Brühwarm erzählt - von der Arbeitssitzung der Studienvereinigung Kartellrecht

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 05.12.2013

Am heutigen Donnerstag war ich einmal wieder bei der Dezember-Arbeitssitzung der Studienvereinigung Kartellrecht in Bonn. Seit einigen Jahren ist die Arbeitssitzung in einem großen Kongresshotel in Bonn. Früher fand sie auf dem Petersberg statt. Der war zwar nicht so gut zu erreichen. Dafür hatte man von dort einen sehr schönen Blick auf den Rhein und außerdem den Flair des ehemaligen Gästehauses der Bundesregierung. Ich war zuletzt nicht zum Bloggen gekommen (immer die gleiche Ausrede), aber die Arbeitssitzung ist schon einen Beitrag wert.

Was war geboten?

Der Präsident des Bundeskartellamts gab einen exzellenten Überblick darüber, was das Bundeskartellamt im Jahr 2013 bewegt hat und womit es sich wohl im Jahr 2014 auseinanderzusetzen haben wird:

Auf die 8. GWB-Novelle blickt man im Amt mit „gemischten Gefühlen“, die von Freude über die fusionskontrollrechtlichen Änderungen bis zu einem leichten Ressentiment wegen der Ausnahme der Wassergebühren von der Missbrauchsaufsicht reichen.

In der Fusionskontrolle sieht sich das Amt gut für die Zukunft gewappnet. Den SIEC-Test habe es in der Praxis vorweggenommen. Künftig soll es ein zweites ökonomisches Grundsatzreferat für Datenerhebung, -verarbeitung und Statistik geben. Beide ökonomischen Referate werden von Herrn Ewald geleitet werden.

Das Amt nimmt einen Paradigmenwechsel von der Ordnungspolitik zum Verbraucherschutz wahr. Diesen möchte man zumindest in der Außendarstellung mitmachen.

Ein wichtiges Thema war und bleibt die Kartellbekämpfung. Das Bundeskartellamt möchte mit einem wissenschaftlichen Kreis die Diskussion um eine Reform des Kartellbußgeldverfahrensrechts voranbringen.

Das Bundeskartellamt befasst sich intensiv mit dem Internet-Kartellrecht. Herr Mundt ging auf die Verfahren betreffend asics, Adidas (Plattformvertriebsverbote), Bosch-Siemens-Hausgeräte (Doppelpreissystem), Amazon (Preisparitätsklausel) und HRS (Best-Preis-Klausel) ein. Es sieht sich in diesem Punkt als Vorreiter in Europa. Das Vorgehen in diesen Fällen wird im ECN besprochen.

Ebenfalls von europäischer Dimension sind Überlegungen, die Harmonisierung des Kartellverfahrensrechts der Mitgliedstaaten voranzubringen. Herr Mundt sprach von einer zweiten „VO 1/2003“ für Fragen der Ermittlungsbefugnisse, der Schutzstandards, etc. in den Mitgliedstaaten.

Den Richtlinienentwurf der Kommission von Juni 2013 zu privaten Schadensersatzklagen begrüßt das Bundeskartellamt.

Kritisch sieht es das Verweisungsregime der FKVO. Hier bestehe Verbesserungsbedarf. Es schwang mit, dass das Bundeskartellamt gern den ein oder anderen Fall selbst behandelt hätte (Telefonica / eplus).

Bei Minderheitsbeteiligungen sieht das Amt – erwartungsgemäß – keinen Handlungsbedarf für die EU. Nur die wenigsten Fälle seien in mehreren Staaten zu notifizieren. (Anmerkung: Letzteres ist auch logisch und stützt die Auffassung des Amts daher nicht wirklich klar, da die meisten Mitgliedstaaten wie die FKVO keine Anmeldepflicht für nicht kontrollierende Minderheitsbeteiligungen kennen).

Auf internationaler Ebene hat Herr Mundt den Vorsitz des ICN übernommen. Die deutschen Kartellrechtler sind aufgefordert, sich dort mehr einzubringen.

Für 2014 kündigte Herr Mundt das Ende des „großen Vertikalfalls“ an. Wir warten gespannt. Am Abschluss standen Anmerkungen zu den mehr oder weniger konkreten Plänen der großen Koalition für das Kartellrecht.

Es folgte ein Vortrag von Dirk van Erps, dem Leiter der Forensik-IT-Abteilung der GD Wettbewerb. Er stellte in einer sprachlichen Kombination aus charmantem Humor und voller Härte des Wettbewerbs-Sheriffs die Praxis der Kommission bei der e-Durchsuchung dar und ging dabei auf die Mitteilung der Kommission von März 2013 zu dem Thema ein. Dabei gab er auch Einblick in das ein oder andere Detail der täglichen Arbeit seines Teams, wie z.B. die beschränkte Anzahl der mit dem nuix-System ausgestatteten Laptops, die gleichzeitig von den IT-Spezialisten der Kommission im Rahmen des dawn raids zur e-Durchsuchung eingesetzt werden können, oder das recht überschaubare Budget für die technische Ausstattung.

Es folgte ein kurzes Co-Referat von Katharina Krauß zu den Befugnissen und der Praxis der SKK bei der e-Durchsuchung. Ich frage mich bei der Praxis des Bundeskartellamts immer, ob sie dem Spannungsverhältnis zwischen der Zulässigkeit von Zufallsfunden und dem Verbot der systematischen Suche nach solchen wirklich angemessen Rechnung trägt. Die e-Durchsuchung findet im Amt am zur Sichtung mitgenommenen Datenbestand des Unternehmens statt. Die Verteidiger haben grundsätzlich kein Anwesenheitsrecht. Die gewählten Suchworte sind teilweise von einer Allgemeinheit („Preis“), dass man schon Zweifel haben kann, ob das Verbot der systematischen Suche nach Zufallsfunden nicht völlig leerläuft.

Sodann folgt ein Referat von Marcus Mayer zum Grauzementbeschluss und den neuen Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamts mit kurzem Co-Referat von Konrad Ost. Die sich anschließende Diskussion brachte nichts Neues zu Tage.

Der Vortrag von Till Steinvorth zur geographischen Marktabgrenzung als etwas vernachlässigtem „kleinen Bruder“ schloss die Arbeitssitzung ab. Er gab eine schöne Einführung in das Thema und behandelte als Praxisbeispiele zu „entfernungsabhängigen räumlichen Märkten“ die Klassiker Walzasphalt, Tankstellen und Krankenhäuser.

Der „Chefökonom“ des Amts und künftiger Herr Christian Ewald über zwei ökonomische Grundsatzreferate schloss ein Co-Referat an.

Zum Abschluss sei noch darauf hingewiesen, dass das Bundeskartellamt heute seinen Entwurf eines Merkblattes zur Inlandsauswirkung in der Fusionskontrolle vorgelegt und zur Konsultation gestellt hat (vgl. hier).

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