Ist dem Gericht schon vor dem Termin klar, wer der Täter ist? Dann muss es auch entbinden!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.12.2012
Rechtsgebiete: KGStrafrechtVerkehrsrecht|3224 Aufrufe

Die Entscheidung über die Entbindung von der gesetzlich vorgesehenen Pflicht zum persönlichen erscheinen in OWi-Sachen ist immer wieder problematisch. Hier etwa ein Fall, bei dem das AG nicht entbinden wollte, obwohl es offenbar schon von der Täterschaft überzeugt war:

 

 

 

 

 

Der Betroffene war vorliegend nach § 73 Abs. 2 OWiG von seiner Anwesenheitspflicht zu entbinden. Denn nach dieser Bestimmung entbindet das Gericht den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum Erscheinen, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hatte, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Entscheidung über den Entbindungsantrag nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, dieses vielmehr verpflichtet ist, dem Antrag zu entsprechen, sofern die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 OWiG vorliegen (vgl. Senat in std. Rspr.; vgl. etwa VRS 111,146 und 113, 63 sowie Beschluss vom 2. Oktober 2012 - 3 Ws (B) 466/12; OLG Dresden DAR 2005, 460). Hier lagen entgegen der Annahme des Amtsgerichts in den die Entbindungsanträge zurückweisenden Beschlüssen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass aus dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung geboten gewesen wäre. Aus dem bei Terminierung der Hauptverhandlung an den Betroffenen und seinen Verteidiger gerichteten Schreiben des Gerichts vom 26. März 2012 ergibt sich vielmehr, dass das Gericht durch Vergleich des Tatfotos mit einem bei den Akten befindlichen Foto des Betroffenen bereits nach Aktenlage zur vorläufigen Überzeugung gelangt war, dass der Betroffene Fahrer seines Fahrzeugs zur Tatzeit war. Aus ebendiesem Grunde regte es mit diesem Schreiben ein Überdenken der zunächst erfolgten Einlassung des Betroffenen an, eine Anregung, der der Betroffene dann mit dem Einräumen der Fahrereigenschaft nachkam.

Weshalb es bei dieser Verfahrenskonstellation des Erscheinens des Betroffenen in der Hauptverhandlung zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit seines Teilgeständnisses bedürfen sollte, bleibt völlig unerfindlich.

 

 

 

KG: Beschluss vom 08.10.2012 - 3 Ws (B) 574/12 - 162 Ss 143/12 = BeckRS 2012, 22442

 

 

 

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