Ups - Gesamtstrafenbildung vergessen: LG muss es nochmal machen!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.12.2013
Rechtsgebiete: BGHGesamtstrafeStrafrechtVerkehrsrecht|3151 Aufrufe

Ärgerlich. Da hat das Gericht eine Gesamtstrafenbildung vergessen, die eigentlich auch im Beschlussverfahren möglich ist. Man denkt: Ist ja nicht so schlimm - dafür ist das Beschlussverfahren in der StPO ja gedacht. Der BGH sieht das anders:

Das Urteil kann keinen Bestand haben, soweit die Strafkammer die Vorschrift des § 55 StGB außer Acht gelassen und es versäumt hat, die Ein-beziehung der Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10 Euro aus dem seit 3. Juli 2012 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 26. März 2012 im Rahmen einer neuen Gesamtstrafe zu prüfen, sowie einen zusätzlichen Härteausgleich dafür vorzunehmen, dass die an sich gesamtstrafenfähigen Einzelstrafen aus der seit 15. Dezember 2011 rechtskräftigen Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 15. Dezember 2011 wegen Vollstre-ckung nicht mehr in die neue Gesamtstrafe einbezogen werden konnten.
§ 55 StGB regelt die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe. Die Vorschrift soll ihrem Grundgedanken nach sicherstellen, dass Taten, die bei ge-meinsamer Aburteilung nach §§ 53, 54 StGB behandelt worden wären, auch bei getrennter Aburteilung dieselbe Behandlung erfahren, so dass der Täter im Ergebnis weder besser noch schlechter gestellt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 1997 - 1 StR 340/97, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13). Die Anwendung des § 55 StGB ist für den Tatrichter zwingend. Er darf daher die Entscheidung über eine nachträglich zu bildende Ge-samtstrafe grundsätzlich nicht dem Beschlussverfahren nach § 460 StPO überlassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 1958 - GSSt 2/58, BGHSt 12, 1; Urteil vom 17. Februar 2004 - 1 StR 369/03, NStZ 2005, 32).

Da alle im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Taten des Angeklagten sowohl vor seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Villingen-Schwenningen vom 15. Dezember 2011, wie auch vor dem Erlass des Strafbefehls vom 26. März 2012 durch das Amtsgericht Villingen-Schwenningen begangen wor-den sind, lagen mit jeweiligem Eintritt der Rechtskraft dieser Verurteilungen die Voraussetzungen des § 55 StGB vor.

Dementsprechend wird die neue Strafkammer die Einbeziehung der Geldstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 26. März 2012 zu prüfen und diese gegebenenfalls bei der Bildung der neuen Gesamtstrafe ebenso zu berücksichtigen haben wie die Vornahme des Härteausgleichs wegen der bereits in Unterbrechung der Untersuchungshaft vollständig vollstreckten Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 15. Dezember 2011.

BGH, Beschluss vom 17.9.2013 - 1 StR 370/13 -

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