Grüne suchen "Praktikanten" für unter 4 Euro/Stunde

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 06.02.2013

Das klang nach einer attraktiven Stellenausschreibung für politisch Interessierte: Die NRW-Spitzenkandidatin der Grünen, Bärbel Höhn, sucht zur Unterstützung ihrer Kandidatur zum 18. Deutschen Bundestag eine Mitarbeiterin/einen Mitarbeiter, befristet für sechs Monate. Erwartet werden selbstständiges Arbeiten, Eigeninitiative, strategisches Denkvermögen und die Fähigkeit, Konzepte zu erarbeiten. Vorausgesetzt wird auch die Bereitschaft, in den Abendstunden und an den Wochenenden zu arbeiten.

Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden sollen für die als "Praktikum" bezeichnete Tätigkeit allerdings nur 400 Euro monatlich gezahlt werden - ein Stundenlohn von weniger als 4 Euro.

Auf kritische Presseberichte reagiert die Partei ungerührt: Immerhin zahle man überhaupt etwas, für andere Praktikumsstellen werde oft gar kein Entgelt gezahlt. Und: Am Ende erhalte die Praktikantin/der Praktikant ja schließlich ein Zeugnis. Man habe sogar schon qualifizierte Bewerbungen vorliegen.

Siehe auch: BT-Drucks. 17/4044.

Nachtrag 06.02.: Infolge zahlreicher Proteste im Internet haben die Grünen die Stellenausschreibung inzwischen vom Netz genommen. Bärbel Höhn betonte nach Berichten der WAZ jedoch:

"25 Stunden für 400 Euro ist nicht unsozial und keine Schweinebezahlung".

Allerdings wollte die Partei nicht 400 Euro für 25 Stunden (= 16 Euro/Stunde), sondern für 25 Stunden je Woche und damit für 108,25 Stunden im Monat (= 3,70 Euro/Stunde) bezahlen.

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9 Kommentare

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Ja, das ist wenig Geld.

Aber ich sehe irgendwie nicht, warum darum da bei den Grünen jetzt so ein Wind gemacht wird. Die müssen sich hauptsächlich aus Spenden finanzieren und dabei im Gegensatz zu anderen Parteien fast ohne große Zuwendungen von Unternehmen auskommen.

So einen Job im Wahlkampf muss man dann eben mal auch als zum Teil ehrenamtlich ansehen.

 

Da gibt es, denke ich, in der freien Wirtschaft deutlich verwerflichere Fälle was die Behandlung von Praktikanten angeht. Da würden sich wirklich Leute über nur 25 Stunden und ganze 400€ freuen je nach Branche glaub ich.

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Was für eine Scheinheiligkeit ...

http://karriere.unicum.de/praktikum/details/johannes-kahrs-mdb-praktikum...

SPD: 0,00 Euro Stundenlohn

https://www.julis.de/wir-julis/bundesgeschaftsstelle/praktikum/
http://www.patrick-kurth.de/category/blog/service/praktikum/

FDP: 0,00 Euro Stundenlohn

http://www.ju-bayern.de/index.php/component/content/article/2-uncategori...

JU Bayern: 2,38 Euro Stundenlohn

http://www.bpb.de/die-bpb/138563/praktikum

Bundeszentral für politische Bildung: 1,83 Euro Stundenlohn

 

Die Grünen bezahlen also das Doppelte von dem, was dem Staat ein Praktikant wert ist.

 

Was hat das übrigens mit juristischen Fragestellungen zu tun? Oder wollen Sie hier Wahlkampf machen? Da Sie bisher nicht als Kämpfer für die Rechte von Praktikanten aufgefallen sind, entsteht dieser fatale Eindruck ...

 

@ Mein Name: Warum so dünnhäutig, wenn die Kritik mal nach links geht? Zur anderen Seite hin haben Sie ja auch keine Hemmungen.

Im Übrigen: Wenn Sie in meinem Beitrag den link auf die BT-Drucks. 17/4044 verfolgt hätten, könnten Sie feststellen, dass die Grünen mit diesem Stellenangebot keineswegs gegen eigene Grundsätze verstoßen. Dort wird nämlich für Praktikanten nur ein Monatslohn von 300 Euro gefordert, und diesen Betrag übersteigt das Angebot um 33% (wenn man berücksichtigt, dass die Arbeitszeit nur 25 Stunden/Woche betragen sollte, sogar um 60%).

Die Scheinheiligkeit bezieht sich nicht auf Sie, sondern auf die Presseberichte bzw. die nun angelaufene Empörungsmaschine.

richtig: Stundenlohn > 4 EUR ist sehr wenig

 

auch richtig: "Grundsätzlich sind Arbeitgeber nicht verpflichtet, für ein Praktikum ein Entgelt zu leisten, denn bei dieser Art Arbeit geht es im Prinzip nicht darum, einen weiteren „Arbeiter“ zu beschäftigen, sondern darum, einem Menschen das Einsehen in diesen Beruf zu gewähren"

 

Quelle (außer der ich sonst nur noch Kenntnisseaus dem näheren Umfeld zu bieten habe):

http://www.praktikum-bewerbungen.de/praktikumssuche/praktikum-verguetung/

Wozu also die Aufregung? Da fände ich es wert- und sinnvoller, sich für einen sozialgerechten bundesweiten Mindestlohn für *Arbeitnehmer* stark zu machen!

 

VG
 

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Vielleicht findet sich ja mal ein Strafrichter, der den angeklagten Arbeitgebern (wegen Sozialabgabenhinterziehung) mal den Unterschied zwischen einer entgeltlichen Tätigkeit und einem Praktikum erklärt.

Beim Mindestlohn und der bei Nichteinhaltung daraus folgenden Strafbarkeit wegen Sozialabgabenhinterziehung musste die StA Jahre nach einem suchen.

Eine Sauerei wird nicht dadurch entschuldigt, dass sie von einem Sypathieträger begangen wird.

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mal ganz ehrlich ich finde einen Stundenlohn unter 10.-€ eine Frechheit... (auch bei ungelernten Kräften)...bei Praktikanten sollten zumindest 6.-€ rausspringen, aber leider leben wir ja in einer Ausbeutergeselschaft

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Immer wieder erstaunlich, dass soald ein Thema angesprochen wird, welches die diejenigen, die links von der Mitte stehen in ein auch nur ansatzweise unerfreuliches Licht rückt, sofort die Appologisten Gewehr bei Fuß stehen und aus der Hüfte Richtung rechts schießen, ohne einen Ansatz von Reflektion. Das Motto "die anderen sind noch schlimmer" erlaubt es offensichtlich, sich von Überzeugungen und Weltanschauungen, die für einen selbst auch unbequeme Konsequenzen haben, zu befreien. 

 

Wer Hatz IV bekommt und einen 1-Euro Job machen soll, der wird nach linker Sichtweise wird behandelt "wie der letzte Dreck", aber wer für 4 € die Stunde ein Praktikum macht, der soll doch froh sein, dass er überhaupt bei den Grünen arbeiten darf (und sich somit in der Nähe von Millionären wie Trittin aufhalten kann, was ja auch schon schön ist, gell ?)

 

Wer dem Kapitalismus skepitsch gegenübersteht, der kann einem Praktikanten einen ordentlichen Stundelohn zahlen, es sei denn natürlich, das ist nicht gewollt, denn Wasser predigen und Wein saufen ist doch die sicherste Variante, was zu werden im linken Lager, nicht war Herr Lafontain, Herr Gysi, Herr Trittin, Herr Fischer, Herr Schröder, Herr Steinbrück....?

 

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@Prof. Rolfs

 

Sie haben doppelt Recht.

 

Erstens rechnen Sie richtig. Es sind recte 3.70 € Stundenbrutto.

 

[Deshalb spendier´ ich Ihnen (m)einen Alttext (1995):

 

Früher konnte´s jeder Maler /
Heut gilt als Radikaler /

Wer ohen daß er sich quält /

Drei und drei richtig zusammenzählt.]

 

Und zweitens gelten nicht nur Rechenregeln universal. Auch Kritik ist eine universale Kategorie (wobei m.E. die Führungsleute von diesen ganzdeutschen Bündnisgrünen politisch heuer eher Mitte-rechts zu verorten wären.)

 

Mit freundlichem Gruß

 

Richard Albrecht, 200213

http://wissenschsftsakademie.net

 

 

 

 

 

 

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