Wenn der Dieb nur "entwendet"...reicht das nicht für eine Verurteilung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.05.2013

Man wird wohl davon ausgehen können, dass der Angeklagte im nachfolgend dargestellten Fall tatsächlich etwas entwendet hat. Die kleine Strafkammer hatte aber nicht im Urteil beschrieben, wie das entswenden stattgefunden hat. Das OLG Hamm erwartete da (sicher zu recht) weitere tatsächliche Feststellungen im Urteil:

I.

Das Amtsgericht Essen verurteilte die Angeklagte am 06. November 2012 wegen Diebstahls in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Angeklagten hat die XI. kleine Strafkammer des Landgerichts Essen mit Urteil vom 15. Januar 2013 mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass sie die Angeklagte wegen Diebstahls in sechs Fällen zu einer vollstreckbaren Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt hat.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Angeklagte mit der von ihr form- und fristgerecht eingelegten Revision, die sie mit der Verletzung materiellen Rechts begründet hat.

II.

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft entsprechend führt die von der Angeklagten erhobene Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag wie folgt begründet:

„Die Revision der Angeklagten ist zulässig und hat mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts auch – zumindest vorläufigen – Erfolg.

Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen Diebstahls in 6 Fällen nicht. Die Urteilsgründe leiden an einem Darstellungsmangel, weil sie keine bzw. lückenhafte Feststellungen zur Wegnahmehandlung enthalten. Es wird in allen 6 Fällen lediglich festgestellt, dass die Angeklagten die näher bezeichneten Artikel „entwendet“ hat. Der Entwendungsvorgang wird allerdings nicht beschrieben, so dass nicht festgestellt werden kann, ob es überhaupt zu einer Wegnahme der im Urteil genannten Gegenstände gekommen ist. Es ist unklar, ob die Angeklagte die genannten Gegenstände in ihre Kleidung gesteckt hat (bei kleineren Gegenständen reicht dies für eine vollendete Wegnahme aus) oder ob sie mit den Gegenständen das Ladenlokal verlassen hat (bei größeren Gegenständen – wie dem entwendeten Paar Herrenschuhe – ist dies u.U. erforderlich). Die von der Kammer gewählte Formulierung „sie entwendete“ lässt keinerlei Schluss darauf zu, wie sich der Wegnahmevorgang abgespielt hat.

Das angefochtene Urteil unterliegt daher der Aufhebung.“

Der vorliegenden Stellungnahme vermag der Senat nicht entgegenzutreten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die zur Vollendung des Diebstahls führende Wegnahme dann vollzogen, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Entscheidend für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist, dass der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann (BGHSt, 16, 271, 273 ff.; BGH, NStZ 2008, 624, 625) und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen (BGH, NStZ 2008, 624, 625). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens (BGHSt, 23, 254, 255). Vor diesem Hintergrund lässt die Rechtsprechung einerseits für eine vollendete Wegnahme in einem Selbstbedienungsladen das Einstecken von Waren in die Kleidung des Täters oder eine mitgeführte Tasche mit Zueignungsabsicht ausreichen (Bilden einer sog. Gewahrsamsenklave; vgl.: BGH, Beschluss vom 06. Oktober 1961, 2 StR 289/61, zitiert nach juris Leitsatz). Bei handlichen und leicht beweglichen Sachen reicht andererseits regelmäßig schon ein Ergreifen und Festhalten bzw. das (offene) Wegtragen des Gegenstandes als Wegnahmehandlung aus, wobei die Rechtsprechung dann, wenn der Täter einen leicht zu transportierenden Gegenstand an sich gebracht hat, ihm jedenfalls dann die ausschließliche Sachherrschaft im Sinne einer vollendeten Wegnahme zuweist, wenn er den umschlossenen Herrschaftsbereich des (ursprünglichen) Gewahrsamsinhabers, z.B. das Ladenlokal, verlassen hat (BGHR StGB § 242 I Wegnahme 1; BGH, NStZ 2008, 624, 625).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe vermag der Senat, dem ein Rückgriff auf die Akten für die rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils verwehrt ist (Beschluss des hiesigen 4. Strafsenats vom 31. Juli 2007, 4 Ss 208/07, zitiert nach juris Rn. 8), anhand der Feststellungen im Urteil nicht zu beurteilen, ob - entsprechend der Verurteilung der Angeklagten - jeweils eine vollendete oder lediglich eine versuchte Wegnahme und damit eine Versuchsstrafbarkeit gemäß §§ 242 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB in Betracht kommt (vgl. dazu: BGH, Urteil vom 01. März 2010, 3 StR 434/11, zitiert nach juris Orientierungssatz 3). Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe in vollem Umfang geständig war.

Aufgrund dessen musste der Senat das angefochtene Urteil nach § 349 Abs. 4 StPO aufheben und die Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen – auch zur Entscheidung über die Kosten der Revision – gemäß § 354 Abs. 2 StPO zurückverweisen.

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 6.5.2013 - 5 RVs 38/13

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2 Kommentare

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"auch zur Entscheidung über die Kosten der Revision"

 

Am besten muss noch die Angeklagte die Kosten für diesen Mist tragen?!

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