"4-Augen-Prinzip" - gibt es das nun oder nicht? Oder nur in Baden-Württemberg?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.05.2013
Rechtsgebiete: 4-Augen-PrinzipStrafrechtVerkehrsrecht1|3525 Aufrufe

Auch, wenn es gar nicht wirklich notwendig war, hat das AG Sigmaringen sich zur Existenz eines so genannten 4-Augen-Prinzips bei Lasermessungen geäußert:

Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde festgestellt, durch eine zuverlässige polizeiliche Geschwindigkeitsmessung mit dem Lasermessgerät X6. FG21-P. Dabei handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte. Gemessen wurde eine Geschwindigkeit von 116 km/h. Nach Abzug der vorgeschriebenen Messtoleranz von 4 km/h verbleibt noch eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 112 km/h.

Die Messung wurde durchgeführt von dem Zeugen PHM M. Der Zeuge hat in der Zeit vom 13.06. bis zum 14.06.2005 an der Grundschulung über Handhabung und Einsatz dieses Messgeräts mit Erfolg teilgenommen. Er hat seither mehrere hundert Messungen mit dem Gerät vorgenommen und ist daher mit der Handhabung des Geräts bestens vertraut.

Im Messprotokoll ist vermerkt: „Das Messgerät wurde entsprechend den Vorgaben des Geräteherstellers und der Dienstanweisung eingesetzt.“ Beide Vorgaben sind bei der Messung eingehalten worden. Dies hat der Sachverständige F. von der DEKRA X2., welcher die Messung überprüft hat, bestätigt. Das Messgerät war zum Zeitpunkt der Messung gültig geeicht. Dies ergibt sich aus dem Eichschein des Regierungspräsidiums X3. vom 12. September 2011. Danach dauerte die Gültigkeit der Eichung noch bis zum 31. Dezember 2012. Das Gerät war mit der neuesten Software ausgestattet. Der Zeuge PHM X4. hat alle vorgeschriebenen Funktionstests vor Beginn der Geschwindigkeitsmessung zutreffend durchgeführt. Beim Fahrzeug des Betroffenen handelt es sich auch um ein Einzelfahrzeug, dies bedeutet, dass die Messung auch eindeutig dem Kraftrad des Betroffenen zuzuordnen ist und eine Verwechslung mit einem anderen Fahrzeug ausgeschlossen ist.

Bei der Messung der Geschwindigkeit ist auch die Dienstanweisung des Innenministeriums X5. für Geschwindigkeitsmessungen mit Laser-Geschwindigkeitshandmessgeräten (Stand: April 2010) beachtet worden. In dieser Dienstanweisung ist unter „Einsatz und Bedienung des Gerätes“ u. a. Folgendes vermerkt:

„Die Geräte sind nach der Gebrauchsanweisung des Herstellers, den Zulassungsbedingungen der PTB und den ergänzenden Regelungen des Innenministeriums X5. zu handhaben. Bei widersprüchlichen Regelungen gelten die Regeln dieser Dienstanweisung. Abweichungen von den vorgegebenen Messbedingungen im Messbetrieb stellen ein Verfahrenshindernis dar. ...

„Die Geschwindigkeitsmessungen sind grundsätzlich als Anhaltekontrollen mit mindestens zwei uniformierten Beamten/Beamtinnen (einem Messbeamten/Messbeamtin und einem zweiten Beamten/Beamtin) und als Einzelmessungen durchzuführen.

Das Messergebnis muss immer von diesen beiden Beamten/Beamtinnen abgelesen werden (Vier-Augen-Prinzip). Der zweite Beamte/Beamtin muss nicht zwingend die Laser-Schulung absolviert haben. Dies wird jedoch empfohlen.

Das aus dem Display angezeigte Geschwindigkeitsmessergebnis kann dem Betroffenen auf dessen Wunsch gezeigt werden, soweit der Messbetrieb dadurch nicht beeinträchtigt wird. ...“

Das Vier-Augen-Prinzip ist somit jedenfalls im Land X5. bei jeder Messung mit dem Lasermessgerät X6. FG21-P zu beachten . Die Oberlandesgerichte Düsseldorf (Beschluss vom 13.9.2012, IV-2 RBs 129/12, DAR 2012, 646 und
BeckRS 2012, 19400) und Hamm (BeckRS 2012,
 18144 und 18145) haben die Auffassung vertreten, dass bei derartigen Geschwindigkeitsmessungen kein Vier-Augen-Prinzip gelte. Dies ist jedenfalls für das Land X5. nicht zutreffend. Das Prinzip berücksichtigt die Tatsache, dass bei diesem Messverfahren kein Foto gefertigt wird, aus welchem die gemessene Geschwindigkeit abgelesen werden kann. Daher muss gewährleistet sein, dass der gemessene Wert richtig abgelesen und ins Messprotokoll eingetragen wird. Es dient somit dem Zweck, Ablese- und Übertragungsfehler zu vermeiden. Sowohl der Messbeamte als auch der Beobachter müssen das Messergebnis ablesen. Nach dem Eintrag in das Messprotokoll müssen beide kontrollieren, ob die Eintragung auch richtig erfolgt ist.

Dies ist in vorbildlicher Weise vom Messbeamten PHM M. und vom Beobachter PHM D. so erfolgt. Zusätzlich konnte der Betroffene, wie er selbst bestätigt hat, auch selbst das Messergebnis (116 km/h) ablesen. Damit ist ein Ablese- oder Übertragungsfehler ausgeschlossen.

Auch interessant, was das AG zum Absehen vom Fahrverbot während einer Probezeit geschrieben hat:

Der Betroffene ist im Verkehrszentralregister nicht eingetragen. Die Regelbuße nach dem Bußgeldkatalog für diesen Verstoß beträgt 160,00 €. Außerdem ist hierfür ein Regelfahrverbot von 1 Monat vorgesehen.

Von der Verhängung des Regelfahrverbots hat das Gericht ausnahmsweise abgesehen, nachdem das Fahrverbot für den Betroffenen eine Existenzgefährdung darstellen würde:

Der Betroffene war fast ein Jahr lang arbeitslos und hat jetzt seit dem 2. Januar 2013 wieder eine neue Arbeitsstelle gefunden. Er arbeitet jetzt als Servicetechniker für eine Firma S. und befindet sich noch in der Probezeit. Zur Zeit wird er gerade eingearbeitet, die Probezeit beträgt 6 Monate. Während der Probezeit kann er keinen Urlaub nehmen, er kann das Fahrverbot somit auch nicht im Urlaub abdienen. Im Falle der Verbüßung des Fahrverbots würde er die neue Arbeitsstelle sofort wieder verlieren.
 

Daher hat das Gericht ausnahmsweise von der Verhängung des Fahrverbots abgesehen. Der Betroffene ist daraufhin gewiesen worden, dass es diese Ausnahme nur ein einziges Mal gibt. Zur Einwirkung auf ihn wurde die Geldbuße angemessen auf 500,00 € erhöht.

AG Sigmaringen, Urteil vom
12.02.2013 - 5 Owi 15 Js 7112/12 BeckRS 2013, 04829

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1 Kommentar

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Sie können noch jeweis das Wort "Eitelkeit" einfügen, z.B. oder nur Eitelkeit (der Richter) in B.-W. ?, dann wird wohl alles passen. Jeder hat das Recht auf eigene Gerede und (damit verbundene) Eitelkeit.

(Den Text habe ich nicht gelesen.)

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