Gut zu wissen, sollte der Winter doch noch kommen: Schneeballschlacht gehört zum Lehrerberuf

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 14.01.2013

 

Der Aufgabenkreis eines Lehrers reicht weit. Das musste sich kürzlich das Regierungspräsidium Freiburg vom dortigen Verwaltungsgericht (VG Freiburg Urteil vom 4.12.2012 - 5 K 1220/11) sagen lassen. Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der (verbeamtete) Lehrer hatte gerade den Klassenraum verlassen, da wurde er von seinen Schülern schon mit Schneebällen empfangen. Erst versuchte er noch, sie davon abzuhalten, doch er muss schnell gemerkt haben, dass er keine Chance hatte. Also ließ sich der Pädagoge auf eine Schneeballschlacht mit ungefähr 15 Schülern seiner Klasse ein - obwohl die Schulordnung dies auf dem Schulgelände verbietet. Ein Schneeball traf den Lehrer direkt aufs Auge. Er musste sich einer Augenoperation unterziehen und war einen Monat lang krankgeschrieben. Einen Dienstunfall wollte das Regierungspräsidium Freiburg hierin nicht erkennen. Es fehle der Zusammenhang mit seinen eigentlichen Dienstaufgaben. Zudem sei der Lehrer nicht in dieser Funktion gegenüber den Schülern „eingeschritten“, sondern habe privat an der Schneeballschlacht mit den Schülern teilgenommen „und dadurch seine erzieherische Vorbildfunktion verletzt“. Das VG sah dies hingegen anders: Eine Schneeballschlacht mit Schülern gehöre für Klassenlehrer zur Arbeit, urteilte das VG. Werde der Lehrer dabei verletzt, so sei dies ein Dienstunfall. Dies gelte auch dann, wenn die Schulordnung das Werfen von Schneebällen untersage. Selbst wenn nämlich der Lehrer mit seinen Schneeballwürfen gegen ein wirksames Verbot des Dienstherrn verstoßen haben sollte, verliere er damit nicht dessen dienstunfallrechtliche Fürsorge. „Es ist nachvollziehbar, dass der Lehrer die Schneeballschlacht nicht als Privatsache verstanden hat“, sagte ein Gerichtssprecher. Wegen seines guten Verhältnisses zu den Schülern habe er die Schneeattacke nicht als böswillig, sondern als Ausdruck der Lebensfreude verstanden. Deshalb habe er sich beteiligt. „Anders konnte der Pädagoge nicht reagieren, sonst hätte er sich lächerlich gemacht“, hieß es zur Urteilsbegründung. Das Gericht bezeichnete es zudem als „lebensfremd“, wenn das Regierungspräsidium Pädagogen das Werfen von Schneebällen grundsätzlich verbiete.

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1 Kommentar

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Folgende Sätze aus dem Urteil sind mMn noch wichtig und kommen in den Medienberichten zu kurz:

Der Unfall ereignete sich unstreitig auf dem Schulgelände des ...-Gymnasiums in ... (Dienstort) und nach seinen glaubhaften Angaben befand sich der Kläger auch noch im Dienst, weil er sich nach dem Ende der letzten Unterrichtsstunde von einem externen Pavillon in das Hauptgebäude begeben wollte, um dort das Klassenbuch zu deponieren bzw. um dort noch Eintragungen vorzunehmen (Dienstzeit). Wegen der unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Beziehung zum Dienst streitet vorliegend bereits die Regelvermutung dafür, dass es sich bei der erlittenen Augenverletzung des Klägers um einen Dienstunfall handelt. Eindeutig dem privaten Bereich zurechnen lässt sich, die Teilnahme an der spontan entstandenen Schnellballschlacht nicht.
...
Die Aufspaltung eines einheitlichen, in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehenden Lebensvorgangs in mehrere Phasen, von denen die eine „dienstlich“ (defensive Verteidigung gegen Schneeballwürfe) und die andere „außerdienstlich“ bzw. „privat“ (aktive Teilnahme an einer Schneeballschlacht) sein soll, erscheint der Kammer lebensfremd.

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