowitsch  veröffentlicht wurden, die den Fall Mollath "ins Rollen" brachten) wird ein Gegenstandpunkt zum Fall eingenommen. Ausgangspunkt ist die Frage, inwieweit Psychiater durch die Öffentlichkeit in Anspruch genommen werden, wenn sie (vermeintliche) Fehler machen. Dabei wird der Fall Mollath in eine Vergleichsbeziehung zu einem nach psychiatrischen Gutachten entlassenen und dann rückfällig gewordenen Sexualstraftäter gebracht. Die Öffentlichkeit, so der Tenor des Artikels,  habe damals die Psychiater beschimpft, als der Entlassene rückfällig geworden sei. Nun aber würde die Öffentlichkeit im Fall Mollath quasi das Gegenteil beanspruchen, nämlich die Freilassung eines psychiatrisch als "gefährlich" eingeschätzten Untergebrachten.

Im Fall Bernhard S. wurden, etwa in der Überwachung, Fehler gemacht, Gustl Mollath wird derzeit als mutmaßliches Justizopfer gehandelt. Beide Fälle zeigen, dass wir, die sogenannte Gesellschaft, Prognosen verlangen, die an Hokospokus grenzen. Denn Hand aufs Herz: Wer von uns weiß, ob die eigenen Kinder die laufende Schulklasse bewältigen, zu Ladendieben werden oder wie lange es noch den Euro gibt? Und natürlich gehört die Kristallkugel nicht zum Handwerkszeug des Wissenschaftlers.

Richtig ist daran, dass psychiatrische Gutachten mit Gefährlichkeitsprognosen, selbst wenn sie fachlich und sachlich korrekt sind, immer nur eine Wahrscheinlichkeit für künftiges Verhalten prognostizieren können. Dass die Zukunft tatsächlich wie die unwahrscheinlichere Variante verlaufen kann, liegt in der Natur einer Vorhersage menschlichen Verhaltens. Aber der Vergleich des Falls Mollath mit dem genannten "Serienvergewaltiger Bernhard S." hinkt an anderen Stellen gewaltig, namentlich nicht nur hinsichtlich der Schwere der Taten, die Mollath vorgeworfen wurden, sondern auch hinsichtlich der konkreten Kritik, die an einzelnen psychiatrischen Gutachten im Fall Mollath geübt wird.

Noch ein anderer Aspekt aus dem Artikel stößt unangenehm auf. Unterstellt die Darstellung der Journalisten trifft zu, dann hat der damalige Pflichtverteidiger Mollaths gegenüber Journalisten Auskunft gegeben über Interna der Mandatsbeziehung und hat damit bewusst zum Nachteil seines damaligen Mandanten Mollath Stellung genommen. Das ist das Gegenteil dessen, wofür "Verteidigung" steht und dies kann einen schweren Pflichtverstoß als Strafverteidiger darstellen. Dass er von den Nürnberger Nachrichten falsch zitiert wurde, liegt nicht nahe, denn es sind bereits ausführlichere Angaben von ihm in der Nürnberger Zeitung publiziert, die bislang nicht dementiert wurden.

 

UPDATE 07.01.2013

Die Strafanzeige von RA Strate vom heutigen Tage hat möglicherweise zweierlei Bedeutung.

Zum einen erscheint sie insofern wichtig, als die Öffentlichkeit sich mit einem weiteren Aspekt der Mollath-Sache befasst, aus dem sich ergibt, dass man - seitens Justiz und Psychiatrie - damals (wie heute) offenbar keine Skrupel kannte bzw. kennt, Herrn Mollath entgegen anerkannten rechtlichen Maßstäben zu inhaftieren. Zu den Tatsachen, die Strate jetzt noch einmal in einem 50seitigen Schriftsatz aufbereitet zur Anzeige gebracht hat,  lag schon letztes Jahr seitens der Verteidigerin Mollaths eine Strafanzeige vor - nur damals hatte der Fall noch nicht eine solche Aufmerksamkeit erlangt, dass sich Öffentlichkeit und insbesondere die Staatsanwälte hinreichend dafür interessierten. Deshalb ist es gut, dass die Sache nun mit Verve noch einmal präsentiert wird, denn sie hat nun wesentlich mehr Chancen auf Beachtung. Die Akte Mollath hält im Übrigen noch einige "Knaller" von ähnlichem Gewicht vor. Die Strafanzeige selbst ist jedoch weder ein Wiederaufnahmegrund, noch bringt sie die Freilassung Mollaths aus der jetzigen Unterbringung unmittelbar voran - es geht schließlich um die Unterbringung zur Beobachtung im Ermittlungsverfahren, also vor der Hauptverhandlung. Die jetzige Unterbringung beruht jedoch auf einem rechtskräftigen Urteil, das durch diese Strafanzeige nicht beseitigt werden kann.

Die Strafanzeige wirft aber das Licht auf einen möglichen Wiederaufnahmegrund, der bisher nicht im Brennpunkt der Diskussion stand, nämlich dass die Tatsachengrundlagen für das entscheidende psychiatrische Gutachten  möglicherweise mittels  verbotener Vernehmungsmethoden - Strate erwähnt ausdrücklich § 136 a StPO (S.41) - erhoben wurden. 

 

UPDATE 04.02.2013

Wie Spiegel Online berichtet, hat es die zuständige Strafvollstreckungskammer den Antrag der StA abgelehnt, ein neues Gutachten einzuholen, nachdem Herr Mollath eine Begutachtung abgelehnt hat. Das Gericht sah es wohl als wenig sinnvoll an, ein psychiatrisches Gutachten ohne Mitwirkung Mollaths zu erstellen.

Dennoch kann (und müsste)  die StVK auch eine Entscheidung darüber treffen, ob Herr Mollath nach fast sieben Jahren Unterbringung  freizulassen ist.

Die Frage der (Un)verhältnismäßigkeit ist eine rein juristisch zu beantwortende, die vom Gericht jederzeit getroffen werden kann - und muss. Ich habe im November, als mein obiger Beitrag entstand, gleichwohl noch angenommen, dass die StVK mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine solche Entscheidung, obwohl sie m. E. rechtlich klar zu beantworten ist (vgl. die beiden jüngsten BVerfG-Entscheidungen zur Maßregel der Unterbringung), nicht ohne Gutachten fällen werde. Aber seither ist eine Menge passiert. Ich wundere mich inzwischen wirklich, warum Herr Mollath nicht längst in die Freiheit entlassen wird (mit entsprechender Vorbereitung auf die Freiheit nach 7 Jahren), denn mit jedem Tag wird das mögliche Unrecht größer.

Außerdem: Wenn eine Wiederaufnahme ergibt, dass von Anfang an die Unterbringungsvoraussetzungen nicht gegeben waren, ist Herr Mollath zu entlassen - auch ohne neues Gutachten. Denn einige der Unterbringungsvoraussetzungen beinhalten wiederum Fragen, die nicht ein Gutachter, sondern nur ein Gericht beantworten kann, z.B. die Frage, ob die ihm vorgeworfenene Straftaten tatsächlich von ihm begangen wurden.  Auch ein erfolgreiches WA-Verfahren erschien mir noch Ende November relativ fern liegend. Derzeit sehe ich aufgrund vieler neuer Informationen das WA-Verfahren als möglicherweise erfolgsträchtig an.

UPDATE vom 20.02.2013
RA Strate hat nun einen Wiederaufnahmeantrag gestellt und auf seiner Website veröffentlicht, hier. Kern des Wiederaufnahmegesuchs sind diverse Rechtsbeugungsvorwürfe gegen den damaligen Vors. Richter am LG, Brixner. Eine Presseerklärung von RA Strate findet sich ebenfalls auf seiner Website, hier.

Die möglichen  Rechtsfolgen eines Wiederaufnahmeantrags ergeben sich aus der Strafprozessordnung:

 

§ 368

(1) Ist der Antrag nicht in der vorgeschriebenen Form angebracht oder ist darin kein gesetzlicher Grund der Wiederaufnahme geltend gemacht oder kein geeignetes Beweismittel angeführt, so ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen.

(2) Andernfalls ist er dem Gegner des Antragstellers unter Bestimmung einer Frist zur Erklärung zuzustellen.

§ 369

(1) Wird der Antrag für zulässig befunden, so beauftragt das Gericht mit der Aufnahme der angetretenen Beweise, soweit dies erforderlich ist, einen Richter.

(2) Dem Ermessen des Gerichts bleibt es überlassen, ob die Zeugen und Sachverständigen eidlich vernommen werden sollen.

(3) Bei der Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen und bei der Einnahme eines richterlichen Augenscheins ist der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und dem Verteidiger die Anwesenheit zu gestatten. § 168c Abs. 3, § 224 Abs. 1 und § 225 gelten entsprechend. Befindet sich der Angeklagte nicht auf freiem Fuß, so hat er keinen Anspruch auf Anwesenheit, wenn der Termin nicht an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten wird, wo er sich in Haft befindet, und seine Mitwirkung der mit der Beweiserhebung bezweckten Klärung nicht dienlich ist.

(4) Nach Schluß der Beweisaufnahme sind die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte unter Bestimmung einer Frist zu weiterer Erklärung aufzufordern.

 

§ 370

(1) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen, wenn die darin aufgestellten Behauptungen keine genügende Bestätigung gefunden haben oder wenn in den Fällen des § 359 Nr. 1 und 2 oder des § 362 Nr. 1 und 2 nach Lage der Sache die Annahme ausgeschlossen ist, daß die in diesen Vorschriften bezeichnete Handlung auf die Entscheidung Einfluß gehabt hat.

(2) Andernfalls ordnet das Gericht die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an.

 

§ 371

(1) Ist der Verurteilte bereits verstorben, so hat ohne Erneuerung der Hauptverhandlung das Gericht nach Aufnahme des etwa noch erforderlichen Beweises entweder auf Freisprechung zu erkennen oder den Antrag auf Wiederaufnahme abzulehnen.

(2) Auch in anderen Fällen kann das Gericht, bei öffentlichen Klagen jedoch nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft, den Verurteilten sofort freisprechen, wenn dazu genügende Beweise bereits vorliegen.

(3) Mit der Freisprechung ist die Aufhebung des früheren Urteils zu verbinden. War lediglich auf eine Maßregel der Besserung und Sicherung erkannt, so tritt an die Stelle der Freisprechung die Aufhebung des früheren Urteils.

(4) Die Aufhebung ist auf Verlangen des Antragstellers im Bundesanzeiger bekannt zu machen und kann nach dem Ermessen des Gerichts auch auf andere geeignete Weise veröffentlicht werden.

 

Das Spektrum reicht also von Unzulässigkeit des Antrags bis hin zur Neuauflage der Hauptverhandlung mit anschließendem Freispruch. Interessant ist das  "dazwischen liegende" Ergebnis nach § 371 Abs.2 und Abs.3 S.2. Danach kann das Gericht auch im Beschlusswege (also ohne neue Hauptverhandlung) dazu kommen, das frühere Urteil aufzuheben.

 

Ich bereite einen neuen Beitrag zum Fall vor.

DISKUSSION WOANDERS

Zu den Artikeln auf SPON und in der ZEIT vgl.  auch delegibus-Blog, zudem eine sehr eingehende Analyse auf dem Blog humana conditio

Beate Lakotta verteidigte ihren SPON-Artikel gegen die Kritik von Oliver Garcia und Thomas Stadler im SpiegelBlog. Dazu erfolgte eine Gegenrede von Oliver Garcia (hier), von Thomas Stadler (hier) und von Sascha Pommrenke (hier)

Ein neueres Interview mit Frau JuMin Merk findet sich auf telepolis

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913 Kommentare

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@Mein Name.
WIe Sie meinem Beitrag entnehmen können, wollte ich Lieschen nur darauf hinweisen, dass der Gutachter sicherlich nicht alles, was er seinem Gutachten zugrundelegt, selbst höchstpersönlich unmittelbar wahrnehmen muss, sondern sich auch auf die Aufzeichnungen Dritter stützen kann. Darum, ob so eine Rund-um-die Uhr-Beobachtung überhaupt zulässig ist, ging es mir daher offensichtlich auch nicht. Danke, dass Sie micht darauf hinweisen, was ich alles bei RA Strate lernen kann.

Ich kann z.B. auch bei Herrn Strate lernen, dass er profunde hellseherische Fähigkeiten hat, wenn er auf S. 41 schreibt, der Richter habe die zitierte Entscheidung  des BVerfG gekannt.

Und zum Weißbrot: Mollath hatte angeblich zuerst die Nahrungsaufnahme verweigert und biodyn-Lebensmittel verlangt. Dass dann solche "Nichtigkeiten" (Strate) vom Personal notiert werden, dürfte vielleicht auch damit zusammenhängen, dass man bei einem Probanden , der ankündigt, die angebotenen Speisen zu verweigern und multiple Allergiene behauptet auch darauf achtet, ob gesundheitliche Risiken wegen des selbst verordneten Nahrungsentzugs oder einer allergischen Reaktion eintreten (können). Aber sicher habe ich keine Ahnung davon, wie gleichgültig dem Personal einer Forensik der Gesundheitszustand der Probanden und Patienten ist.

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klabauter schrieb:

Ich kann z.B. auch bei Herrn Strate lernen, dass er profunde hellseherische Fähigkeiten hat, wenn er auf S. 41 schreibt, der Richter habe die zitierte Entscheidung  des BVerfG gekannt.

Natürlich weiß auch Herr Strate nicht, ob der betreffende Richter die Entscheidung tatsächlich gelesen hat. Aber würden Sie der Einlassung des Richters glauben schenken, er habe nun einmal die für ihn bindende (!) Rechtsprechung zu dem von ihm angewandten Gesetz nicht gekannt? Dann müsste er ja Recht sprechen, ohne jemals einen Gesetzeskommentar benutzt zu haben! Das ist für mich eine eher beängstigende Vorstellung, die ich im Übrigen für sehr unwahrscheinlich halte. Eine Einstellung des Verfahrens gegen einen Richter wegen Unkenntnis des Rechts (iura novit curia ;-)) würde ich allerdings gerne einmal lesen...

 

Beste Grüße

S.

Nur mal so als Querverweis. So läuft es mitunter in Bayern:

>>>Das Mammutverfahren aber steckte von Anfang an voller Merkwürdigkeiten. Ohne Furcht vor den einflussreichen Verdächtigen entwirrten Oberstaatsanwalt Jörg Hillinger und sein Kollege Winfried Maier das komplexe Schmiergeldsystem. Kaum hatten sie die korrupten Machenschaften aufgedeckt, erwirkten sie Haftbefehle gegen Schreiber, die Thyssen-Manager und Pfahls – und forderten eine Hausdurchsuchung bei Strauß.

Da aber hatten die hartnäckigen Fahnder die Rechnung ohne Generalstaatsanwalt Hermann Froschauer gemacht: Der mächtige Jurist, der gute Kontakte in die politische Spitze des Freistaats unterhielt, pfiff seine frechen Ermittler erbost zurück und verzögerte die Festnahmen im Amigo-Kartell.

Was dann geschah, nährte in Bayern bösartigste Gerüchte. Am gleichen Tag starb Hillinger auf einer Dienstfahrt zu einer Konferenz im schwäbischen Dillingen – sein Wagen bohrte sich frontal in einen 26-Tonnen-Holzlaster. Ohne seinen Fürsprecher stand Maier auf verlorenem Posten – und wurde schließlich von dem spektakulären Fall wegbefördert. Er nahm drei Karrierestufen auf einmal und urteilte fortan als gut dotierter Richter am Münchner Oberlandesgericht.<<<   http://www.focus.de/politik/deutschland/affaere-schutzengel-auf-erden_ai...

...
AFFÄRE: Schutzengel auf Erden - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/politik/deutschland/affaere-schutzengel-auf-erden_ai...
5

Befundtatsachen sind selbst zu erheben.

Beauftragt mit Gutachtenerstellung war eine Person, keineswegs die Klinik.

Also hat diese Person die Befunde persönlich zu erheben und das Gutachten zu erstellen.

4

@Lieschen: Stimmt leider so nicht. Sie verwechseln Befundtatsachen und sonstige Anknüpfungstatsachen. Die Beobachtungen des Pflegepersonals sind eben sonstige Anknüpfungstatsachen für das Gutachten, und die muss der Gutachter nicht selbst unmittelbar  wahrgenommen haben.

Ich male mir gerade aus, was Sie und andere hier über den Erstgutachter schreiben würden, wenn Mollath in der Psychiatrie verschiedene psychologische Tests gemacht hätte, bei denen Null Aggressions- und Gefährdungspotential  herausgekommen wäre und der psychiatrische Gutachter diese Testergebnisse schlichtweg ignoriert oder gar nicht erst erwähnt hätte, weil er sie nicht persönlich erhoben hat.

3

Befundtatsachen sind vom Gutachter selbst zu erheben.

GM hat den Kontakt verweigert.

Somit gibt es keine Befundtatsachen für ein Gutachten.

 

Ein persönlich zu erstellendes Gutachten bestehend nur aus sonstigen Anknüpfungstatsachen ist ???

4

@Wiss MA Sobotta:

Warum schreibt er das dann ohne jeden Beleg in die Strafanzeige?

 

Zu der Fundiertheit der Strafanzeige und der behaupteten Kenntnis des Amtsrichters noch ein paar kleine Überlegungen:

Blicken wir doch einmal in ein paar Kommentare, die ein Rechtsanwender zur Verfügung hat und was er dort so finden kann:

 

1. Zur Bindungswirkung.
Im Mitarbeiterkommentar des BVerfG (also der wiss. MA des Bundesverfassungsgerichts) ging der Kommentator in der 1. Auflage 1992  noch von einer fehlenden Bindungswirkung stattgebender Kammerentscheidungen  aus. Erst in der 2. Auflage 2005 (also nach der Entscheidung des Amtsrichters) unter § 31 Rdnr. 55  bejaht  der neue Bearbeiter  die Bindungswirkung von Kammerentscheidungen. Als "aA" zitiert er dabei in der Fußnote 166  so unbedeutende Personen wie einen A. Vosskuhle.

2. Interessanterweise ist diese also angeblich  "bindende Entscheidung" , zwar in den Beck- Standardkommentaren KK StPO und Meyer-Goßner zitiert, aber nicht mit der bedeutsamen, angeblich  "bindenden" Kernaussage, sondern nur allgemein unter der Rubrik "Verhältnismäßigkeit". Zur Frage der verweigerten Untersuchung steht z.B. im KK (§ 81 Rdnr 5, habe gerade nur den Stand 2008) sehr stark verdünnt: "Bei fehlender Bereitschaft...ist die Unterbringung nur zulässig, wenn gleichwohl ein verwertbares Ergebnis zu erwarten ist"  (nebst Fundstelle der BVerfG-Entscheidung).

Ich halte es daher für eher gewagt, zu unterstellen, dass

1. die Entscheidung des BVerfG mit Stand 2004 überhaupt bindend war bzw. man davon ausgehen musste. Die Problematik, ob der Kammerentscheidung eine entsprechende Senatsentscheidung vorangegangen sein muss, um überhaupt Bindungwirkung über den Einzelfall hinaus zu haben, s. BGH NJW 2006, 1529 Rdnr.44, ignoriert Strate ohnehin. Die Kammer des BVerfG behauptet dies zwar in ihrer Entscheidung vom 09.10.2001  eingangs unter Rnr. 9, führt zur angeblich durch Senatsentscheidungen "geklärten" Frage der Unerlässlichkeit bei § 81 StPO  aber unter Nr. 19 nur eine weitere Kammerentscheidung an.

2. ein Rechtsanwender, der nicht zwingend jede einzelne Entscheidung im Kopf haben muss und der bei einem Blick  in einen Standardkommentar zur Bindungswirkung findet: nein und bei einem Blick in einen Standardkommentar  zur StPO weder etwas zu ausführlichen Begründungsanforderungen an ein Behandlungskonzept noch zu einer angeblich bindenden Grundregel: keine Unterbringung wenn keine Bereitschaft zur Untersuchung/Beobachtung findet, wissentlich eine rechtswidrige Entscheidung trifft.

Wo sonst für alles und jedes Belege gefordert werden und das Urteil des LG Nürnberg-Fürth zu recht z.B. wegen einer sehr  dünnen Beweiswürdigung zur Körperverletzung Mollath/Exfrau  kritisiert wird, sollte man sich vielleicht auch ebenso kritisch mit den Argumenten der Mollath-Vertreter auseinandersetzen, zumal wenn ein Anwalt von einer offenbar im Wahlkampf steckenden Partei beauftragt wird und zudem - was seine Aufgabe ist - notwendigerweise einseitiger Interessenvertreter ist.

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@klabauter, 8.1.2013

Jeder Rechtsanwender kennt das  im Grundgesetz enthaltene Verhältnismäßigkeitsgebot, unter dem  Auslegung und Anwendung auch des § 81 StPO stehen. Die von Strate in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts läßt selbst bei oberflächlicher Lektüre erkennen, dass Literatur und Rechtsprechung dies nicht nur zum § 81 StPO schon seit mehr als 4 Jahrzehnten berücksichtigen.

Vor diesem Hintergrund kann ich die oben in Bezug genommene Einlassung nur als Nebelbombe bezeichnen.

 

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In Ergänzung zu Herrn Bodes Antwort:

@klabauter

Und den einschlägigen (wenngleich nicht unmittelbar bindenden, doch immerhin die verfassungsrechtlich zwingende Auslegung des § 81 StPO klarstellenden) Beschluss des BGH, der bei beck-online immerhin 9 direkte Treffer und eine Vielzahl von Zitaten in Kommentaren auswirft, unterschlagen Sie gleich ganz. Ich habe den Eindruck, dass Sie den Sachverhalt keineswegs unvoreingenommen würdigen.

Allgemein finde ich den Vorgang, den RA Dr. Strate dokumentiert, schlicht unfassbar und wundere mich, dass er bisher nicht viel mehr Staub aufgewirbelt hat. Hier zeigen sich die Abgründe der Justiz wie der Psychiatrie gleichermaßen. Geradezu kafkaesk sind die Passagen, in denen der rechtliche Laie Mollath (zutreffend!) darauf beharrt, dass seine Unterbringung rechtswidrig sei und er sich nicht werde untersuchen lassen, und der Stationsarzt im Hinblick auf diese Weigerung konzediert, Mollath sei „vernünftigen Argumenten nicht zugänglich“. Ist heutzutage paranoid-querulatorisch gestört, wer einer (vielfach abgeschlagenen, aber gleichwohl fast täglich erneuerten) "Bitte" nach körperlicher und psychiatrischer Untersuchung nicht nachkommt, weil er dazu von Rechts wegen in keiner Weise verpflichtet ist?

 

Man stelle sich auch einmal die Richter am BVerfG vor, die sich in der aaO zitierten Verfügung der Bayreuther Staatsanwaltschaft erklären lassen müssen, dass entgegen verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung "Sinn und Zweck der Unterbringung gemäß § 81 StPO gerade die Exploration von Beschuldigten, die diese nicht freiwillig durchführen lassen" sei. In meinen Augen ist das Dynamit, das die Verteidigung wohl nicht ohne Grund jetzt öffentlich macht (vgl. auch das vielsagende Update von Prof. Müller v. 07.01.). Ich bin gespannt, was da noch kommt. Als Justizminister würde ich umgehend dienstrechtliche Schritte gegen den Richter und die Staatsanwältin einleiten...

Zum Sachverhalt, der nun zu einer Strafanzeige von RA Strate führte, hatte ich in http://blog.delegibus.com/2012/11/28/justiz-im-wahn-wahn-2/ folgendes geschrieben:

Am 22. April 2004 verfügte Richter am Amtsgericht Eberl gemäß § 81 StPO eine psychiatrische Einweisung Mollaths für bis zu sechs Wochen zur Untersuchung, obwohl – oder gerade weil – Mollath eine Untersuchung verweigerte. Da nach ständiger Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 29. September 1993 – 2 StR 355/93; OLG Oldenburg, Beschluß vom 3. Januar 2006 – 1 Ws 1/06) in einem solchen Fall die Unterbringung unzulässig ist, dürfte die Anordnung in einem solchen Maße rechtswidrig und verfassungswidrig (BVerfG, Beschluß vom 9. Oktober 2001 – 2 BvR 1523/01) gewesen sein, daß man vorsichtig die Frage stellen kann, ob sich Richter Eberl wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung strafbar gemacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 – 2 StR 610/11). Die Frage sei hier aber nur unter folgendem Gesichtspunkt gestellt: Hätte nicht dieselbe Staatsanwaltschaft, die von Amts wegen einem Anfangsverdacht der Rechtsbeugung nachgehen muß, nicht im laufenden Verfahren zugunsten des Angeklagten einschreiten und durch eine Stellungnahme den Beschluß zu verhindern versuchen müssen? Oder, wenn sie erst nachträglich von ihm erfahren haben sollte, seine Aufhebung beantragen müssen? Hier liegt bereits nahe, daß verfahrensrechtliche Absicherungen – zumindest eine schriftliche Stellungnahme der Staatsanwaltschaft – fehlen, um zu verhindern, daß – wie hier geschehen – ein Richter zum willfährigen Ausführungsorgan der Wünsche eines Psychiaters wird. Jedenfalls ist es klar, daß der Gesetzgeber die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung formulierten verfassungsrechtlichen Grenzen des Anordnungsrechts in den Gesetzeswortlaut des § 81 StPO aufnehmen sollte.

Ob man dem Richter wirklich Rechtsbeugung (diese ist im Sinne der bekannten "Sperrwirkung" ja auch Voraussetzung für eine Freiheitsberaubung) vorwerfen kann, da bin ich nach wie vor zurückhaltend. Aber eines Gute hat die öffentlichkeitswirksame Strafanzeige vielleicht: Sie kann eine Warnfunktion für alle in der Strafjustiz Tätigen erfüllen, sie kann "generalpräventiv" wirken. Als vorläufiger Ersatz für die von mir vorgeschlagene Ergänzung des Gesetzeswortlauts.

Zu der genannten BVerfG-Entscheidung im Falle Schmider/Flowtex (http://dejure.org/2001,1617) ist noch mehr zu sagen: Das BVerfG hatte sich dort aus prozessualen Gründen nur mit der Beschwerdeentscheidung des OLG Karlsruhe befaßt. Als das Verfahren später in die Revision ging, las der BGH den Richtern des LG Mannheim die Leviten. Diese hätten, so der BGH, mit Erlaß und Umsetzung des Unterbringungsbeschlusses in solchem Maße das Recht verletzt, daß Anlaß zur Besorgnis der Befangenheit bestand. Das Urteil wurde aus diesem - in der Rechtsprechung des BGH ausgesprochen seltenen - Grund aufgehoben (http://dejure.org/2002,833).

Vertiefende Überlegungen zu den verfassungsrechtlichen Grenzen von § 81 StPO hat RA Hellmuth Pollähne in R&P 2006, 212 (http://www.psychiatrie-verlag.de/fileadmin/storage/dokumente/Zeitschrift..., S. 50) angestellt.

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@klabauter

Hier irren Sie sicher nicht: Es sind in der Tat "kleine Überlegungen" (Haarspaltereien?).

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 @Wiss MA Sobota:
Ich bin froh, dass Sie nicht Justizminister sind, da Sie offenbar auf Gewaltenteilung und richterliche Unabhängigkeit nicht viel Wert legen. Aufgrund einer bloßen Strafanzeige (wie war das mit der Unschuldsvermutung gleich noch?) dienstaufsichtliche Maßnahmen eines Ministers gegen einen Richter wegen einer - möglicherweise - rechtsfehlerhaften Entscheidung zu fordern , dürfte mit § 26 I DRiG und mit Art. 97 I GG nicht so ganz vereinbar sein.

Die Richter am BVerfG müssen sich auch erklären lassen, dass sie nicht in der Lage sind, eine Entscheidung des OLG Frankfurt richtig zu lesen (siehe beckblog: Karlsruher Leseschwäche). Ungeachtet dessen, dass der von Ihnen zitierte Satz keineswegs grundfalsch ist. Denn

1. wenn der Beschuldigte sich freiwillig untersuchen lässt, braucht es gar keine Anordnung, siehe einen beliebigen Kommentar zu § 81 StPO.

2. hat das BVerfG keineswegs entschieden, dass die Unterbringung bei Weigerung unzulässig ist, sondern dass sie nur dann zulässig ist, wenn sie trotz Weigerung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig i.e.S. ist (weil sie keine aktive Mitwirkung voraussetzt) und das Untersuchungskonzept keine Totalbeobachtung erforderlich macht. Ob es bei dieser Sichtweise überhaupt noch Fälle geben kann, in denen eine unfreiwillige Unterbringung möglich ist, darüber lässt das BVerfG die "Fachgerichte" im Unklaren.

3. hat auch der BGH in der von Herrn Garcia verlinkten Entscheidung entscheidend darauf abgestellt, dass - und das war bei Mollath eben nicht so-  bereits ein von der StA beauftragtes Gutachten vorgelegen hatte und die Kammer die Unterbringung zum Zweck eines neuen Gutachtens angeordnet hatte.  
Siehe

- den vom HRRS-Mitarbeiter verfassten Orientierungssatz Nr. 4"Die Anforderungen an die Darlegungen zur Unerlässlichkeit sind dabei höher, wenn bereits eine Exploration durchgeführt worden ist. (Bearbeiter)"

- Rdnr. 13 der BGH-Entscheidung zur fehlenden Vertretbarkeit einer Unterbringung, wenn ein Erstgutachten nach 6tägiger Exploration und testpsychologischer Untersuchuchung vorliegt.

-Nr. 19 der BGH_Entscheidung:  "Zwar darf generell nicht von einer Untersuchung eines Beschuldigten allein deshalb Abstand genommen werden, weil dieser seine Mitwirkung verweigert."

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@klabauter

Jetzt unterstellen Sie mir aber dann doch etwas, das ich so weder geschrieben noch gemeint habe. Selbstverständlich gilt für die Beteiligten die Unschuldsvermutung. Einer Einleitung eines dienstrechtlichen Verfahrens steht diese aber nicht entgegen, denn die Strafanzeige von RA Dr. Strate enthält zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, die zusätzlich zum strafrechtlichen Ermittlunsgverfahren ein entsprechendes Aufsichtsverfahren rechtfertigen. Ein ähnlich freihändiger Umgang mit der Rechtsprechung des BVerfG hat kürzlich immerhin dazu geführt, dass eine Richterin aus Würzburg zur Stellungahme ins Minsterium einbestellt wurde. Der Status als Richter ist nämlich kein Persilschein, auch wenn die Rechtsprechung zum § 339 StGB manchmal diesen Eindruck erwecken kann...

Was Sie im Übrigen schreiben, ist ja schön und gut, ändert aber nichts daran, dass der Bayreuther Richter lediglich formelhaft die Verhältnismäßigkeit der Unterbringung erklärt ("... war erforderlich.. [...] Verhältnismäßigkeit angesichts der Massivität der ... Vorwürfe gewahrt.") und sich in keiner Weise mit der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzt. Wie selbstverständlich wird die Höchstdauer von 6 Wochen angeordnet - der Zusatz, dass Mollath bei Erreichen des Untersuchungszwecks zu entlassen sei, ist wenig hilfreich, weil als Zweck der Begutachtung einzig auf die Exploration abgestellt wird (zu der Mollath vom Richter selbst trotz Freiwilligkeit und mehrfach erklärter Weigerung zuvor aufgefordert (!) wurde; wenn daraufhin die zwangsweise Unterbringung angeordnet wird, bezeichnet RA Dr. Strate dies mE zutreffend als "Aussageerzwingungshaft"). In keiner Weise wird dargelegt, inwieweit eine (nach der Rechtsprechung per se nur teilweise zulässige) Beobachtung des Probanden für die Begutachtung erforderlich sei. Das wäre auch reichlich schwierig geworden, denn in der Psychiatrie gilt meines Wissens die Exploration als "Schlüssel der Begutachtung", sodass kein seriöser Vertreter dieses Fachs behaupten würde, dass er allein anhand der Beboachtung in einer zudem noch künstlichen Umgebung wie einer psychiatrischen Klinik eine verlässliche Diagnose stellen kann.

Ihre Zitate sind im Übrigen grob irreführend, denn wie auch der BGH aaO Rn. 19 a.E. betont, ist der dortige Beschluss auch deshalb rechtswidrig, weil er sich zu all diesen Punkten überhaupt "nicht verhält". Das gilt mE in gleichem Maße für den Bayreuther Beschluss. Diese Sorgfalt muss man in einem Rechtsstaat verlangen, wenn es um die mehrwöchige Inhaftierung eines (bis dahin unbescholtenen) Menschen geht! Aber es freut mich für Sie, wenn Sie das alles so gar nicht beunruhigt.

@ Wiss MA Sobota:

 

1. Es geht in der Strafanzeige nicht um einen "Bayreuther Beschluss" und einen "Bayreuther Richter" sondern um einen Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg. Und um die Ablehnung von Ermittlungen gegen den Richter und den Arzt durch die StA Bayreuth.

 

2. Dass die GenStA Nürnberg das Verfahren abgibt, ist keineswegs interessant. Ebensowenig wie der GBA für die Anzeige Mollaths wegen Steuerhinterziehung  zuständig war, ist die GenStA Nürnberg für Strafanzeigen gegen Richter und Ärzte zuständig oder für die Dienstaufsicht über die GenStA Bamberg und die StA Bayreuth. Von daher ist die Anzeige ausgerechnet bei der GenStA Nürnberg reiner Zinnober und Effekthascherei (warum wohl geistert sie gleich im Volltext durchs Netz?);  wieso soll der GenStA Nürnberg das Schreiben von Strate nach München leiten zwecks Dienstaufsicht über Bamberg, das könnte Herr Strate mit einer einfachen Fotokopie selber machen.

 

3.Soweit SIe auf die vom BGH beanstandeten Begründungsmängel hinweisen: Begründungsmängel führen nicht zu einem Freiheitsberaubungsvorsatz.  

 

Würden Sie sich auch einmal zur Frage äußern, was Sie zur von Strate behaupteten Bindungswirkung stattgebender Kammerentscheidungen (mit Rechtsstand 2004) und zur von Strate behaupteten Kenntnis des Amtsrichters von der BVerfG-Entscheidung meinen (im merkur-Interview, das ein anderer Kommentator verlinkt hat,  schwächt Strate schon ab: muss gekannt haben) ?

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klabauter schrieb:

@ Wiss MA Sobota:

 

1. Es geht in der Strafanzeige nicht um einen "Bayreuther Beschluss" und einen "Bayreuther Richter" sondern um einen Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg. Und um die Ablehnung von Ermittlungen gegen den Richter und den Arzt durch die StA Bayreuth.

 

2. Dass die GenStA Nürnberg das Verfahren abgibt, ist keineswegs interessant. Ebensowenig wie der GBA für die Anzeige Mollaths wegen Steuerhinterziehung  zuständig war, ist die GenStA Nürnberg für Strafanzeigen gegen Richter und Ärzte zuständig oder für die Dienstaufsicht über die GenStA Bamberg und die StA Bayreuth. Von daher ist die Anzeige ausgerechnet bei der GenStA Nürnberg reiner Zinnober und Effekthascherei (warum wohl geistert sie gleich im Volltext durchs Netz?);  wieso soll der GenStA Nürnberg das Schreiben von Strate nach München leiten zwecks Dienstaufsicht über Bamberg, das könnte Herr Strate mit einer einfachen Fotokopie selber machen.

 

3.Soweit SIe auf die vom BGH beanstandeten Begründungsmängel hinweisen: Begründungsmängel führen nicht zu einem Freiheitsberaubungsvorsatz.  

 

Würden Sie sich auch einmal zur Frage äußern, was Sie zur von Strate behaupteten Bindungswirkung stattgebender Kammerentscheidungen (mit Rechtsstand 2004) und zur von Strate behaupteten Kenntnis des Amtsrichters von der BVerfG-Entscheidung meinen (im merkur-Interview, das ein anderer Kommentator verlinkt hat,  schwächt Strate schon ab: muss gekannt haben) ?

 

zu 1) Wie Sie in Beitrag 10 lesen können, habe ich meinen Fehler selbst bemerkt und korrigiert, aber vielen Dank, dass Sie mich noch einmal so charmant darauf hinweisen.

 

zu 2) Natürlich handelt es sich hier um ein taktisches Vorgehen der Verteidigung. Allerdings "geistert" besagtes Schriftstück nicht durchs Internet, sondern wurde von RA Dr. Strate ganz offiziell auf seiner eigenen Homepage veröffentlicht.

 

zu 3 u. 4) Kein Mensch kann anderen Menschen in den Kopf schauen und den Vorsatz sicher feststellen. Hier handelt es sich naturgemäß um eine normative Zuschreibung. Meist nähert man sich über die Wissenskomponente an, denn je sicherer ich um etwas weiß, desto naheliegender ist es, dass ich mich mit dem Erfolg abfinde, wenn ich die Handlung dann trotzdem ausführe (vgl. dolus directus II, sog. Wissentlichkeit). Dabei ist es auch in der Rechtsprechung üblich, den Bildungsgrad eines Täters zu seinen Lasten zu berücksichtigen (s. etwa den berühmten Jamba-Fall in NStZ 1996, 380, in dem der BGH dem Angeklagten vorhält: "Daß der sehr intelligente, als Ingenieur ausgebildete Angekl. bei seinem ungezielten Stich auf den Körper des über ihn gebeugten Mannes die damit verbundene Lebensgefahr nicht erkannt hat, liegt ganz fern."). Übertragen auf einen Richter wird man nun schwerlich davon ausgehen können, dass er die Auslegung der anzuwenden Normen nicht kennt (wobei Nichtkenntnis natürlich den Vorsatz ausschließen würde; eine solche Einlassung eines Richters wäre schon bemerkenswert, kommt aber tatsächlich vor: BVerfG BeckRS 2010, 54627.). Bindungswirkung hin oder her (ich bin kein Experte im Verfassungsrecht und habe auch nicht die Muße, in dieser Sache Kommentare zu wälzen), hier geht es um eine Anwendung des § 81 StPO in einer Weise, die grundlegende verfassungsrechtliche Garantien ignoriert (§ 136a StPO, nemo tenetur-Grundsatz, Art. 1 I GG). Um zu bemerken, dass eine "Aussageerzwingungshaft" grob rechtswidrig ist, braucht man die Urteile nicht gelesen zu haben. Aber ich maße mir natürlich nicht an, darüber abschließend zu urteilen, was auch nicht meine Aufgabe ist.

Was die subjektive Seite der Rechtsbeugung angeht, teile ich die Auffassung von Prof. Erb, der für die Schaffung eines Tatbestandes der leichtfertigen Rechtsbeugung (und die Einrichtung einer unabhäniggen Stelle zur Ermittung in Fällen von Justizunrecht) plädiert. Auf diese Weise würde man die Beweisschwierigkeiten einer vorsätzlichen Rechtsbeugung vermeiden und das Unrecht einer groben Fahrlässigkeit (insbesondere in Fällen des richterlich angeordneten Freiheitsentzugs) rechtfertigte immer noch eine Strafandrohung - gerade auch, was eine effektive negative Generalprävention angeht, die man der aktuellen Form des § 339 StGB und seiner Auslegung durch den BGH (Tathandlung und Beratungsgeheimnis bei Kollegialentscheidungen) schwerlich bescheinigen kann.        

Auf der Webseite von Gustl Mollath steht jetzt, dass das Verfahren wegen Sachbeschädigung am 11.8.2005 von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde, gem. § 154 StPO.

Und dann war es genau dieses Verfahren, welches die Allgemeingefährlichkeit begründete.

Auf eine Beschwerde wurde es wieder aufgenommen.

http://www.gustl-for-help.de/chronos.html

 

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@Holger :
Die Staatsanwaltschaft kann vorläufig eingestellte Verfahren (s. Nr. 66) der Chronologie grds. jederzeit wieder aufnehmen, falls überhaupt die Sachbeschädigungen, wegen derer am 11.8.05 eingestellt wurde, identisch sind mit denen, die angeklagt wurden

Lesen Sie vielleicht auch Nr. 69 der Chronologie.

 

@Sobota:

Vermutlich haben wir einigermaßen gleichzeitig zur Bayreuth-Frage kommentiert, Ihre Ergänzung war noch nicht sichtbar, als ich angefangen habe zu schreiben.

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Exploration als Schlüssel der Begutachtung

Richtig, Herr Sobota. Und die Exploration ist deshalb unverzichtbar, weil  erstens zu den Voraussetzungen des § 63 StGB die Schuldunfähigkeit gehört. Und für deren Feststellung gilt zweitens: :

Es ist grundsätzlich nicht möglich durch eine Beobachtung in einem psychiatrischen Krankenhaus - und dauere sie auch noch so lange – Erkenntnisse über Verfassung und Befinden zu Tatzeiten zu gewinnen, die länger zurückliegen, wenn der Proband die persönliche Exploration verweigert.

Es gibt keinen Weg, Erkenntnisse über das Erleben eines Menschen zu gewin­nen, wenn er die Mitwirkung verweigert. Daher ist es nicht nur aus rechtlicher Sicht ein verbotener Weg, er ist auch aus forensisch-psychopathologischer Sicht unmöglich. Sofern schriftliche Aufzeichnungen, Tagebucheinträge, Briefe über Befinden und Verfassung zu den Tatzeiten vorlägen, wäre eine Einweisung unnötig.

Es sollte eigentlich jedem einleuchten: worüber man nichts weiß, davon kann man auch nichts sagen und erst recht nicht gutachten. Fast jeder Mensch mit einem IQ >90 weiß das, nur die meisten unserer para-psychopathologischen forensischen Psychiater nicht. 

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Sehr geehrter Herr Bode,

Sie schreiben:

Sie bemerkten am 30.11.2012, es wäre noch eine Beschwerde vor dem OLG Bamberg anhängig.

Betrifft diese wieder - wie bereits 2011 geschehen - die Überprüfung und Verlängerung der Unterbringung? Und könnte dies der Grund sein, warum das Bundesverfassungsgericht seit der Erhebung der Verfassungsbeschwerde im Januar 2012 nichts von sich hören läßt (Unzulässigkeit der VerfBeschw., weil Rechtsweg  nicht erschöpft)? Dann könnte ja das BVerfG seine Entscheidung von Jahr zu Jahr ewig vor sich her schieben, oder? Das kann doch so nicht stimmen....

Merkwürdig, dass Karlsruhe gegen eine entsprechende Entscheidung des OLG Bamberg vom 10.1.2012 bereits mit Beschluss vom 4. Oktober 2012 (BVerfG 2 BvR 442/12, OLG Bamberg / LG Bayreuth,) die Aufhebung wegen Verfassungswidrigkeit verfügt hat. Mollaths Verfassungsbeschwerde ist nämlich "älter"....

Und das OLG Bamberg könnte ja, da es die Entscheidung aus Karlsruhe längst vor sich auf dem Tisch liegen haben dürfte,  die Beschwerde von Mollath "verfassungsgemäß" entscheiden...

Soweit ich aus "gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen" gehört habe, hat sich das unbenannte Rechtsmittel (Gegenvorstellung?) vor dem OLG gegen die letztjährige Überprüfungsentscheidung inzwischen erledigt.

Die Verfassungsbeschwerde wäre unzulässig, wenn der Rechtsweg nicht erschöpft ist - damit können, wie Sie richtig bemerken - nicht die regelmäßigen Überprüfungen nach § 67e StGB gemeint sein. Die rechtskräftige Entscheidung mit ihrer möglicherweise grundgesetzwidrigen Folge "Unterbringung" muss dennoch mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können, auch wenn die weitere Unterbringung ohnehin jährlich überprüft wird. In welcher Reihenfolge das BVerfG Beschwerden "abarbeitet", weiß ich nicht. Sicherlich hängt die Reihenfolge auch von der Komplexität der Angelegenheit, dem Umfang der Akten etc. ab. Ich halte es auch für möglich, dass die derzeit angekündigten Wiederaufnahmeanträge zumindest faktisch die Dringlichkeit der Verfassungsbeschwerde beeinflussen. Aber ich bin kein Verfassungsprozessrechtler.

Ohnehin: Aus den von mir schon mehrfach genannten Gründen (insbes. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) erscheint die Freilassung Herrn Mollaths überfällig und könnte (auch ohne das BVerfG) jederzeit nach § 67d VI StGB durch das zuständige Gericht verfügt werden. Dies mag im Moment nicht wahrscheinlich erscheinen, kann aber dennoch als indirekte Folge der öffentlichen Diskussion erfolgen - es erfahren ja auch immer mehr Richter und Staatsanwälte in Bayern langsam, was ihre Kollegen da angerichtet haben und noch geschehen lassen, zum Nachteil des Ansehens der bayerischen Justiz insgesamt; auch das erzeugt einen gewissen Druck.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Prof. Müller:

 

meinen Sie wkrklich, daß BVerfG betreibt Aktenstudien?

 

MfG Harry

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Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Müller

 

Könnte es nicht aus irgendeinem Grund sein, dass Herr Mollath zum momentanen Zeitpunkt gar nicht entlassen werden will?

Sein Ziel war ja immer das Wiederaufnahmeverfahren und er misstraut den Behörden, dass es nicht weiter geht, sobald er mal entlassen ist.

Einen Freispruch hat er ja schon deswegen in der Tasche. Aber eben einen Freispruch 2. Klasse. Er will aber einen Freispruch 1. Klasse

Wenn nun die Staatsanwaltschaft argumentiert, dass es keinen Unterschied macht ob Freispruch 2. Klasse oder Freispruch 1. Klasse, braucht sie das Wiederaufnahmeverfahren ja gar nicht weiter verfolgen.

Es ist reine Spekulation von mir aus der Ferne. Aber ebenso mit Mißtrauen ausgestattet, wie Herr Mollath.

Robert Stegmann

4

Freispruch letzter Klasse

Sehr geehrter Herr Stegmann,

Robert Stegmann schrieb:

Einen Freispruch hat er ja schon deswegen in der Tasche. Aber eben einen Freispruch 2. Klasse. Er will aber einen Freispruch 1. Klasse

Sehr geehrter Herr Stegmann,

ich verstehe Ihren „Freispruch 2. Klasse“ nicht. 2. Klasse war für mich bislang immer „aus Mangel an Beweisen“ im Gegensatz zu erwiesener Unschuld. Ein Freispruch wegen Schuldunfähigkeit scheint mir besser charakterisierbar als „Freispruch letzter Klasse“, weil man mit unabsehbaren Folgen im dunklen Ort des Rechts, der forensischen Psychiatrie verschwindet. Was dort geschieht, hat mit Rechtsstaat oft nicht das Geringste zu tun. Es ist nicht selten ein Rechtsstaatsspiel von zynischen Rechtsbrechern oder gedankenlosen Bürokraten und Apparatschiks. Wenn Sie sich den Fall Franz Xaver Einhell ansehen, der nunmehr seit 18 Jahren wegen Exhibitionismus in dunklen Orten der Psychiatrie Bayerns verschwunden ist – bis ihn die SZ verdienstvoll am 14.12.12 unter dem Titel "Der nackte Wahnsinn" erschütternd auspackte – so werden Sie feststellen, dass viele forensische PsychiaterInnen nicht nur nicht gutachten können, schon weil ihnen das grundlegende Wissenschaftsverständnis fehlt, sie können oder wollen auch nicht richtig behandeln. Als praktisches „Rechtsstaatsprinzip“ könnte sich vielfach erweisen: wer in der Psychiatrie ist und keine „Lobby“ hat,  der ist schlicht und einfach verratzt. Menschenwürde? Recht? Humanität? Medizinische Kunst? Hier werden noch in großer Anzahl erschütternde und kaum glaubliche Fakten auf den Tisch kommen, wenn erstmal der Bereich „Pflege“ in den Fokus rückt.

Sehr geehrter Herr Stegmann,

mit Freisprüchen verschiedener Klassen (die es rechtlich gar nicht gibt) hat dies nichts zu tun, zumal Herr Mollath ja schon (aufgrund Schuldunfähigkeit) freigesprochen ist.

In meinem Eingangsbeitrag habe ich ja schon ausgeführt, dass es offenbar Herrn Mollaths (auch nachvollziehbares) Hauptinteresse ist, durch eine Wiederaufnahme möglichst weitgehend rehabilitiert zu werden. Ein Wiederaufnahmeverfahren wäre etwa dann erfolgreich, wenn jetzt anerkannt wird, dass schon damals die Voraussetzungen einer Unterbringung (§ 63 StGB) nicht vorlagen - zu diesen Voraussetzungen gehört auch die Begehung der damals festgestellten (nicht schuldhaften) Straftaten. Kommt man z.B. nun zum Ergebnis, diese seien gar nicht (oder nicht von Herrn Mollath) begangen worden, wäre die damalige rechtskräftige Entscheidung aufzuheben. Aber auch wenn das Gericht zum Ergebnis kommt, eine andere Voraussetzung des § 63 StGB hätte nicht vorgelegen  (z.B. die psychische Störung zum Zeitpunkt der Straftatbegehung oder die Gefährlichkeit), müsste die Entscheidung aufgehoben werden. Ob überhaupt und welchen der jetzt diskutierten Wiederaufnahmegründe das Gericht als zulässig und erheblich ansieht, kann derzeit kaum prognostiziert werden, schon gar nicht ohne die Akten intensiv studiert zu haben: Das braucht ein bisschen Zeit; ein WA-Verfahren ist keine einfache Sache.

Eine Entlassung aus der Unterbringung kann - ganz unabhängig davon - jederzeit nach § 67 d StGB gerichtlich verfügt werden. Dies wäre aber überhaupt kein "Freispruch", sondern ließe die rechtskräftige Unterbringungsentscheidung unberührt. Eine jetzige Freilassung aufgrund dieser Norm bedeutet ja nur, dass "ab jetzt" die Unterbringung nicht mehr als berechtigt angesehen wird. Über die Berechtigung der bisherigen Unterbringung von fast sieben Jahren sagt dies nichts aus. Deshalb kann ich auch verstehen, dass die bloße Freilassung aus Sicht  Herrn Mollaths nicht ausreicht. Auch wenn Herr Mollath demnächst entlassen werden sollte, wird er die Wiederaufnahme weiter betreiben können. Dasselbe gilt für die StA Regensburg, die ja vom Ministerium damit beauftrgat wurde, eine Wiederaufnahme zugunsten Herrn Mollaths anzustreben.

Jenseits dieser rechtlichen Überlegungen gibt es natürlich auch taktische/strategische, die man Herrn Mollaths Verteidigern überlassen sollte.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Sehr geehrter Herr Prof. Mueller,

Richter und Staatsanwälte in Bayern "erfahren langsam, was ihre Kollegen da angerichtet haben ". ist das Ihr Ernst?

Verzeihung, aber ich glaube die meisten Richter und Staatsanwälte wissen Bescheid über den Umgang mit Leuten wie Herrn Mollath vor bayerischen Amts- und Landgerichten.

Die Bayerische Praxis ist auch über Landesgrenzen hinweg mittlerweile hinlänglich bekannt.

Ist es für Vortäuschen von Naivität nicht etwas zu spät?

Es weiß auch 'jeder' Bescheid darüber, mit welchen "Qualitäten" man in Bayerns Justiz in Führungspositionen kommt!

Ausnahmen bestätigen die Regel.

Mit besten Grüßen,
M.Deeg

5

 

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Müller,

das strategische Hauptinteresse eines Weggesperrten

wie Mollath ist naturgemäß in erster Linie die unverzügliche Freilassung.

Weil ein Mensch in Freiheit am besten und einfachsten

die weiteren Rehabilitation-Verfahren-Strategien

organisieren kann.

Man nennt das Salamitaktik.

Mit der vernünftiger Weise das Pferd am schnellsten von vorne

- über die Unterbringungs-Schiene -

und nicht von hinten über die unendlich lange

Wiederaufnahme-Verfahrens-Schiene gesattelt wird.

 

Die Justiz-Achilles-Ferse ist das zeitlich längst überzogene Unterbringungsverfahren mit den

fantastisch-spekulativ überzogenen "Gutachten",

mit denen ins Blaue hinein ohne jede Indizien-

Grundlage eine Allgemeingefahr fortgeschrieben

wurde.

Das läuft schon auf einen psychiatrischen

Allgemeingefahr-Wahn hinaus mit paranoiden

Angst-Komponenten vor Mollath.  

 

Auf dieser Achilles-Ferse ist herumzureiten,

in der ist herumzubohren.

 

Darüber geht der kürzeste Weg nach Rom.  

 

Angesichts der anhängigen Verfassungsbeschwerde

- bezüglich deren Erfolgsaussichten auch die

Unterbringungs-Gerichtsbarkeit im Dunkeln tappen muss -

muss bei der Gerichtsbarkeit das Angst-Potential

groß sein, dass das BVerfG ihm in die trübe Suppe

der fantastischen Allgemein-Gefahr und Verhältnis-

Mäßigkeit spuckt.  

Eine Zurechtweisung durch das BVerfG ginge

dem Unterbringungsgericht und dessen

"Gutachter" hochnotpeinlich unter die Haut.

 

Und träfe das deutsche Psychiatrierungs-System

empfindlich in den Kopf.

 

Da liegt es für noch strategisch, ichbezogen  und

vernünftig denkende Unterbringungs-Richterschaften nahe, dem BVerfG zuvor zu kommen und Mollath lieber

selbst freizusetzen.

 

Statt in spekulativer Zocker-Manier auf eine für Mollath

negative VerfG-Entscheidung zu setzen.

Geht die Spekulation in die Hose, ist der Ruf der Unterbringungs-Gerichtsbarkeit und deren Akteure total ruiniert.

Das Gesichts- und Kompetenz-Verlust-Risiko dieser Gerichtsbarkeit ist immens.

 

Den Kopf aus der Schlinge zu ziehen ist simpel

mit einem halbseitigen Gerichtsbeschluss mit

2-Satz-Begründung :

Der Unterbringung wird aufgehoben.

Weil durch den Zeitablauf eine Allgemeingefährdung

nach Dafürhalten des Gerichts nunmehr entfallen ist und die Verhältnismäßigkeit eines weiteren Freiheitsentzuges im Hinblick auf die Taten vor 10 Jahren nicht mehr gewahrt wäre.  

 

So "suggeriert" man  nicht nur anwaltlich

der Gerichtsbarkeit im Zugzwang aufgrund

Öffentlichkeits-Empörung nahe liegende vernünftige

Entscheidungs-Alternativen :

Über diese Goldene Brücke müsst ihr gehen.

 

Um dem Risiko zu entgehen,  vom VerfG zu

begossenen Pudeln zu Recht getrimmt zu werden.

 

Der Nebenkriegsschauplatz des Wiederaufnahme-

Verfahrens tut dem damals brüllend agierenden Richter nicht mehr weh.

Der hat sein Pensions-Schäfchen so oder so

im Trockenen.  

Aber es tut der Justiz weh, wenn es dessen

alte trübe Suppe wieder aufkochen und auslöffeln muss.

 

Da liegt es nahe, das Justiz-Wehleid auf RA Strate

abzuschieben mit einer abwimmelnden formal-

juristischen paragraphen-technokratischen Prozess-Ökonomie- und "Rechtssicherheits"-Phraseologie-Entscheidung.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Querulant

@klabauter

Richtig, die Staatsanwaltschaft kann nach § 154 StPO eingestellte Verfahren jederzeit wieder aufnehmen. Aber: Die Staatsanwaltschaft stellt ein, dann wird wieder aufgenommen und genau mit der Sache die Allgemeingefährlichkeit begründet. Es ist doch nur eine Sachbeschädigung, wenn auch in mehreren Fällen, die vorgeworfen wird. Und wenn die Sachbeschädigung schon so gefährlich ist, warum wurde kein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr daraus gemacht?

Die Körperverletzung und die Freiheitsberaubung konnten keine Allgemeingefährlichkeit begründen, die Ehe war geschieden, alles vorbei. Deshalb musste die Sachbeschädigung her, siehe Punkt 60 der Chronologie.

 

5

@Holger:
Die Sachbeschädigungsfälle lagen dem Gutachter Leipziger laut Chrono Nr. 61 schon im Juni vor, laut Chronologie Nr. 63 datiert das Gutachten vom 25.7.05, am 4.8. bereits Antrag der StA auf Abgabe an das LG Nürnberg-Fürth (weil Unterbringung nach § 63 StGB im Raum steht, sonst ergibt ein solcher Antrag keinen Sinn).

 D.h. vielleicht wurden die Sachbeschädigungsfälle deshalb (teilweise) wieder aufgenommen und angeklagt, um die Unterbringung auf eine breitere Basis zu stellen, bekannt waren die Fälle aber bereits vorher im Rahmen des Gutachtens.

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Am 10.1. äußerte sich Herr Beckstein in Quer im Sender vom BR so.

Ein Wiederaufnahmeverfahren des Falls Mollath hält er rechtsstaatlich für problematisch.

 

 

 

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Freiheit schrieb:
Am 10.1. äußerte sich Herr Beckstein in Quer im Sender vom BR so.

Ein Wiederaufnahmeverfahren des Falls Mollath hält er rechtsstaatlich für problematisch.

Das ist grob verfälschend. Beckstein sagte:

"Es ist eine der ganz großen Besonderheiten, dass im Fall Mollath die Justizministerin zum Wiederaufnahmeverfahren angewiesen hat. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich das für rechtsstaatlich problematisch halte."

http://blog.br.de/quer/der-fall-peggy-droht-ein-neuer-justizskandal-09012013.html - ab 4:56

Er meinte also nicht das Wiederaufnahmeverfahren an sich, sondern die Anweisung der Justizministerin.

Mein Name schrieb:

Freiheit schrieb:
Am 10.1. äußerte sich Herr Beckstein in Quer im Sender vom BR so.

Ein Wiederaufnahmeverfahren des Falls Mollath hält er rechtsstaatlich für problematisch.

Das ist grob verfälschend. Beckstein sagte:

"Es ist eine der ganz großen Besonderheiten, dass im Fall Mollath die Justizministerin zum Wiederaufnahmeverfahren angewiesen hat. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich das für rechtsstaatlich problematisch halte."

http://blog.br.de/quer/der-fall-peggy-droht-ein-neuer-justizskandal-09012013.html - ab 4:56

Er meinte also nicht das Wiederaufnahmeverfahren an sich, sondern die Anweisung der Justizministerin.

 

Also wegsehen und wie gewohnt immer Alles den unabhaengigen Richtern ueberlassen? 

Wozu braucht man dann ueberhaupt ein Justizministerium?!

 

Im Zweifel fuer den Angeklagten - es ist eine unfassbar harte Strafe und Leute wie Beckstein

koennen sich offenbar nicht empathisch in die Situation eines Herrn Mollath hinein versetzen.

Chris Wagner schrieb:

Im Zweifel fuer den Angeklagten

Och das gilt in Bayern schon längst nicht mehr. Zuerst wegsperren und dann fragen, wenn es einer breiten und protestierenden Öffentlichkeit bekannt wird. Was tunlichst zu vermeiden ist.

 

Die Staatsanwaltschaft Augsburg wird jetzt sicher alles und den § 160 Abs. 2 StPO gründlichst anwenden.

 

Bei allen anderen Gelegenheiten ist dieser § nur ein lästiges Übel. Da muss dem Beschuldigten die Schuld nicht mehr nachgewiesen werden. Nein, er muss beweisen, dass er unschuldig ist. Wobei die Beweisermittlung auch mit gerichtlich bestellten Gutachtern erfolgt, und das Gericht seine Fragen schon so formuliert, dass nur eine Verurteilung in Frage kommt.

 

Robert Stegmann

 

 

 

 

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In der Sendung Quer des BR am 10.1. äußerte sich Herr Beckstein folgendermaßen:

Herr Beckstein hält ein Wiederaufnahmeverfahren des Falls Mollath für problematisch.

 

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@Joachim Bode

 

Soviel ich das verstanden habe, hat die Justizministerin nur angeordnet, dass die Staatsanwaltschaft Regensburg die Möglichkeit eines Antrages auf ein  Wiederaufnahmeverfahrens prüft.

Sie hat nicht gesagt, dass ein Wiedraufnahmeverfahren zwingend erforderlich ist.

Die Zulassung eines Wiederaufnahmeverfahrens bleibt wieder den Gerichten überlassen, aufgrund des Antrages der Staatsanwaltschaft. Hier darf sich die Justizministerin (offiziell) auch gar nicht einmischen.

Robert Stegmann

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Weshalb gibt es keine Instanz, die gerichtliche Entscheidungen überprüft, wenn Zweifel aufkommen ?

Müsste hier nicht der Gesetzgeber nachbessern und eine Art Qualitätssicherung einführen ?

Alle Menschen, auch Richter, machen irgendwann  Fehler. 

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Gast schrieb:

Weshalb gibt es keine Instanz, die gerichtliche Entscheidungen überprüft, wenn Zweifel aufkommen ?

Müsste hier nicht der Gesetzgeber nachbessern und eine Art Qualitätssicherung einführen ?

Alle Menschen, auch Richter, machen irgendwann  Fehler. 

 

Nur bei der Justiz gibt es bisher keine Qualitätssicherung, die ja, nach allgemeinem Verständnis, proaktiv zu wirken hätte.

Dort sträubt man sich mit Händen und Füßen.

Die jeweils übergeordnete Instanz, sofern deren Anrufung überhaupt zulässig ist, wirkt nicht in diesem Sinne. 

Es fehlt in der Tat die unabhängige, neutrale Kontrollinstanz für die Justiz.

Gewaltenteilung ist richtig, bedingt aber die gegenseitige Kontrolle der "Gewalten" (checks and balances). 

Legislative und Exekutive kontrollieren sich gegenseitig und werden beide auch durch die Justiz kontrolliert, lediglich die Justiz agiert formal im luftleeren Raum ohne institutionalisierte Kontrolle. 

Solange es keine richtige Kontrolle der Justiz gibt sind rechtspolitische Sündenfälle wie Seehofers Machtwort erforderlich. 

Eine Art Notwehr.

(Heute hat jede Klitsche ein mehr oder minder gut funktionierendes Qualitätssicherungssystem, die Organe der Rechtspflege wollen derartiges nicht. Warum wohl?

EN ISO 9001 wäre auch in der Justiz durchaus praktikabel!)

Das ist das Problem in Deutschland.

@Gast

Es gibt ja mehrere Instanzen und letzendlich das Bundesverfassungsgericht.

Wenn aber auch der BGH schlampt, wie in diesem Verfahren geschehen, dann ist der ordentliche Rechtsweg abgeschlossen.

Dann bleibt nur noch der Gang zum Bundesverfassungsgericht, was inzwischen ja geschehen ist. Meiner Meinung nach jedoch viel zu spät.

 

Robert Stegmann

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«Ich glaube, dass es absolut richtig ist, wenn man Herrn Mollath nun noch einmal von einem anderen Gutachter begutachtet», sagte Leutheusser-Schnarrenberger am Donnerstag in Nürnberg. Die Bundesjustizministerin sprach vor Obdachlosen und Hartz-IV-Empfängern zum Thema "Wen bessert das Gefängnis?" 

 

http://www.nordbayern.de/region/bundesjustizministerin-begrusst-bewegung-im-fall-mollath-1.2621033 

 

So einfach soll das gehen ! Einfach ein neuer Gutachter.  Es ist nur merkwürdig, dass anscheinend noch keine neuen Gutachter beauftragt wurden.

 

 

 

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Verwunderlich ist für mich, dass diese Verfassungsbeschwerde schon Anfang 2012 eingereicht wurde, dass BVerfG aber noch nicht entschieden hat.

 

In einem anderen Fall

 

http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/bverfg/12/2-bvr-442-12.php

 

war die Sache nach 10 Monate nach der Entscheidung des OLG durch.

 

Robert Stegmann

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# 11 Verfassungsbeschwerde

Hier wurde auf unvorstellbare Weise meiner Meinung nach ein Tötungsdelikt durchgeführt.

Also lag hier eine ganz andere Dimension von Tat vor, als im Fall Mollath.

 

 

 

 

 

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Auch die Bundesregierung hat in einer nicht öffentlichen Petition ein Qualitätssicherungssystem für die Justiz als nicht notwendig erachtet !

 

 

 

 

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Gast schrieb:

Auch die Bundesregierung hat in einer nicht öffentlichen Petition ein Qualitätssicherungssystem für die Justiz als nicht notwendig erachtet !

 

 

 

 

 

Klar, das sind doch Juristen, die das für überflüssig halten ....

Dr. Matschke schrieb:

Gast schrieb:

Auch die Bundesregierung hat in einer nicht öffentlichen Petition ein Qualitätssicherungssystem für die Justiz als nicht notwendig erachtet !

 

 

 

 

 

Klar, das sind doch Juristen, die das für überflüssig halten ....

Bei transparenten Abläufen, wie sie durch ein QS-System vorgegeben würden, läßt sich eben durch die Politik nicht mehr so gut hinter den Kulissen Einfluß ausüben, anders gesagt mauscheln.

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@Gast

Eben. Wenn man die Verhältnismäßigkeit dieser beiden Fälle vergleicht, dann hätte meines Erachtens das BVerfG längst eine sofortige Freilassung von Herrn Mollath anordnen sollen.

Soviel ich weiss, haben die Richter des BVerG auch das Recht dazu.

Robert Stegmann

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Was mich sowieso wundert, ist die Tatsache, dass die oben genannte Entscheidung nicht in der Entscheidungsdatenbank des BVerfG auftaucht.

Sowie ich den Text auf der Eingangsseite der Entscheidungsdatenbank verstehe, werden dort alle Entscheidungen des BVerfG eingestellt. Diese fehlt aber in der Entscheidungsdatenbank. 

Robert Stegmann

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@Dr. Matschke:

Und was bringt die tolle QS in jeder Klitsche?  Geld für die  Würstelbuden-Zertifizierungsindustrie und ein teures QS-Handbuch für den Würstelbudenbetreiber. Und das wird dann auch noch öffentlich subventioniert (z.B. KMU-Förderung für die ISO 9001-Zertifizierung) und nährt eine Beraterindustrie aus Steuermitteln. Siemens-ICEs, die entweder gar nicht erst ausgeliefert werden oder deren Klimaanlage im Sommer ausfällt, sind anscheinend durch die tolle QS durchgerutscht, Pfleiderer und Neckermann sind trotz QS in der Insolvenz.

Sie verkennen, dass  in einem Rechtsstaat die "QS" von Urteilen durch Rechtsmittel nebst Instanzenzug und -  quasi extern zum "fachgerichtlichen" Instanzenzug - die Möglichkeit der Landes- und Bundesverfassungsbeschwerde, der Menschenrechtsbeschwerde zum EGMR und z.B. Petitionsausschüsse der Landtage gewährleistet wird. Das dauert eben etwas länger. In der QS der "freien Wirtschaft" sind die Abläufe zudem  nur unternehmensintern transparent, anders als bei Urteilen, die nach öffentlicher Verhandlung ergehen, bei der Presse und Zuschauer anwesend sein können, und die ggf. auch noch veröffentlicht werden.
 

Die von Gast2 vermutete und - weil im Hintergrund ablaufende . "politische Mauschelei" würde doch auch bei ISO-Zertifizierung im Hintergrund ablaufen, von daher frage ich mich, was denn aus seiner Sicht durch eine ISO-Zertifizierung gewonnen werden sollte.

3

Bei der QS müssen die Unternehmen nachbessern, wenn Fehler durch Auditoren festgestellt wurden.

 

Ein gefälltes Urteil, wenn es falsch oder unverhältnismäßig ist, braucht vom Richter nicht nachgebessert werden. 

5

Es müsste erst ein kleines Kind kommen, das da sagte: "Das ist ja gar kein Rechtsstaat!" ("Des König neue Kleider")

 

Bis dahin werden die Juristen schweigen, sich bestenfalls mit Details befassen..

5

Das BVerfG kann eine Einstweilige Anordnung

erlassen.

Insbesondere in eilbedürftigen Freiheits-Entziehungs-

sachen wie Mollath.

Nach beim Eingang der Beschwerde 6 Jahre

Freiheitsentzug und  10 Jahre nach  den angeblichen

Bezugs-Straftaten ist der Ermessens-Spielraum

zur zeitraubenden Untätigkeit auf Null geschrumpft.

 

Heißt Aktionismus wäre rechtsstaatlich seit

1 Jahr angesagt, um dem Eindruck vorzubeugen,

dass ein mögliches Justiz-Opfer einer

Niederbrüll-Gerichtsbarkeit gegenüber einem

angebliche psychisch Kranken - das ist gerichtlich

würdelos und unmenschlich - auch noch vom

BVerfG ausgesessen wird.      

 

Als wäre Freiheits- und Selbstbestimmungs-Grundrecht

verfassungsgerichtlich ohne besondere Werthaltigkeit.

Und verfassungsgerichtliche Empathie - Einfühlungs-

Vermögen - in die Psyche von möglichen

Fehlurteil- und Fehlgutachten-Opfern - schwächelnd

bis justiz-bürokratisch abgestumpft.

Als wäre es eine fehlbürgerliche Wahn-Vorstellung,

dass es die zunehmenden nachweislichen Realitäten

von deutschen Fehlurteilen und Fehlgutachten

gibt, die Unschuldige der Freiheit berauben.

Und sich justizförmlich die Uneinsichtigkeit

breit macht, diese Justiz-Realitäten der

Fehlbarkeit wahrnehmen zu wollen und zu

können.

Das hätte gegenüber den Fehlurteils-Realitäten

schon psychischen querulatorischen Krankheitswert.

Mit den Reizworte-Maßstäben, mit denen

u.a. berufengagierten Querdenk-Mitbürgern

wie hess. Steuerfahnder und RANotar

paranoid querulatorische Entwicklung untergejubelt wird, die berufsunfähig machen soll.                

  

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