Urteil zu Vorfeldstreik: Arbeitsgericht Frankfurt a.M. weist Millionenklage gegen Gewerkschaft ab

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 30.03.2013

Im Streit um den Vorfeldstreik am Frankfurter Flughafen im vergangenen Jahr muss die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) keinen Schadensersatz leisten. Das Arbeitsgericht Frankfurt a.M. (Urteil vom 25. März 2013 - Aktenzeichen 9 Ca 5558/12) hat die Klage der Fluggesellschaften Lufthansa und Air Berlin sowie des Flughafenbetreibers Fraport auf rund 9,2 Millionen Euro abgewiesen. Über einen Zeitraum von zwei Wochen im Februar vergangenen Jahres waren wegen des Streiks rund 1700 Flüge am größten deutschen Flughafen ausgefallen. Der Konflikt wurde im vergangenen Frühjahr mit neuen Tarifverträgen für die Vorfeldleute beigelegt. Bei Abschluss der Tarifverträge wurden aber nur juristische Schritte gegen die streikenden Personen, nicht aber gegen die Gewerkschaft ausgeschlossen. Zur Begründung der klageabweisenden Entscheidung heißt es in der Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M., dass die GdF mit dem Hauptstreik zwar rechtswidrig und unmittelbar in das Recht der Fraport AG an deren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen habe. Ein Schadensersatzanspruch hieraus ergäbe sich zugunsten der Fraport AG aber nicht. Die GdF könne sich mit Erfolg auf den Einwand des „rechtmäßigen Alternativverhaltens“ berufen. So folge die Rechtswidrigkeit des Hauptstreiks allein daraus, dass die GdF die sich aus einem zwischen ihr und der Fraport AG in Teilen noch fortgeltenden Landesbezirkstarifvertrag ergebende Friedenspflicht verletzt hatte. Das Gericht sah es als unstreitig an, dass die von Fraport behaupteten Schäden ebenso eingetreten wären, wenn die GdF den Teil der friedenspflichtverletzenden Forderungen, bei denen es sich lediglich um untergeordnete Nebenforderungen handelte, nicht in ihre Streikforderung aufgenommen und damit rechtmäßig gestreikt hätte. Bezüglich der beiden klagenden Fluggesellschaften fehle es an dem für einen deliktischen Schadensersatzanspruch erforderlichen „betriebsbezogenen“ Eingriff in deren Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der sich unmittelbar gegen die beiden Klägerinnen gerichtet hätte. Auf die Verletzung der schuldrechtlich gegenüber Fraport als Tarifvertragspartei bestehenden Friedenspflicht könnten sich die klagenden Fluggesellschaften hingegen nicht berufen, da die Friedenspflicht gerade nicht die Fluggesellschaften „als Dritte“ schütze. Schließlich konnte das Arbeitsgericht Frankfurt hinsichtlich des mit Schreiben der GdF vom 28. Februar 2012 angekündigten, aber nicht durchgeführten Unterstützungsstreiks anhand des Vorbringens der drei Klägerinnen nicht erkennen, dass es allein aufgrund der Ankündigung zu Beeinträchtigungen des Flugbetriebes bzw. zu Schäden gekommen wäre, die nicht ohnehin durch den durchgeführten Hauptstreik, für dessen Folgen die GdF gerade nicht haften muss (siehe oben), verursacht worden waren. Lufthansa, Air Berlin und Fraport wollten zunächst die schriftlichen Urteilsgründe abwarten. Es sei aber davon auszugehen, dass das Verfahren durch alle Instanzen bis zum BAG weiter verfolgt werde, erklärten die Unternehmen gemeinsam. Ob sich die auf den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens abstellende Begründung des Arbeitsgerichts als tragfähig erweist, wird man in der Tat bezweifeln können, da hiernach der Streik um (partiell) unzulässige Tarifinhalte künftig in vielen Fällen keine schadensersatzrechtlichen Sanktionen mehr nach ziehen dürfte.

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