Sachrüge zu schwierig?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 10.07.2013
Rechtsgebiete: SachrügeStrafrechtVerkehrsrecht1|6411 Aufrufe

"...und rüge die Verletzung materiellen Rechtes, und zwar zunächst in allgemeiner Form." So oder ähnlich formulieren Verteidiger üblicherweise die Sachrüge und haben damit eigentlich schon die Zulässigkeitshürde genommen. Kann man in Formularbüchern nachlesen. Man kann sich freilich auch durch schräge Formulierungen um Kopf und Kragen schreiben:

Das AG hat gegen den Betr. im Beschlussverfahren nach  § 72 OWiG wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 400 € festgesetzt. Seine infolge wirksamer Einspruchsbeschränkung nur noch den Rechtsfolgenausspruch betreffende Rechtsbeschwerde hat der Betr. mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss „im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben“ mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 16.01.2013 wie folgt begründet: „Der Betroffene möchte es nach reiflicher Überlegung doch bei der im Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbuße von € 200,00 und dem Fahrverbot belassen“. Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

Die fristgerecht eingelegte und statthafte (§ OWIG § 79
OWIG § 79 Absatz I 1 Nr. 1 OWiG) Rechtsbeschwerde war, wie die GenStA zutreffend ausführt, als unzulässig zu verwerfen, weil der Betr. mit der wiedergegebenen Rechtsbeschwerdebegründung weder eine den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 79 Absatz III 1 OWiG i.V.m. § 344 Absatz II 2 StPO genügende
Verfahrensrüge noch die Sachrüge ordnungsgemäß erhoben hat. Nach  § 79 Absatz III 1 OWiG i.V.m. §
STPO § 344 Absatz II 1 StPO muss aus der Rechtsbeschwerdebegründung hervorgehen, ob das Urteil „wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird“. Der Betr. macht vorliegend jedoch weder verfahrensrechtliche Fehler geltend, noch rügt er - etwa mit der ohne weiteres zulässigen und ausreichenden sog. ‚unausgeführten‘ bzw. ‚allgemeinen‘ Sachrüge - ausdrücklich eine Verletzung des sachlichen Rechts. Ein entsprechender Inhalt bzw. eine entsprechende Zielrichtung kann dem Rügevorbringen hier jedoch selbst bei Anlegung eines großzügigen Maßstabes auch in Verbindung mit der Antragstellung nicht im Wege der Auslegung (vgl. hierzu etwa OLG Bamberg NZV 2011, 44 f. und OLG Bamberg, Urteil vom 24.07.2012 –  3 Ss 62/12 [bei juris]) entnommen werden. Denn eine ordnungsgemäß erhobene Sachrüge liegt nur vor, wenn aus den Ausführungen des Beschwerdeführers (wenigstens auch) hervorgeht, dass er die Anwendung des sachlichen Rechts durch den Tatrichter beanstanden will (vgl. z.B. OLG Hamm, Beschluss vom 27.10.2011 – 3 RBs 305/11 [bei juris]; siehe im Übrigen z.B. auch Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 344 Rn. 3 i.V.m. 19; KK/Kuckein StPO 6. Aufl. § 344 Rn. 25 f. und Göhler/Seitz OWiG 16. Aufl. § 79 Rn. 27c, jeweils m.w.N.). Dies ist hier gerade nicht der Fall. Die Rechtsbeschwerdebegründung erschöpft sich vielmehr in dem – für den Senat mangels weiterer Begründung nicht nachvollziehbaren – Wunsch, statt einer erhöhten Geldbuße nunmehr „doch“ den Rechtsfolgenausspruch einschließlich des dortigen Fahrverbots des vom Betr. mit seinem Einspruch angefochtenen Bußgeldbescheids vom 26.07.2012 wiederherzustellen […]

OLG Bamberg, Beschluss vom 27.05.2013 - 3 Ss OWi 596/13    BeckRS 2013, 10521

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1 Kommentar

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Klingt nicht so, als habe die Verteidigerin sich überhaupt schon einmal mit Straf- oder OWi-Recht beschäftigt. Vermutlich war sie die Scheidungsanwältin des Betroffenen...

 

Apropos Sachrüge. Nach meiner Erfahrung hat die allgemeine Sachrüge viel häufiger Erfolg als die ausgeführte Sachrüge oder Verfahrensrügen. Das hat aus meiner Sicht ganz einfache psychologische Gründe. Gibt man als Verteidiger den Sachbearbeitern bei der Bundes-/Generalstaatsanwaltschaft und den Revisionsgerichten vor, wo die Fehler des Urteils liegen sollen, scheint sich die "Gegenseite" vor allem darauf zu konzentrieren, diese Beanstandungen zu widerlegen, ohne anschließend noch Zeit und Lust zu haben, das Urteil im übrigen auf weitere mögliche Fehler zu durchforsten.

 

Die Beschränkung auf die allgemeine Sachrüge scheint hingegen in vielen Sachbearbeitern den eigenen Forscher- und Entdeckerdrang zu wecken.  Nach dem Motto: der arme Beschwerdeführer hat einen Verteidiger, dem nichts Besseres einfällt als die allgemeine Sachrüge, wird nunmehr das gesamte Urteil intensiv nach Fehlern durchkämmt, wobei man insbesondere bei den Strafzumessungserwägungen und der Gesamtstrafenbildung gerne fündig wird. Aber auch die Beweiswürdigung, die auf Rüge des Beschwerdeführers zumeist ausschweifend als unangreifbar verteidigt wird, verstößt dann plötzlich gegen Denkgesetze und ist lückenhaft, wenn man bei den hohen Gerichten und Staatsanwaltschaften selbst den Fehler entdecken "darf".

 

Also wenn ein Urteil nicht unter einem ganz fetten Fehlgriff leidet, den man unbedingt herausstellen muß, beschränke ich mich zumeist auf die allgemeine Sachrüge. Die Erfolgsquote ist höher als wenn man sich selbst die ganze Arbeit macht.

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