Pecunia non olet? BGH zur Strafbarkeit des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt im Toilettenreinigungsgewerbe

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 19.02.2013

Einblick in die höchst merkwürdigen Arbeitsbedingungen im Toilettenreinigungsgewerbe gibt ein neuer Beschluss des BGH in Strafsachen:

Der Angeklagte war Geschäftsführer der A. GmbH, die unter anderem vertraglich die Reinigung und Überwachung von insgesamt elf Toilettenanlagen in großen Kaufhäusern in Hamburg und Umland übernommen hatte. Der A. GmbH oblag dabei, die Toiletten in den Warenhäusern ständig in einem sauberen und hygienisch einwandfreien Zustand zu halten, auftretende Verschmutzungen unverzüglich zu beseitigen sowie die Toilettenanlagen zu desinfizieren. Eine Vergütung für die A. haben die Kaufhäuser ausdrücklich ausgeschlossen. Das von der A. eingesetzte Personal (26 Mitarbeiter) wurde zunächst nach dem für das Gebäudereinigerhandwerk geltenden Mindestlohn beschäftigt. Um allerdings Lohnkosten zu sparen, wurden später in die Arbeitsverträge Regelungen aufgenommen, wonach – obwohl die Mitarbeiter ständig vor Ort sein mussten – lediglich die tatsächliche „Putzzeit“ als Arbeitszeit zählte. Diese wurde im Regelfall mit vier Stunden pro Woche pauschal bestimmt und mit 125 € monatlich vergütet. Ab dem 01.04.2009 wurden schließlich neue Arbeitsverträge geschlossen, die Arbeitszeit unwesentlich heraufgesetzt und nunmehr als Entlohnung 128 € pro Monat vorgesehen. Zusätzlich erhielten die Arbeitnehmer einen Anteil von dem „Tellergeld“, dem von den Benutzern freiwillig hinterlassenen Trinkgeld für die Benutzung der Toilettenanlage. Die A. meldete die Beschäftigten lediglich mit der offiziell gewährten Entlohnung bei der Minijob-Zentrale an und entrichtete auf dieser Basis Beiträge. Die Einkünfte der Arbeitnehmer aus dem „Tellergeld“ wurden verschwiegen.

Das Landgericht Hamburg hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 50 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 450 Tagessätzen verurteilt und davon 30 Tagessätze als Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als bezahlt bestimmt. Die Revision des Angeklagten hatte (im Gegensatz zu derjenigen seiner mitangeklagten Ehefrau) keinen Erfolg (BGH, Beschluss vom 12.09.2012 - 5 StR 363/12, NJW 2012, 3385). Der Verwerfungsbeschluss des BGH trifft dazu im Kern folgende Aussagen:

  1. Auf die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten fand der Lohntarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung Anwendung. Dieser war seit 2004 allgemeinverbindlich (§ 5 TVG) und ab 2008 durch die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Gebäudereinigerhandwerk vom 27.02.2008 für bindend erklärt. Der Stundenlohn in der untersten Lohngruppe belief sich zunächst auf 7,87 Euro, ab März 2008 auf 8,15 Euro. Es kann dahinstehen, ob (wie in der Literatur zum Teil vertreten wird) auch eine „Reinigung nach Hausfrauenart“ in den Anwendungsbereich des Tarifvertrages fällt. Denn die Beschäftigten hatten die Toiletten in einem sauberen und hygienisch einwandfreien Zustand zu halten, auftretende Verschmutzungen unverzüglich zu beseitigen sowie die Toilettenanlagen zu desinfizieren. Das geht über eine „Reinigung nach Hausfrauenart“ hinaus.
  2. Im Gegensatz zu der Entlohnungspraxis des Angeklagten war die gesamte vom Personal in den Toilettenanlagen verbrachte Zeit „Arbeitszeit“. Ihre Tätigkeit dort war auch nicht zeitweise lediglich Arbeitsbereitschaft, sondern „Vollarbeit“. (Im Übrigen, so wäre zu ergänzen, sieht der Tarifvertrag auch für Bereitschaftsdienst keinen geringeren Stundenlohn vor.)

Angesichts des für das Beitragsrecht der Sozialversicherung geltenden „Entstehungsprinzips“ waren Sozialversicherungsbeiträge auf der Basis desjenigen Arbeitsentgelts geschuldet, das die Arbeitnehmer zu beanspruchen hatten. Ob sie ihre Lohnansprüche tatsächlich geltend gemacht haben, ist unerheblich.

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3 Kommentare

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siehe aber auch:   Arbeitsgericht HamburgUrteil vom 28.03.2013 

7 Ca 541/12 - "Toilettenfrau" hat keinen Anspruch auf Zahlung des tariflichen Mindestlohns
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siehe aber auch

 

Arbeitsgericht HamburgUrteil vom 28.03.2013 

7 Ca 541/12 -

"Toilettenfrau" hat keinen Anspruch auf Zahlung des tariflichen Mindestlohns
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Kommt auf den Einzelfall an , ob der TV anwendbar ist. Sie erwähnen leider die entscheidende Passage aus dem ArbG Hamburg-Urteil nicht, wonach die klagende Toilettenfrau nicht nachweisen konnte, dass  ihre Betriebsabteilung überwiegend mit Reinigungsarbeiten beauftragt und daher der Mindestlohn geschuldet war. Daran scheiterte eben die Klage.

In der BGH-Entscheidung gab es, wie man dem etwas knappen Sachverhalt entnehmen kann, entweder "Betriebsabteilungen" für Reinigung und für Überwachung oder aber es wurde insgesamt überwiegend (§ 2 RTV, hier bei 26 Arbeitnehmern) gereinigt.

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