Kündigung: Baseballschläger statt Arbeitsgericht
von , veröffentlicht am 12.08.2013Das deutsche Arbeitsrecht eröffnet einem gekündigten Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich mit einer Klage beim Arbeitsgericht gegen die Kündigung zur Wehr zu setzen (§ 4 KSchG). Diese zivilisierte Form der Konfliktlösung ist aber offenkundig noch nicht in jedermanns Bewusstsein gelangt. Es gibt auch archaischere Wege der Auseinandersetzung - Baseballschläger und Eisenstangen zum Beispiel. Kommen diese zum Einsatz, ist allerdings nicht mehr das Arbeitsgericht, sondern die Strafkammer beim Landgericht zuständig:
Der Angeklagte Rade D. ist Gerüstbauer beim Energieversorger EON in Gelsenkirchen-Scholven. In seiner Kolonne sind neben ihm auch seine drei 22 bis 31 Jahre alten Söhne und sein 29-jähriger Schwiegersohn beschäftigt. Wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung hatte der vorgesetzte Bauleiter zunächst einem der Söhne gekündigt, später die Kündigung auf die gesamte Kolonne erstreckt. Daraufhin fuhren der Angeklagte und seine Mitstreiter betrunken und bewaffnet zu dem Bauleiter, den sie am Morgen des 15.04.2010 überfielen. „Es dauerte nur Sekunden. Für mich war es nicht dramatisch" sagte der Angeklagte aus, und: geschlagen hätten sie nur die Schulter des Bauleiters (Bericht der WAZ hier).
Die Anklage schildert den Tathergang allerdings etwas dramatischer: Mit einem Baseballschläger, einer Eisenstange und ihren Schuhen hätten sie den Bauleiter traktiert. Sein Nasenbein hätten sie zertrümmert und ihm drei Schneidezähne ausgeschlagen. Erst als er sich tot stellte, hätten sie aufgehört. Die Anklage lautet auf versuchten Totschlag. Der Prozess vor dem LG Essen wird fortgesetzt.
Mit einem Abfindungsvergleich ist - anders als beim Arbeitsgericht - nicht zu rechnen.
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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2 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenMartin Bender kommentiert am Permanenter Link
Ohne Ironie frage ich:
War hier Gewalt tatsächlich die Alternative zum Arbeitsrechtsstreit?
Rechtssoziologisch interessant an dem "archaischen" Verhalten der Angeklagten scheint mir, dass es offenbar nicht darauf gerichtet war, den Kündigenden mit Gewalt dazu zu bewegen, die gekündigten Arbeitsverhältnisse fortzusetzen. Vielmehr dürfte dieses arbeitsrechtliche Ergebnis von den Angeklagten als schicksalhaft hingenommen worden sein. Dass man einen "Denkzettel" erteilen wollte, dürfte lediglich besagen, dass derartige Entlassungen auch bei dem, der sie verfügt, nicht folgenlos bleiben sollten. Das Opfer sollte es, wenn er denn schon Leute entlässt, ebenfalls spüren, die Entlassung selbst stand dagegen nicht zur Debatte.
Henry kommentiert am Permanenter Link
Problematisch dürfte sich hierbei insbesondere die absolut ungesunde Zusammenstellung der Kolonne aus Verwandten und Verschwägerten ausgwewirkt haben. Das dürfte nicht gerade eine leitsungsfördernde Komposition gewesen sein. Da hätte man vor dem Arbeitsgericht eventuell die Notwendigkeit des milderen Mittels, nämlich der Versetzung und Aussplittung dieser Familenbande aus unterschiedliche Kolonnen, vortragen können. Aber eine anwaltliche Vertretung solche Burschen würde ich mir doch überlegen...