Bundesagentur für Arbeit unterliegt abermals beim BAG

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 12.07.2013

Die Bundesagentur für Arbeit hat vor dem BAG eine weitere Niederlage in der Auseinandersetzung um die Fortführung ehemals befristeter Stellen hinnehmen müssen. Wiederum handelt es sich um eine Leitentscheidung, die große Breitenwirkung haben dürfte (BAG Urteil vom 10.7.2013 - 10 AZR 915/12 -). Das BAG hat bekanntlich am 9. März 2011 (NZA 2011, 911, hierzu auch Blog-Beitrag vom 10.3.2011) entschieden, dass sich die Bundesagentur zur Rechtfertigung befristeter Arbeitsverträge nicht auf den Sachgrund der sog. haushaltsrechtlichen Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG berufen kann. Daraufhin "entfristete" die Bundesagentur zahlreiche Arbeitsverträge; Presseberichten zufolge soll es sich um etwa 12.000 handeln. In der Folge wurden viele der vorher befristet beschäftigten Arbeitnehmer an einen anderen Ort versetzt. Dabei bezog die Bundesagentur offenbar von vornherein nur Arbeitnehmer aus dem sog. Entfristungsüberhang in ihre Auswahlüberlegungen ein, nicht aber auch diejenigen Arbeitnehmer, die von vornherein unbefristet auf einer im Haushaltsplan vorgesehenen Planstelle beschäftigt gewesen sind. Diese Praxis hat das BAG jetzt ebenfalls beanstandet. Im konkreten Fall obsiegte eine Arbeitnehmerin mit ihrer gegen die Versetzung von Pirna nach Weiden gerichteten Klage. Die Bundesagentur sei zwar – so das BAG - nach den Bestimmungen des bei ihr gültigen Tarifvertrags und nach dem Inhalt des geschlossenen Arbeitsvertrags berechtigt, die klagende Arbeitnehmerin zu versetzen, wenn hierfür ein dienstlicher Grund besteht. Einen solchen Grund stelle beispielsweise ein Personalüberhang in einer örtlichen Arbeitsagentur dar. Die Versetzung sei aber nur wirksam, wenn billiges Ermessen gewahrt sei, also sowohl die Interessen der Beklagten als auch die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt würden. Die Wahrung billigen Ermessens bei der Versetzungsentscheidung verneint das BAG, da die Arbeitgeberin in die Auswahlentscheidung nur vorher befristet Beschäftigte einbezogen habe und nur solche Arbeitnehmer versetzt worden seien. 

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8 Kommentare

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Schade eigentlich. Die Schikaneure hätten ruhig entlassen werden sollen, so dass sie gezwungen sind, Tätigkeiten anzunehmen, in die sie selbst vermittelt haben. So manche Fallmanagerin würde sich beim Modediscounter oder in den Tretmühlen der Versandriesen gut machen. Widerum befristet natürlich - und danach letztlich Hartz IV.

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Unbefristete Stellen sind in der Regel deshalb unbefristet, weil nur ein begrenzter Arbeitsumfang verfügbar ist. Müssen diese Stellen laut Richterspruch in befristete umgewandelt werden, hat der Arbeitgeber ein Problem. Offenbar darf er dieses Problem nicht dadurch lösen, indem er nur für diese Arbeitnehmer neue Stellen an anderen Orten schafft - vermutlich weil dies den Ruch der Abschiebung und Arbeitsbeschaffung in sich trägt. Offenbar ist der Arbeitgeber dazu gezwungen, sein gesamtes Personal mit Versetzungen zu konfrontieren  - im Prinzip gleichbedeutend mit einer unvermeidlichen Umstrukturierung der kompletten Organisation: Ist das akzeptabel? Und im Fall der Bundesagentur für Arbeit kommt hinzu, dass Arbeitssuchenden gegebenenfalls die bekannten Ansprechpartner genommen werden - was das Potenzial hat, den Erfolg der Bundesanstalt für Arbeit signifikant einzuschränken.

Einen stetigen Wechsel der Schikaneure kann man aber auch positiv sehen. In der Regel hat man sich nach der zweiten Einladung ohnehin nichts mehr zu sagen, weil man sich als Feinde gegenüber sitzt - der Hilfeempfänger, der nicht erneut zum sinnlosen Bewerbungstraining will und die Fallmanagerin, die den Grad der Arbeitsbereitschaft des Hilfeempfängers an der Bereitschaft zur Verrichtung sinnentleerter Tätigkeiten bemisst und die von der Vermittlerin zur Ermittlerin geworden ist.

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Gehard N. Zondaag schrieb:

Einen stetigen Wechsel der Schikaneure kann man aber auch positiv sehen. In der Regel hat man sich nach der zweiten Einladung ohnehin nichts mehr zu sagen, weil man sich als Feinde gegenüber sitzt - der Hilfeempfänger, der nicht erneut zum sinnlosen Bewerbungstraining will und die Fallmanagerin, die den Grad der Arbeitsbereitschaft des Hilfeempfängers an der Bereitschaft zur Verrichtung sinnentleerter Tätigkeiten bemisst und die von der Vermittlerin zur Ermittlerin geworden ist.

... man kann auch der Meinung sein, die Personalvermittlung verstärkt den professionellen Personal-Dienstleistern zu überlassen. Eine Alternative ist das ohnehin. Zumal "gewerbliche Dienstleister" - in der Regel - tatsächlich wissen, was ein Kunde ist.

So schlüssig Ihre Idee auch klingt – bei Leistungsempfängern nach dem SGB 2 handelt es sich zumeist nicht um einsetzbares Personal, sondern um Personen mit gravierenden Vermittlungshemmnissen, die aufgrund der Agenda 2010 zu Arbeitslosen wurden (obwohl sie eigentlich eher der Sozialhilfe zuzurechnen wären). Hohes Alter bis kurz vor der Berentung, alle denkbaren körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen, Mobbingfolgen, desolate Lebensverhältnisse, viele wären in betreuten Sozialeinrichtungen gut aufgehoben, einige sogar in der Krankschreibung und ambulanten Versorgung. Es sind die Verlierer des Lebens und der gesellschaftlichen Mechanismen, die zusammengefegt und von den Medien lustvoll als Faulenzer dargestellt werden. Jeder Leistungsempfänger, dessen Wirbelsäule gerade ist und der theoretisch drei Stunden einen Besen halten kann, wird von Amtsärzten diensteifrig ins Jobcenter gewunken (wo er in der Regel langjährig verbleibt und gedemütigter Kandidat von zweifelhaften Integrationsmaßnahmen wird). Kein Wirtschaftswunder geht von ihm aus. Zur Strafe für seinen geringen Nutzen soll ihm der Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt so unattraktiv wie möglich gemacht werden (Meldekarussell, Zwangsvereinbarungen, Verfolgungsbetreuung, psychischer Druck, Observationen, unangekündigte Hausbesuche unter Vorspiegelung falscher Rechtsgrundlagen, ständige Bedrohung der Existenzgrundlage wegen angeblichem Fehlverhalten).

 

Es ist kaum verwunderlich, wenn Betroffene sich wünschen, dass die Erfüllungsgehilfen der Agenda eines Tages selbst zu Objekten staatlichen Handelns werden - bei späterer Aufarbeitung vielleicht sogar zu Angeklagten in einem umfassenden Strafprozess wie bei vergleichbaren historischen Fällen, in denen sich die Täter erfolglos darauf beriefen, sie hätten sich stets nur an Dienstanweisungen und geltendes Recht gehalten.

 

Ihr Ansatz vom gewerblichen Dienstleister geht völlig fehl, denn er bedient die falschen Interessen. Wie Sie zutreffend ausführen, erkennen die Personalvermittlungen einen Erwerbsfähigen. Diese Erfahrung machen wir aber bereits gegenwärtig in den Jobcentern: die schwer vermittelbaren Fälle des SGB 2 bleiben weitestgehend von ernsthaften Vermittlungsbemühungen ausgeschlossen - sie dürfen lediglich die Schikanedienstleistung „in Anspruch nehmen“. Hier sehe ich keine entscheidende Verbesserung der Vermittlungssituation, denn die Problemfälle würden von den Dienstleistern schlicht ignoriert werden. Im Zweifel bedeuten private Dienstleister hier nur die inhärente Gefahr für den Sozialdatenschutz, ohne dass am Ende Beschäftigungsverhältnisse auf Seiten der Betroffenen entstünden.

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Gehard N. Zondaag schrieb:

... Ihr Ansatz vom gewerblichen Dienstleister geht völlig fehl, denn er bedient die falschen Interessen. Wie Sie zutreffend ausführen, erkennen die Personalvermittlungen einen Erwerbsfähigen. Diese Erfahrung machen wir aber bereits gegenwärtig in den Jobcentern: die schwer vermittelbaren Fälle des SGB 2 bleiben weitestgehend von ernsthaften Vermittlungsbemühungen ausgeschlossen ...

Ich stimme Ihnen volkommen zu, sowohl die Bundesagentur für Arbeit als auch die freien Personaldienstleister können nur mit den vermittelbaren Arbeitssuchenden etwas anfangen. Und jedem vermittelbaren Arbeitssuchenden kann man nur empfehlen, selbst aktiv zu werden und sich möglichst von einem professionellen Personaldienstleister unterstützen zu lassen - das verbessert in der Regel auch die Einstellungskonditionen. Das bedeutet aber, dass die nicht Vermittelbaren mehr oder weniger "verwaltet" werden, so traurig wie das klingt. Um auf den dargelegten Fall von Prof. Dr. Markus Stoffels zurückzukommen: Das Gerichtsurteil führt dazu, dass dieser Verwaltungsapparat stabilisiert wird - und eine angestrebte, sinnvolle Verschlankung zunichte gemacht wird. Im übrigen wünsche ich jedem schlecht vermittelbaren Arbeitssuchenden eine echte Chance am Arbeitsmarkt - nur sind hierzu auch echte Lösungen zu etablieren.

Lutz Breunig schrieb:

Das Gerichtsurteil führt dazu, dass dieser Verwaltungsapparat stabilisiert wird - und eine angestrebte, sinnvolle Verschlankung zunichte gemacht wird.

Wie gesagt: Schade eigentlich.

 

Ihnen noch eine gute Woche

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