Polizist erschießt: Klageerzwingungsantrag erfolglos

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 24.01.2013
Rechtsgebiete: StrafrechtVerkehrsrecht35|8432 Aufrufe

Klageerzwingungsverfahren werden hinsichtlich ihrer Anforderungen von den Antragsstellern oft unterschätzt. Der Antrag muss stets mit größter Sorgfalt und Akribie gestellt werden, da er ansonsten unzulässig ist. Hierzu ein aktuelles Beispiel:

 

Dem Antrag liegt der Vorwurf zugrunde, die Beschuldigten hätten am Morgen des …. Januar 2010 – ohne dabei durch Notwehr gerechtfertigt gewesen zu sein – auf den Sohn der Antragsteller, X, geschossen, wodurch dieser noch am gleichen Tag verstarb.
Mit Bescheid vom 24. November 2011 hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Staatsanwaltschaft ist davon ausgegangen, dass X mit einem Messer in der Hand auf die Beschuldigten zugelaufen ist und auf die Aufforderung, stehen zu bleiben, nicht reagiert hat. Als er noch 2-3 Meter vom Beschuldigten POK Y entfernt war, gab der Beschuldigte den zum späteren Tod des X führenden Schuss auf den Oberkörper ab. Im weiteren Verlauf schoss der Beschuldigte PK V mehrmals auf die Unterschenkel des X.

Die Beschwerde des Antragstellers hat die Generalstaatsanwaltschaft durch Bescheid vom 8. Juni 2012 verworfen. Gegen diesen Bescheid, der dem Bevollmächtigten der Antragsteller am 18. Juni 2012 zugestellt wurde, richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 17. Juli 2012, der am 18. Juli 2012 beim Oberlandesgericht eingegangen ist.

II.

Der Antrag erweist sich als unzulässig, weil die Antragsschrift nicht den zwingenden gesetzlichen Formerfordernissen des § 172 Abs. 3 StPO entspricht. Ausgangspunkt der Prüfung und allein maßgeblich ist der Vortrag in der Antragsschrift. Aus ihm alleine muss sich ein aus sich heraus verständlicher und in sich geschlossener Sachverhalt ergeben, der bei Unterstellung seiner Richtigkeit die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigen würde. Die Sachdarstellung muss auch in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe für deren behauptete Unrichtigkeit mitteilen. Dazu sind die dafür notwendigen Tatsachen darzulegen und die erforderlichen Beweismittel zu benennen. Eine Bezugnahme auf die Akten, frühere Eingaben oder andere Schriftstücke ist dabei unzulässig (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 172 Rn. 30 ff. m. w. N.; Senat, Beschluss vom 9.12.2011 – 2 Ws 118/11). Nach Ablauf der Antragsfrist ist neuer Tatsachenvortrag unzulässig. Von daher sind die Schriftsätze vom 05.09.2012, 15.10.2012, 17.10.2012 und 18.10.2012 – soweit sie neue Tatsachen enthalten – von vorneherein nicht zu berücksichtigen gewesen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.11.2000, 3 Ws 220/99. Tz. 20, zit. nach juris m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird der Antrag nicht gerecht.

Soweit der Antrag auf eine Anklageerhebung gegen den Beschuldigten PK V abzielt, erweist er sich bereits aufgrund der fehlenden Verletzteneigenschaft der Antragsteller als unzulässig. Eltern eines Getöteten sind nur für rechtswidrige Taten im Sinne des § 395 StPO, mithin für vollendete Straftaten gegen das Leben sowie solche, die durch den Tötungserfolg qualifiziert sind (st. Rspr. des BGH, zuletzt Beschluss vom 11.10.2011, 5 StR 396/11), antragsberechtigt. Nach dem allein maßgeblichen Klageerzwingungsantrag begehren die Antragsteller bezüglich des Beschuldigten PK V lediglich die Anklageerhebung wegen gefährlicher Körperverletzung (S. 1 und 69 der Antragsschrift vom 17.07.2012), da die Schüsse des PK V nicht todesursächlich waren. Nach dem Obduktionsbericht ist X an der durch den Schuss des Beschuldigten POK Y verursachten inneren Blutung verstorben. Soweit die Antragsteller mit Schriftsatz vom 05.09.2012 erstmals behaupten, es bestehe auch die Möglichkeit der Mitursächlichkeit der Schüsse des Beschuldigten V, ist dieser neue Tatsachenvortrag nach Ablauf der Antragsfrist nicht mehr zu berücksichtigen und wird im Übrigen auch nicht durch die vorgelegten Berichte des Gerichtsmedizin gestützt.

Soweit die Antragsteller eine Anklageerhebung gegen den Beschuldigten POK Y wegen Totschlags begehren, fehlt es an der erforderlichen schlüssigen Darlegung eines Sachverhalts, der bei Unterstellung seiner Richtigkeit ein strafbares Verhalten des Beschuldigten ergeben würde.

Die Antragsteller gehen davon aus, dass X sich schnellen Schrittes mit dem Messer in der Hand auf die Polizeibeamten zubewegte, angesichts der ihm entgegen gestreckten Waffen aber stehenblieb und sich auf der Stelle bewegte, ohne die Beschuldigten anzugreifen. Die Schüsse seien abgegeben worden, nachdem X der Anweisung der Beschuldigten, sich auf den Boden zu legen, nicht nachkam.

Allerdings ist dieser Sachverhalt nicht durch Tatsachen belegt.

Schon die von den Antragstellern aufgestellte Behauptung, der Angriff sei beendet gewesen, erweist sich als nicht tatsachenfundiert. Sie wird allein auf die Aussage der Zeugin Z1 gestützt, die das behauptete Geschehen bei näherer Betrachtung jedoch nicht zu belegen vermag.

Zwar hat die Zeugin nach der in der Antragsschrift zitierten polizeilichen Aussage bekundet, der X habe mit dem Rücken in Richtung Schranke gestanden und sich auf der Stelle hin und her bewegt. In ihren Aufzeichnungen hat sie notiert, dass drei Männer (gemeint sind die Polizeibeamten) und ein vierter Mann (ca.) 1 Meter auseinander standen. Allerdings lässt dies nicht den von den Antragstellern gezogenen Schluss darauf zu, dass der Angriff des X auf die Polizeibeamten beendet war. Zum einen ist entscheidend, dass die Zeugin in ihrer Vernehmung ausdrücklich angegeben und auf Nachfrage bestätigt hat, dass ihr Fokus „ganz intensiv“ auf dem „Polizisten mit der Waffe“ lag. Sie konnte nicht sagen, wie sich „die Person mit der Kapuze“ kurz vor der Schussabgabe verhielt und wusste nicht, ob die Person sich in Richtung des Beamten bewegte oder weiterhin auf der zuvor beschriebenen Stelle verblieb. Damit hat die Zeugin Z1 das allein entscheidende Geschehen unmittelbar vor der Schussabgabe nicht beobachtet.

Zum anderen widerspricht die von der Zeugin Z1 angefertigte Skizze – eingefügt nach S. 36 der Antragsschrift – den objektiven Beweismitteln, insbesondere dem Auffindeort der Patronenhülsen, dem Messer sowie den Blutspuren. Danach hat sich das unmittelbare Tatgeschehen an ganz anderer Stelle, nämlich weiter entfernt vom Eingangsbereich, abgespielt.

Der Auffindeort des Messers (Ass.-Nr. 1.1) ebenso wie der Patronenhülse (Ass.-Nr. 1.2), die dem Beschuldigten Y zuzuordnen ist, lassen sich im Zusammenhang mit den dokumentierten Blutspuren dagegen ohne weiteres mit der von der Staatsanwaltschaft zugrunde gelegten Sachverhaltsschilderung in Einklang bringen, wonach der erste Teil der Auseinandersetzung einschließlich der tödlichen Schussabgabe im Bereich der Fahrerseite des Streifenwagens stattgefunden hat.

Der Versuch der Antragsteller, gerade diese Übereinstimmung mit der objektiven Beweislage durch den Vorwurf der Manipulation des Auffindeortes des Messers zu entkräften, ist spekulativ und wird durch keinerlei Tatsachen gestützt. Dass auch die Patronenhülse und die Blutspuren manipuliert worden sein sollen, behaupten die Antragsteller im Übrigen selbst nicht.

Der von den Antragstellern geschilderte Sachverhalt widerspricht auch den im Kern identischen Einlassungen der Beschuldigten sowie der Aussage des Zeugen PK-A Z2. Die Würdigung der Antragsteller, die Darstellungen der Polizeibeamten würden so stark voneinander abweichen, dass ihnen schon aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit nicht gefolgt werden könne, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, zumal sie sich ebenfalls mit den Auffindeorten der Asservate in Einklang bringen lassen.

Soweit aus dem Gesamtzusammenhang der Antragsschrift ferner die Auffassung der Antragsteller zu entnehmen ist, selbst bei Unterstellung einer gegenwärtigen Angriffssituation habe sich der Beschuldigte POK Y nicht mit einer i.S.d. § 32 StGB erforderlichen und gebotenen Notwehrhandlung verteidigt, ist dem aus rechtlichen Gründen nicht zu folgen.

Befindet sich der Angegriffene in einer Notwehrlage, ist er grundsätzlich dazu berechtigt, dasjenige Abwehrmittel zu wählen, welches eine endgültige Beseitigung der Gefahr gewährleistet, d.h. der Angegriffene muss sich nicht mit der Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel begnügen, wenn deren Abwehrwirkung zweifelhaft ist. Nur wenn mehrere wirksame Mittel zur Verfügung stehen, hat der Verteidigende dasjenige Mittel zu wählen, das für den Angreifer am wenigsten gefährlich ist. Wann eine weniger gefährliche Abwehr geeignet ist, die Gefahr zweifelsfrei, sofort und endgültig zu beseitigen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH, NJW 1991, 503, 504; NStZ 2005, 31; NStZ 2012, 272ff.). Unter mehreren Abwehrmöglichkeiten ist der Verteidigende zudem nur dann auf die für den Angreifer weniger gravierende verwiesen, wenn ihm genügend Zeit zur Wahl des Mittels sowie zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht (BGH, NStZ 2005, 31).

Der Beschuldigte POK Y hatte zunächst keine anderen Mittel als die Schusswaffe zur Verfügung. Soweit sich aus dem Nachgeschehen ergibt, dass er einen Schlagstock bei sich führte, ist dieser nicht geeignet gewesen, den Angriff sicher zu beenden. Denn bei Einsatz des Schlagstocks hätte sich der Beschuldigte auf einen Nahkampf mit dem Angreifer einlassen müssen, bei welchem die Gefahr einer Verletzung durch das mitgeführte Messer bestand. Gleiches gilt für den möglichen Einsatz eines Pfeffersprays.

Auch auf einen Schuss in Richtung der Beine musste der Beschuldigte nicht verwiesen werden, wobei insoweit schon zweifelhaft ist, ob der Beschuldigte überhaupt Zeit hatte, die Lage und damit die Auswahl verschiedener Mittel abzuwägen. Ein solcher Schuss des Beschuldigten Y versprach schon deshalb keinen Erfolg, weil der Schuss auf die Beine gegenüber einem sich in schneller Bewegung befindlichen Angreifer einem hohen Fehlschussrisiko ausgesetzt ist. Ein Fehlschuss konnte aber bereits zu einer weiteren Annäherung des – nur noch wenige Meter entfernten – Angreifers führen. Aufgrund der raschen Annäherung des Angreifers ist der Schuss auf eine breitere Stelle am Oberkörper damit erforderlich gewesen, um den Angriff sofort beenden zu können.

Schließlich bedurfte es – zusätzlich zur Androhung des Schusswaffeneinsatzes – auch keines Warnschusses. In der Regel ist der Angegriffene zwar gehalten, den Gebrauch der Waffe zunächst anzudrohen oder vor einem tödlichen Schuss einen weniger gefährlichen Einsatz zu versuchen. Die Notwendigkeit eines Warnschusses besteht aber nur dann, wenn ein solcher Schuss auch dazu geeignet gewesen wäre, den Angriff endgültig abzuwehren (BGH, StV 1993, 241, 242; NStZ 2005, 31). Davon konnte vorliegend aufgrund der Dynamik des Geschehens und der zeitlichen und örtlichen Nähe des X zum Beschuldigten nicht ausgegangen werden.

Der Beschuldigte war auch nicht gehalten, dem Angriff des X auszuweichen. Nach dem Grundgedanken der Notwehr wird vom Angegriffenen grundsätzlich nicht erwartet, dass er dem Angriff ausweicht, soweit nicht besondere Umstände sein Notwehrrecht einschränken. Dies gilt auch für Polizeibeamte, die im Dienst einem Angriff ausgesetzt sind und sich zur Abwehr ihrer Dienstwaffe bedienen (BGH, NStZ 2005, 31; BayObLG, MDR 1991, 367). Besondere Umstände, die eine Ausnahme unter dem Gesichtspunkt der Gebotenheit der Notwehr gegenüber Angriffen schuldlos handelnder Personen rechtfertigen könnten, liegen ebenfalls nicht vor. Den Beschuldigten war bei Eintreffen am Geschehensort lediglich aufgrund der Funksprüche bekannt, dass im Hof des … ein Mann eine Frau bedrohe und der Mann ein Messer dabei habe. Dass X – wie im Nachhinein bekannt wurde – unter einer psychischen Störung aus dem schizophrenen Formenkreis litt und suizidal war, war für die Beschuldigten nicht erkennbar.

Der Senat war auch nicht veranlasst, die beantragte richterliche Vernehmung weiterer Zeugen durchzuführen, da dies zumindest einen zulässigen Antrag nach § 172 Abs. 3 StPO voraussetzt. Im Übrigen hat der Vortrag zum Nachgeschehen auf dem Hof des … sowie zu Spekulationen um den Verbleib der medizinischen Beinschienen des Getöteten für das im Klageerzwingungsverfahren allein maßgebliche Tatgeschehen bis zum tödlichen Schuss keine Relevanz.

Da der Antrag als unzulässig verworfen wird, sind den Antragstellern keine Kosten aufzuerlegen. Ihre notwendigen Auslagen haben sie ohnehin zu tragen.

 

 

 

zur Klageerzwingung:

Krumm, SVR 2012, 36
Musterantrag im Klageerzwingungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung

 

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35 Kommentare

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Unschwer zu erkennen als der Fall Eisenberg - natürlich haben sachfremde Erwägungen bei der Entscheidung des Gerichts keine Rolle gespielt.

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Naja, der Unterschied zwischen dem hier besprochenen Fall Alexander C. und dem Fall Tennessee Eisenberg liegt wohl darin begründet, dass der Fall Alexander C. in Frankfurt und der Fall Tennessee Eisenberg in Regensburg spielt. Weitere Unterschiede vermag ich allerdings so mit bloßem Auge nicht zu erkennen. 

Danke. Und das ist die Karteikarte dazu:

https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=OLG%20Frank...

Dort steht nichts darüber, wie seinerzeit über die VB der Eltern von Alexander C. entschieden worden ist, also vermute ich mal, dass es auch im Fall Alexander C. wieder nur das übliche Blatt aus Karlsruhe gab. 

Das Blatt aus Karlsruhe ist wirklich ueberraschend ausgefallen. Herr Eisenberg wurde darin mit einen aufwendigen Munitionsaufwand zerschossen und regelrecht exekutiert. Nicht vermerkt wurden dabei in Berichten von Medien auch noch ueber Schussverletzungen im Ruecken des Opfers. Das kann keine Notwehr sein.

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Wäre das KlEV seinerzeit fair verlaufen (Richterliche Hinweise, Mündliche Verhandlung) wäre die Staatsanwaltschaft dazu verpflichtet worden, Anklage zu erheben. Jo 10. NOVEMBER 2020 UM 9:07 PM


 

 

Exemplarisch empfehle ich (als AfD-Unterstützer) noch die Lektüre von dem (linken) RA Alexander Würdinger (Juristen ist er vielleicht bekannt: das BVerfG ist seiner Argumentation/Rechtsmeinung zum Klageerzwingungsverfahren (KlEV) – seit 2019 – und v.a. zum Ermittlungserzwingungsverfahren (EEV) – seit 2020 – im Kontext des Rechts auf Strafverfolgung Dritter, nämlich Anwendung von VwGO auf diese Verfahren, in seinem HRRS-Aufsatz „Die Zeitenwende im Klageerzwingungsverfahren“ gefolgt (auch wenn er in den BVerfG-Entscheidungen nicht genannt wird), und er ist einer der Anwälte im Fall Ouri/-y Jallow/-h gewesen, aber Letzterer spielt hier eigentlich keine Rolle):
https://community.beck.de/user/profil/ra-wurdinger
Es geht hier nur um folgende Teile:
Anfang bis ausschließlich „VII. Oury Jalloh“. Und dann erst wieder ab „XIV. Die Zeitenwende im Klageerzwingungsverfahren, HRRS 2016, 29“ bis Ende.
 

ANTWORTEN

Wäre das KlEV seinerzeit fair verlaufen (Richterliche Hinweise, Mündliche Verhandlung) wäre die Staatsanwaltschaft dazu verpflichtet worden, Anklage zu erheben

Wäre Ihre juristische Ausbildung seinerzeit ordentlich in der Uni und nicht pichelnd auf dem Weißbierkarussell verlaufen, wären die Gerichte nicht verpflichtet gewesen, mit Ihnen in einer unendlichen Reihe von Urteilen kostenpflichtig die Grundlagen des Fachs zu durchzugehen. Ihrem "AfD-Unterstützer" ist wohl unbekannt, dass Sie mit Ihrem Unsinn seit Jahren vor sämtlichen Gerichten vollkommen berechtigt blutig auf die Schnauze fallen, meistens unter Auferlegung einer Mißbrauchsgebühr, vgl.:
BayVerfGH, E. v. 07.11.2019 - Vf. 46-VI-18
BayVerfGH, E. v. 08.11.2019 - Vf. 48-VI-18
BayVerfGH, E. v. 08.11.2019 - Vf. 51-VI-18
BayVerfGH, E. v. 08.11.2019 - Vf. 77-VI-18
BayVerfGH, E. v. 10.12.2019 - Vf. 47-VI-18
BayVerfGH, E. v. 10.12.2019 - Vf. 20-VI-19
BayVerfGH, E. v. 10.12.2019 - Vf. 50-VI-18
BayVerfGH, E. v. 10.12.2019 - Vf. 31-VI-19
BayVerfGH, E. v. 28.01.2020 - Vf. 56-VI-18
BayVerfGH, E. v. 04.02.2020 - Vf. 51-VI-19
BayVerfGH, E. v. 02.12.2020 - Vf. 76-VI-19
BayVerfGH, E. v. 02.12.2020 - Vf. 102-VI-19

Beim Bundesverfassungsgericht sind Sie auch schon mehrfach gescheitert. Jemand der seit vielen Jahren derart massiv daneben liegt, wie Sie, und nichts daraus lernt, ist nur noch lächerlich.

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@kb

Unschwer zu erkennen, dass die StA Frankfurt/M. mit Regensburg nichts zu tun hat. Sollten nicht vielleicht eher sachfremde Erwägungen beim Verfassen des Kommentars eine Rolle gespielt haben...?

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Der Fall Tennessee Eisenberg ist bereits vor über zwei Jahren vom OLG Nürnberg durch Ablehnung der Klageerzwingung als "unbegründet" (nicht unzulässig) beendet worden, siehe hier.

Wahrscheinlich geht es hier um einen Fall am Frankfurter Bürgerhospital, hier ein Bericht der FR.

ah - danke. Sie haben Recht - das könnte der Fall sein.

Bedenklich, dass tödliche Polizeischüsse so oft vorkommen, dass die Fälle kaum noch auseinanderzuhalten sind!

(Und eine offene Debatte zum Thema 'suicide-by-cop' ist in Deutschland offenbar ein Tabu....obwohl intern als Problem erkannt)

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@M. Deeg:
Nur weil bei manchen Kommentarverfassern wie kb reflexartig irgendwelche Stichworte ("Eisenberg") fallen, heißt das nicht, dass die Fälle "kaum noch" auseinanderzuhalten sind.

Eine simple google-Abfrage zeigt z.B. bei Prof. Loreioder bei CILIP dass die ach "so oft vorkommenden" tödlichen Polizeischüsse gegenüber den 1990ern (Spitzenwerte 1993, 1995, 1999 laut CILIP)deutlich abgenommen haben. Und im Jahr 2000 wurden mehr Polizeibeamte erschossen als umgekehrt Bürger von Polizeibeamten.

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@M.Deeg

Sind das denn wirklich so viele? Ich glaube, dass da manchmal die Wahrnehmung durch die mediale Aufbereitung und die eigene Disposition etwas getrübt ist. Aber auch in meiner Wahrnehmung steht der polizeiliche Schusswaffeneinsatz sehr häufig im Zusammenhang mit psychiatrischen Erkrankungen, so dass sich die Meldungen in der Tat nicht immer auf den ersten Blick auseinanderhalten lassen.

In den letzten Jahren gab es in Deutschland durchschnittlich etwa 50 polizeiliche Schusswaffeneinsätze gegen Personen pro Jahr - siehe hier und hier. Demgegenüber gibt es etwa 10000 Suizide pro Jahr - hier. Das ergibt etwa einen Suizid alle 50 Minuten. Das Dunkelfeld dürfte auch entsprechned groß sein. Wenn man dann im Hinterkopf hat, dass der Suizid erst die letzte Phase ist und entsprechend aggressives Verhalten (beim Suizid in letzter Konsequenz gegen sich selbst) in den Phasen davor entsprechend häufig vorkommt, kann man sich vorstellen, wie oft die Polizei mit solchen Fällen zu tun hat. Dann ist die Zahl 50 in der Gesamtschau ziemlich klein. Suicide by cop ist meiner Meinung nach nicht das große Problem, eher die 'normale' Agressivität gegen andere, die sehr häufig mit den psychiatrischen Erkrankungen einhergeht und die dann einen Polizeieinsatz auslöst.

Gar kein Schusswaffengebrauch wäre natürlich wünschenswert, aber auch im oben genannten Beschluss wird doch deutlich dargestellt, dass das leider nicht immer geht. So leid mir das auch für den Getöteten und seine Angehörigen tut...

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Da die Statistik von Lorei (hier) 2006 endet, finden sich hier (taz-link) noch die Zahlen aus den Jahren 2010 und 2011. Auch wikipedia listet die Zahlen auf.

Zum Thema, ohne dass ich genaueres zu den Hintergründen des hiesigen Antrags weiß: Allgemein sind die formalen Anforderungen an einen Klageerzwingungsantrag gerichtlich sehr hoch (viele sagen: zu hoch) angesetzt. Und selbst wenn diese Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind, werden die meisten Klageerzwingungsanträge trotzdem noch abgelehnt. Es ist in Deutschland äußerst schwierig, ein Klageerzwingungsverfahren erfolgreich zu betreiben. Das ist gerade in Fällen polizeilicher Einsätze in einigen Fällen bedauerlich, denn oftmals wäre ein gerichtliche Aufklärung solcher Ereignisse angezeigt.

Henning Ernst Müller schrieb:

[...] Das ist gerade in Fällen polizeilicher Einsätze in einigen Fällen bedauerlich, denn oftmals wäre ein gerichtliche Aufklärung solcher Ereignisse angezeigt.

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

 

auch wenn ich mir in solchen Fällen ebenfalls Aufklärung wünsche (und eine solche oftmals nur durch eine gerichtliche Beweisaufnahme möglich sein wird), sehe ich hier ein Dilemma. Denn für eine gerichtliche Aufklärung muss zunächst aus Sicht der Staatsanwaltschaft ein hinreichender Tatverdacht vorliegen, d.h. es wird anschließend unter der Prämisse aufgeklärt, dass eine Verurteilung des/der Polizisten (nach den Erkenntnissen zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens) wahrscheinlich ist. Eine solche Belastung für den/die Polizisten, in einem öffentlichen Hauptverfahren eines schweren Verbrechens (Totschlag o.ä.) beschuldigt zu werden, halte ich zur bloßen Aufklärung des Sachverhalts für nicht hinnehmbar. Der Wunsch nach gerichtlicher Aufklärung darf hier m.E. nicht dazu führen, dass man die Hürde des § 170 Abs. 1 StPO in Fällen polizeilichen Schusswaffengebrauchs absenkt.

Andererseits erwecken die staatsanwaltlichen Ermittlungen in solchen Fällen nicht immer das Vertrauen des neutralen Beobachters, insbesondere wenn - wie etwa im Fall Eisenberg - trotz vieler Ungereimtheiten das Verfahren wegen "offenkundiger Notwehr" eingestellt wird (Hier gibt es tatsächlich eine starke Diskrepanz zu Notwehrfällen des Otto-Normalbürgers, in denen im Zweifel immer erst mal angklagt wird; zahlreiche Nachweise finden sich bei MüKo-Erb zu § 32 StGB). Aufgrund der engen Beziehungen zwischen der StA und ihren "Ermittlungspersonen" steht hier zumindest eine Besorgnis der Befangenheit im Raum (was natürlich nicht bedeutet, dass die StA bei polizeilichen Beschuldigten per se anders ermittelt). Hier müsste m.E. eine neutrale, von Justiz und Polizei unabhängige Stelle und ein entsprechendes Verfahren eingerichtet werden, mit denen für eine Aufklärung des Sachverhaltes gesorgt wird, die bei den Angehörigen der Opfer und der Öffentlichkeit nicht das ungute Gefühl hinterlässt, hier werde etwas unter den Teppich gekehrt. Wie die oftmals vergeblichen Klageerzwingungsverfahren zeigen, ist das heutzutage nämlich noch zu oft der Fall. Da stimme ich Ihnen vollkommen zu.

Beste Grüße

S. Sobota

Was nützt es, wenn die Polizei nur Gummiknüppel hat oder keine Waffen zur Verteidigung hat, wenn auf sie geschossen wird oder sonst lebensgefährliche Notwehrsituationen entstehen.

Natürlich muß immer die Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden.

 

 

 

 

 

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Die Vorgehensweise der Polizei im Zusammenhang mit 'psychisch Kranken' verdient näherer Betrachtung.

Hier wird durch polizeiübliches und oft martialisches Vorgehen oft das Gegenteil von Gefahrenabwehr /-beseitigung erreicht: Menschen in Ausnahmesituationen und unter Belastung werden zusätzlich in die Enge getrieben.

Persönlich bin ich auch der Meinung, dass in der hier geschilderten Situation NIE UND NIMMER die Dienstwaffe hätte gezogen werden dürfen! Und ja: ich kann das beurteilen, da in ähnlichen Situationen stets eine Deeskalation und Klärung durch einfache verbale, unmissverständliche Ansprache gelang, das Messer/in speziellem Fall den Hammer wegzulegen! Und auch generell ist eine drohende Person, die ein Messer in der Hand hat KEIN GRUND gezielt auf Person zu schießen!

Es kann nicht sein, dass es bei vergleichbarer Ausgangslage vom jeweiligen Polizisten vor Ort abhängt, ob eine Situation entschärft wird oder am Ende ein Toter zu verzeichnen ist!

Ein Mittel, Ängste und Stigmata abzubauen und damit Eskalationen im täglichen Dienst zu verhindern, ist auch - was schon stattfindet - in der Polizeiausbildung psychiatrische Einrichtungen aufzusuchen, Störungsbilder und v.a. die Perspektive von Menschen in Ausnahmesituation der Polizei nahezubringen, damit diese im Auftritt adäquat und für Betreffende nicht ihrerseits bedrohlich/eskalativ wirkend agieren können!

Die jüngste Forderung einzelner Gewerkschaftsfunktionaere der PdB, Gummigeschosse einführen zu wollen, führt hingegen in die entgegengesetzte Richtung: den Irrglauben, in brenzligen Situationen schütze eine Waffe. Andere Strategien und Kompetenzen werden so fast zwangsläufig untergeordnet und vernachlässigt!

Wer sich einzig auf eine Waffe verlässt, hat schon verloren.
Und auch wenn das Urteil hier anderes nahelegt: im Zweifelsfall ist auch temporärer 'Rückzug' - auch wenn das wenig 'mutig' aussieht - die bessere Alternative als am Ende ein Todesopfer verzeichnen zu müssen! Darüber ist nicht erst seit dem 'Schwarzen Donnerstag' in Stuttgarts Schlossgarten nachzudenken...

Zur Klageerzwingung: wenn dieses Rechtsmittel in der Praxis so gut wie nie Erfolg hat, wie hier zu lesen, kann man es vielleicht ehrlicherweise abschaffen, anstatt der uninformierten Öffentlichkeit hier etwas vorzugaukeln oder gar völlig unberechtigte Hoffnungen bei Betroffenen und Hinterbliebenen zu nähren. Kosmetische Rechtsmittel braucht niemand!

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Ich will nochmals kurz zurück zu den hohen Anforderungen an den Klageerzwingungsantrag. Dies erinnern ein wenig an die hohen Voraussetzungen, die an Verfahrensrügen in Revisionsverfahren gestellt werden. Aus diesem Grunde scheitern die allermeisten Klageerzwingungsanträge - ohne dass die OLGe zur Sache an sich Stellung nehmen müssen. Für die Anwälte, die hier lesen:

Krumm, Begründungsanforderungen an den Klageerzwingungsantrag, StraFo 2011, 205

Darin habe ich die gesamte Rechtsprechung der letzten Jahre zu dem Thema ausgewertet.

 

 

 

 

Ich halte es, wie ich bereits zum Fall Eisenberg schrieb, für falsch nur wegen der Sachverhaltserforschung / -aufklärung Menschen durch den Wolf einer öffentlichen Klageerhebung zu drehen. Abgesehen von den ohnehin bereits bestehenden psychischen Belastungen, die aus den unzweifelhaft vorhandene Schuldgefühlen entstehen ( diese sind auf jeden Fall da, ob rechtmäßiger oder unrechtmäßiger Schußwaffengebrauch ), kommt noch die damit verbundene Existenzangst sowie auch noch externe Schulzuweisungen ohne Substanz hinzu. Hiermit werden, wenn nicht bereits vorhanden, nur Verlierer produziert. Ich kann die Vorbehalte wegen zu enger Verknüpfungen zwischen zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft verstehen, obwohl diese praktisch nicht vorhanden sind. Mittlerweile bin ich ein großer Freund des auch von Prof. Dr. Müller bereits beschriebenen Modells einer unabhängigen Untersuchungs- und Überwachungskommission, wie in England. Insofern bin ich nahe bei Sebastian Sobota. Dummerweise ist die Brot und Spiele Mentalität in Deutschland noch sehr weit verbreitet und die Öffentlichkeit wartet nur darauf, den Daumen senken zu können, damit jemand ans Kreuz genagelt wird.

 

Zum Kommentar von M.Deeg kann ich nur anmerken, das die alten "Kriegsgeschichten", die jeder Polizist a.D. erzählen kann nicht geeignet sind, die heutige Wirklichkeit abzubilden. Zumal seine Beurteilung der Situation auch auf der schmalen vorhandene Datenbasis keinesweg professionell ist. Es erscheint mir wenig seriös, Aussagen über Dinge zu treffen, die ich gar nicht beurteilen kann, insbesondere die heutige Polizeiausbildung. Die Benutzung der Schußwaffe wird dort als allerletzte Rückfallebene verankert, durchaus erfolgreich, wie man aus der Zahl der polizeilichen Schußwaffengebräuche ablesen kann. Niemand verläßt sich dabei allein auf die Schußwaffe. Andersherum erscheint es mir aber als töricht und geradezu selbstmörderisch, sich allein auf die Kraft des Wortes zu verlassen. Wenn man alle so gern geforderten Ausbildungsinhalte in eine Polizeiausbildung integrieren wollte, müßte diese mindestens 5 Jahre dauern oder aber bereits mit fachübergreifenden Diplomen begonnen werden.

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@Saint.John

Wie bei allem, es geht nicht um schwarz oder weiß. Die 'Brot-und-Spiele-Mentalität' sehe ich wie Sie. Gerade bei öffentlichen Anklagen, selbst bei Verdacht, werden hier mittlerweile schwerste Persönlichkeitsrechtsverletzungen mit Prangerwirkung begangen. Wenn das aber der Hinderungsgrund dafür wäre, Polizisten, die immerhin tödliche Schüsse (die Statistik ist für den Einzelfall irrelevant) zu verantworten haben, nicht anzuklagen, wenn zumindest der Anfangsverdacht besteht, dass es sich um bspw. Notwehrexzess handelt, was ggf. von (straffreier) Putativnotwehr abzugrenzen wäre, ist die teils rigide Weigerung einer öffentlichen Klärung umso unverständlicher! Und gerade bei Polizeieinsätzen mit fragwürdigen Einzelheiten (insb. Eisenberg) kann ein öffentlicher Freispruch, gerade auch was die eigenen Schuldgefühle als auch was die von außen kommenden Vorwürfe angeht, tatsächlich BEFREIENDE Wirkung haben!

Auch werden Angeklagte, die wenig 'bürgerlichen' Normen entsprechen oder sonstwie auffallen, geschweige denn einen "Stallgeruch" des öffentlichen Dienstes haben, anders als hier die Polizisten z.T. ohne Rücksicht auf Verluste und schamlos in öffentlichen Prozessen und in anschliessender Medienberichterstattung vorgeführt. Dies auch für Delikte, die nicht annähernd mit dem hier zur Debatte stehenden vergleichbar sind!
(Als konkretes Beispiel fällt mir hier die Anklage gegen den ehem. Würzburger Generalmusikdirektor Jin Wang ein, wo es letztlich darum ging, ob der Tatbestand der sex. Belästigung erfüllt ist und eine Hand nun unter oder über einem Pullover lag. Nach exzessiver erfolgloser Anklage der Staatsanwaltschaft ERZWANG letztlich der Generalstaatsanwalt Bamberg eine Anklage, die mit Freispruch endete...hier funktionierte die 'Klageerzwingung' mit Hilfe des OLG gegen das LG)

Was alte "Kriegsgeschichten" angeht: meine Grundausbildung war 1990 beendet. Seither ist das Rad auch bei der Polizei nicht neu erfunden worden...

Und die 'schmale vorhandene Datenbasis' hier wirft durchaus Fragen auf, ob das SO hat sein müssen. Und bei dem Ergebnis sind die nicht ehrenrührig sondern m.E. zwingend!

Hier wünscht man sich oft nur den Bruchteil von "Fürsorge" und Rücksicht der Justiz für Beschuldigte oder auch nur Verdächtige!

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Hier nochmal ein möglicherweise vergleichbarer Fall mit ebenfalls tödlichen Schüssen, bei dem es auch zu einer Einstellung der Staatsanwaltschaft kam. Meines Erachtens zu Recht. Und auch ein schönes Beispiel dafür, das auch die Anwesenheit von medizinischem Fachpersonal kein Allheilmittel ist. Wenn denn aber schon ein Facharzt nutzlos ist, was soll dann eine erweiterte Ausbildung der Polizei wohl nutzen?

http://www.weser-kurier.de/region/zeitungen/die-norddeutsche44_artikel,-Toedliche-Schuesse-als-Nothilfe-_arid,461312.html

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Auch bei diesem Fall kann man aufgrund der dürftigen Informationen kaum wirklich von außen urteilen, jedenfalls drängt sich eine Fehlentscheidung der Staatsanwaltschaft hier zumindest nicht auf...

Gerade aber auch hier die Problematik: wieso erfolgte der Angriff und was hat diesen mitunter - auch unbewusst - eventuell befördert und wie kann man so etwas besser verhindern?

Zwangsunterbringungen sind kritisch. Und üblicherweise macht das der Streifen- oder Bezirksdienst kurzfristig und wer eben gerade Zeit hat. Es sind oft Nuancen und kleinste Stimmungen, die das ganze entgleiten lassen.

Sich auf den Facharzt und dessen Kompetenz zu verlassen, ist vielleicht auch ein Denkfehler. Eher wäre hier in Betracht zu ziehen, dass vier Personen, zwei davon in Uniform gerade das auslösende belastende Moment waren, das den Angriff auslöste?
Zivil ist hier weniger konfliktträchtig und die 'Kripo' genießt mitunter auch ein anderes Ansehen (ist leider so).

Insbesondere aber ist die Verkündung des - für die Amtspersonen eine schlichte Amtshandlung - nun konkret bevorstehenden "Wegsperrens" für den Betreffenden mitunter ein Schock! Es gibt genug Möglichkeiten, diesem präventiv entgegenzuwirken...

Und zwar nicht durch barsches "Sie kommen jetzt mit" und Handschuheanziehen, wenn die Person sich ohnehin in psychischer Ausnahmesituation befindet. (allgemein, da ja der Bericht diesbezüglich nichts hergibt.)

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M.Deeg schrieb:
Es sind oft Nuancen und kleinste Stimmungen, die das ganze entgleiten lassen.

Völlig richtig. Ein Messer oder ein Hammer in der Hand desjeniegen, der eingewiesen werden soll oder der anderweitig den Einsatz verursacht hat, sind gute Beispiele für solche Nuancen.

 

M.Deeg schrieb:
Sich auf den Facharzt und dessen Kompetenz zu verlassen, ist vielleicht auch ein Denkfehler.

Auch das ist richtig - ich bin mir nur nicht im klaren, wer den Denkfehler macht. In manchen Krankheitsphasen bzw. in manchen Situationen, ist Gewaltanwendung sogar die einzig mögliche Vorgehensweise, um den Patienten erst mal zu fixieren. Hinterher, wenn der keine Gefahr mehr für andere oder sich selbst (die Reihenfolge ist wichtig!) darstellt, kann man alles Weitere veranlassen. Unschön, gar keine Frage.

 

M.Deeg schrieb:

Eher wäre hier in Betracht zu ziehen, dass vier Personen, zwei davon in Uniform gerade das auslösende belastende Moment waren, das den Angriff auslöste? Zivil ist hier weniger konfliktträchtig und die 'Kripo' genießt mitunter auch ein anderes Ansehen (ist leider so). Insbesondere aber ist die Verkündung des - für die Amtspersonen eine schlichte Amtshandlung - nun konkret bevorstehenden "Wegsperrens" für den Betreffenden mitunter ein Schock! Es gibt genug Möglichkeiten, diesem präventiv entgegenzuwirken... Und zwar nicht durch barsches "Sie kommen jetzt mit" und Handschuheanziehen, wenn die Person sich ohnehin in psychischer Ausnahmesituation befindet. (allgemein, da ja der Bericht diesbezüglich nichts hergibt.)

Haben Sie das früher so gemacht, oder ist das jetzt reine Fantasie? Zur Kripo hat Saint.John ja schon was geschrieben.

 

Noch eine allgemeine Anmerkung zur Frage der Klageerzwingung und der -manchmal verständlicherweise kritisierten- Ungleichbehandlung zwischen Polizeibeamten und anderen Bürgern: Im Gegensatz zum normalen Bürger gibt es auch besondere Zwänge, denen die Polizisten unterliegen, z.B. das Legalitätsprinzip, die Amtsdelikte, die Garantenstellung/unechte Unterlassungsdelikte usw. Diese Ungleichbehandlung wird leider sehr häufig vergessen. Von der Tatsache mal ganz abgesehen, dass sie meistens zu solchen Situation als Ausputzer hinzugerufen werden und sich die Situationen nicht selbst suchen. Ich weiß, dass es nur sehr wenige Polizisten gibt, die Spaß dabei empfinden, sich einem durchgeknallten Messerfuchtler entgegenzustellen, ohne die entsprechende Manpower und Ausrüstung eines SEK oder der Zeit eines anzufordern. Sie müssen es aber - da ist sonst niemand. Die Überforderung eines Zwei-Mann-Streifenteams ist sehr häufig vorprogrammiert und lässt sich bei allen Anstrengungen leider nicht immer vermeiden.

 

 

 

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Die "Kripo" hier ins Spiel zu bringen M.Deeg zeugt allerdings nicht von viel internem Polizeiwissen, sondern eher von im Fernseh gezeigtem und dort in weiten Teilen der Bevölkerung manifestiertem Irrglauben. Welche Fachdienststelle der Kriminalpolizei sollte wohl hier zuständig sein? Die Realität sieht eher so aus, das gerade der Streifendienst die Ausstattung und vor allem die Erfahrung für solche Fälle mit sich bringt. Wer ist denn stets im ersten und ständigem Kontakt mit dem Bürger, sicher nicht die Kriminalpolizei, die außer zur Tatortaufnahme die eigene Dienststelle kaum verläßt. Nicht umsonst werden besondere Einsatzlagen immer von der Schutzpolizei geführt. Der Bezirksdienst ist auf Grund des durchschnittlichen hohen Alters der dort tätigen Beamten ganz sich noch weniger geeignet. Letztlich müssen auch gesetzliche Vorschriften  wie insbesondere Belehrungen der Betroffenen beachtet werden, die sich doch sehr schwer in süße Worte verpacken lassen.

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Ein paar Fakten: der Bezirksdienst gehört zur Schutzpolizei und als ich dort war, war das Durchschnittsalter ca. 25, da sich mehrere junge Beamte dorthin bewarben, die keinen Schichtdienst machen wollten, darunter mehrere Frauen, die nach meiner Erfahrung besonders deeskalierend wirken können!

Die Bezeichnung 'Kripo' hatte ich oben in Anführungszeichen gesetzt, weil damit gemeint war, dass die Beamten des Bezirksdienstes oder auch der Schutzpolizei in Zivil hinfahren. (beim Bezirksdienst wurden, ebenfalls Erfahrungswert, ca. 40 Prozent aller Einsätze in Zivil gefahren, aus taktischen, konspirativen oder sonstigen Gründen).

Wie gesagt, es geht um Nuancen.

Und was die Fixierung und Gewaltanwendung bei Patienten angeht, Klaus M, bin ich in der 'privilegierten' Situation, auch über die Perspektive eines solchen 'Patienten' zu verfügen, da mich eine (bayerische) Staatsanwaltschaft ohne Vorliegen einer Straftat sieben Monate in einer Forensik 'weggesperrt' hat, unschuldig und ohne medizinische Voraussetzung wohlgemerkt! Wie gesagt, die Welt ist nicht schwarz-weiß und viele Maßnahmen von Amtspersonen schlichter Überforderung und Unvermögen geschuldet - was oft vermeidbar ist! (Der Fall Mollath auch hier im Forum gibt weiter Einblick, auch zu dem Genannten)

Und richtig, die Polizei ist viel zu oft der Sündenbock und der einzelne Beamte der, der die Fehler von Schreibtischtätern und unfähigen Vorgesetzten auszubaden hat! Man kann/muss trotzdem versuchen, Verbesserungen zu erreichen, wo es geht.

Die Fortbildungen gerade der Bereitschaftspolizei, was Psychiatrie und Forensik angeht, sind vorhanden aber ausbaubar.

Und nochmal: Betroffene werden oft erst zu "Messerfuchtlern" etc. NACH Eintreffen der Polizei! Wieso sollte man nicht versuchen, das zu ändern und sich generell weiterzubilden und vorhandenes Wissen anzuwenden? Insbesondere, da alle mit der Ist-Situation unzufrieden sind?

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M.Deeg schrieb:
Und nochmal: Betroffene werden oft erst zu "Messerfuchtlern" etc. NACH Eintreffen der Polizei! Wieso sollte man nicht versuchen, das zu ändern und sich generell weiterzubilden und vorhandenes Wissen anzuwenden? Insbesondere, da alle mit der Ist-Situation unzufrieden sind?

Falsch! Im Laufe der Diskussion wurde hier im Forum z.B. der Link auf einen Artikel der FR eingeführt. Folgt man diesem und extrahiert die dort vorhandenen oder über den Artikel erreichbaren Informationen, hätte man evtl. erfahren können, dass der Getötete, um den es im oben genannten Beschluss geht, seiner Freundin im Hof des Krankenhauses schon ein Messer an den Hals gehalten hat. Die Aggressivität gab es also schon vor dem Eintreffen der Polizei und wurde dann nur auf die Polizei focussiert. Das ist auch völlig ok, solange er auf die Polizei losgeht, sind Dritte außer Gefahr. Damit ist schon mal ein wichtiger Teil des Auftrages erfüllt.

Sie hatten hier alle Zeit der Welt, um sich ex-post genauere Lageinformationen zu verschaffen und dann in aller Ruhe einen Kommentar zu schreiben. Für Sie wäre Schweigen eine Alternative gewesen. Wegfahren oder wegschauen als äquivalente Handlungsweise durften die Beamten in dem Krankenhaus nicht.

 

 

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@ Klaus M:

Was glauben Sie eigentlich, wieviele vergleichbare Meldungen jeden Tag bundesweit bei der Polizei eingehen, ohne dass der "Störer" erschossen wird!

Und die Widersprüche in den Zeugenaussagen, die im FR-Bericht - bislang ungeklärt - benannt sind, haben Sie schon wahrgenommen?

Generell scheinen Sie Probleme damit zu haben, wenn Meinungen kundgetan werden, die nicht mit Ihren übereinstimmen, kann das sein?

Wenn Menschen in diesem Land zu Tode kommen, ist hier niemand mehr zum "schweigen" verpflichtet, soviel steht mal fest!
Und die offenen Fragen und Widersprüche sind ganz klar noch zu klären!

Und versuchen Sie doch nicht, meine erkennbar allgemein gültige Aussage, dass es OFT erst nach Eintreffen der Polizei kritisch wird, damit zu 'widerlegen', indem Sie dann auf den einen Fall hier abheben, bei dem das nicht oder nur bedingt zutraf. Bei dem von Saint.John benannten Fall traf dies bspw. durchaus zu, da hier die Initiative zur Prüfung einer Unterbringung von der Polizei bzw. den medizinisch Verantwortlichen ausging.

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M.Deeg schrieb:
@ Klaus M: Was glauben Sie eigentlich, wieviele vergleichbare Meldungen jeden Tag bundesweit bei der Polizei eingehen, ohne dass der "Störer" erschossen wird!

Das war ja Thema meines ersten Kommentars #7. Als Antwort auf Ihre Aussage, "dass tödliche Polizeischüsse so oft vorkommen." 2011: Sechs Fälle.

M.Deeg schrieb:
Und die Widersprüche in den Zeugenaussagen, die im FR-Bericht - bislang ungeklärt - benannt sind, haben Sie schon wahrgenommen? Generell scheinen Sie Probleme damit zu haben, wenn Meinungen kundgetan werden, die nicht mit Ihren übereinstimmen, kann das sein?

Grundsätzlich liege ich lieber richtig als falsch, das ist wahr. Ich habe allerdings kein Problem damit, korrigiert zu werden. Zu den angeblichen Widersprüchen in den Zeugenaussagen, werden im Übrigen im  Beschluss klare Feststellungen getroffen.

M.Deeg schrieb:

Und versuchen Sie doch nicht, meine erkennbar allgemein gültige Aussage, dass es OFT erst nach Eintreffen der Polizei kritisch wird, damit zu 'widerlegen', indem Sie dann auf den einen Fall hier abheben, bei dem das nicht oder nur bedingt zutraf. Bei dem von Saint.John benannten Fall traf dies bspw. durchaus zu, da hier die Initiative zur Prüfung einer Unterbringung von der Polizei bzw. den medizinisch Verantwortlichen ausging.

In dem Punkt haben Sie völlig Recht. Da bin ich Opfer meiner selektiven Wahrnehmung geworden. Ich habe das nicht richtig gelesen und auf den konkreten Fall bezogen. Dabei hatte ich den Satz "Persönlich bin ich auch der Meinung, dass in der hier geschilderten Situation NIE UND NIMMER die Dienstwaffe hätte gezogen werden dürfen!" in Erinnerung. Eine Aussage, die ich ähnlich wie Saint.John absolut nicht nachvollziehen kann und die mich bei der Beantwortung in der Tat beeinflusst hat. Wir haben also offensichtlich beide ein Problem mit dem kleinen Wörtchen "oft".

Zu dem Hammerfall, nur ein Satz aus der Presseberichterstattung: "Ein 51-jähriger Mann, der unter einer psychischen Erkrankung litt, deswegen 2006 bereits in eine Klinik eingewiesen worden war und in medikamentöser Behandlung stand, hatte nach Angaben einer Angehörigen die Medikamente abgesetzt und sich phasenweise aggressiv gezeigt."

Offensichtlich hatte die Angehörige die Situation schon weit vor dem Einsatz der Polizei als teilweise so kritisch eingestuft, dass sie den Sozialpsychiatrischen Dienst verständigt hatte. Also stützt auch der Fall ihre Argumentation nicht. Im Gegenteil, es sind eigentlich genau die Vorbereitungen getroffen worden, die Sie fordern. Dass es in der Tat regelmäßig erst dann knallt, wenn sich jemand einem Angreifer entgegenstellt, weil man ein Verhalten nicht mehr erduldet oder flüchtet, ist eigentlich eine Binse.

Nochmal zum Frankfurter Fall: Ein Messer am Hals der Freundin ist für Sie also keine Gefährdung?! Das erklärt ihre Beiträge, lässt mich aber auch ratlos zurück...

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Nun ja. M.Deeg, da zeigt sich wie weit die polizeiliche Praxis inzwischen entfernt ist. Würde man im Neudeutsch die polizeiliche Ausbildung 1990 als Version 1.0 bezeichnen, so sind wir mittlerweile bei der Version 4.3. Das Durchschnittsalter beim Bezirksdienst liegt als soziale Nische für eingeschränkt verwendungsfähige Beamte bei weit über 50 Jahren. Zudem ist der Bezirksdienst einsatz- und vorgangsfrei.

Rückzug hört sich auch immer sehr verlockend an, um eine Situation zu entschärfen. Dies darf aber keinesfalls um den Preis einer Gefährdung unbeteiligter Personen geschehen. Weiterhin ist auch zu bedenken, wenn sich die Polizei zurückzieht, was ist die nächste Rückfallebene? Wer bearbeitet das akute Problem dann.

Die Behauptung, das in der Situation in Frankfurt niemals die Dienstwaffe hätte gezogen werden dürfen offenbart eine bestenfalls amateurhafte Lagebeurteilung. Zu Thema Messer als Waffe gibt es im Internet genügend fundiertes Informationsmaterial um diese Forderung aus professioneller Sicht als absurd hinzustellen.

Ich sehe auch nicht, wo weiterer Raum für sinnvolle Fortbildungen zu dem Thema Umgang mit psychisch kranken Personen zu finden ist. Dieser Aspekt ist nur ein Teilbereich polizeilicher Aufgabenwahrnehmung und wird im ständigen Kontakt mit den entsprechenden Einrichtungen bezüglich der Verfahrensweisen und auch bezüglich Verhaltensempfehlungen in der Fortbildung besprochen und aktualisiert.

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Na, dann ist ja - folgt man Ihrer Argumentation - alles bestens!

Seltsam, dass das mit der medialen Berichterstattung, der Wahrnehmung der Polizisten auf der Strasse und den Presseberichten der Polizeigewerkschaften so gar nicht in Einklang zu bringen ist. Die zunehmende Gewaltbereitschaft, den Respektverlust und die immer höhere Belastung für Polizeibeamte gibt es also gar nicht?

Im Bricht zum Frankfurter Fall ist von der Gefährdung Dritter nie die Rede gewesen, war aber abzusehen, dass dieses "Argument" als nächstes kommen würde.

Ich (!) würde bei dieser Lage nie die Dienstwaffe ziehen. Das hat auch den Vorteil, beide Hände frei zu haben!

Und ich halte Ihre Sicht, die Sie selbst als "professionell" bezeichnen, dass bei Polizeibeamten kein Bedarf zur Fortbildung im Umgang mit psychisch Kranken besteht, nun ja, euphemistisch ausgedrückt, für mutig - bei ständig steigenden Fall- und Einsatzzahlen in diesem Bereich. Vielleicht sollten Sie versuchen, sich ansaweise in die Perspektive der Angehörigen der hier Getöteten hinnzuversetzen! Falls möglich....

Der nächste fragwürdig Schusswaffengebrauch ist bei derarter juristischer Deckung jedenfalls absehbar...ob aus Angst oder nach Version 4.3 ist insoweit egal!

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M.Deeg, jetzt werden hier Sachen vermischt, die nichts miteinander zu tun haben. Statistisch belegbar steigen die Fallzahlen keineswegs sondern sind seit Jahren stabil. Die Fortbildung in diesem Bereich orientiert sich, wie ich bereits schrieb, am Anteil der Relevanz für das polizeiliche Handeln.

Tatsächlich ist die Polizei, wie aus dem Bericht und auch einigen Kommentaren hier abzulesen ist, gerade wegen eines Angriffs auf die Freundin erst ins Spiel gekommen, mithin also eine andere Partei.

Zunehmende Gewaltbereitschaft und Respektlosigkeit gegenüber der Polizei gibt es sehr wohl. Die Ursachen dafür sind allerdings vielfälltig. Tatsächlich hat man erkannt das mehr als 20 Jahre Deeskalation als gescheitert betrachtet werden dürfen. Mittlerweile wird wieder zu konsequenterem Einschreiten und stärkerem Ausschöpfen rechtlicher Möglichkeiten angehalten und entsprechend aus- und fortgebildet. Wohin uns das führt, wird sich erweisen.

Die Hände frei zu haben, bei einem mit einem Messer bewaffneten Gegenüber als Vorteil anzusehen weist allerdings suizidale Tendenzen auf. Das ist nicht heldenhaft, sondern schlicht dumm. Wer hier Fiktion aus diversen Action-Filmen und Wirklichkeit nicht trennen kann, sollte sich vielleicht mal über das Medium Internet informieren.

Und ja, ich kann mich durchaus in die Lage der Angehörigen versetzen. In mittlerweile 27 Dienstjahren habe ich genug Leid gesehen. Ich habe allerdings auch noch nie einen einzigen Schuß aus meiner Dienstwaffe außerhalb von Schießständen abgegeben und kenne in meinem polizeilichen Bekanntenkreis auch niemanden, der jemals auf einen Menschen geschossen hat. Wenn dies bis zum Ende meiner Dienstzeit so bleibt, gehe ich zufrieden in den Ruhestand. Es ist sehr unseriös und billige Polemik, die Polizei als schießwütig hinzustellen, obwohl die Zahlen dazu eine andere Sprache sprechen.

Es ist statistisch wahrscheinlich, das auch in Zukunft Menschen von der Polizei erschossen oder mit einer Schußwaffe verletzt werden. Alle diese Fällen werden aufgearbeitet und wenn Fehler gemacht wurden, müssen Konsequenzen daraus gezogen werden. Bei allem Verständnis für Neugier und das Informationsbedürfnis der Bevölkerung bin ich aber auch der Meinung, daß dies nicht bis in den letzten Haushalt zwischen den Alpen und Helgoland ausgewälzt werden muß. Die Frage nach Opfer und Täter ist nicht so einfach zu beantworten wie es mitunter scheint. Bei mehr als 150000 Einsätzen im Jahr 2012 in der Behörde, der ich angehöre kam es lediglich in einem Fall zu einem Schußwaffengebrauch gegen Personen, wobei die Person selbst gar nicht beschossen wurde.

Dies nur mal als Information, um die Verhältnisse aufzuzeigen.

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@Klaus M:
Der Funkspruch lautete, ein Mann bedrohe eine Frau und habe ein Messer dabei....wieso wird hieraus 'ein Messer am Hals der Freundin'? Das ist genau das Dilemma: die Streife fährt hochalarmiert mit Signal und gezogener Waffe zum Einsatzort - und dort passiert: nichts. Bereits die vorauseilende Umdeutung in eine akute und konkrete Lebensgefahr anhand einer dürftigen Information, "Messer" führt dann dazu, dass die Polizei diese kritische Situation erst herbeiführt.

Ich bin der Meinung, dass tödliche Polizeischüsse zu oft vorkommen, ja - vor allem in Fällen, in denen sie vermeidbar wären. Aber gut....

@Saint.John

Die Fallzahlen, was psychische Erkrankungen angeht, steigen permanent und damit auch die Relevanz und die Herausforderungen für die Polizei.

Erschreckend finde ich, dass Sie schreiben und dies offenbar auch glauben, es seien '20 Jahre Deeskalation als gescheitert zu betrachten'! Diese Deeskalation war weder einheitliche Linie und - dort wo sie stattfindet- ist sie ganz gewiss nicht gescheitert.

Und wieso sollen sich konsequentes Einschreiten und Deeskalation ausschließen!? Gerade dieser Einklang ist Ziel der Polizei in Baden-Württemberg!
Man braucht keine Kuschelpolizei aber ganz sicher auch kein 'Feindbild Polizei', das sich eben aufgrund gravierender Fehler und Einzelfälle - und dazu zähle ich auch den bundesweit wahrgenommenen Umgang mit dem 'Fall' Eisenberg - jüngst herausgebildet hat, weil der "Ruf" der Polizei bis ins bürgerliche Lager hinein massiv gelitten hat!

"Konsequenteres Einschreiten und Ausschöpfen rechtlicher Möglichkeiten" - ja, wo es angebracht ist, aber sicher nicht aus Selbstzweck und zur Selbstvergewisserung. Diese mangelnde Unterscheidungsfaehigkeit und Wagenburgmentalitaet ist gerade auch URSACHE des Respektverlustes und der Gewaltbereitschaft.
Dass als solches wahrgenommenes überzogenes und unreflektiertes Vorgehen der Polizei als solches (vor allem in Bayern) dazu führte, dass diese oft nicht mehr als objektive Autorität sondern als 'Gegner' und verlängerter politischer Arm wahrgenommen wird (nochmal Hinweis auf S 21) sollte doch ersichtlich sein!

Und was den Hinweis auf 'Actionfilme' und 'Heldentum' angeht: Was hier 'gelehrt' wird ist doch der sofortige Schusswaffengebrauch. Psyche schlägt Pistole - das ist ein anderes 'Genre'....

Stellen Sie sich vor, sie sind ein in die Ecke gedrängter Mensch in einer Belastungssituation, fühlen sich verfolgt (Schizophrenie...)- was ist bedrohlicher: ein schreiender Polizist, der mit der Waffe fuchtelt oder ein Polizist, der sich hinstellt und fragt, was überhaupt los ist unsicher von ihrem Küchenmesserchen weder beeindruckt noch bedroht zeigt?

Und auf wen gehen Sie eher mit dem Messer los?

Ich habe zwar "nur" 15 Dienstjahre, dafür durch zehn Monate Untersuchungshaft als Unschuldiger aufgrund einer aus dem Ruder gelaufenen bayerischen Staatsanwaltschaft, davon sieben Monate in einer Forensik, sehr unverstellte und konkrete Einblicke. Auch darüber, wie die Polizei wahrgenommen wird, darunter Täter mit Schwerstdelikten und v.a. auch den sog. 'psychisch Kranken'.... Die Defizite und Vorurteile gerade der Polizei sind hier erheblich!

Mit 'konsequentem Vorgehen' können Sie da niemanden beeindrucken!

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#M.Deeg

Zunächst einmal brauche ich gar keinen zu beeindrucken. Deeskalation und konsequentes Einschreiten schließen sich auch nicht aus. Es ist nur so geworden, das die Deeskalation zum Selbstzweck geworden ist und um jeden Preis gefordert wurde. Von daher hat man in NRW zumindest erkannt, das man sich in der Vergangenheit auf einem Irrweg befunden hat und nun werden andere Inhalte im Rahmen der integrierten Fortbildungen vermittelt. Und nochmals, die Fallzahlen mit polizeilicher Relevanz sind seit jahren eher konstant. Die Polizei ist schließlich auch nicht dazu da, jedem, der gerade eine psychozische Phase durchmacht über den Kopf zu streichen und die Hand zu halten. Wenn das alles zudem so leicht im Rahmen von Fortbildungen zu erlernen wäre, gerade die psychologischen Effekte, warum leistet sich die Polizei dann spezielle und langwierig geschulte Beamte in Verhandlungsgruppen. Ganz nebenbei erscheint mir das als keine wirklich exakte Wissenschaft. Wer für sich in Anspruch nimmt, jede Verhaltensweise voraussagen zu können ist für mich ein Schwätzer. Selbst auf diesem Gebiet studierte und langjährig praktizierende Menschen können dies nicht, wie die immer wieder auftauchenden falschen Rückfallprognosen belegen.

Die bei ihnen deutlich vorhandenen Löcher im Wissen um taktisches Vorgehen, Einschreiten und Zugriffsverhalten kann und werde ich nicht auffüllen. Dies ist hier nicht das Thema.

Steht mir ein Mensch mit einem Messer  in einer Konfliktsituation gegenüber, werde ich stets die Waffe in die Hand nehmen. Nicht weil ich scharf darauf bin sie zu benutzen, schließlich weiß ich um die Folgen und den Fleischwolf, durch den ich nach Benutzung gedreht werde, sondern um nach Ablauf meiner Schicht zu meiner Familie zurückzukehren. Alle anderen Alternativen können sich dann ergeben, von zwangloser Plauderei bis hin zu einem ständig abnehmen Handlungsspielraum und der ultima ratio Schußwaffengebrauch. Wer von einem Messer in Konfliktsituationen unbeeindruckt ist, und sei es auch nur ein Küchenmesser, hat bei der Polizei nichts verloren.

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