Sonntagsarbeit in Hessen empfindlich eingeschränkt

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 18.09.2013

Der Achte Senat des VGH Kassel erklärte kürzlich einige Bestimmungen der hessischen Bedarfsgewerbeverordnung über die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen für unwirksam. Die Entscheidung betrifft vor allem Arbeitnehmer in Callcentern, Videotheken, Büchereien sowie Toto- und Lottogesellschaften. Das Arbeitszeitgesetz sieht grundsätzlich den Ausschluss von Sonn- und Feiertagsbeschäftigung vor, enthält jedoch eine gestaffelte Verordnungsermächtigung für Ausnahmeregelungen der Bundes- sowie der Landesregierungen. Jedoch ist nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG bei Eingriffen in Grundrechte nur der Gesetzgeber selbst berechtigt, alle wesentlichen Grundentscheidungen zu treffen und darf diese nicht der Exekutive überlassen. Genau deshalb brachte das Gericht die Ausnahmeregelung in der Bedarfsgewerbeverordnung zu Fall, die für das Personal in Callcentern eine ganzjährige Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen bis zu acht Stunden erlaubt. Eine derart tiefgreifende Bereichsausnahme lasse die Verordnungsermächtigung im Arbeitszeitgesetz nicht zu. Als dem Gesetzgeber vorbehaltene Grundentscheidungen sieht der Verwaltungsgerichtshof auch die Ausnahmen vom Arbeitsverbot an Sonn- und Feiertagen für Brauereien und andere Betriebe der Getränkewirtschaft sowie für Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis an. Hier durften die Beschäftigten bislang in den Sommerhalbjahren an den geschützten Tagen jeweils bis zu acht Stunden arbeiten. Aus anderen Gründen erachtete der Senat die Sonderregelungen für Videotheken und Bibliotheken in kommunaler oder kirchlicher Trägerschaft (ganzjährig ab 13 Uhr für jeweils bis zu sechs Stunden) sowie für Lotto- und Totogesellschaften mit der elektronischen Geschäftsabwicklung (ohne Annahmestellen ganzjährig für bis zu acht Stunden) für unwirksam. Die Verordnungsermächtigung durch den Bundesgesetzgeber setze nämlich voraus, dass Ausnahmen zum Schutzgebot für Sonn- und Feiertage „zur Vermeidung erheblicher Schäden“ erforderlich sind. Dies sei weder bei Videotheken bzw. Büchereien noch bei Toto- und Lottogesellschaften der Fall, denn die mit der Einhaltung des Arbeitsverbots an Sonn- und Feiertagen verbundene Verlagerung der Arbeiten auf Werktage habe für die betroffenen Einrichtungen und ihre Kunden nur geringfügige Nachteile zur Folge. Die Richter halten des Weiteren die Ausnahmeregelung „im Buchmachergewerbe zur Annahme von Wetten für Veranstaltungen für bis zu sechs Stunden“ für unwirksam, da nicht hinreichend bestimmt normiert sei, für welche Art von Veranstaltungen die Ausnahmeregelung greifen solle. Die Kläger aus gewerkschaftlichen und kirchlichen Kreisen begrüßen die Entscheidung, die zu ihren Gunsten ausfällt. Auch die Linkspartei fand lobende Worte in Anbetracht der Tatsache, dass sie sich in ihrem Bundeswahlprogramm für eine (generelle) Begrenzung der Arbeitszeit ausspricht. Ob das Urteil halten wird, ist jedoch nicht sicher, da der VGH Kassel die Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen hat. Bis dahin gelten die betroffenen Vorschriften weiter.

(VGH Kassel, Urteil vom 12.09.2013, 8 C 1776/12.N; Pressemitteilung Nr. 28/2013)

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