Lehrer als Saisonarbeiter?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 26.05.2013

Ein Bericht der Süddeutschen Zeitung wirft ein Schlaglicht auf die skandalösen (so zu Recht Ilse Schaad, Vorstandsmitglied der GEW) Verhältnisse im öffentlichen Dienst. Nach diesem Bericht bedeuten die Sommerferien für Tausende befristet angestellte Lehrer nicht nur banges Warten auf einen neuen Vertrag. Vielmehr bleibt diesen Lehrern in dieser Zeitphase nichts anderes übrig, als Arbeitslosengeld I oder – wegen nicht ausreichender Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung – kurzzeitig Hartz IV zu beantragen. Die Zeitung beruft sich auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, wonach sich in den Sommerferienmonaten 2012 bundesweit 5.400 Lehrer zusätzlich arbeitslos gemeldet haben. Spitzenreiter war demnach im Jahre 2012 Baden-Württemberg. Auch in Rheinland-Pfalz, Bayern oder Hessen ist das Phänomen offenbar verbreitet. In einer Analyse der Behörde heiße es: Hauptursache für diesen "sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit" sind befristet geschlossene Verträge mit nicht verbeamteten Lehrkräften, bei denen die Sommerferien ausgespart bleiben. Nach Ende der Ferien würden sich die Zahlen wieder normalisieren.  Dieser Trend ist laut SZ seit Jahren auffällig. Bereits 2001 hatte der Bundesrechnungshof kritisiert, Länder würden sich "eines Teils ihrer Arbeitgeberverpflichtungen zulasten des BA-Haushalts entledigen". Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein gerade ergangenes Urteil des ArbG Gießen (Az.: 10 Ca 538/12). Das Gericht hat der Entfristungsklage einer Grundschullehrerin stattgegeben, die über zehn Jahre lang in einer Kette von 14 Arbeitsverträgen beim Land Hessen beschäftigt war. Es führt aus, dass es sich im Falle der Tätigkeit der Klägerin eindeutig um Dauerbedarf handele, der auch durch fest angestellte Lehrkräfte erbracht werden könnte. Das Land solle seine Praxis der Kettenverträge überdenken in der Hinsicht, dass der vorhandene Vertretungsbedarf ebenso gut durch fest angestellte Lehrkräfte abgedeckt werden könne. Bezogen hat sich das ArbG Gießen auf die aktuelle Rechtsprechung des BAG vgl. NZA 2012, 1351), die ebenso für Lehrkräfte gelten müsse. Nach neuesten Pressemeldungen (FAZ) will das Land Hessen nun diese Praxis beenden. Zumindest allen Beschäftigten, die zehn Jahre oder länger befristet beschäftigt sind oder mindestens 13 befristete Verträge haben, soll nun ein unbefristeter Vertrag angeboten werden. Baden-Württemberg soll dagegen betont haben, dass eine Weiterbeschäftigung der Vertretungskräfte angesichts der angespannten Haushaltslage derzeit nicht finanzierbar. Hier bleibt den betroffenen Lehrern wohl nur der Weg zu den Arbeitsgerichten. 

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4 Kommentare

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Es gibt aber auch die Kehrseite der Medaille, die dahin deutet, dass weibliche Lehrerinnen kurz nach der Verbeamtung in einen Erziehungsurlaub gehen, Dauerkrankmeldungen nicht seltener werden. Diese Fehlplätze müssen aufgefangen werden. Da könnte man prognostizieren, dass ein dann verbeamteter Lehrkörper sich gegen häufige Vertretungen (vielleicht auch an verschiedenen Schulen) sich mit Prozessen wehrt, und eine Dauerposition haben will … oder dann halt „erkrankt“.

 

Leider weniger die Ausnahme. Die Frage ist dann, wer badet das aus (die Kinder?) und vor allem, wo soll dieses finanziell hinausufern. Wenn über 14 Jahre eine Vertretungskraft benötigt wird, kann man auch von unkollegialem Verhalten der vorhandenen Lehrkörper sprechen … oder einem selbstgemachtem Leid.

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Merca schrieb:
Da könnte man prognostizieren, dass ein dann verbeamteter Lehrkörper sich gegen häufige Vertretungen (vielleicht auch an verschiedenen Schulen) sich mit Prozessen wehrt, und eine Dauerposition haben will … oder dann halt „erkrankt“.
Tipp: es geht nicht um Verbeamtung, sondern um ein unbefristetes Anstellungsverhältnis an Stelle von mehreren hintereinander befristeten.

Angesichts der durchnittlichen Verweildauer von etwa sieben Jahren auf einem Arbeitsplatz ist es mMn angemessen, spätestens ab dem 5. Jahr der Kettenbefristung einen Dauerbedarf anzunehmen. Zehn Jahre sind eine Verhöhnung der tatsächlichen Verhältnisse.

Wenn die Beamt(inn)en zu hohe Ausfallzeiten haben, muss man dann aber daran arbeiten und fragen, wie die Regelungen zu Erziehungsarbeit und Krankschreibung verbessert werden können. Es ist unfair, solche Probleme mit Dauerbeschäftigten auf der Befristeten auszutragen.

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Aha, ausgerechnet die reichsten Bundesländer bedienen sich an den Töpfen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, um so ihre Bildungsausgaben zu finanzieren. Absolut zum Fremdschämen!

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