Verfassungsrechtliche Probleme bei Ausnahmen vom Mindestlohn

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 21.01.2014

Die von der Großen Koalition verabredete Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns, wirft schwierige rechtliche Fragen auf. Gutachter des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags haben nun vor Ausnahmen vom geplanten Mindestlohn gewarnt. Dies schreibt die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf ein ihr vorliegendes Gutachten. In dem Gutachten, das die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, in Auftrag gegeben hatte, heiße es: Der allgemein verbindliche Mindestlohn sei eine Schutzvorschrift für Arbeitnehmer. Ausnahmen davon könnten „eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung darstellen, wenn die in Rede stehende Personengruppe zu den Arbeitnehmern zu zählen ist und sich von der allgemeinen Gruppe nicht so wesentlich unterscheidet, dass eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt wäre.“ Dies gelte prinzipiell auch für Saisonarbeiter, Rentner oder Studenten mit Arbeitsvertrag. Aus dem Lager der CDU/CSU waren zuletzt solche Ausnahmeregelungen ins Spiel gebracht worden. So hatte etwa Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) gesagt, ein Rentner, der sich etwas dazuverdiene, müsste nicht den Mindestlohn-Regeln unterliegen. CSU-Chef Horst Seehofer hatte dies als "nicht abwegig" bezeichnet. Ähnlich hatte sich CDU-Vize Julia Klöckner geäußert. Diese Zubrot-Formel wird in dem Gutachten jedoch als besonders problematisch angesehen: Der soziale Status und die Tatsache, dass es womöglich um einen Zuverdienst gehe, könne noch keine Abweichung vom Gleichheitsgrundsatz begründen. Große Gruppen von den 8,50 Euro auszuschließen, berge die Gefahr, dass die Untergrenze "systematisch unterlaufen und ein neues Niedriglohnheer unterhalb des Mindestlohns gebildet wird". Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte sich bereits gegen Ausnahmen gewandt. Rechtlich unproblematisch sind laut dem Bundestags-Gutachten Ausnahmen bei ehrenamtlich Tätigen, Auszubildenden oder Praktikanten in der Ausbildung, weil es sich hierbei nicht um Arbeitnehmer handelt. Dass für diese Gruppen der Mindestlohn nicht gelten soll, ist in der Koalition mittlerweile unumstritten. Bei Saisonarbeitern sind laut Koalitionsvertrag ebenfalls Sonderregeln angedacht, was zumindest nach dem Gutachten juristisch schwieriger umzusetzen sein dürfte. In dem Papier wird auch darauf hingewiesen, dass Ausnahmen bei Jugendlichen und jungen Arbeitnehmern gerechtfertigt sein könnten, um "falsche Anreize zu vermeiden. Jugendliche sollten mit der Aussicht auf eine Entlohnung nach Mindestlohn nicht verleitet werden, auf eine Berufsausbildung zu verzichten."

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Sollten "Saisonarbeiter" ausgenommen werden, stellt sich nicht nur ein Abgrenzungs- und Willkürproblem (wer definiert die Saison und deren Dauer? Der Arbeitgeber doch höchstwahrscheinlich), sondern es wäre bereits jetzt absehbar, wie der Mindestlohn im größten Niedriglohnsektor unterlaufen wird - der Hotellerie und Gastronomie: aus bisherigen unbefristeten Ganzjahresstellen werden einfach halbjährlich befristete Saisonstellen und schon hat man 1,7 Millionen Menschen des Mindestlohns beraubt.

Bereits vereinbarte Verbesserungen in einigen Niedriglohnbereichen:
 

  • Im Friseurgewerbe steigt der allgemeinverbindliche Mindestlohn von zurzeit 7,50/6,50 Euro (West/Ost) bis August 2015 auf einheitliche 8,50 Euro.
     
  • In der Leih-/Zeitarbeit wird der aktuelle Mindestlohn von 8,50/7,86 Euro (West/Ost) bis Juni 2016 in zwei Stufen auf 9,00/8,50 Euro angehoben.
     
  • In der Fleischindustrie sieht der im Januar erstmals vereinbarte Mindestlohntarifvertrag einen Betrag von einheitlich 7,75 Euro ab Juli 2014 vor. Er wird dann in drei Stufen auf 8,00 Euro (Dezember 2014), 8,60 Euro (Oktober 2015) und schließlich auf 8,75 Euro (Dezember 2016) angehoben.
     
  • In der Landwirtschaft sollen die in einigen Regionen noch bestehenden Tarifverträge für Saisonarbeitskräfte künftig entfallen, stattdessen erfolgt eine Eingruppierung in die regulären Tarifverträge. Bis Dezember 2017 sollen die untersten Stundenlöhne schrittweise auf 8,50 Euro je Stunde ab Dezember 2017 angehoben werden. Quelle: http://www.marktundmittelstand.de/nachrichten/strategie-personal/tariflo...
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