Stutenbissigkeit

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 04.12.2012
Rechtsgebiete: GewaltschutzGFamilienrecht1|3427 Aufrufe

 

Die Witwe und die Tochter des Verstorbenen aus einer anderen Beziehung waren u.a. über die Frage der Bestattung des Ehemanns und Vaters in Streit geraten.

 

Nach einem Gottesdienstbesuch (!) wollte die Tochter mit der Witwe reden, was diese ablehnte und sich wegdrehen wollte. Die Tochter hinderte sie daran, indem sie sie am Arm festhielt und ihr sagte, sie werde sie erst loslassen, wenn sie mit ihr rede. Erst Dritte konnten die Witwe losreissen.

 

Gegenüber dem Schwiegersohn der Witwe äußerte die Tochter im Anschluss: „Sie hat mir den Vater genommen. Jetzt sorge ich dafür, dass sie hier rausfliegt. Sie kann sich noch auf etwas gefasst machen. Bis jetzt habe ich versucht, ruhig zu bleiben, aber jetzt wird sie was erleben.“

 

Die Witwe, die aus Angst vor der Tochter ihres Mannes zu ihrer eigenen Tochter zog,  begehrte mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz den Ausspruch eines Näherungs- und Kontaktaufnahmeverbots und beantragte gleichzeitig, ihr dafür Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

 

Das OLG hat die begehrte VKH versagt.

 

Die Anordnung von Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz ist beschränkt auf Fälle der in § 1 Abs. 1 und 2 GewSchG abschließend aufgezählten, qualifizierten Rechtsgutverletzungen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 21.3.2012, 10 UF 9/12). Sie kommt daher nur im Falle einer vorsätzlichen und widerrechtlichen Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit einer anderen Person (§ 1 Abs. 1 GewSchG), einer widerrechtlichen Drohung mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 GewSchG), eines vorsätzlichen und widerrechtlichen Eindringens in die Wohnung oder das befriedete Besitztum einer anderen Person (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 a) GewSchG) oder einer unzumutbaren Belästigung einer anderen Person durch wiederholtes Nachstellen oder Verfolgen mittels Verwendung von Fernkommunikationsmitteln gegen deren ausdrücklichen Willen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 b) GewSchG) in Betracht.

 

Im vorliegenden Fall war das von der Antragstellerin vorgetragene kurzzeitige Festhalten am Arm allenfalls mit einer geringfügigen Beeinträchtigung ihrer körperlichen Bewegungsfreiheit verbunden, die für den Tatbestand der Freiheitsverletzung nicht ausreicht. Soweit das Verhalten der Antragsgegnerin den Tatbestand der Nötigung erfüllt, ist die Antragstellerin auf ihren allgemeinen Unterlassungsanspruch zu verweisen. Diesen mag sie in dem ohnehin abgetrennten und an das Zivilgericht verwiesenen Verfahren betreffend die Unterlassung ehrverletzender Aussagen verfolgen.

Den Erlass einer Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz rechtfertigt er aus den oben genannten Gründen nicht. Eine ausdrückliche Drohung mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit der Antragstellerin ist ebenfalls nicht vorgetragen. Bei versteckten Botschaften oder Andeutungen ist von der bedrohten Person vorzutragen, warum die Botschaft aufgrund des Kommunikationsinhalts und der Kommunikationsstruktur zwischen Täter und Opfer eine Drohung mit einer Rechtsgutverletzung enthält  

An entsprechendem Vortrag fehlt es hier. Es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Umstände die Ankündigungen, die Antragstellerin könne sich auf etwas gefasst machen und werde was erleben, als Drohung mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit der Antragstellerin zu verstehen sein sollen. Vielmehr wurden die Ankündigungen von ihrem Adressaten, dem Schwiegersohn der Antragstellerin, ausweislich seiner eidesstattlichen Versicherung vom 23.2.2012, Bl. 12 der Akte, offenbar dahingehend verstanden, dass sich die Antragsgegnerin zum Ziel gesetzt hat, den Ruf der Antragstellerin zu beschädigen und sie vor anderen Leuten bloßzustellen. Eine Verletzung der oben genannten Rechtsgüter ist damit nicht verbunden.

 

OLG Frankfurt v. 15.05.2012 - 4 WF 115/12

 

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Manchen Menschen bekommen Gottesdienstbesuche ganz schlecht. Ich bedauere die Richter (immerhin RiOLG!), die sich mit diesen Folgen auseinandersetzen zu müssen.

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