Ende des kollektiven Rechtsschutzes im Kartellrecht in Deutschland?

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 19.12.2013

Am 17.12.2013 hat das Landgericht Düsseldorf die Klage der CDC (Cartel Damage Claims SA) gegen verschiedene Zementhersteller auf kartellrechtlichen Schadensersatz wegen des Zementkartells abgewiesen (hier). Die Entscheidung hat große Beachtung in der Fachöffentlichkeit gewonnen und war auch der CDC eine Pressemitteilung wert.

Das Landgericht hat die Aktivlegitimation der CDC verneint, weil die Abtretungen der Schadensersatzforderungen der durch das Kartell geschädigten Opfer an die CDC wegen Verstoßes gegen das damalige Rechtsberatungsgesetz und für einen späteren Zeitraum wegen Sittenwidrigkeit unwirksam gewesenen seien. Hilfsweise hat es sich auf die von den Beklagten geltend gemachte Verjährung der Schadensersatzansprüche gestützt.

Zur Vorgeschichte

Bereits im Jahr 2007 hatte das Landgericht Düsseldorf erstmals über den Fall zu entscheiden (Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2007, Az. 34 O (Kart) 147/05). In einem Zwischenurteil entschied es damals über die Zulässigkeit der Klage. Die Entscheidung betraf die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts, die Bestimmtheit des Klageantrags und das Bestehen der Prozessführungsbefugnis der CDC. Das Landgericht stützte sich dabei darauf, dass die CDC selbst Inhaberin der geltend gemachten Schadensersatzforderungen sei (nach Abtretung). Ob die Abtretung auch wirksam sei, sei eine Frage der Begründetheit.

Diese Entscheidung bestätigte das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 14.05.2008, Az. VI-U (Kart) 14/07). Es wies die Berufungen der Beklagten zurück und folgte der Auffassung des Landgerichts.

Die Beschwerden der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision wies der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 07.04.2009, Az. KZR 42/08, zurück und hielt unter anderem fest: „Schließlich ist auch nicht klärungsbedürftig, ob eine Klage, mit der eine unter Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz abgetretene Forderung geltend gemacht wird, unzulässig ist. Dies ist ersichtlich nicht der Fall“.

Zur Entscheidung des Landgerichts

Nachdem also die Zulässigkeit geklärt war und die gerichtlichen Bußgeldverfahren abgeschlossen waren (hierauf hatte das Landgericht gewartet), konnte das Landgericht jetzt seine Entscheidung in der Sache treffen.

Wie eingangs dargestellt, verneinte es die Aktivlegitimation der CDC für die kartellrechtlichen Schadensersatzansprüche, die die CDC durch Forderungsabtretung vor dem 30.06.2008 erworben hatte. Die Abtretungen seien wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksam gewesen. Die geschäftsmäßige Einziehung fremder Forderungen habe nach dem Rechtsberatungsgesetz einer behördlichen Erlaubnis bedurft. Dies begründet das Landgericht im Einzelnen. Insbesondere sei eine Umdeutung in wirksame Einziehungsermächtigungen nicht möglich, weil dies dem Sinn und Zweck der Nichtigkeitsanordnung widersprechen würde. Nur eine Bestätigung im Sinne von § 141 Abs. 1 BGB hätte – wenn die Verjährung nicht wäre – geholfen.

Für Abtretungen nach dem 30.06.2008 konnte sich das Landgericht nicht auf das Rechtsberatungsgesetz stützen, weil dieses außer Kraft getreten war. Die CDC erfüllte die Voraussetzungen der Nachfolgerregelungen im Rechtsdienstleistungsgesetz. Das Landgericht verneinte die Aktivlegitimation jedoch wegen Sittenwidrigkeit der Abtretungen. Es begründete dies damit, dass die CDC zum Zeitpunkt der Abtretungen nicht über die finanzielle Ausstattung verfügt habe, die im Fall des Prozessverlustes von ihr zu tragenden Prozesskosten auch zu bezahlen. Die CDC hatte sich selbst ans Messer geliefert, da sie zu Prozessbeginn einen Antrag auf Streitwertherabsetzung gemäß § 89 b GWB gestellt und diesen damit begründet hatte, dass sie den Gerichtskostenvorschuss aus dem nicht herabgesetzten Streitwert nicht leisten könne. Inhaltlich blieb das Landgericht bei der Verarmter-Onkel-Rechtsprechung des Reichgerichts, nach der Forderungsabtretungen nicht dazu missbraucht werden dürfen, den Prozessgegner um seinen Prozesskostenerstattungsanspruch zu bringen. Ganz im Regen stehen lassen wollte das Landgericht die CDC nicht und gab ihr den Hinweis, – bildlich gesprochen – die reichen Neffen des die Klage erhebenden verarmten Onkels doch durch Vereinbarung in die Haftung für die Prozesskosten mit einzubeziehen.

Bombensicher schienen dem Landgericht seine Überlegungen zur Sittenwidrigkeit dann doch nicht und es stützte sich ergänzend noch auf den von der Beklagten erhobenen Verjährungseinwand. Dabei ging es davon aus, dass die erforderliche Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von den die Ansprüche begründenden Umständen und Anspruchsgegnern bereits im Jahr 2003 mit der Berichterstattung des Bundeskartellamts und der Presse über die Bußgeldentscheidung des Bundeskartellsamts vorgelegen hätte. Die Verjährungshemmungsvorschrift des § 33 Abs. 5 GWB (2005) helfe der CDC nicht, da sie nur für Ansprüche nach § 33 Abs. 3 GWB (2005) gelte.

Düstere Aussichten für den kollektiven Rechtsschutz im Kartellrecht in Deutschland?

Ist das Geschäftsmodell der CDC damit tot? Gute Frage. Die Inhaber eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs, die eine Abtretung an die CDC zur Durchsetzung ihres Schadensersatzanspruches erwägen, werden in der Regel keine Lust haben, für die Prozesskosten mit haften zu wollen. Sonst hätten sie die Forderung auch selbst einklagen können. Das Geschäftsmodell der CDC zielt gerade nicht auf die Bündelung von Kleinstforderungen, z. B. von Verbrauchern, sondern auf die Bündelung großer Forderungen. Vielleicht ist es aber auch zu kurz gedacht und die Geschädigten „kaufen“ bei der CDC ein Gesamtpaket ein, zu dem das rechtlich-ökonomische Know-how für die Erhebung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche und die Organisation der Durchsetzung gehört. Dann würde wohl die „verarmter Onkel“-Theorie nicht mehr ganz passen.

Hat das Landgericht Düsseldorf mit seinem Urteil bereits die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 11.06.2013 zum kollektiven Rechtsschutz umsetzen wollen?

Die Kommission hatten den EU-Mitgliedstaaten mit der Empfehlung nahe gelegt, nur recht eingeschränkte Instrumente des kollektiven Rechtschutzes zuzulassen. Sie hat insbesondere sehr restriktive Vorgaben für die Drittfinanzierung kollektiver Schadensersatzklagen empfohlen. Den Begriffsbestimmungen der Empfehlung lässt sich nicht mit letzter Sicherheit entnehmen, ob die Empfehlung unter kollektivem Rechtschutz auch die Bündelung von Ansprüchen im Wege des Abtretungsmodells versteht. Wäre dem so, dann würde das CDC-Geschäftsmodell wohl nicht dem quota-litis-Verbot der Empfehlung entsprechen (vgl. zu der Empfehlung der Kommission: Hempel, NZKart 2013, 494).

Wie es weiter geht, bleibt abzuwarten. Die CDC hat jedenfalls angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen.

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