Und gleich noch ein Hammer-Urteil

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 06.02.2013
Rechtsgebiete: Familienrecht11|6558 Aufrufe

 

Auskunftspflicht des behandelnden Arztes bei Kindeszeugung durch heterologe Insemination

Ein durch heterologe Insemination gezeugtes Kind kann vom behandelnden Arzt Auskunft über seine genetische Abstammung verlangen. Das hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.02.2013 entschieden und damit das anderslautende erstinstanzli- che Urteil des Landgerichts Essen abgeändert.

Die im März 1991 geborene Klägerin war durch eine im Jahre 1990 im Institut des beklagten Arztes in Essen durchgeführte heterologe Insemination gezeugt worden. Sie hat vom Beklagten als behandelndem Arzt Auskunft über den Samenspender verlangt, um in Erfahrung zu bringen, von welchem Mann sie abstammt. Der Beklagte hat die Auskunft mit der Begründung verweigert, er habe mit den seinerzeit beteiligten Personen vereinbart, dass der Samenspender anonym bleibe. Das aus dieser Absprache folgende Geheimhaltungsinteresse sei hö- her zu bewerten als das Auskunftsbegehren der Klägerin. Er sei zur Verschwiegenheit verpflichtet. Außerdem könne er die möglichen Samenspender nicht mehr benennen, weil die ihre Identifizierung ermöglichenden Unterlagen nicht mehr vorhanden seien.

Nach der Entscheidung des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts ist das Auskunftsbegehren der Klägerin gerechtfertigt.

Das Interesse der Klägerin, ihre Abstammung zu erfahren, sei höher zu bewerten als die Interessen des Beklagten und der Samenspender an einer Geheimhaltung der Spenderdaten. Geheimhaltungsinteressen der Mutter und des gesetzlichen Vaters seien nicht zu berücksichtigen, weil sie mit der Auskunftserteilung an die Klägerin einverstanden seien.

Zum Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und zur Menschen- würde der Klägerin gehöre ein autonomer Bereich privater Lebensgestaltung, in dem sie ihre Persönlichkeit entwickeln und wahren könne. Um ihre Persönlichkeit verstehen und entfalten zu können, müsse die Klägerin die für diese konstitutiven Faktoren kennen. Hierzu zähle auch ihre Abstammung.

Hinter diese fundamentale Rechtsposition müssten die Freiheit zur Berufsausübung auf Seiten des Beklagten sowie sein Persönlichkeitsrecht und die Persönlichkeitsrechte der auf ihre Anonymität vertrauenden Spender zurücktreten. Die Persönlichkeitsrechte dieser seien nicht in ihren zentralen Bereichen betroffen. Der Beklagte und die Spender seien bereits deswegen weniger schutzbedürftig, weil sie die Folgen einer anonymen Samenspende im Vorhinein hätten berücksichtigen und sich auf die mit einem Auskunftsverlangen des gezeugten Kindes für sie verbundenen Folgen hätten einstellen können. Für ein vorrangiges Recht der Klägerin spreche zudem die nicht zur Disposition der Beteiligten stehende familienrechtliche Rechtslage. Nach dieser habe dem Beklagten wie auch den Spendern bei der künstlichen Zeugung klar sein müssen, dass jedenfalls das gezeugte Kind die gesetzliche Vaterschaft zu einem späteren Zeitpunkt würde anfechten können und es dann ein Recht auf Feststellung der Vaterschaft des Samenspenders mit allen sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen haben würde. Auf diesen Zusammenhang wiesen auch die seinerzeit geltenden Richtlinien der Deutschen Ärztekammer hin. Da der Beklagte zur Auskunft verpflichtet sei, verstoße er gegen keine ärztliche Schweigepflicht und begehe keine Straftat, wenn er die Auskunft erteile, er handle insoweit nicht unbefugt.

Dass ihm eine Auskunftserteilung unmöglich sei, habe der Beklagte nicht bewiesen. Die Auskunft sei dem Beklagten erst dann unmöglich, wenn er die benötigten Informationen auch nach einer umfassenden Recherche in seiner Praxis nicht mehr beschaffen könne. In diesem Zusammenhang habe der Beklagte bereits eine vollständige Befragung seiner damaligen Mitarbeiter vorgenommen und eine umfassende Recherche nach den vermeintlich fehlenden Unterlagen veranlasst habe.

Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 06.02.2013 (I-14 U 7/12), Revision nicht zugelassen. (Pressemitteilung)

 

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11 Kommentare

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Der letzte Satz der Pressemitteilung liest sich im Original etwas länger und vor allem sinnvoller:

 

"In diesem Zusammenhang habe der Beklagte bereits widersprüchlich vorgetragen. Die vor dem Senat durchgeführte  Beweisaufnahme habe  seine Darstellung  zudem nicht bestätigt.  Auch nach der hierzu vom Beklagten abgegebenen Stellungnahme könne der Senat nicht davon ausgehen, dass der Beklagte bereits eine vollständige Befragung seiner damaligen Mitarbeiter vorgenommen und eine umfassende Recherche nach den vermeintlich fehlenden Unterlagen veranlasst habe."

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Wenn man dieses Urteil richtig zur Kenntnis nimmt,so muss man zum Schluss kommen,dass diese 3 Richter des OLG wohl nicht vollkommen überblicken können,was ihr Urteil auslöst.(es sei denn das ein anderes OLG anderer Auffassung ist).Dann sind sie auch noch so Feige und lassen die Rev.nicht zu.Man kann es nicht Glauben was in Deutschland möglich ist

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Grünhans schrieb:
so muss man zum Schluss kommen,dass diese 3 Richter des OLG wohl nicht vollkommen überblicken können,was ihr Urteil auslöst.

 

Was löst es denn aus? Samenspender unterschreiben schon seit vielen Jahren eine Vereinbarung, damit ihr Name später dem Kind genannt werden könnte.

Grünhans schrieb:
Wenn man dieses Urteil richtig zur Kenntnis nimmt,so muss man zum Schluss kommen,dass diese 3 Richter des OLG wohl nicht vollkommen überblicken können,was ihr Urteil auslöst.(es sei denn das ein anderes OLG anderer Auffassung ist).Dann sind sie auch noch so Feige und lassen die Rev.nicht zu.Man kann es nicht Glauben was in Deutschland möglich ist

 

Wer das OLG Hamm kennt, der kann davon ausgehen, dass die Richter dort sehr genau wussten, was ihr Urteil auslösen wird. Die Frage wird sein, wie viele Unterhaltsprozesse es demnächst gegen "anonyme" Samenspender geben wird.

Da wird bestimmt gar Mancher demnächst Überraschungspost in seinem Briefkasten finden.

Für die Samenbanken dürfte das Urteil verheerend sein.

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Carnofis]</p> <p>[quote=Grünhans schrieb:

Für die Samenbanken dürfte das Urteil verheerend sein.

Nicht nur für diese ... es gibt unzählige Paare mit entsprechendem Kinderwunsch, die diesen nun nicht mehr verwirklichen können.

 

Wobei, ein Gedankengang kommt mir gerade.

Unterhaltsprozesse dürfte es nicht geben. Der Unterhalt wurde durch den soz. Vater sichergestellt. Dieser kann keinen Schadensersatz geltend machen, da er von der "Fremd-"Vaterschaft wusste, die zwei-Jahresfrist ist somit abgelaufen.

Es kann meiner Meinung nach nur um Erbfälle gehen, und auch nur dann, wenn die Vaterschaft entsprechend festgetellt und eingetragen wurde.

Oder irre ich mich hier?

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Auf die zu erwartende Nichtzulassungsbeschwerde hin sollte der BGH die Revision zulassen. Die Sache dürfte doch offensichtlich grundsätzliche Bedeutung haben.

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@ Mercum: Sie irren nicht.

Und selbst die erbrechtliche Relevanz ist fraglich.

Mutter und rechtlicher Vater können nicht mehr anfechten.

Für das Kind gilt § 1600 b BGB

(3) Hat der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Kindes die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann das Kind nach dem Eintritt der Volljährigkeit selbst anfechten. In diesem Falle beginnt die Frist nicht vor Eintritt der Volljährigkeit und nicht vor dem Zeitpunkt, in dem das Kind von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen.

Das Kind ist im März 1991 geboren, also seit 2009 volljährig. Die Frage ist, wann es erfahren hat, aus einer Samenspende zu stammen.

Wenn das Verfahren jetzt beim OLG entschieden worden ist, dürfte die Kenntnis über die Samenspende schon länger als 2 Jahre bestehen

 

Dann sind sie auch noch so Feige und lassen die Rev.nicht zu.Man kann es nicht Glauben was in Deutschland möglich istDann sind sie auch noch so Feige und lassen die Rev.nicht zu.Man kann es nicht Glauben was in Deutschland möglich ist.

Die Antwort deutet auf eine Unkenntnis des Revisionsrechts hin. Gegen die Entscheidung der Nichtzulassung ist die Beschwerde zum BGH möglich.

Ein OLG-Vorsitzender hat mir das mal überspitzt so erklärt: "Wir lassen die Revision nie zu. Über die Beschwerde kann sich der BGH dann aussuchen, welche Fälle er haben will.

 

Hopper schrieb:
Die Antwort deutet auf eine Unkenntnis des Revisionsrechts hin. Gegen die Entscheidung der Nichtzulassung ist die Beschwerde zum BGH möglich.

 

Die ist aber nur dann zulässig, wenn die Beschwer 20.000 € übersteigt (§ 26 Nr 8 EGZPO).

 

Hopper schrieb:
Ein OLG-Vorsitzender hat mir das mal überspitzt so erklärt: "Wir lassen die Revision nie zu. Über die Beschwerde kann sich der BGH dann aussuchen, welche Fälle er haben will.

 

Das ist nach meiner Erfahrung a) nicht überspitzt und b) ein deutlicher Hinweis auf die Mentalität von einzelnen Richtern: mir ist egal, was in § 543 II ZPO steht, wir machen das einfach anders.

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Ob das in keinem Falle unterhaltsrechtliche Relevanz hat? Ein Vertrag, der den biologischen Vater als Unterhaltszahler ausschließt, ist ja ein Vertrag zu Lasten dritter, in diesem Falle des Kindes. Was ist, wenn der rechtliche Vater nicht zahlen kann? Wenn boß eine Frau die Befruchtung durchführen lässt und Ihre Verpflichtung durch Betreuung erfüllt? Wer stellt sicher, dass dem nicht so ist? Wer geht dieses Risiko ein?

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