Autorennen in Dortmund!.......und: 4-Monate-Schonfrist erst in der Rechtsbeschwerde...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.05.2013

Ein nettes Fällchen: Dem Betroffenen wird Teilnahme an einem Rennen in Dortmund vorgeworfen. Das OLG Hamm hat die Verurteilung des AG gehalten, aber die dort vergessene Schonfrist bewilligt:

Die auf die Sachrüge vorzunehmende Überprüfung des angefochtenen Urteils lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht erkennen. Dass das Amtsgericht entgegen §§ 260 Abs. 5 Satz 1 StPO, 71 Abs. 1 OWiG nach der Urteilsformel die angewendeten Vorschriften nicht bezeichnet hat, kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen, da das Urteil hierauf nicht beruht und sich die angewendeten Vorschriften aus den Urteilsgründen im Übrigen ergeben.

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Teilnahme an einem nicht genehmigten Kraftfahrzeugrennen gemäß § 29 Absatz 1,
STVO § 49 StVO, 24 StVG. Ein Rennen im Sinne des § 29 Absatz 1 StVO ist ein Wettbewerb oder
Wettbewerbsteil zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen, bei denen zwischen mindestens zwei Teilnehmern ein Sieger durch Erzielung einer möglichst hohen Geschwindigkeit ermittelt wird
(zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24.08.2005 - 2 Ss OWi 19/05 -‚ zitiert nach beck-online;
OLG Hamm NZV 1997, 367; OLG Bamberg NStZ-
RR 2011, 256). Einer vorherigen Absprache aller
Beteiligten bedarf es nicht (zu vgl. OLG Hamm und OLG Bamberg a. a. O.). Das Gericht hat festgestellt, dass der Betroffene in einer Gruppe von mindestens drei weiteren Fahrzeugen zwei- bis viermal im Kreis fuhr, wobei die Fahrzeuge stark beschleunigt hätten und mit hoher Geschwindigkeit gefahren seien, ohne dass es zu Überholmanövern gekommen sei. Bei Eintreffen der Polizeibeamten habe der Betroffene bei eingeschaltetem Motor und Licht in seinem Fahrzeug, das neben den weiteren Fahrzeugen in Fahrtrichtung der zuvor gefahrenen Strecke gestanden habe, gesessen; die Straße, in der sie die Fahrzeuge vorgefunden hätten, sei den Polizeibeamten als „Startaufstellung“ bekannt. Dass das Gericht nicht festgestellt hat, dass es den Beteiligten um eine „Siegerermittlung“ gegangen sei, steht der Feststellung eines Rennens im Sinne des § 29 Absatz 1 StVO nicht entgegen, da auch
„Geschicklichkeits-, Zuverlässigkeits-, Leistungsprüfungs- und Orientierungsfahrten“, worum es sich nach den Feststellungen des Gerichts jedenfalls handelte, bereits dem Rennbegriff des  § 29 Absatz 1 StVO unterfallen
(zu vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflg., § STVO § 29 StVO, Rn.
2).

Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung ist auch die Beweiswürdigung des Amtsgerichts nicht zu beanstanden. Diese ist ureigenste Aufgabe des Tatrichters (zu vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 261 Rn. 3 m. w. N.). Das Rechtsbeschwerdegericht darf sie nur auf rechtliche Fehler prüfen, nicht aber durch eine eigene Beweiswürdigung ersetzen (zu vgl. BGHSt 10,  208, 210). Die nach Ansicht des Rechtsbeschwerdeführers falsche Würdigung der Beweise kann daher mit der Rechtsbeschwerde grundsätzlich nicht gerügt werden. Das Rechtsbeschwerdegericht hat lediglich zu überprüfen, ob die Urteilsgründe rechtlich einwandfrei, d. h. frei von Widersprüchen, Unklarheiten und Verstößen gegen Denkgesetze oder gesicherte Lebenserfahrungen sind (zu vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 337 Rn. 26 ff. m. w. N.).

Gemessen an diesen Anforderungen hat das Amtsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass sich der Betroffene an dem Rennen beteiligt hat. Das Gericht hat hierzu frei von Widersprüchen und lückenlos ausgeführt, die Zeugen C2 und L, die das Geschehen beobachtet haften, hätten angegeben, dass unter den teilnehmenden Fahrzeugen auch die drei später von der Polizei festgehaltenen Fahrzeuge gewesen seien. Dass sich darunter der Betroffene befunden habe, habe der Zeuge PK T bekundet.

Auch der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Überprüfung stand. Die angeordneten Rechtsfolgen entsprechen der Sach- und Rechtslage. Insbesondere begegnet die Verhängung der Regelgeldbuße nach der BKatV keinen Bedenken.

Ebenso ist die Verhängung des einmonatigen Fahrverbots rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Erfüllung des  § 4 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 BKatV
i. V. m. Nr. 248 der BKatV indiziert nämlich - wie im vorliegenden Fall -grundsätzlich das Vorliegen einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers im Sinne von § 25 Absatz 1 Satz 1 StVO, so dass es regelmäßig der
Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes bedarf. Der Tatrichter war sich
der Möglichkeit nach § 4 Absatz 4 BKatV bewusst,
unter Erhöhung der Geldbuße auch von der Verhängung eines Fahrverbotes absehen zu
können, was der Tatrichter mit seiner - wenn auch knappen - Begründung zu erkennen gegeben hat, Gründe, von der BKatV abzuweichen, lägen nicht vor. Zwar kann die Vermutungswirkung des § 4 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 BKatV für das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Absatz 1 Satz 1 StVG grundsätzlich widerlegt werden, wobei die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung des Tatrichters obliegt (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom  28.03.2012 - III-3 RBs 19/12 -‚ zitiert nach burhoff-online; BGH NZV 1992, 286). Dass es im Fall der Verhängung eines einmonatigen Fahrverbots zum Eintritt einer
schwerwiegenden Härte wie z. B. dem Verlust des Arbeitsplatzes oder einer sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage kommt, ist jedoch weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

Indes ist dem Betroffenen Vollstreckungsaufschub nach §  § 25 Absatz 2a Satz 1 StVG zu gewähren, da gegen den Betroffenen, der straßenverkehrsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist, in den zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrerverbot nicht verhängt worden ist.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und bemerkt ergänzend:

Soweit das Amtsgericht nicht ausdrücklich festgestellt hat, dass es den Beteiligten um eine Siegerermittlung gegangen ist, ergibt sich dies noch hinreichend aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Die einzig abstrakt in Betracht kommende Alternative, dass die Beteiligten die beschriebene Fahrweise lediglich „aus Vergnügen“ gleichzeitig an den Tag gelegt haben, schied hier ersichtlich aus. Der Betroffene hat sich selbst nicht darauf berufen, sondern nach den für das Rechtsbeschwerdegericht maßgeblichen Urteilsgründen angegeben, er habe sich mit weiteren Beteiligten getroffen, um sich getunte Pkw anzusehen und habe nicht an einem rennen teilgenommen. der Tatrichter muss sich aber nicht mit allen bloß theoretisch denkbaren Alternativen auseinandersetzen, sondern nur mit solchen, die nahe liegen (BGH NStZ-RR 2010,  183, 184;vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v.
- III-1 RBs 128/12 = BeckRS 2012, 21794). Angesichts der im tatrichterlich enthaltenen Feststellungen liegt die genannte Alternative auch sonst nicht nahe.

OLG Hamm, Beschluss vom 05.03.2013 - III-1 RBs 24/13

Ausführlich zu Rennen im Straßenverkehr und dem hieran anknüpfenden Regelfahrverbot: Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 2. Aufl. 2010, § 5.

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