BAG stärkt Leiharbeiter und Betriebsräte

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 14.03.2013

Der 13.3.2013 ist auch für die Leiharbeitsbranche ein historischer Tag. In mehreren Urteilen hat der 5. Senat des BAG (allesamt vom 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 -, - 5 AZR 146/12 -, - 5 AZR 242/12 -, - 5 AZR 294/12 - und - 5 AZR 424/12) wichtige Fragen entschieden, die nach der CGZP-Entscheidung noch der Klärung bedurften. Insgesamt bestätigt sich der Trend, dass die Rechtsprechung die Gestaltungsspielräume im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung immer weiter einengt. Das betrifft mehrere Ebenen, die tarifvertragliche ebenso wie die betriebsverfassungsrechtliche.

Hintergrund der jetzt entschiedenen Verfahren:

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) verpflichtet den Verleiher, dem Leiharbeitnehmer das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, das der Entleiher vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt („equal pay“). Von diesem Gebot der Gleichbehandlung erlaubt das AÜG ein Abweichen durch Tarifvertrag, wobei nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen arbeitsvertraglich vereinbaren können. Tarifverträge, die für Leiharbeitnehmer ein geringeres Arbeitsentgelt vorsehen, als es vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers erhalten, hat ua. die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) mit Arbeitgeberverbänden der Leiharbeitsbranche geschlossen. Nachdem der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts am 14. Dezember 2010 (NZA 2011, 289) festgestellt hat, dass die CGZP nicht tariffähig ist, haben bundesweit zahlreiche Leiharbeitnehmer auf Nachzahlung der Differenz zwischen der von ihren Arbeitgebern gewährten Vergütung und der eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers geklagt.

Das BAG ist kurz gesagt zu folgendem Ergebnis gelangt: Leiharbeiter, die unter ungültigen Tarifverträgen arbeiten, haben Anspruch auf den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft. Allerdings knüpft der Richterspruch die Lohnnachzahlung an bestimmte Fristen. Von daher ist die Rechtsposition der klagenden Leiharbeitnehmer im Grundsatz bestätigt worden. Die zu beachtenden Verjährungsfristen, insbesondere aber die Ausschlussfristen werden es für viele Leiharbeitnehmer schwierig machen, ihre Ansprüche durchzusetzen.

Im Einzelnen hat das BAG folgende Grundsätze formuliert:

  • Keine wirksamen Tarifverträge der CGZP mit der Folge „Equal Pay“       

Die CGZP konnte keine wirksamen Tarifverträge schließen. Leiharbeitnehmer, in deren Arbeitsverträgen auf die von der CGZP abgeschlossenen „Tarifverträge“ Bezug genommen ist, haben nach § 10 Abs. 4 AÜG Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer des Entleihers erhalten hat.

  • Etwaiges Vertrauen der Verleiher in die Tariffähigkeit der CGZP ist nicht geschützt.
  • Bezugnahmeklauseln intransparent
    Soweit in neueren Arbeitsverträgen neben oder anstelle einer Verweisung auf CGZP-Tarifverträge auf den mehrgliedrigen Tarifvertrag zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP), der CGZP und einer Reihe von christlichen Arbeitnehmervereinigungen vom 15. März 2010 Bezug genommen wird, ist eine solche Klausel intransparent und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn sich nicht ersehen lässt, welches der tariflichen Regelwerke bei sich widersprechenden Regelungen den Vorrang haben soll. Anmerkung: Das ist in der Literatur und der Instanzgerichtsbarkeit mit guten Gründen anders gesehen worden, vgl. Stoffels/Bieder, AGB-rechtliche Probleme der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf mehrgliedrige Zeitarbeitstarifverträge,in: RdA 2012, S. 27-40). Auch stellt sich die Frage wie es mit der Bezugnahme auf das ebenfalls mehrgliedrige Tarifwerk der DGB-Tarifgemeinschaft aussieht.
  • 3-monatige Verfallsfrist Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt
    Der gesetzliche Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG wird zu dem arbeitsvertraglich für die Vergütung vereinbarten Zeitpunkt fällig. Er unterliegt wirksam vereinbarten Ausschlussfristen. Insbesondere darf die Verfallfrist drei Monate nicht unterschreiten. Zur Verhinderung des Verfalls genügt eine Geltendmachung des gesetzlichen Anspruchs dem Grunde nach.
  • Verjährung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt
    Der gesetzliche Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Leiharbeitnehmer Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen hat (§ 199 Abs. 1 BGB). Dafür reicht die Kenntnis des Leiharbeitnehmers von den Tatsachen. Auf seine rechtliche Beurteilung der Tariffähigkeit der CGZP kommt es nicht an.
  • Dauer des Anspruchs und seines Berechnung
    Der Entgeltanspruch nach § 10 Abs. 4 AÜG besteht während der Dauer der Überlassung an ein entleihendes Unternehmen. Zu seiner Berechnung ist ein Gesamtvergleich aller Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen. Dabei bleibt Aufwendungsersatz außer Betracht, es sei denn, es handelt sich um “verschleiertes“ und damit steuerpflichtiges Arbeitsentgelt.

Eine weitere Entscheidung des 7. Senats (Beschluss vom 13. März 2013 - 7 ABR 69/11) befasst sich noch mit der Frage, ob Leiharbeitnehmer bei den betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten mitzählen. Hier setzt das BAG seine eingeschlagene Richtung (zu § 111 BetrVG vgl. BAG 18.10.2011, NZA 2012, 221 und zu § 23 KSchG BAG 24.1.2013 - 2 AZR 140/12) fort und formuliert jetzt ganz allgemein: „Leiharbeitnehmer sind bei der für die Größe des Betriebsrats maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer eines Betriebs grundsätzlich zu berücksichtigen.“ Arbeitgeber werden künftig einer verstärkten Arbeitnehmervertretung gegenüber stehen.

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3 Kommentare

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Ausschlussfrist bzw. Verfallsfrist heißt: Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag müssen innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden, bei späterer Geltendmachung bzw. Forderung sind sie verfallen. Ist eine solche Frist nicht vereinbart, dann gilt die gesetzliche Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB, wobei die Verjährungsfrist erst am Jahresende beginnt - § 199 BGB, d.h. eine Forderung aus Januar 2010 ist erst am 1.1.2014 verjährt).

Das BAG hat 2005 entschieden (5 AZR 52/05),  dass - wenn diese Ausschlussfrist Bestandteil eines formularmäßigen Arbeitsvertrags ist - diese Frist mindestens 3 Monate betragen muss. Kürzere Ausschlussfristen benachteiligen den Arbeitnehmer unangemessen und sind nichtig - es gilt dann die gesetzliche Verjährungsfrist. Hier ein Überblick:

http://www.hensche.de/Arbeitsrecht_aktuell_BAG_Ausschlussklausel_28_09_2005_5AZR52_05.html

Wird der rechtzeitig angemeldeten Forderung nicht entsprochen (d.h. hat man innerhalb der Ausschlussfrist Equal Pay gefordert und der Arbeitgeber zahlt nicht), gibt es normalerweise eine zweite Frist, innerhalb der die Forderung auf dem Klageweg geltend gemacht werden muss. Auch diese muss mindestens 3 Monate betragen, kürzere Fristen sind unwirksam.

Die "erste" und die "zweite" Frist werden getrennt betrachtet, d.h. beträgt die Frist zur Geltendmachung von Forderungen laut Formulararbeitsvertrag 3 Monate und die zur gerichtlichen Betreibung 2 Monate, dann ist nur die zweite Frist unwirksam, d.h. eine Forderung ist verfallen, wenn sie erst nach der 3-Monats-Frist geltend gemacht wird.

http://www.hensche.de/Rechtsanwalt_Arbeitsvertrag_Allgemeine-Geschaeftsbedingungen_AGB_Ausschlussklausel.html

Das BAG hat nun entschieden, dass die Ausschluss- und Verjährungsfristen bei Equal-Pay-Ansprüchen mit dem Zeitpunkt des Anspruchs zu laufen beginnen (d.h. in der Praxis: mit dem Termin der Lohnzahlung des CGZP-Zeitarbeitslohns) und nicht mit der BAG-Entscheidung zur Tarifunfähigkeit der CGZP. Wer also mit 3-Monats-Ausschlussfrist Mitte Januar 2011 Forderungen nach Auszahlunge der Lohndifferenz gestellt hat, hat rückwirkend nur Ansprüche bis Oktober 2010 und nicht auf alles, was vor der BAG-Entscheidung vom 14.12.2010 lag.

Eine Chance auf hohe Nachzahlungen hatten nur die, in deren Arbeitsvertrag unzulässig kurze, also nichtige Verfallsfristen standen, denn sie konnten die Lohndifferenz aus den letzten 4 Jahren einklagen (z.B. im Dezember 2010 nach dem BAG-Urteil zur Tarifunfähigkeit der CGZP für die Jahre 2007, 2008, 2009 und 2010 - wegen § 199 BGB).

Schön das hier etwas passiert. Denn die unfaire Behandlung der Leiharbeiter, ohne das Wort Ausbeutung zu nutzen, musst das Ende finden.

Unternehmen, die Leiharbeiter zeitlich unbefristet beschäftigen möchten, handeln eindeutig gesetzwidrig. Denn noch bringt die neue Entscheidung auch Negatives mit sich. Denn jetzt besteht eine zeitarbeitsfeindliche Tendenz, die Leiharbeit für Unternehmen deutlich unattraktiver macht. Das kann weiteren Wind für den Einsatz von Werkverträgen und gegebenenfalls Stellenabbau bedeuten. (Quelle: http://www.marktundmittelstand.de/nachrichten/strategie-personal/unbefristete-leiharbeit-ist-verboten/ )

Trotzdem, die Leiharbeit ist für den kurzfristigen Bedarf an Mitarbeiter gedacht und sollte nicht von den Unternehmen nicht ausgenutzt werden. Wenn die Firmen langfristig Leiharbeiter einsetzten, können sie ebenfalls normale Arbeitsverträge anbieten.

 

Gruß,

W.

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