BAG: Leiharbeitnehmer können bei der Betriebsgröße nach § 23 KSchG mitzuzählen sein

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 26.01.2013

 

Leiharbeitnehmer nehmen eine besondere Stellung in der Betriebsverfassung ein. Einerseits sind sie arbeitsvertraglich an den Verleiherbetrieb gebunden, andererseits werden sie jedoch im Betrieb des Entleihers von diesem wie seine Arbeitnehmer eingesetzt. Das wirft die Frage auf, ob sie bei den diversen Schwellenwert des Betriebsverfassungsgesetzes als Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs eingestuft werden können. Die bislang ganz h.M. antwortete hierauf: „Sie wählen, aber sie zählen nicht“. Die Rechtsprechung hat indes diese Regel aufgeweicht. Den Anfang machte die Entscheidung des BAG vom 18.10.2011 (NZA 2012, 221). Diese erging zum Schwellenwert des § 111 BetrVG und gelangte zu dem Ergebnis, dass Leiharbeitnehmer, die länger als drei Monate beim Entleiher eingesetzt sind, bei Betriebsänderungen berücksichtigt werden müssen. Sie hat im Schrifttum überwiegend ein sehr kritisches Echo hervorgerufen (Tschöpe, NJW 2012, 2161; Rieble, NZA 2012, 485; Mosig, NZA 2012, 1411). Nunmehr hat sich das BAG (Urteil vom 24. Januar 2013 - 2 AZR 140/12) den nächsten Schwellenwert vorgeknöpft, nämlich denjenigen des § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG (in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer), der über die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes entscheidet. Hier entsprach es bislang nahezu einhelliger Ansicht, dass Leiharbeitnehmer nicht mitgerechnet werden (statt vieler ErfK-Kiel, § 23 KSchG Rdnr. 19). Das sieht das BAG nun jedoch anders: Bei der Berechnung der Betriebsgröße seien – so das BAG - auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruhe. Dies gebiete eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der gesetzlichen Bestimmung. Der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern stehe nicht schon entgegen, dass sie kein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber begründet haben. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes solle der dort häufig engen persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, die Inhaber kleinerer Betriebe typischerweise stärker belastet. Dies rechtfertige keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder dem entliehener Arbeitnehmer beruht.

 

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Mittlerweile zählen die Leiharbeitnehmer bei der Festlegung der Betriebsratsgröße im Entleiherbetrieb nach § 9 BetrVG mit. (BAG NZA 2013, 790) Konsequenterweise müssten sie dann auch im Rahmen des § 38 BetrVG mitzählen.

 

Im Ergebnis müsste sich doch festhalten lassen, dass Leiharbeitnehmer im Verleiherbetrieb aktiv und passiv wahlberechtigt sind und im Entleiherbetrieb unter den Voraussetzungen des § 7 S.2 BetrVG wahlberechtigt sind, jedoch nicht wählbar und ansonsten bei der Ermittlung von Schwellenwerten (mittlerweile) zu berücksichtigen sind. 

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