Hitler-Vergleich kostet Betriebsrat das Amt

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 08.07.2013

Hitler-Vergleiche haben schon manchen Politiker Amt und Stellung gekostet. Aber auch einen Betriebsrat kann ein Hitler-Vergleich das Amt kosten, wie aus einer Entscheidung des Hessischen LAG (vom 23. Mai 2013, Az: 9 TaBV 17/13) hervorgeht. Von folgendem Vorfall ging das LAG aus (wobei allerdings schon längere Querelen um die Amtsführung der Betriebsratsvorsitzende vorangegangen waren): In einer Betriebsratssitzung am 5. März 2012 und schon sinngemäß am 28. Februar 2012 erklärte das betreffende Betriebsratsmitglied in Bezug auf die Vorsitzende: „33 hat sich schon mal so jemand an die Macht gesetzt mit solchen Methoden“. Einige Zeit danach entschuldigte sich das Betriebsratsmitglied schriftlich bei der Betriebsratsvorsitzenden.  Der Betriebsrat hat den Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat unter anderem wegen dieser Äußerung betrieben. Das LAG hat diesem Antrag in zweiter Instanz stattgegeben. Es war der Überzeugung, das Betriebsratsmitglied habe einen groben Verstoß gegen seine gesetzlichen Pflichten als Betriebsrat begangen (§ 23 Abs. 1 BetrVG). Die Pflichtverletzung sei objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend. Eine weitere Amtsausübung sei untragbar. Durch seine Äußerung, 33 habe sich auch schon so einer an die Macht gesetzt mit solchen Methoden, habe das Betriebsratsmitglied die Betriebsratsvorsitzende mit Hitler gleichgesetzt, der durch die Wahlen vom Juli 1932 und das Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933 an die Macht gekommen ist. Die Gleichsetzung der Betriebsratsvorsitzenden und ihrer Methoden mit Hitler und seinen Methoden sei eine solche Diffamierung, dass das betreffende Betriebsratsmitglied im Betriebsrat nicht mehr tragbar sei. Der Hitler-Vergleich werde im Allgemeinen als Mittel gebraucht, um Widersacher zu beleidigen und zu diffamieren und sei von dem betreffenden Betriebsratsmitglied auch so gemeint gewesen. Er vergleiche nicht etwa „nur“ die diktatorischen Methoden der Betriebsratsvorsitzenden und Hitlers sondern in 1. Linie auch die Personen. Das Entschuldigungsschreiben rette die Situation nicht. Die Entschuldigung sei unvollständig und eher ablenkend. Eine weitere Tätigkeit als Betriebsratsmitglied komme deshalb nicht in Betracht. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht hat es nicht zugelassen.

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4 Kommentare

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Mmh... die durchaus demokratischen Wahlen am 31. Juli 1932 haben Hitler aber nicht an die Macht gebracht. Danach gab es noch die Wahl am 6. November 1932, bei der die NSDAP erhebliche Verluste erlitten hat. Das Ermächtigungsgesetz vom 24.03.1933 ist auch von den bürgerlichen und liberalen Parteien mitgetragen worden. Reichskanzler ist Hitler nicht durch das Ermächtigungsgesetz, sondern durch eine völlig demokratische Machtübertragung am 30.01.1933 geworden. Das von den Nazis selbst geprägte Wort "Machtergreifung" wird heute in der historischen Wissenschaft nicht mehr gebraucht.

 

Rechtlich vertretbar, historisch falsch.

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@ Gernot: vor der Ihrer Meinung nach "völlig demokratischen Machtübertragung" vom 30.01.1933 waren die KPD-Abgeordneten bereits als eine der ersten parlamentarischen Opfer des NS-Regimes aus dem Reichstag entfernt worden. 96 von ihnen wurden ermordet.

 

@zum Beitrag: Keine juristische, sondern sozusagen "rechtssoziologische" Bemerkung:Dass die Betriebsratsarbeit mit Hitler-Vergleichen gewürzt wird, erinnert an die früher gern in der israelischen Knesset in der politischen Auseinandersetzung erhobenen Nazi-Vorwürfe. Das heißt: der erste, zweite und dritte Eindruck ist und bleibt: Derlei ist absurd. Der nunmehr ausgeschlossene Betriebsrat wollte wirklich ad personam die BR-Vorsitzende "und ihre Methoden" mit Hitler "gleichsetzen"?Kann man das im Ernst glauben? Da liegt wohl die betriebsverfassungsrechtliche Spielart der früher beliebten Argumentationsfigur vor, wonach die noch Linkeren den Linken den Faschismusvorwurf servierten. Es ist immer ein Zeichen der Schwäche einer Zivilgesellschaft, wenn man auf solche Entgleisungen hoffen muss, um die vorausgegangenen "längeren Querelen um die Amtsführung der Betriebsratsvorsitzenden" nunmehr auf diese Weise beenden zu können.

@ RA Martin Bender

 

Am 30.01.1933 wurde Hitler vom Reichspräsidenten zum Reichskanzler ernannt, völlig legal.  Die KPD-Abgeordneten fehlten infolge von "Schutzhaft" und Verfolgung erst bei der Abstimmung zum Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933. Eine Wahl des Kanzlers durch den Reichstag sah die Weimarer Verfassung nicht vor; diese kannte keine dem Art. 63 GG entsprechende Bestimmung. Vielmehr wurde der Reichskanzler durch den Reichspräsidenten einfach "ernannt" (Art. 53 WRV).

 

Nachdem Kurt von Schleichter am 28. Januar 1933 zurückgetreten war, empfahl er Hindenburg, Hitler zum Kanzler zu ernennen, was dieser am 30. Januar tat. Die Reichskanzler der Weimarer Republik waren verfassungsrechtlich nicht von einer parlamentarischen Mehrheit abhängig. Selbst wenn die KPD-Abgeordnenten zu diesem Zeitpunkt bereits verhaftet oder verfolgt worden wären - was nicht der Fall war - hätte es ihrer Mitwirkung ohnehin nicht bedurft, um Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. Daß Hitler mit illegalen Methoden Kanzler blieb, ändert nichts daran, daß er leider legal Kanzler geworden ist.

 

Aber das fragliche Betriebsratsmitglied hatte sicher nicht den 30. Januar 1933, sondern den 23. März 1933 im Sinn (wenn er überhaupt eine Vorstellung von den Einzelheiten hatte).

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