Das indische Kind

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 27.11.2013
Rechtsgebiete: Familienrecht5|4217 Aufrufe

Das VG Köln hat entschieden, dass ein in Indien von einer unbekannten Leihmutter geborenes Kind nicht die deutsche Staatsangehörigkeit seines biologischen Vaters besitzt.

Das Kind wurde 2010 in Indien von einer unbekannten, nicht in die Geburtsurkunde eingetragenen indischen Leihmutter geboren und reiste kurz nach der Geburt mit seinem biologischen Vater nach Israel ein. Der biologische Vater lebt seit einigen Jahren in Israel und war vor der Geburt des Kindes eine beim Standesamt in Berlin eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen. Für das Kind beantragte er beim Bundesverwaltungsamt in Köln einen deutschen Staatsangehörigkeitsausweis. Er berief sich auf ein Urteil des Familiengerichts Tel Aviv, das seine Vaterschaft anerkannt habe. Das Bundesverwaltungsamt lehnte den Antrag ab, da ungeachtet der biologischen Abstammung nicht von einer – rechtlichen – Vaterschaft auszugehen sei. 
Mit der dagegen gerichteten Klage machte der biologische Vater geltend, er sei nach den maßgeblichen, auch in Deutschland anzuerkennenden israelischen Bestimmungen auch rechtlich der Vater des Kindes, das deshalb die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Zur Identität der Leihmutter könne er keine Angaben machen.

Das VG Köln hat die Klage abgewiesen.

Sowohl nach deutschem als auch nach israelischem Recht sei nur von einer biologischen, nicht aber von einer rechtlichen Vaterschaft auszugehen. Da die Identität und der Personenstand der Leihmutter aufgrund der insoweit fehlenden Angaben des Klägers nicht geklärt werden könnten, sei nicht auszuschließen, dass die Leihmutter verheiratet sei. Das von einer verheirateten Frau geborene Kind gelte rechtlich als Kind des Ehemannes der Leihmutter, solange die Vaterschaft des Ehemannes nicht angefochten sei. Auch das vorgelegte Urteil eines israelischen Familiengerichts bestätige nur die biologische, nicht aber die rechtliche Vaterschaft.

VG Köln v. 13.11.13 - 10 K 2043/12 (Pressemitteilung des Gerichts)

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5 Kommentare

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M. E. ist dies trotz aller Bedenken gegenüber einer "Leihmutterschaft" eine Fehlentscheidung:

Sie trägt nicht der gesetzgeberischen Grundwertung Rechnung, wonach der Beibringungsgrundsatz lediglich für abstammungsfeindliche Tatsachen gilt. Die vom Gericht unterstellte gesetzliche Vaterschaft eines anderen Mannes ist eine solche abstammungsfeindliche Tatsache, d. h. sie hätte nicht von Amts wegen berücksichtigt werden dürfen.

Auch nach innerstaatlichem deutschen Recht hätte ein biologischer Vater, der - wie hier - tatsächliche Verantwortung für das Kind übernimmt, die Möglichkeit seine Vaterschaft feststellen zu lassen und die des Putativvaters anzufechten. Wenn der Putativvater im Ausland lebt und nicht zur Mitwirkung an einer Abstammungsuntersuchung verpflichtet werden kann, lasse ich hier ein die Vaterschaft des Vaterschaftsprätendenten bestätigendes Abstammungsgutachten genügen.

Noch ungerechtfertigter wird die Entscheidung, wenn man auf eine Frau in einer vergleichbaren Situation abstellt. Da genügt die pauschale Erklärung, der Vater sei unbekannt und schon fließen sogar Unterhaltsvorschussleistungen auf Kosten der Allgemeinheit. Erst recht wird nicht untersucht, ob die Eizelle von der vorgeblichen Mutter stammt.

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M. E. ist dies trotz aller Bedenken gegenüber einer "Leihmutterschaft" eine Fehlentscheidung:

Sie trägt nicht der gesetzgeberischen Grundwertung Rechnung, wonach der Beibringungsgrundsatz lediglich für abstammungsfeindliche Tatsachen gilt. Die vom Gericht unterstellte gesetzliche Vaterschaft eines anderen Mannes ist eine solche abstammungsfeindliche Tatsache, d. h. sie hätte nicht von Amts wegen berücksichtigt werden dürfen.

Auch nach innerstaatlichem deutschen Recht hätte ein biologischer Vater, der - wie hier - tatsächliche Verantwortung für das Kind übernimmt, die Möglichkeit seine Vaterschaft feststellen zu lassen und die des Putativvaters anzufechten. Wenn der Putativvater im Ausland lebt und nicht zur Mitwirkung an einer Abstammungsuntersuchung verpflichtet werden kann, lasse ich hier ein die Vaterschaft des Vaterschaftsprätendenten bestätigendes Abstammungsgutachten genügen.

Noch ungerechtfertigter wird die Entscheidung, wenn man auf eine Frau in einer vergleichbaren Situation abstellt. Da genügt die pauschale Erklärung, der Vater sei unbekannt und schon fließen sogar Unterhaltsvorschussleistungen auf Kosten der Allgemeinheit. Erst recht wird nicht untersucht, ob die Eizelle von der vorgeblichen Mutter stammt.

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Hier wird die Fiktion der Vaterschaft des Ehemannes über das Kindeswohl und das Wohl des Vaters gestellt. Früher hatte die Fiktion ihre Begründung in Beweisproblemen - mit Hilfe der DNS-Analyse sind diese gegenstandslos. Heute kann die Fiktion aber nur noch mit dem Interesse des Kindes begründet werden, in seiner sozial intakten Scheinfamilie zu bleiben (und auch das ist hochdiskutabel) und müsste dementsprechend weichen, wenn das Kindeswohl dagegen spricht.

Hier werden die Kindes- und Vaterinteressen mit Füssen getreten um die Leihmutterschaft rechtlich unmöglich zu machen.

Richtig.

 

Heute müßte die Regel eigentlich umgedreht werden.

"Pater semper certus est"

Es gibt überhaupt keinen Grund mehr, einen anderen, als den einzig wahren und richtigen Vater auch Vater sein zu lassen.

Alle anderen Konstrukte, irgendjemand anderes zum "rechtlichen" Vater zu machen sind absurd, überflüssig und menschenrechtswidrig.

 

Im Gegensatz dazu, ist heute die Rolle eher in Frage zu stellen.

Hier gibt es nämllich ja durchaus 2 mögliche Mütter:

Die genetische und die austragende Muutter.

Nur versuchen die entsprechenden Interessengruppen natürlich den Fokus unbedingt den Fokus auf das austragen zu legen, damit die alten Ideologien und Stereotypen bloss nicht gefährdet werden.

Schließlich werden sämtliche Mütterprivilegien stets mit der Schwangerschaft begründet.

 

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Der eigentliche Konflikt hier ist der Konflikt um die genetische Mutter. Sie wird einfach rechtlos gestellt. Ob Leihmutterschaft ein darf, ist sicher diskutabel. Das Kind seiner Mutter und der Mutter ihr Kind zu berauben erinnert jedoch sehr an die jahrzehntelange Diskriminierung der nichtehelichen Väter, die sich langsam bessert.

Dass im Leihmutterschaftsfall die Väterrechte ebenso unter die Räder kommen, ist insofern kritisch, da sich die Vaterschaft von der normalen unehelichen Vaterschaft nicht unterscheidet.

Im Ergebnis verweigert die Rechtsordnung hier einem Kind sowohl Vater als auch die Mutter. Das Kindeswohl tritt daher hinter dem Interesse des Staates, Leihmütterschaften zu sanktionieren, zurück. Leihmutterschaft kann - aber muss nicht - eine Form der Ausbeutung von Frauen sein. Hier tritt also eines der elementarsten Kinderrechte zurück um eine vermutete Ausbeutung von Frauen zu verhindern.

 

Dies zeigt deutlich auf, wie das aktuelle familienrechtliche Wertesystem in Deutschland angelegt ist: Das Interesse des Kindes wird immer vorgeschoben wenn es darum geht Rechtsbrüche der Mütter nicht zu sanktionieren und den Vätern Rechte vorzuenthalten. Effektiv interessiert das Interesse des Kindes jedoch niemanden. Ohne Strassburg würde sich hier gar nichts verändern - mit Strassburg ist zumindest eine leichte Tendenz auf Besserung in Sicht. Vermutlich muss auch dieser Fall erst nach Strassburg gehen um den Rechten des Kindes, des Vaters und der (genetischen) Mutter Geltung zu verschaffen.

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