Regulierung des Internets - wie bitte? Die ITU diskutiert neue Regelungen.

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 03.12.2012

Die heute (03.12.12) beginnende WCIT-12 Konferenz der International Telecommunication Union (ITU - auch schon hier im Blog) in Dubai verspricht spannend zu werden: Bis zum 14.12.12 wollen 193 Mitgliedsländer der Sonderorganisation der Vereinten Nationen vor allem über die teils hoch umstrittene Neuregelung der International Telecommunication Regulations (ITRs) von 1988 bezüglich Kompetenzen der ITU sowie über die Regulierung des Internets diskutieren (schon ausführlich berichtet in MMR-Aktuell 2012, 339462- über Beck-Online). Die deutsche Presse berichtet mittlerweile laufend.

Pikant ist vor allem der Vorstoß von einigen Mitgliedsländern - darunter Russland, China, Indien, Brasilien - die Kompetenzen der Internet Corporation for Assigned Names and Number (ICANN) im Bezug auf die Vergabe von IP-Adressen auf die ITU zu übertragen - wohl mit dem Ziel, die Verwaltungskontrolle über das Internet zu bekommen. Laut Handelsblatt ist ein Nachteil der ICANN aus Sicht vieler Länder, dass diese aufgrund ihres Sitzes in den USA dem US-Recht unterliege. Dies ist diesen Staaten ein Dorn im Auge.

Die Bundesregierung, die USA, das EU-Parlament  und zahlreiche andere Staaten sind  gegen eine solche Kompetenzverlagerung und gegen die Vorschläge zur Netzneutralität. Die Sicherheit des Internets sei zwar wichtig, jedoch sei man skeptisch hinsichtlich eines internationalen Vertrages im Rahmen der ITU in diesem Zusammenhang.

Die amerikanische Interessensvertretung „Center for Democracy and Technology (CDT)“  hat ein detailliertes  ITU Resource Center eingerichtet. Sie ist gegen die Kompetenzausweitung und fordert außerdem die Einbeziehung von NGOs (wie Experten aus der Wirtschaft und unabhängige Interessenvertreter) in die Diskussion. Es dürfe nicht zu einer Zensur des Internets kommen. Andere meinen, dass die Kompetenzübertragung auf eine internationale Organisation in manchen Bereichen durchaus sinnvoll ist (Verfolgung von Straftaten, Cyber-Crime)

Was ist Ihre Meinung zur Diskussion in Dubai diese Woche?  

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2 Kommentare

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Das wirklich lustige an diesen "Governance"-Versuchen ist, dass sie auf die Freiwilligkeit und Kooperation der Benutzer und ihrere Provider angewiesen sind.

 

Spielen wir es einmal durch:

Die ITU übernimmt die Root-DNS-Server. Anträge für neue Domains können nur noch in Papier, persönlich nach Genf gebracht, gestellt werden.  Grosses Chaos, jede Domain muss schliesslich vom UN-Sicherheitsrat freigegeben werden. 

 

Was macht "das Internet"?

 

Das Internet benutzt einfach einen anderen DNS. Wenn das Internet nett ist, schreibt es statt "beck-blog.de" ein "beck-blog.de.2" als Domainnamen. Aber niemand kann es daran hindern. Sie, Ich, jeder kann DNS-Root-Provider werden. Es gibt keine Regel, keine Technik, die uns davon abhalten könnte. 

 

Klar, man könnte den Betrieb von (DNS) Nameservern unter Strafe stellen. Wie wahrscheinlich ist das? Und wie wahrscheinlich ist es, dass es nicht trotzdem "Piratenserver" gibt? Das Betreiben eines Verzeichnesdienstes "unter Strafe"? Das wäre ein Rückschritt in die Zeit als die Post noch "illegale" Modems gesucht hat ..

 

Ich kann das gerne noch weiter ausschmücken und erklären, aber ein Beispiel sagt alles:

Das Internet regulieren zu wollen, das ist genauso vielversprechend wie bei Ebbe einen Roman ins Watt zu kratzen.

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Wenn man sich in den Artikeln hierzu die Aussagen Russlands, Chinas etc. durchliest, kommt einem das kalte Grauen ob so viel Unverstaendnis bzw. Kontrollsucht. Saetze wie "Die Mitgliedsstaaten sollen gleiche Rechte haben, das Internet zu managen“ oder „das nationale Internet-Segment zu regulieren“ erkennen zwar imho das Uebergewicht der USA in Sachen Einfluss auf das Internet richtig, verkennen aber die grundsaetzlichen Gruende hierfuer bzw. die Struktur des Internet.

Denn wie auch der Praesident der ITU Toure noch einmal bekraeftigte, ist das Internet nun einmal ein Multistakeholder-Produkt. Netzwerke verschiedenster Akteure (Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft) werden verbunden und bilden das Internet. Ein so diverses - nach dem bottom-up-Prinzip - geschaffenes Medium mit einer 193 Mitglieder umfassenden Organisation reglementieren zu wollen grenzt an Groessenwahn und ist wohl rein politisch motiviert als sich an Effektivitaet und Zweckmaessigkeit zu orientieren. - Die vor 150 Jahren zur Regelung von Standards für Telegrafen (sinnvoller Weise) geschaffene ITU hat sich an dieser Stelle ueberlebt.

Der uebergrosse Einfluss auf die Inhalte des Internets durch den "Westen" respektive Amerika ergibt sich andererseits nicht aufgrund der Verortung der ICANN in Amerika, sondern schlicht und einfach aufgrund des Umstandes, dass der "Westen" nun einmal in grossen Teilen einen einfachen, guenstigen und freien Zugang zum Netz hat und damit die diversen Multistakeholder (und eben nicht die westlichen Staaten als solche) die Moeglichkeit haben ihre Netzwerke respektive Inhalte dem Internet hinzuzufuegen.

Hier waere also der richtige Ansatzpunkt fuer Russland, China, Iran etc. um die "Vorherrschaft" der westlichen Welt und ihrer (diffusen) Werte im Internet zu "brechen". Aber genau diesen freien und barrierefreien Internetzugang wollen diese Laender gar nicht. Sie wollen vielmehr kontrollieren, was fuer Inhalte in das Internet gelangen (Beispiel: personalisierter Chip fuer Internetzugang im Iran; Folge: Nationalisierung/"Balkanisierung" des Internets). Das gefaehrdet nicht nur die Meinungsfreiheit sowie andere menschenrechtliche Grundpfeiler, sondern bringt auch einige Kopierkuenstler wiederum selbst in ein Dilemma. Denn durch die Regulierung des Internet wuerden auch der Schutz von Inhalten verbessert. Wofuer sich wiederum auch die wiedergewaehlte Obama-Administration ("Hollywood") trotz grundsaetzlicher Opposition zu Internetregulierungen begeistern koennte (man erinnere sich an SOPA).

Man erkennt an dieser Stelle sehr deutlich die Ambivalenz einer dahingehenden Regulierung der Internets: Einerseits wuerde die Verfolgung von Straftaten vor allem im Zusammenhang mit Cyber-Crime erleichtert (Kinderpornographie, Urheberschutz), andererseits koennen die hierfuer geschaffenen Regulierungen, Mechanismen, Prozesse etc. zur Kontrolle anderer Inhalte (seien sie politischer, weltanschaulicher, religioeser Natur o.ae.) und damit zum Ausbau von Unterdrueckungs-/Ueberwachungsapparaten autoritaerer Regime genutzt werden. Viele autoritaere Regime zielen mit ihrer Befuerwortung von Regulierungen mehr oder weniger offen auf letzteres. Denn die Macht des freien Internet bzw. des freien Zugang zu diesem hat sich im Rahmen des arabischen Fruehlings gezeigt und einige autoritaere Staatsstrukturen in Angst versetzt, so dass diese nun bereits im Vorfeld fleissig Allianzen fuer die ITU geschmiedet haben.

Letztendlich ist davon auszugehen, dass die EU - nicht zuletzt geeint durch ihre "digitale Agenda" (zu der auch die "No Disconnect"-Strategie mit dem EU-Kommissionsberater zu Guttenberg gehoert) - dazu in der Lage sein wird, ein ausreichendes Gegengewicht in Dubai in die Waagschale werfen zu koennen, um etwaige Regulierungsauswuechse zu verhindern.

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