Loveparade 2010 - Anklageerhebung nach fast vier Jahren

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 11.02.2014

Soeben wurde mitgeteilt (Quelle-Der Westen), dass die Staatsanwaltschaft Duisburg Anklage erhoben hat. Nicht nur die lange Dauer dieses Ermittlungsverfahrens - trotz des außergewöhnlichen Umfangs erscheinen mehr als dreieinhalb Jahre sehr lang, sondern auch die Frage, wer von den zunächst 16 Beschuldigten nun angeklagt wird, hat in jüngster Zeit die Öffentlichkeit stark beschäftigt (Artikel aus der SZ).

UPDATE 12.02.2014:

Soweit die heutige Pressekonferenz in n-tv übertragen wurde, gibt es wenig Neues. Natürlich wurde dort ja auch nicht die Anklageschrift (556 Seiten) vorgelesen. Hier ein

Ticker-Protokoll der Pressekonferenz bei "Der Westen". Hier der Link zu der gleichzeitig verbreiteteten Pressemitteilung der StA Duisburg.

Einige kurze Überlegungen im Sinne einer ersten Einschätzung dazu:

1. Es wird von der StA maßgeblich darauf abgestellt, dass Planung und Genehmigung der Loveparade die wesentlichen Fehler enthielten, die quasi "notwendig" und entscheidend zu der Katastrophe führten. Dies entspricht einer Überlegung, die in diesem Blog schon kurz nach der Katastrophe angestellt wurde und dem Gutachten von Keith Still (unten verlinkt): Die erwartete Menschenmenge konnte nicht in beiden Richtungen durch Tunnel und über die Rampe geführt werden, ohne dass es im Nadelöhr zu einem gefährlichen Gedränge kommen musste. Diese in der Planung und Genehmigungsphase vorhersehbare (tödliche) Gefahr hat sich in den Todesfällen und Verletzungen realisiert. Insofern können nach Ansicht der StA die Sorgfaltspflichtverletzungen kausal mit den tatbestandlichen Erfolgen verknüpft werden und letztere sind auch objektiv zurechenbar. Die StA geht davon aus, dass die vor diesem Hintergrund beschuldigten Personen die Gefahren nicht nur erkennen mussten, sondern sie auch hätten verhindern können (durch andere Planung bzw. Nichtgenehmigung des geplanten Ablaufs).

Diejenigen Vorgesetzten, die keinen konkreten Einblick in die Planungsunterlagen hatten, oder denen das nicht nachweisbar ist, wurden deshalb nicht angeklagt. Auch daran ist (zumindest bei einigen der Beteiligten) Kritik möglich. Vielleicht gibt es ja auch ein Klageerzwingungsverfahren aus den Reihen der Nebenkläger/Verletzten. Allerdings sind solche Verfahren (schon rein statistisch betrachtet) nicht sehr erfolgsträchtig.

2. Man kann ein bisschen spekulieren, was die Verteidigungslinie der nun angeklagten Mitarbeiter der Stadt Duisburg und Lopavent sein wird. Ich schätze aus den frühzeitigen Erklärungen und späteren (spärlichen) Äußerungen der jetzt beschuldigten Ebenen, man wird sich auf Folgendes berufen: Jeweils der "anderen" Seite wird man die Hauptverantwortung zuzuweisen versuchen, d.h. die planenden Mitarbeiter von Lopavent  werden den genehmigenden der Stadt Duisburg vorhalten, sie hätten sich auf letztere "verlassen" können und dürfen. Die Mitarbeiter der Stadt werden sich darauf berufen, dass die Pläne entscheidende Gefahren außen vor gelassen hätten bzw. dass man sich darauf hätte verlassen dürfen, dass Lopavent wesentliche Gefahren durch zugesagte (aber dann nicht eingehaltene) Sicherungsmaßnahmen hätten begrenzen sollen: Lautsprecher, Rampe ohne Zäune, viel mehr Ordner, effektives Crowd-Management. Zusätzlich werden beide jetzt angeklagten Ebenen sich dadurch zu entlasten suchen, dass sie der dritten Ebene, der Polizei, eine entscheidende Rolle zuweisen: Die Polizei habe am Veranstaltungstag zu einer Zeit, zu der man die schlimmste Gefahr noch hätte abwenden können, falsch reagiert (an den falsche Stellen Sperren errichtet bzw. die Vereinzelungsanlagen zur Unzeit geöffnet). Zudem habe die Polizei auch im Genehmigungsverfahren nicht eingegriffen, sondern sogar ihr Einvernehmen erklärt, ohne das die Veranstaltung nicht hätte stattfinden dürfen.

3. Folgt man dem Gutachten von Still (wie die StA), dann können diese Entlastungsstrategien nicht erfolgreich sein.

Allerdings ist die Stärke dieses Gutachtens zugleich seine Schwäche: Es ist - mit der Aussage, dass die Veranstaltungsplanung im Grunde schon die Katstrophe "beinhaltete" - stark, weil es auf die Details (wo und  wann genau kommt es zu der tödlichen Massenturbulenz?) dann nicht mehr ankommt. Aber wenn entscheidend für die "Tödlichkeit" der Massenturbulenz gewesen sein solte, dass sie an genau dieser Stelle auf der Rampe auftrat, dann können die Details des Ablaufs doch nicht mehr ganz außer Betracht bleiben. Und die Erklärung dafür ist im Gutachten m.E.  zu knapp geraten (siehe schon hier).

Die StA beruft sich in Ihrer Pressemitteilung allein auf das Gutachten Still, wenn sie begründet, warum die polizeilichen Maßnahmen nicht strafrechtlich relevant seien, Zitat:

"Andere Ereignisse am Veranstaltungstag sind strafrechtlich nicht relevant geworden. Insbesondere die polizeilichen Maßnahmen waren nach den Feststellungen eines international anerkannten Sachverständigen weder für sich genommen noch insgesamt ursächlich für den tragischen Ausgang der Loveparade."

Still hatte allerdings die entsprechende Frage der StA anders beantwortet. Auf die Frage, ob das Gedränge auch (teilweise) auf Polizeisperren zurückgeführt werden könne, antwortete Still, dass diese Sperren (in den Tunneln) auch eine Folge des Eingangssystems gewesen seien und insofern auch von der (fehlerhaften) Planung verursacht wurden. Er wolle aber nicht darüber spekulieren, warum die Polizeisperren an diesen Positionen errichtet worden seien. Da es hauptsächlich um die Polizeisperre AUF der Rampe geht, die nach meiner Meinung durchaus zur Massenturbulenz an der konkreten Stelle beigetragen hat, ist m.E. die Schlussfolgerung der Staatsanwaltschaft in der Pressemitteilung nicht ganz schlüssig. Möglicherweise ist aber die Anklageschrift hier überzeugender. 

Man muss also abwarten, wie diese konkreten Umstände in der Anklageschrift bewertet werden, und (natürlich entscheidend) wie das Gericht sie wertet.

Zusammen mit vielen Kommentatoren hier und anderswo haben viele Menschen im Internet bereits im September 2010 unabhängig von polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermitlungen die wesentlichen Ursachen benennen können. Damals fasste ich dies in einem Beitrag für den Beck-Blog zusammen:

Zwei Monaten nach den tragischen Ereignissen - im Internet weitgehend aufgeklärt

Zitate aus der damaligen Zusammenfassung:

Schon bei der Planung der LoPa hat man nicht beachtet, dass der ohnehin problematische gemeinsame Ein- und Ausgang zwischen den Tunneleingängen und der oberen Rampe zwar knapp die erwarteten Besucherströme in einer Richtung verkraften konnte, aber nicht die (vorab angenommenen) Besuchermengen in beiden Richtungen. Durch Ein- und Ausgang hätten über mehrere Stunden hinweg laut Planung in der Summe hundertausend und mehr Personen pro Stunde geschleust werden sollen. Trotz des erkennbaren Widerspruchs (60.000 Personen/Stunde  maximaler Durchgangsstrom in einer Richtung unter optimalen Bedingungen, 100.000 Personen/Stunde in gegenläufigen (...)

(...)
Die Auflagen der Genehmigung, die u.a. beinhalteten, die Zuwege und Fluchtwege von Hindernissen frei zu halten, wurden in eklatanter und gefährlicher Weise missachtet. Die Zu- und Abgangsrampe wies am Veranstaltungstag noch etliche Hindernisse auf (...)

Als es dennoch zu Stauungen (wie nach der Entfluchtungsanalyse vorhersehbar und unvermeidlich zunächst  am oberen Rampenende) kam, fehlte das Konzept für diesen Fall. (...)


Wer sich über die bisherigen Diskussionen informieren möchte, kann sie hier finden - unmittelbar darunter einige Links zu den wichtigsten Informationen im Netz.

Mai 2013 (130 Kommentare, ca. 11000 Abrufe)

Juli 2012 (68 Kommentare, ca. 6500 Abrufe)

Dezember 2011 (169 Kommentare, ca. 7700 Abrufe)

Juli 2011 (249 Kommentare, ca. 13000 Abrufe)

Mai 2011 (1100 Kommentare, ca. 12000 Abrufe)

Dezember 2010 (537 Kommentare, ca. 10000 Abrufe)

September 2010 (788 Kommentare, ca. 19000 Abrufe)

Juli 2010 (465 Kommentare, ca. 28000 Abrufe)

Ergänzend:

Link zur großen Dokumentationsseite im Netz:

Loveparade2010Doku

speziell: Illustrierter Zeitstrahl

Link zur Seite von Lothar Evers: DocuNews Loveparade Duisburg 2010

Link zur Prezi-Präsentation von Jolie van der Klis (engl.)

Weitere Links:

Große Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag NRW

Kurzgutachten von Keith Still (engl. Original)

Kurzgutachten von Keith Still (deutsch übersetzt)

Analyse von Dirk Helbing und Pratik Mukerji (engl. Original)

Loveparade Selbsthilfe

Multiperspektiven-Video von Jolie / Juli 2012 (youtube)

Interview (Januar 2013) mit Julius Reiter, dem Rechtsanwalt, der eine ganze Reihe von Opfern vertritt.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

155 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

@43 Marek Lochman

 

Genau - es hätte bereits um 15:30 Uhr eine Katastrophe gegeben, wenn am Rampenkopf statt umstoßbaren Zäunen 8 Meter hohe Mauern gewesen wären. Um so schlimmer, dass man anschließend trotzdem einen Stau im ummauerten unteren Rampenbereich absichtlich provoziert hat und vorallem das man die abreisewilligen Besucher komplett vergessen hat. Niemals durfte man in den Tunneln sperren - wenn, immer an den Schleusen. So war es auch geplant.

 

Auslöser des Gedränges war m.E. das Aufeinanderprallen der zuvor angestauten Besucherströme. Wenn ich von 3 Seiten 10000 Leute anstaue und sie dann auf kleinerer Fläche ohne Fluchtmöglichkeiten aufeinanderprallen lasse, ensteht nunmal in Sekunden eine massive Verdichtung. Es war für die eingesperrten Besucher nicht mehr ersichtlich, dass der Zugang zum Gelände nur von ein paar tausend Abreisenden blockiert wurde. Ebenso war nicht ersichtlich wie, wo und ob es weiter geht bzw. ob überhaupt noch jemand die Kontrolle hatte. Daher wurde die Treppe/der Container/der Lichtmast als letzter Ausweg und Überlebenschance genutzt. Wer weiß, ob es ohne die kleinen Fluchtmöglichkeiten Treppe/Mast/Container  nicht nocht schlimmer gekommen wäre - sprich eine richtige Massenpanik mit hunderten Toten entstanden wäre...

 

Aber - und das ist doch das Entscheidende - die Besucher haben sich um 15:30 Uhr durch das Umreißen der Zäune am Rampenkopf selbst Platz verschaffen, den auch die nachströmenden Besucher genutzt hätten, wenn sie nicht von der Polizei aufgehalten worden wären. Das Problem (Stau am Rampenkopf) hatte sich also eigentlich schon teilweise von selbst aufgelöst, bevor die Polizei Maßnahmen ergriffen hat. Ein Gegenstrom von abreisewilligen Besuchern wäre auf der Hauptrampe noch stundenlang nicht entstanden. Klar, es hätte auch ohne die Polizeisperren was passieren können - aber die Polizeimaßnahmen haben eine gegenströmige Verdichtung im unternen umschlossenen Rampenbereich herbei geführt, die es so sonst nicht gegeben hätte...

0

lopachron schrieb:

Genau - es hätte bereits um 15:30 Uhr eine Katastrophe gegeben, wenn am Rampenkopf statt umstoßbaren Zäunen 8 Meter hohe Mauern gewesen wären.


Und (spätestens) zu diesem Zeitpunkt hätte der verantwortliche "Meister für Veranstaltungstechnik" die Untauglichkeit des Zu- und Abwegesystems erkennen können und die Veranstaltung abbrechen müssen.
Dabei hätte er sich der Hilfe der Polizei bedienen können, wäre aber für die Sicherheit der Besucher verantwortlich geblieben.

Hat er aber nicht. Hier sollte man auch bewerten warum es eigentlich zwei voneinander Getrennte Sicherheitsbereiche gab. Den kaum vernünftig vorbereitete Carsten W. für den Eingangsbereich und Lutz W. fürs gelände.
Eine solche Planung ohne jede kommunikative oder anordnende Durchlässigkeit ist mehr als ungewöhnlich.

5

Lothar Evers schrieb:

lopachron schrieb:

Genau - es hätte bereits um 15:30 Uhr eine Katastrophe gegeben, wenn am Rampenkopf statt umstoßbaren Zäunen 8 Meter hohe Mauern gewesen wären.


Und (spätestens) zu diesem Zeitpunkt hätte der verantwortliche "Meister für Veranstaltungstechnik" die Untauglichkeit des Zu- und Abwegesystems erkennen können und die Veranstaltung abbrechen müssen.
Dabei hätte er sich der Hilfe der Polizei bedienen können, wäre aber für die Sicherheit der Besucher verantwortlich geblieben.

Hat er aber nicht. Hier sollte man auch bewerten warum es eigentlich zwei voneinander Getrennte Sicherheitsbereiche gab. Den kaum vernünftig vorbereitete Carsten W. für den Eingangsbereich und Lutz W. fürs gelände.
Eine solche Planung ohne jede kommunikative oder anordnende Durchlässigkeit ist mehr als ungewöhnlich.

 

Als ob der das alleine hätte entscheiden können ... die Entscheidung zum Abbruch wäre die Aufgabe des Krisenstabes gewesen.

Zitat Pressesprecher Stadt Duisburg Frank Kopatschek am 22.07.2010:

“(..) und über allem thront der Krisenstab der Stadt Duisburg, d.h., wenn – und was wir niemals hoffen werden – hier wirklich etwas schiefgeht, übernimmt der Krisenstab die Führung und die Leitung der Arbeiten, die dann zu tun sind.”

 

 

 

 

0

Daphne schrieb:
Als ob der das alleine hätte entscheiden können ... die Entscheidung zum Abbruch wäre die Aufgabe des Krisenstabes gewesen.

Zitat Pressesprecher Stadt Duisburg Frank Kopatschek am 22.07.2010:

“(..) und über allem thront der Krisenstab der Stadt Duisburg, d.h., wenn – und was wir niemals hoffen werden – hier wirklich etwas schiefgeht, übernimmt der Krisenstab die Führung und die Leitung der Arbeiten, die dann zu tun sind.”

Der Pressesprecher kann viel erzählen, juristisch muss das deswegen noch lange nicht zutreffen:

"Grundsätzlich hat der Veranstalter den Hut auf" (LTO)

LTO: Wer ist rechtlich für die sichere und störungsfreie Durchführung von Großveranstaltungen verantwortlich?

Hortig: Grundsätzlich liegt die zivil-, straf- und öffentlichrechtliche Haftung beim Veranstalter. Dieser hat mit geeigneten Maßnahmen, z.B. Einlasskontrollen, Streckenführung und geschultem Sicherheits- und Rettungspersonal einen störungsfreien Veranstaltungsverlauf möglichst sicherzustellen.

Wenn der Crowdmanager tatsächlich einen Abbruch der Veranstaltung verlangt und der Krisenstab dem entgegen die Weiterführung beschlossen hätte, säßen dessen Mitglieder vermutlich mit auf der Anklagebank. Kopatschek hat auch nur von "Leitung der Arbeiten" gesprochen - nicht von Entscheidungskompetenz, ob und wann sie stattzufinden haben. Lothar Evers hat da vollkommen Recht: außer bei unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben ist die Polizei "Erfüllungsgehilfe" des Veranstalters - die Polizei hätte einer Aufforderung, die Mannschaftswagen von der Rampe zu fahren um die Genehmigungsauflagen zu erfüllen, Folge leisten müssen, so sie denn vor oder zu Veranstaltungsbeginn ergangen wäre.

Daphne schrieb:

Lothar Evers schrieb:

lopachron schrieb:

Genau - es hätte bereits um 15:30 Uhr eine Katastrophe gegeben, wenn am Rampenkopf statt umstoßbaren Zäunen 8 Meter hohe Mauern gewesen wären.


Und (spätestens) zu diesem Zeitpunkt hätte der verantwortliche "Meister für Veranstaltungstechnik" die Untauglichkeit des Zu- und Abwegesystems erkennen können und die Veranstaltung abbrechen müssen.
Dabei hätte er sich der Hilfe der Polizei bedienen können, wäre aber für die Sicherheit der Besucher verantwortlich geblieben.

Hat er aber nicht. Hier sollte man auch bewerten warum es eigentlich zwei voneinander Getrennte Sicherheitsbereiche gab. Den kaum vernünftig vorbereitete Carsten W. für den Eingangsbereich und Lutz W. fürs gelände.
Eine solche Planung ohne jede kommunikative oder anordnende Durchlässigkeit ist mehr als ungewöhnlich.

 

Als ob der das alleine hätte entscheiden können ... die Entscheidung zum Abbruch wäre die Aufgabe des Krisenstabes gewesen.

Zitat Pressesprecher Stadt Duisburg Frank Kopatschek am 22.07.2010:

“(..) und über allem thront der Krisenstab der Stadt Duisburg, d.h., wenn – und was wir niemals hoffen werden – hier wirklich etwas schiefgeht, übernimmt der Krisenstab die Führung und die Leitung der Arbeiten, die dann zu tun sind.”

 

Interessant, wenn man bedenkt, dass der ab 16 Uhr offiziell vom Kulturdezernenten geführt wurde und ganztägig dort Schreckenberg vor Ort tätig gewesen war und eben nicht wie er behauptet am Tunnel.

 

 

0

@Lothar Evers

Absolut richtig: Der technische Leiter von Lopavent bzw. jeder aus der technischen Leitung war kompetent und verantwortlich, um zu erkennen:

1. Die Planung der Veranstaltung erfolgte rechtswidrig und daher durfte die Veranstaltung nicht durchgeführt werden.

2. Die Durchführung der Veranstaltung war illegal allein schon wegen der Abweichungen zwischen Genehmigung und Praxis. Dies gilt selbst bei angenommenem Rechtsirrtum über die Legalität der Veranstaltung. Die SBauVO schreibt unmissverständlich einen Abbruch der Veranstaltung vor bei Ausfall von Sicherheitseinrichtungen wie z.B. der ELA.

3. Die Beinahe-Katastrophe um 15:30 ging einher mit einer eklatanten Überschreitung der gesetzlich zulässigen Personenzahl von 2 Personen/ Quadratmeter in diesem Bereich. Damit war klar erkennbar, dass der noch zu erwartende größere Besucheransturm unweigerlich zur Katastrophe führen muss.

Das Baurecht bzw. die SBauVO schreiben dem Veranstalter einen Abbruch der Veranstaltung in derartigen Fällen zwingend vor. Diese Verpflichtung oblag der gesamten technischen Leitung inkl. Leiter des Ordnungsdienstes. Genau dies wird den Prüflingen in den Weiterbildungen zum Meister für Veranstaltungstechnik umfangreich und deutlich beigebracht.

0

@46

Hm,

wie man u.a. auf diesem Video: http://www.youtube.com/watch?v=Xgt9fh841P4

sieht, hat sich der Stau am Rampenkopf nach dem Umreißen der Zäune nicht mehr vergrößert. Der seitliche Abfluss an den Böschungen war ausreichend, um einen erheblich besseren Durchfluss zu gewährleisten, als noch vor 15:30 Uhr. Bis 15:50 gab es null lebensbedrohliche Probleme und der Durchfluss Schleuse->Tunnel->Rampe->Gelände war gleichmäßig. Jedenfalls war der Abfluss an den Böschungen am Rampenkopf doch wohl wesentlich größer als später an der Treppe/dem Lichtmast und dem Container...

 

Zwischen 15:50 und 16:20 hat man den Durchfluss dann komplett auf 0 gestoppt und eine Mauer von Abreisenden auf der Rampe aufgebaut/aufgestaut = Katastrophe !

0

Lopachron,

 

das ist nach meinem Erkentnis nach Studium nur eine momentane Betrachtunng. Der "Sturm" über die Rampenböschungen brachte kruzfristig Erleichterung. Ein weiterer wichtiger Umstand ist mir heute aufgefallen; irgendwann war die obere Rampe frei, weil eine Zeit lang dort Floats weder stationär waren noch durchfuhren - anders gesagt: Viel Platz. Allerdings wohl später. Um 15.50 sah der Rampenkopf durchaus nicht gemütlich aus. Schauen Sie sich Kamera 04 um diese Zeit an. http://www.youtube.com/watch?v=GxsTvwU7TpI.

Ich werde mir nochmal die Kameras 12, 04 und 05 anschauen. Kamera 12 wie 04 schwenkten leider ab und zu in uninteressante Gegenden.

Mein Gefühl ist aber ohnehin das, dass man hatte tun könne, was man wollte, löste man an diesem Tag ein Problem, schaffte man woander ein weiteres wenn nicht gleich zwei. Nur ein Trennen von Zu und Abgang oder eben Abbruch der Veranstaltung hätten geheilt.

 

0

Marek Lochman schrieb:

Lopachron,

 Ein weiterer wichtiger Umstand ist mir heute aufgefallen; irgendwann war die obere Rampe frei, weil eine Zeit lang dort Floats weder stationär waren noch durchfuhren - anders gesagt: Viel Platz.

 

Eben. Die Floats hätten gegen 15:15 Uhr gar nicht wieder anfahren dürfen = Rampenkopf freihalten. Zusätzlich Nebenrampe auch als Eingang und Notausgänge für Heimgänger öffnen.

 

 

 

0

Marek Lochman schrieb:

Um 15.50 sah der Rampenkopf durchaus nicht gemütlich aus.

 

Ich glaube, am Rampenkopf sah es schon ab 14 Uhr nicht mehr besonders "gemütlich" aus - aber doch wesentlich gemütlicher, als um 16:30 Uhr im unteren Teil der Hauptrampe. Außerdem beweisen alle Kameras einen erstaunlich hohen Besucherdurchfluss über die Seitenböschungen just bis zu dem Zeitpunkt, wo die Polizei den Besucherfluss für ganze 30 Minuten komplett unterbunden und danach nie mehr in Gang gekriegt hat.

 

Nach meiner Einschätzung hat man (Veranstalter) die Nerven verloren, als die Besucher im oberen Rampenbereich die Zäune umgerissen haben. Deshalb bat man um dringende Hilfe durch die Polizei, die dann leider ihre ganz eigenen Ideen (Tunnel-/Rampensperren) umgesetzt hat, anstatt einfach vorübergehend die Schleusen zu schließen. Die komplette Hundertschaft war ja zu diesem Zweck ursprünglich auch an den Schleusen stationiert.

 

Speziell der eingezäunte Rampenkopf mit der kreuzenden Floatstrecke war die größte Fehlkonstruktion der ganzen Planung. Möglicherweise war aber genau das ein absichtliches Konzept, um den Besucherandrang unter Kontrolle halten zu können.

0

Grundsätzlich vielleicht... hier geht es aber um die Loveparade mit mehreren hunderttausend Besuchern im Stadtgebiet:

Ergebnisprotokoll Szenarienworkshop

Szenario Überfüllung, Seite 6

"Die Entscheidung über eine (drohende) Überfüllung des Veranstaltungsgeländes und den damit verbundenen Maßnahmen (kein Einlass mehr auf das Gelände) wird in einer Telefonkonferenz besprochen. Die endgültige Entscheidung trifft die Ordnungsbehörde; die übrigen Teilnehmer der Telefonkonferenz nehmen eine beratende Funktion wahr."

 

Kurzgutacherliche Stellungnahme

Seite 30

"Zudem lag bei der Stadt in ihrer Funktion als allgemeine Ordnungsbehörde die übergreifende Zuständigkeit für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung innerhalb und außerhalb des Veranstaltungsgeländes. Dementsprechend ist in dem Vermerk zu Szenarienworkshop auch zutreffend ausgeführt, dass die Letztentscheidung über die Schließung des Veranstaltungsgeländes bei der Stadt Duisburg lag. Diese Entscheidung konnte wegen der Wechselwirkungen der Sicherheitslage innerhalb und außerhalb des Veranstaltungsgeländes auch nur von einer Behörde getroffen werden, die in beiden Bereichen für die Aufrechterhaltung der Sicherheit verantwoortlich ist."

 

 

 

0

@ Daphne: das ändert abernichts an den Feststellunge des "Meisters": beim Stau um 15.30 hätte der Crowdmanager erkennen müssen, dass das Zugangs- und Besuchersteuerungssystem nicht funktioniert und einen Abbruch verlangen müssen. Wenn die Ordnungsbehörde dies versagt und weiteren Besucherzustrom erlaubt hätte, säße Rabe wohl mit auf der Anklagebank.

Eine andere Frage ist, ob um 15.30 nicht bereits so viele Besucher in Richtung zum oder im Tunnel unterwegs waren, dass ein Stau mit Todesfolgen nicht einfach woanders entstanden wäre.

An der Argumentation der StA ändert es jedenfalls nichts, wer den operativen Hut am 24. Juli aufhatte - siehe auch das Fazit von Marel Lochmann.

Mein Name schrieb:

Eine andere Frage ist, ob um 15.30 nicht bereits so viele Besucher in Richtung zum oder im Tunnel unterwegs waren, dass ein Stau mit Todesfolgen nicht einfach woanders entstanden wäre.

http://www.youtube.com/watch?v=YbFoNTyBmpI

Kamera 14,15 und 16 zeigen, dass es bis 15:50 Uhr auf der Ost- und Weststrecke noch sehr locker zu ging. Ich würde sagen, 1 Person pro 3-5 Quadratmeter - keine Notwendigkeit für Sperren im Tunnel oder gar auf der Rampe.

Die extreme Verdichtung kam es mit den Polizeisperren und sie ging wieder nach deren Auflösung. Das hat aber leider 50 Minnuten gedauert.

0

Mein Name schrieb:

@ Daphne: das ändert abernichts an den Feststellunge des "Meisters": beim Stau um 15.30 hätte der Crowdmanager erkennen müssen, dass das Zugangs- und Besuchersteuerungssystem nicht funktioniert und einen Abbruch verlangen müssen. Wenn die Ordnungsbehörde dies versagt und weiteren Besucherzustrom erlaubt hätte, säße Rabe wohl mit auf der Anklagebank.

Eine andere Frage ist, ob um 15.30 nicht bereits so viele Besucher in Richtung zum oder im Tunnel unterwegs waren, dass ein Stau mit Todesfolgen nicht einfach woanders entstanden wäre.

An der Argumentation der StA ändert es jedenfalls nichts, wer den operativen Hut am 24. Juli aufhatte - siehe auch das Fazit von Marel Lochmann.

 

Es ging mir darum zu zeigen, dass "der Veranstalter" einen evtl Abbruch nicht eigenmächtig hätte entscheiden können. Lothars Kommentar suggeriert dies.

"beim Stau um 15.30 hätte der Crowdmanager erkennen müssen, dass das Zugangs- und Besuchersteuerungssystem nicht funktioniert"

Herr Walter hat das bereits gegen 14:30 Uhr erkannt, den zuständigen Polizeiführer jedoch erst 45 Minuten später erreichen können, sagt er hier. Den Absprachen gemäß hätte er bzw. "der Veranstalter" aber eigentlich eine Telefonkonferenz einberufen müssen, doch lt Spiegel online wusste er wohl nichts von dieser Möglichkeit? Auch die Frage, ob Herr Walter Kontakt zu Lutz Wagner, dem Leiter des Ordnerdienstes, suchte, bleibt ja bislang offen. Und – warum wurde nach Kenntnisnahme von Walters Hilfeersuchen seitens der Polizei keine TK2 einberufen? Es gab lt RA Berstermann eine TK1 (ohne Veranstalter) um 14:50 Uhr:

"Dort wurde von dem leitenden Polizeibeamten um 14:58 Uhr ausgeführt, der Hubschrauber habe eine Auslastung des Geländes von einem Drittel gemeldet. Ansonsten hat man hier erkannt, dass es einen gewissen Druck auf den Westeingang gibt. Die Polizei hat erklärt, sie habe eine Vorsperre auf der Mercatorstr. eingerichtet. Im Übrigen klingt die Telefonkonferenz dann nicht weiter dramatisch.”

Von Problemen am Rampenkopf keine Rede.

 

 

0

Wenn er (der Crowd Manager) genial gewesen wäre, hätter er verlangt: Notausgänge öffnen, alle Abreisewilligen durch Pusher und Ansage durch die Floats dorthin führen. Ab sofort nur noch Einbahnverkehr.

Aber Sie deuten eine Sache richtig an: Der Crowd Manager ist noch mehr in der Verantwortung als die Polizei, die doch nicht so sehr vom Fach ist.

Ich meine, es ist nicht so, wie Lopachron sagt, dass das Crowd Management die Nerven verloren hätte - denn "Nerven verlieren" hätte geheissen die Veranstaltung abbrechen - aber es wäre eine gute, vorsichtige Lösung gewesen. Die Lösung Notausgänge öffnen und Einbahnverkehr wäre eine "coole" gewesen, denn die Umsetzung angesichts der wenigen Ordner und der Polizei, die für so einen Fall nicht instruiert war, wäre unsicher, aber nicht chancenlos gewesen.

Nein, die Lösung war uncool: Walter  hat versucht sich weiter durchzuwurschteln. Nun mit Hilfe der Polizei, der er die Handlungshoheit überliess, womit aber das Chaospotential anwuchs. Er hat sich aus der Verantwortung verabschiedet. Wie Pleitgen. Sauerland. Rabe. Dressler. Geer. Was auch immer kommt, ja nicht die Loveparade absagen. Nur noch fordern, aber keine Verantwortung übernehmen. Naja, viellieicht muss ich jetzt Loapchron doch Recht geben: das ist eigentlich eine Art Nerven zu verlieren. Keine eigenen Entscheidungen mehr zu treffen.

Wer auch immer sich ärgert, dass kein Polizist straftrechtlich verfolgt wird, mag sich damit trösten, dass ja auch der Crowd Manager entlastet wurde; er hätte es ja besser als die Polizei wissen müssen, wann die Leute nach Hause geschickt werden müssen und ist seiner Aufgabe auch nicht gerecht geworden.

Auch das eine Bestätigung, dass die Hauptfehler in der Planung zu suchen sind. Der Rest war nur noch Gewurschtel. Weil man Angst hatte, die Loveparade abzusagen. Und wieso es diese Angst gab, liegt auch an denen, die so sehr die Absage in Bochum kritisiert hatten (Presse, Pleitgen, Gorny), aber auch daran, dass man 2007 einen nicht durchdachten Rahmenvertrag abschloss - einem Austragungsort zu vereinbaren, ohne die genaue Strecke zu haben. Juristen würden sagen: Klassischer Fall von verstecktem Dissens. Aus dem man dann aber nicht mehr herauskommt, ohne das Gesicht zu verlieren (Städte wie Veranstalter). Entweder mit Hohn und Spott wie in Bochum. Oder aber mit der schrecklichen Blutschande von Duisburg mit den anschliessenden "Katastrophen nach der Katastrophe". Mit dem Vertuschen, der Leugnung der Verantwortung, mit teuren Pseudogutachten und der bis heute mit der nicht ehrlichen Aufbereitung der Katastrophe auch unter dem neuen Bürgermeister.

0

Der Veranstalter, vertreten durch technischen Leiter und Leiter des Ordnungsdienstes, musste laut SBauVO NRW § 38 (4) die Veranstaltung sofort abbrechen. Die SBauVO ist ein Gesetz, dass nicht durch Absprachen außer Kraft gesetzt werden kann. Der Krisenstab hätte nur noch überlegen können und müssen, in welcher Weise die Veranstaltung beendet werden kann.

Die chaotische, unübersichtliche und nicht zweckdienliche Organisation der Loveparade hat eben nicht geholfen, Menschenleben zu retten. Und kein Krisenstab und keine Telefonkonferenz übernimmt oder ersetzt die Verantwortung des Veranstalters gemäß SBauVO.

0

Meister für Veranstaltungstechnik schrieb:

Der Veranstalter, vertreten durch technischen Leiter und Leiter des Ordnungsdienstes, musste laut SBauVO NRW § 38 (4) die Veranstaltung sofort abbrechen. Die SBauVO ist ein Gesetz, dass nicht durch Absprachen außer Kraft gesetzt werden kann. Der Krisenstab hätte nur noch überlegen können und müssen, in welcher Weise die Veranstaltung beendet werden kann.

Die chaotische, unübersichtliche und nicht zweckdienliche Organisation der Loveparade hat eben nicht geholfen, Menschenleben zu retten. Und kein Krisenstab und keine Telefonkonferenz übernimmt oder ersetzt die Verantwortung des Veranstalters gemäß SBauVO.

Hier mal der entsprechende Absatz

"(4) Der Betreiber ist zur Einstellung des Betriebes verpflichtet, wenn für die Sicherheit der Versammlungsstätte notwendige Anlagen, Einrichtungen oder Vorrichtungen nicht betriebsfähig sind oder wenn Betriebsvorschriften nicht eingehalten werden können."

Bei Verantstaltungen dieser Größenordnung mit entsprechenden Auswirkungen auf den öffentlichen Raum unter Beteiligung diverser Institutionen mit z.T. tausenden von Einsatzkräften wage ich einfach mal zu bezweifeln, dass der Veranstalter allein eine solch weitreichende Entscheidung treffen darf, nur weil eine an sich öffentliche Veranstaltung ringsum umzäunt ist. Ich kann mir vorstellen, dass Bestimmungen die Ordnungsbehörde (die man hier durchaus als Co-Veranstalter sehen könnte) betreffend in diesem Falle zumindest gleichrangig oder gar übergeordnet Anwendung finden (können)... aber darum haben sich schon andere gestritten und ich hab eh keine Ahnung ;o) Sollte es tatsächlich so sein wie Du sagst, fänd ich das ehrlich gesagt unverantwortlich...

Abgesehen von der Frage wer genau einen Abbruch hätte grundsätzlich anordnen können, müssen oder dürfen, mag ich mir ein solches Szenario auch gar nicht wirklich vorstellen...

 

 

 

 

 

 

 

0

@Daphne

Natürlich haben viele Angst vor der eigenen Courage. Aber wenn es so im Gesetz steht?

Ganz klar ist: Ein Abbruch ist das letzte Mittel. Und für einen Abbruch muss eine Planung vorliegen. Die Evakuierung des Publikums muss vorbereitet sein. Wehe dem Veranstalter, der abbrechen muss und dann nicht weiß wie.

Laut Gesetz muss der Veranstalter abbrechen. Sollte irgend jemand den Abbruch verhindern oder vereiteln, dann haftet diese natürliche Person selbstverständlich für die Folgen dieses Eingriffs in den vom Gesetzgeber zwingend vorgeschriebenen Abbruch.

Für alle technischen Leiter heißt das ganz klar - sie haben die Verantwortung und müssen zum Schutze der Besucher handeln. Unter anderem deswegen wird jetzt die technische Leitung angeklagt. Ordnungsbehörde und Polizei haben nicht die Befugnisse und auch nicht die Verantwortung des Veranstalters.

Der Fall trat bei der Loveparade nicht auf und ist auch bisher hypothetisch: ein Veranstalter bricht ab, will evakuieren und Ordnungsbehörde oder Polizei verhindern dies (mit Gewalt? per Verfügung?). Ich gehe davon aus, dass dann Ordnungsbehörde und Polizei ein strafrechtliches Problem haben, weil sie entgegen SBauVO § 38 (4) das gesetzlich vorgeschriebene Einstellen des Betriebes vorsätzlich unterbunden haben. Der Veranstalter bzw. die technische Leitung könnten sich strafrechtlich erfolgreich verteidigen mit dem Hinweis, dass sie von Ordnungsbehörde/ Polizei an gesetzeskonformen Handeln gehindert wurden.

Das Selbstverständnis von korrekt arbeitenden technischen Leitungen und deren Umgang mit Ordnungsbehörden und Polizei wird sich sicherlich ändern.

0

Ich eröffne diesen Kommentar mal mit der Frage, was die StA wohl gemacht hätte, wenn beim Schichtwechsel um 15:30 Uhr ein Raver im leichten Rampengedränge von einem Polizeifahrzeug überfahren worden wäre – ansonsten aber nichts passiert wäre, außer das man daraufhin die Veranstaltung abgebrochen hätte?

 

Nach der Logik von Prof. Still und der StA ist das konkrete Geschehen und die konkrete Unglücksursache ja egal – denn ob die o.g. fiktive Person nun so -per Überfahren im Rampengedränge- zu Tode gekommen ist oder später andere Personen bei einem „unabwendbaren mathematischen theoretischen“ Rampengedränge/Unglück aufgrund der illegalen Planung und Genehmigung sowieso gestorben wären, spielt ja offensichtlich keine Rolle.

Ergo hätte die StA in diesem fiktiven Fall auch Stadt und Veranstalter verantwortlich gemacht – nur weil die LOPA an sich nicht genehmigungsfähig war ? Wohl kaum …

 

Aber wo ist der Unterschied zwischen dieser Fahrlässigkeit und den fahrlässigen Polizeimaßnahmen zwischen 15:50 und 16:25 Uhr bzw. dem fahrlässigen, fast vorsätzlichen, Nichthandeln der Polizei zwischen 16:25 und 17:10 und dem fahrlässigen/vorsätzlichen Ignorieren der ersten Meldung von Lebensgefahr im unteren Rampenbereich um 16:35 Uhr?

 

Warum wird ein Unterschied zwischen einem „fahrlässig“ überfahrenen Raver und einem durch „fahrlässige Polizeimaßnahmen“ erdrückten Raver gemacht? Nur weil man einen überfahrenen Raver nicht durch die Thesen der Still-Gutachten erklärt bekommt bzw. weil nur erdrückte Raver die Folge der schlechten Planung, illegalen Genehmigung und der mangelhaften Rampenkapazität sein dürfen ?

 

Fakt ist doch, dass die konkrete „lebensgefährliche“ Verdichtung im unteren Rampenbereich erst durch die 3 unkoordinierten Polizeiketten entstanden ist. Eine halbe Stunde vorher gab es dort keine Gefahr und keine Verdichtung – eine Sekunde nach Auflösung der letzten Polizeikette bestand dort aber plötzlich akute Lebensgefahr! Wer da keinen ursächlichen und konkreten Zusammenhang sieht, der muss doch ganz schön ignorant sein!

 

Nun könnte man natürlich argumentieren, dass bei den Polizeimaßnahmen gar keine fachlichen Fehler nachweisbar sind bzw. gar keine Fahrlässigkeit vorliegt – Nur: Das Ergebnis dieser Maßnahmen war nun mal eine lebensgefährliche Lage, welche es kurz vorher nicht gab...

Auf Lebensgefahr-Meldungen von 16:35 Uhr nicht sofort zu reagieren würde ich auch als Fahrlässigkeit durch unterlassene Hilfeleistung bezeichnen, genauso, wie das unsinnige Halten der PK3 und dem damit verbunden Aufbauen einer Blockade aus ca. 6000 abreisenden Personen...

Ebenso könnte man der Polizei eine „Mission Impossible“ bescheinigen – Nur: Diese „Mission Impossible“ gilt m.E. allenfalls für die Lage ab ca. 16:45 Uhr. Richtig formuliert müsste es also heißen: Die Polizei hat sich zwischen 15:45 und 16:25 Uhr durch ihre missglückten Maßnahmen selbst in eine „Mission Impossible“ hinein manövriert.

 

In erster Linie zuständig und zu Verantwortung zu ziehen ist natürlich der Veranstalter mit seinem Konzept. Die Stadt ist dann für die Genehmigung verantwortlich um die Besucher/Bürger -per Gesetz- vor möglichen Gefahren zu schützen. Da politische „Druckmacher“, „unwissende“ Chefs (Schaller,Sauerland,Rabe) und sämtliche operativen Kräfte (u.a. LPD Simon) strafrechtlich ja offenbar schwer bis kaum greifbar sind, verbleiben für die Anklage nur Mitarbeiter von Stadt und Veranstalter.

 

Dennoch muss man sich doch damit beschäftigen, ob die Situation auf der Rampe durch die Polizeimaßnahmen konkret besser geworden, konkret schlechter geworden, konkret lebensbedrohlich geworden oder gleich geblieben ist und ob kürzere, andere oder gar keine Maßnahmen auch zu einer lebensbedrohlichen Verdichtung im unteren Rampenbereich geführt hätten.

 

Daher zweifel ich ein wenig an der Objektivität der StA, welche sich m.E. mittlerweile zu einseitig auf die nicht vollständigen Stillgutachten konzentriert... - letztendlich wird es nämlich m.E. den Opfern und der Wahrheit bei dieser Faktenlage nicht gerecht, die Polizei hier komplett von der strafrechtlichen Verantwortung auszuklammern...

 

Mit Polizei meine ich in erster Linie die Bochumer Führungsebene „EA Veranstaltung“ mit dem Polizeirat EA/F SdV sowie den Führungsstab um LPD Simon.

(PS: Bei uns drüben gibt es seit gestern einen neuen interessanten Artikel zu den Funkprotokollen der Polizei und der organisatorischen Struktur)

0

lopachron schrieb:

Ich eröffne diesen Kommentar mal mit der Frage, was die StA wohl gemacht hätte, wenn beim Schichtwechsel um 15:30 Uhr ein Raver im leichten Rampengedränge von einem Polizeifahrzeug überfahren worden wäre – ansonsten aber nichts passiert wäre, außer das man daraufhin die Veranstaltung abgebrochen hätte?

 

Nach der Logik von Prof. Still und der StA ist das konkrete Geschehen und die konkrete Unglücksursache ja egal – denn ob die o.g. fiktive Person nun so -per Überfahren im Rampengedränge- zu Tode gekommen ist oder später andere Personen bei einem „unabwendbaren mathematischen theoretischen“ Rampengedränge/Unglück aufgrund der illegalen Planung und Genehmigung sowieso gestorben wären, spielt ja offensichtlich keine Rolle.

Ergo hätte die StA in diesem fiktiven Fall auch Stadt und Veranstalter verantwortlich gemacht – nur weil die LOPA an sich nicht genehmigungsfähig war ? Wohl kaum …

 

Aber wo ist der Unterschied zwischen dieser Fahrlässigkeit und den fahrlässigen Polizeimaßnahmen zwischen 15:50 und 16:25 Uhr bzw. dem fahrlässigen, fast vorsätzlichen, Nichthandeln der Polizei zwischen 16:25 und 17:10 und dem fahrlässigen/vorsätzlichen Ignorieren der ersten Meldung von Lebensgefahr im unteren Rampenbereich um 16:35 Uhr?

 

Warum wird ein Unterschied zwischen einem „fahrlässig“ überfahrenen Raver und einem durch „fahrlässige Polizeimaßnahmen“ erdrückten Raver gemacht? Nur weil man einen überfahrenen Raver nicht durch die Thesen der Still-Gutachten erklärt bekommt bzw. weil nur erdrückte Raver die Folge der schlechten Planung, illegalen Genehmigung und der mangelhaften Rampenkapazität sein dürfen ?

Der Unterschied liegt hier in der Kausalität, also wie direkt der Tod durch eine Handlung oder durch ein Unterlassen verursacht wird (Zur juristischen Herangehensweise bei fahrlässiger Tötung siehe hier, in diesem Fall insbes. I.3., I.4.b), I.4.d)bb)1. und III.2.b))

Die konkrete Unglücksursache ist nicht ganz egal: wenn bei einer genehmigungsfähigen Veranstaltung im leichten Gedränge ein Polizeiwagen jemanden überfährt, ist die Kausalität im konkreten Fall so klar, dass dies auch für eine nicht genehmigungsfähige Veranstaltung zutrifft. 

Findet z.B. eine nicht genehmigte Demonstration statt und es wird kommt dabei ein Beteiligter oder Unbeteiligter durch direkte Einwirkung eines Dritten zu Tode, dann ist auch nicht der Veranstalter verantwortlich, sondern der Dritte, der den Tod direkt verursacht hat.

Mein Name schrieb:

Der Unterschied liegt hier in der Kausalität, also wie direkt der Tod durch eine Handlung oder durch ein Unterlassen verursacht wird

 

Hmm - danke für die Antwort. Das "direkt" bzw. die Kausalität ist aber ja Auslegungssache.

Ich sehe da keinen großen Unterschied zwischen einem direkten Überfahren und der künstlichen Erzeugung einer tödlichen Verdichtung sowie einer fahrlässig unterlassenen Hilfeleistung, welche ohne weitere andere Einflüsse zum direkten Tode von 21 Menschen geführt hat. Jedenfalls hat die Planung und Genehmigung der LOPA ja noch viel weniger eine direkte Kausalität zu der real entstandenen Verdichtung mit Todesfolge.

Und wie ich oben schon schrieb: 1 Sekunde nach Beendigung der polizeilichen Maßnahmen entstand direkt eine lebensbedrohliche Situation mit tatsächlicher Todesfolge. Einen direkteren kausalen Zusammenhang "zwischen Polizeimaßnahmen und der lebensbedrohlichen Verdichtung" kann es ja kaum geben...

 

0

@lopachron,

zunächst mal ein Kompliment an Sie und die Mitstreiter auf der Seite loveparade2010doku für die hervorragende Funkspruchdokumentation nach den ebenso hervorragenden Videodokumentationen - eine riesige Arbeit, die nicht oft genug gelobt werden kann.

Die Frage, ob in dem (fahrlässig geplanten und genehmigten) Gesamtgeschehen nicht auch die einzelnen konkret(er) Verantwortlichen aus dem Bereich der Polizei hätten angeklagt werden können/müssen, ist sicherlich die spannendste Frage überhaupt. Ich habe hier ja schon mehrfach angedeutet (schon ein paar Tage nach der "Tat"), dass aus meiner Sicht fahrlässiges Verhalten auf allen drei Ebenen zu finden ist, also sich auch in den Reihen der Polizei Personen strafbar gemacht haben könnten.

Ich habe aber auch schon dargelegt, dass Ihre Argumentation im Grunde derjenigen der Lopavent-Hauptverantwortlichen auf den Leim geht, wenn Sie praktisch ausführen, (nur) die Polizei sei für die Todesfälle verantwortlich, schließlich habe ohne diese Sperren alles funktioniert. Jedenfalls hört sich die Argumentation so an. Wie schon die Beteiligten an der PK am 25.07.2010 meinen Sie offenbar nach wie vor (ich habe mir seit 2010 die Finger wund getippt für die Gegenauffassung), die Verantwortung müsse praktisch distribuiert werden, also, wenn der eine mehr Schuld hat, hat der andere weniger: Das ist aber gerade NICHT das strafrechtliche Zurechnungsmodell.

In mehrstufigen Geschehnissen kann es durchaus so sein, dass derjenige, der die Fahrlässigkeit eines anderen "veranlasst", selbst wegen Fahrlässigkeit schuldig ist, eben wenn er mit einer solchen Fahrlässigkeit des anderen rechnen musste. Die Zurechnung des Erfolgs läuft dann über mehrere Ebenen (bzw. Handlungen). Am Ende kann dabei herauskommen: Wer eine solche chaotische Veranstaltung plant und genehmigt, bei der Drängeleien bis hin zu Massenturbulenzen schon rechnerisch absehbar sind, der muss auch damit rechnen, dass bei dem Versuch der Bewältigung der Lage zeitlich und organisatorisch nachgelagerte Verantwortliche Fehler machen. Und hier liegt der Unterschied zwischen einer „bei“ bzw. "gelegentlich" der Veranstaltung begangenen fahrlässigen Tötung (Ihr Beispiel) und einer Tötung, die bei der Bewältigung einer Situation aufgetreten ist, die Lopavent und Stadt Duisburg durch ihre Fehlplanung veranlasst haben. Das ist eine Frage der strafrechtlichen Zurechnung.

Die Strafbarkeit ist dann persönlich auf jeder Ebenen zu prüfen, d.h. selbst wenn man Ihnen zustimmt (und das tue ich), dass die Polizeisperren selbst wiederum objektiv fahrlässig waren, höchst gefährlich und letztlich konkreter Auslöser der Massenturbulenzen an diesem Ort, heißt das noch nicht, dass unbedingt auch der konkrete Einsatzleiter persönlich strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann. Vielleicht fehlt es gerade bei ihm an der subjektiven Voraussetzung der Strafbarkeit, bei den jetzt angeklagten aber sind die subjektiven Voraussetzungen (aus Sicht der StA) aber erfüllt.

Und so lässt sich das erklären: Mitarbeiter von Lopavent und Stadt werden letztlich auch für die polizeilichen Fehler haften, wenn und weil sie diese durch ihre Fahrlässigkeit objektiv und subjektiv zurechenbar veranlasst haben, während – was ich bedauere – momentan die Polizeibeamten fein raus sind, weil man ihren Beitrag, jedenfalls subjektiv, nicht strafrechtlich erfassen kann.

Im Übrigen halte ich es für einen (größeren) Skandal, dass man das faktische Einvernehmen von Polizei und Feuerwehr im Vorfeld nicht als relevant angesehen hat.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

 

 

 

 

 

Vielen Dank für die Antwort!

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Ich habe aber auch schon dargelegt, dass Ihre Argumentation im Grunde derjenigen der Lopavent-Hauptverantwortlichen auf den Leim geht, wenn Sie praktisch ausführen, (nur) die Polizei sei für die Todesfälle verantwortlich, schließlich habe ohne diese Sperren alles funktioniert. Jedenfalls hört sich die Argumentation so an. Wie schon die Beteiligten an der PK am 25.07.2010 meinen Sie offenbar nach wie vor (ich habe mir seit 2010 die Finger wund getippt für die Gegenauffassung), die Verantwortung müsse praktisch distribuiert werden, also, wenn der eine mehr Schuld hat, hat der andere weniger: Das ist aber gerade NICHT das strafrechtliche Zurechnungsmodell.

Ähm - nein.  Wenn ich sage, die Polizeimaßnahmen sind m.E. die direkte Ursache des Unglücks, heißt das auf der anderen Seite nicht, dass sich die Schuld auf Seiten der Stadt oder Lopavent reduziert.  Daher gehe ich auch der Lopavent-Argumentation nicht auf den Leim, weil diese ja auf eine Schuldzuweisung/Schuldübertragung auf die Polizei abzielt. Naturgemäß nimmt aber jeder "unabhänige" LOPA-Analytiker trotzdem eine gewisse Position ein, die der Propaganda einer der 3 Gruppen (Veranstalter, Stadt, Polizei) unbeabsichtigt näher steht. Aber ich betone immer mal wieder ;-) , dass ich niemals "nur" die Polizei verantwortlich mache.

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Wer eine solche chaotische Veranstaltung plant und genehmigt, bei der Drängeleien bis hin zu Massenturbulenzen schon rechnerisch absehbar sind, der muss auch damit rechnen, dass bei dem Versuch der Bewältigung der Lage zeitlich und organisatorisch nachgelagerte Verantwortliche Fehler machen. Und hier liegt der Unterschied zwischen einer „bei“ bzw. "gelegentlich" der Veranstaltung begangenen fahrlässigen Tötung (Ihr Beispiel) und einer Tötung, die bei der Bewältigung einer Situation aufgetreten ist, die Lopavent und Stadt Duisburg durch ihre Fehlplanung veranlasst haben. Das ist eine Frage der strafrechtlichen Zurechnung.

Hmm - m.E. kommt es aber auch darauf an, wie man eine fehlgeplante Situation bewältigt. Wenn man aufgrund fachlicher Fehler aus einer harmlosen eine lebensbedrohliche Situation macht, so kann man diese fachlichen Fehler m.E. nicht auf die Planer und Genehmiger schieben. Es ging hier ja nicht um die Bewältigung einer durch die Planung entstandenen lebensbedrohlichen Verdichtung - wobei man durchaus Fehler machen kann oder damit rechnen musste - sondern um die Bewältigung eines im Vergleich eher harmloseren Stau-Problems am Rampenkopf. Dafür waren nicht unbedingt diese  haarsträubenden Tunnel- und Rampensperren notwendig, sondern lediglich ganz normale Schleusensperren - so wie das ja bei einer Stausituation auf der Rampe auch vorgesehen war.

 

Henning Ernst Müller schrieb:

heißt das noch nicht, dass unbedingt auch der konkrete Einsatzleiter persönlich strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann. Vielleicht fehlt es gerade bei ihm an der subjektiven Voraussetzung der Strafbarkeit, bei den jetzt angeklagten aber sind die subjektiven Voraussetzungen (aus Sicht der StA) aber erfüllt.

Irgendwer muss aber ja bei festgestellter Fahrlässigkeit der Polizeisperren als konkreter Auslöser der Verdichtung oder bei festgestellter unterlassener Hilfeleistung auch dafür verantwortlich sein. Wenn man den "Beitrag" der Polizei trotzdem nicht strafrechtlich erfassen kann, liegt das m.E. eher an der schon beschriebenen fehlenden Objetivität der StA oder einem ungeschriebenen Gesetz, dass die Polizei zunächst mal nie schuld hat ;-)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[/quote]

0

@lopachron:

Ich sehe da keinen großen Unterschied zwischen einem direkten Überfahren und der künstlichen Erzeugung einer tödlichen Verdichtung sowie einer fahrlässig unterlassenen Hilfeleistung, welche ohne weitere andere Einflüsse zum direkten Tode von 21 Menschen geführt hat.

Auf mehr oder weniger direkt kommt es auch gar nicht an, es handelt sich (sorry, Mein Name) NICHT um ein Kausalitätsproblem, sondern um ein Zurechnungsproblem. Sie sehen den relevanten Unterschied nicht, weil Sie in die falsche Richtung schauen. Der Unterschied in Ihren Beispielen liegt nicht in der jeweiligen Handlung der Polizeibeamten, sondern darin, wer bzw. welche Handlung  diese vorhersehbar  (mit)veranlasst hat. Lopavent und Stadt können nicht vorhersehen, ob ein Bulli irgednwo auf dem Gelände einen Menschen überfährt. Die Gefahr DAFÜR haben sie auch nicht verboten riskant durch ihre Veranstaltung erhöht. Insofern konnten Sie auch darauf vertrauen, dass ein polizeilicher fahrzeugführer die für das Fahren vorgegebene Regeln beachtet. Aber durch ihre Planung/Genehmigung haben sie verboten riskant  die Gefahr erhöht, dass Massenturbulenzen entstehen und damit auch die Gefahr, dass polizeiliche Versuche, diesen Massenturbulenzen zu begegnen, erst recht schief gehen. Insofern haften sie "im Durchgriff" für das von ihnen veranlasste Verhalten (auch) der Polizeibeamten. Und entgegen Ihrer Auffassung spricht die Kausalität der Polizeisperren für die Todesfälle nicht etwa gegen sondern gerade FÜR die Verantwortung von Lopavent/Stadt.

Bei jedem komplexen Geschehen werden Sie übrigens direktere und indirektere Ursachen finden. Es ist gerade Inhalt der strafrechtlichen Äquivalenztheorie, dass es auf "direkt" oder "weniger direkt" gar nicht ankommt. Es kommt für die objektive Zurechnung darauf an, ein Risiko erhöht zu haben (hier das der Massenturbulenz), das sich dann im konkreten Erfolg verwirklicht hat (Tote infolge einer Massenturbulenz). Dies trifft wohl objektiv für alle drei (Lopavent, Stadt, Polizei) zu. Nur weil man bei der Polizei niemanden gefunden hat, der auch subjektiv persönlich haftet, heißt das aber nicht, dass man nun auch Lopavent und Stadtmitarbeiter aus der Verantwortung entlassen müsste.

Analoge Situation: A schlägt B, B geht ins Krankenhaus zu Arzt C. Aufgrund der Fehlbehandlung durch C  wird die Verletzung viel schwerer und führt zum Tode.
Nur weil es eine direktere Ursache gibt (Hnadlung des C), bedeutet das nicht, dass A entlastet wird. Denn bei seiner Handlung hat er auch mit der Fahrlässigkeit des Arztes rechnen müssen, er hat sie veranlasst. Ob und inwieweit (auch) C verantwortlich gemacht werden kann, ändert an der Verantwortung des A nichts.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Denn bei seiner Handlung hat er auch mit der Fahrlässigkeit des Arztes rechnen müssen, er hat sie veranlasst.

 

Puh - ne das sehe ich anders. Wenn ich jemanden den Zahn ausschlage, weil er z.B. meine Frau belästigt hat, dann muss ich doch nicht damit rechnen, dass der behandelnde Arzt meinen Kontrahenten beispielsweise durch eine falsche Narkosbehandlung umbringt. Für den Tod würde ich mich niemals (rechtlich) verantwortlich fühlen - so rein aus gesundem Menschenverstand.   --> Aber Sie sind ja der Experte...

 

Falls Sie mir aber nur nochmals verklickern wollten, dass durch offensichtliche Schuld eines Zweiten der Erste nicht automatisch im selben Verhältnis entlastet wird, so hab' ich das längst verstanden... ;-)

0

Henning Ernst Müller schrieb:

Lopavent und Stadt können nicht vorhersehen, ob ein Bulli irgednwo auf dem Gelände einen Menschen überfährt. Die Gefahr DAFÜR haben sie auch nicht verboten riskant durch ihre Veranstaltung erhöht. Insofern konnten Sie auch darauf vertrauen, dass ein polizeilicher fahrzeugführer die für das Fahren vorgegebene Regeln beachtet. Aber durch ihre Planung/Genehmigung haben sie verboten riskant  die Gefahr erhöht, dass Massenturbulenzen entstehen und damit auch die Gefahr, dass polizeiliche Versuche, diesen Massenturbulenzen zu begegnen, erst recht schief gehen. Insofern haften sie "im Durchgriff" für das von ihnen veranlasste Verhalten (auch) der Polizeibeamten.

 

Das beantwortet eigentlich meine anfangs gestellte Frage - vielen Dank! Die Schlussfolgerung, dass die Kausalität der Polizeiketten für die Todesfälle FÜR die Verantwortung von Lopavent/Stadt spricht, ist mir aber etwas zu pauschal. Auch der Polizei kann man ja bei den vorliegenden Besucherzahlen einen einfachen Dreisatz zutrauen. Wenn das alles so offensichtlich war, hätte sich die Polizei ja erst recht keinen Zentimeter in die Tunnel bewegt, weil auch sie aufgrund ihrer eigenen Dreisatzrechnung mit Massenturbulenzen auf der Rampe rechnen musste.  Die Polizeiketten im Tunnel und auf der Rampe haben also auch bewusst verboten riskant das Risiko für eine Massenturbulenz erhöht - im Gegensatz zu einfachen Schleusensperren als Unterstützungsmaßnahme für den Rampenkopf...

0

@lopachron:

Naturgemäß nimmt aber jeder "unabhänige" LOPA-Analytiker trotzdem eine gewisse Position ein, die der Propaganda einer der 3 Gruppen (Veranstalter, Stadt, Polizei) unbeabsichtigt näher steht.

Nein, das ist nicht "naturgemäß" so, weil eben eine solche Distribution der Verantwortung dem Fahrlässigkeitsstrafrecht gar nicht eigen ist.

m.E. kommt es aber auch darauf an, wie man eine fehlgeplante Situation bewältigt. Wenn man aufgrund fachlicher Fehler aus einer harmlosen eine lebensbedrohliche Situation macht, so kann man diese fachlichen Fehler m.E. nicht auf die Planer und Genehmiger schieben.

Es geht eben gerade nicht ums "Schieben" der Verantwortung (das ist eine Laiensicht aufs Strafrecht). Wie oben gesagt: Ja, man kann auch für Fehler anderer (mit)verantwortlich sein, wenn man sie durch eigene Fehler zurechenbar veranlasst hat. Z.B. wer als Reeder ein unsicheres Schiff auf die Reise schickt, kann sich nicht damit entlasten, dass ja der Kapitän den direkteren Manövrierfehler gemacht hat, ohne den das Schiff ja nicht untergegangen wäre. Ebensowenig kann sich der Kapitän darauf berufen, dass ja das Schiff unsicher gewesen sei. Waren beide Fehler für das Unglück kausal und haben beide Fehler das Unglück zurechenbar ausgelöst, dann können (nicht müssen) beide verantwortlich gemacht werden. Man kann also ggf. beide, den Kapitän UND den Reeder bestrafen, aber UNABHÄNGIG voneinander. Kann der Kapitän aus irgendwelchen subjektiven Gründen nicht bestraft werden, heißt das nicht etwa, dass der Reeder dann auch freikommt. Es heißt aber auch nicht, dass er nun irgendetwas zugeschoben bekommt, was er sonst nicht hätte. 

Die Folge Ihrer Argumentation (ich verstehe: Wenn nicht die Polizei bestraft wird, dann darf auch nicht Lopavent/Stadt bestraft werden)  wäre nicht etwa, dass alle, die auf unterschiedliche Weise Gefahren hervorgerufen haben, verantwortlich gemacht werden können, sondern dass in komplexen Geschehen eben das passiert: Weder der Reeder noch der Kapitän könnten bestraft werden.

Irgendwer muss aber ja bei festgestellter Fahrlässigkeit der Polizeisperren als konkreter Auslöser der Verdichtung oder bei festgestellter unterlassener Hilfeleistung auch dafür verantwortlich sein. Wenn man den "Beitrag" der Polizei trotzdem nicht strafrechtlich erfassen kann, liegt das m.E. eher an der schon beschriebenen fehlenden Objetivität der StA oder einem ungeschriebenen Gesetz, dass die Polizei zunächst mal nie schuld hat ;-)

Nein, es kann durchaus sein, dass gar keiner strafbar ist, weil zwar objektiv Fehler gemacht wurden, aber keiner persönlich subjektiv fahrlässig gehandelt hat. Es gibt viele Beispiele, in denen das passiert ist.

Leider kann man nicht ausschließen, dass Sie mit der Staatsanwaltschaft Recht haben und die Polizei mangels Objektivität zu gut wegkommt. Wenn es so ist, wie ich oben dargelegt habe (fehlende subjektive Fahrlässigkeit des becshuldigten Polizisten), dann wäre das für mich aber eine akzeptable Erklärung. Ich wünschte mir jedenfalls, dass bezüglich der Sperren sorgfältig ermittelt wurde/worden wäre - da haben Sie mich voll auf ihrer Seite.

Liest man die Funkprotokolle, dann bekommt man ja schon einen gewissen Eindruck davon, welches Chaos herrschte und dass hier die Folgen bestimmter Entscheidungen nicht unbedingt vorhersehbar waren.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Naturgemäß nimmt aber jeder "unabhänige" LOPA-Analytiker trotzdem eine gewisse Position ein, die der Propaganda einer der 3 Gruppen (Veranstalter, Stadt, Polizei) unbeabsichtigt näher steht.

 

Nein, das ist nicht "naturgemäß" so, weil eben eine solche Distribution der Verantwortung dem Fahrlässigkeitsstrafrecht gar nicht eigen ist.

Ok - ich bezog mich nicht auf's Strafrecht, sondern einfach auf das, was andere (u.a. Sie) aus meinen Forenbeiträgen meinen herauslesen zu können. Auch Ihnen wird/wurde ja hier abwechselnd - mal Polizeifreund, mal Polizeifeind - vorgeworfen.  Diese unabsichtlich vermittelten bzw. so aufgefassten Parteilichkeiten sind naturgemäß nicht zu verhindern. Vielleicht wird es so deutlicher...

0

@lopachron:

Die Polizeiketten im Tunnel und auf der Rampe haben also auch bewusst verboten riskant das Risiko für eine Massenturbulenz erhöht - im Gegensatz zu einfachen Schleusensperren als Unterstützungsmaßnahme für den Rampenkopf...

Ja, das sehe ich genauso und das habe ich seit dem September 2010 hier u.a. vertreten, wobei ich natürlich auf die Erkenntnisse auf loveparade2010doku zurückgreifen konnte:

Man war nun auf ein adhoc-Konzept angewiesen und auf die Hilfe der Polizei. Die Polizei sperrte daraufhin an einer Engstelle auf der Mitte der Rampe den Zu- und Abgang. Gleichzeitig wurden in den Tunneln Sperren errichtet, um den Zugang zur Rampe zu hindern. Beide Sperrpositionen waren höchst ungeeignet. Sie widersprachen den vorab gegebenen Empfehlungen (Stauungen im Tunnel unbedingt vermeiden) und hatten erkennbar keine Entlastung zur Folge, sondern eine bloße Verlagerung und Verschärfung der Gefährdung. Durch die Platzierung der Sperre auf der Rampenmitte konzentrierte sich das Gedränge nunmehr im unteren Drittel der Rampe und an den Tunnelausgängen. Da die feststeckenden Besucher (die teilweise schon stundenlang auf den Zuwegen verbracht hatten) weiterhin nicht per Lautsprecher  informiert wurden, suchten sie selbst Auswege aus dem Dilemma - Masten, v.a. Treppe, Container, mit der Folge, dass sich das Gedränge in den Richtungen dieser vermeintlichen Auswege noch verschärfte und es hier über Minuten zu Massenturbulenzen kam.

Grüße

Henning Ernst Müller

 

Wir sind ja inzwischen bei der Anklageerhebung. Ich finde auf der Seite der Polizei auch niemand, den man schuldhaft als Individuum anklagen könnte.

Es kämen ja drei Personen in Frage:
Der Polizeiführer Kuno S., der ja im Einleitungsbeschluss noch zu den Beschuldigten zählte.
Der Leiter des Abschnitts "Schutz der Veranstaltung".
Ein bisher nicht identifizierter Polizeibeamter in normaler Uniform, der entgegen der Anordnung, die Eingänge zu schließen, die Öffnung der Vereinzelungsanlage West anordnet.

Der letzte Tatbestand wird meiner Meinung nach in der Tat "lustlos" ermittelt. Eine dem Geschehen zuzuordnende Person ist bis heute nicht gefunden. Selbst wenn diese person gefunden würde, bleibt die Frage der Schuld. Erfolgte die Öffnung nicht, wegen drohender Katastrophe an den Absperrungen per Bauzaun an der Düsseldorfer Straße.

Für den Polizeiführer Schutz der Veranstaltung" wie den Crowd Manager gilt:
nicht hinreichend informiert, ohne wirklichen Überblick.
So daß ich mit dem Fokus "Fehlplanung und Veranstaltungsleitung" der Anklageschrifft nicht so unzufrieden bin, wie viele.
 

0

Ich glaube, dass viele ihr Fähnchen aber auch ein wenig in den Wind hängen. Wären nun zusätzlich 3 Polizisten angeklagt, hätten sie auch dafür plötzlich eine ganz tolle (strafrechtliche) Begründung und wären auch damit "nicht unzufrieden". Die StA hat bei vielen offenbar einen so hohen Stellenwert, dass sie sich als nicht sachkundige Außenseiter vorkommen würden, grundsätzlich gegen die Auffassung der StA zu argumentieren.

Einfach so zu sagen die (Führung der) Polizei war nicht hinreichend informiert und ohne wirklichen Überblick halte ich für falsch! Erstens wären sie es selbst schuld (z.B. haben sie ja anscheinend absichtlich auf die ÜK-Live-Bilder verzichtet) und zweitens könnte man diesen Ausspruch in irgendeiner Form sicher auf die anderen Angeklagten übertragen.

0

Sehr geehrter Lopachron,

ein gewisses Misstrauen ist immer angebracht und misstrauisch bin ich auch. Zudem stehe ich hoffentlich nicht im Verdacht, Staatsanwaltschaften nach dem Mund zu reden, im Gegenteil. Ich bin hier juristisch von Anfang an gegen die Argumentation der StA (in dem Zwischenvermerk) angetreten, es habe kein Einvernehmen der Polizei gegeben, die Veranstaltung sei deshalb rechtswidrig: Die Veranstaltung war schon rechtswidrig, aber die Polizei hat beim Sicherheitskonzept  "mitgemacht", obwohl sie es nicht musste.

Die Polizeisperren, insb. die auf der Rampe waren falsch, das sieht nun wirklich jeder Laie. Die Öffnung des Eingangs West (durch wen angeordnet?) war ebenso falsch. Aber was wir aus den Videos nicht erkennn können, ist, wer das jeweils  wann mit welchen Informationen und mit welchem Ziel angeordnet hat, welche Funkverbindungen gerade zu dem Zeitpunkt  bestanden, was die Polizisten "auf dem Boden" sehen konnten etc. Dafür sind wir auf die Zeugenaussagen angewiesen, die auch nicht immer zuverlässig sind (aus fehlender Erinnerung oder um sich selbst zu schützen) und sich zum Teil in enstcheidenden Punkten widersprechen werden. Ob die Wertung der StA den Ermittlungen entspricht oder ob die StA hier zugunsten der Polizei entschieden hat, wird man hoffentlich noch selbst bewerten können. Im Moment kenne ich aber noch nicht die Anklageschrift, so dass ich nicht argumentieren kann. Es wäre schlicht unseriös, hier schon vorab eine Willkür anzunehmen.

Ich glaube auch nicht, dass Herr Evers der StA nach dem Mund redet. Den Ausspruch "nicht informiert und ohne wirklichen Überblick", den hat man außerdem hinsichtlich Schaller und Sauerland ja auch bemüht. Die jetzt Angeklagten können sich aber nicht so einfach herausreden, weil sie im Vorfeld und anders als die Polizei nicht unter Zeitdruck der schon gegebenen Gefährdung handelten. Zudem waren die Lopavent-Leute als Veranstalter und die Behörden als Genehmiger eben von Anfang an für das Gelände zuständig, nicht erst, als sie gerufen wurden.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Die Polizeisperren, insb. die auf der Rampe waren falsch, das sieht nun wirklich jeder Laie.

Still-Gutachten 5.15 Question III-1: Is there any evidence that the intensified crowding of people was caused by police officers - perhapy by settingup police lines?

Da gibt/gab es ja offensichtlich doch ein paar "Ober-Laien" bei der StA, die das nicht gesehen haben :-) und die offensichtlich auch nicht sehen und wahrhaben wollen, dass die Polizeiketten die direkte Ursache für die aufgetretene Verdichtung im unteren Rampenbereich waren...

 

Still's Antwort sinngemäß: Er kann/will nicht darüber spekulieren, warum die Position der Polizeiketten so gewählt wurde. Um einen Stau im Tunnel zu verhindern, war eine funktionierende Schleusensteuerung wesentlich. Für den Stau hinter den Polizeiketten sind die nicht gleichzeitig geschlossen Schleusen verantwortlich!

Hallo, was? Warum hinterfragt er nicht die Position, den Sinn und vor allem die Folgen der Polizeiketten? GENAU danach wurde er doch gefragt!

Warum standen die PK1+PK2 nicht direkt an den Schleusen, wie vorgesehen? Sie wurden ja sogar von dort abgezogen, um 100 Meter weiter im Tunnel zu sperren - wäre doch wesentlich, viel einfacher und sowieso besser gewesen diese Spermaßnahmen an den Schleusen durchzuführen, weil es dort getrennte Ausgänge gab - was eine PK3/Rampensperre überflüssig gemacht hätte. Und was ist denn mit dieser PK3, Herr Still? Warum hat diese Kette 6000 Leute aus Richtung Hauptgelände angestaut - sogar noch nach Auflösung der beiden anderen Ketten? Und das auch noch ausgerechnet an der schmalsten 10,59 Meter-Stelle? Nach dieser bzw. durch diese Maßnahme sind die 10,59 Meter ja immerhin auf 0,0 Meter geschrumpft. Auf das alles geht er gar nicht ein...

 

Still hat es in seinem Gutachten somit nicht im geringsten interessiert, warum die Polizeiketten da standen und was das für Folgen hatte. Also kann er m.E. auch gar nicht beurteilen, ob dieses Ketten "ursächlich" für die lebensgefährlich Verdichtung im unteren Rampenbereich waren.  In Wirklichkeit gibt es in dem Still-Gutachten keine einzige plausible Begründung, warum es um 16:30 Uhr zur der tödlichen Veridchtung im unteren Rampenbereich gekommen ist. Er "beweist" deshalb auch nirgends, dass die Polizeimaßnahmen dafür nicht ursächlich waren.

 

Trotzdem behauptet die StA nun - wie Sie ja selbst oben schreiben: "...Insbesondere die polizeilichen Maßnahmen waren nach den Feststellungen eines international anerkannten Sachverständigen weder für sich genommen noch insgesamt ursächlich für den tragischen Ausgang der Loveparade."

Wo kann man diese "Feststellungen" im Gutachten eindeutig nachlesen???

M.E. ist diese Aussage der StA die reinste Verars..... und suggeriert im Umkehrschluss, dass das Unglück auch ohne Polizeiketten am selben Ort und zur selben Zeit passiert wäre - was mit 99%iger Wahrscheinlichkeit eine dreiste Lüge ist...

 

Naja - bringt ja nichts - man wiederholt sich nur noch...

 

Allerbeste Grüße

LC

 

0

Sehr geehrter Prof. Dr. Müller,

 

grundsätzlich kann man dem zustimmen. Ich erwarte dann aber eigentlich (auch von der StA), dass die Fehler und die Folgen der PK auch wahrheitsgemäß kommuniziert werden und erklärt wird, warum das keine strafrechtliche Relevanz erlangt hat.

 

Die Polizei hat bei solchen Prozessen ja immer eine gewisse Sonderrolle, insofern sie selbst involviert war.  Denn da ermittelt ja sozusagen Polizei gegen Polizei... Was wäre wohl los, wenn Lopavent gegen sich selbst ermitteln würde...?

0

@ lopachron:
Die Sperrung der Rampe durch die Polizei hat ja nicht direkt einen Stau zur Folge gehabt (es war unten auf der Rampe nur wenige Meter östlich der Massenturbulenz genug Bewegungsfreiheit); die fatale Wirkung der Sperre war, dass - auch mangels Durchsagen und entsprechender Beschilderung - der Besucherstrom zum Gelände, der vorher zur Orientierung gedient hatte, zum Stillstand kam, die Besucher nun keine Ahnung hatten, wie man auf das Gelände kommen sollte und daraufhin zum einzig sichtbaren Zugang strebten: der Treppe. Und selbst diese Verdichtung hätte möglicherweise noch ohne Tote ausgehen können, wenn es die Stolperfalle Bauzaungitter nicht gegeben hätte. Diese Faktoren

- keine ELA 
- keine Beschilderung
- liegender Bauzaun als Fußangel

bzw. die Durchführung der Veranstaltung trotz dieser gegen die Genehmigung verstoßenden Mängel gehen aber alle auf das Konto der nun Angeklagten.

 

Mein Name: 

1. Es bestand die Möglichkeit der Durchsagen für das gesamte Areal.

2. Beim Betrachten des Materials zur Parade müsste aufgefallen sein, dass das gesamte Gelände komplett beschildert war.

3. Bauzaun stimmt.

0

Mein Name schrieb:

@ lopachron:
Die Sperrung der Rampe durch die Polizei hat ja nicht direkt einen Stau zur Folge gehabt (es war unten auf der Rampe nur wenige Meter östlich der Massenturbulenz genug Bewegungsfreiheit);

Was? Natürlich führte die Sperre zum direkten Stau bzw. zur tödlichen Massenverdichtung im unteren Rampenbereich. Da war nicht mehr genug Bewegungsfreiheit. im östlichen Teil. Die 6000 angestauten abreisewilligen Besucher bildeteten für ca. 30-45 Minuten eine unüberwindbare Mauer, daher mussten sich die Besucher die Fluchtwege Treppe,Mast,Container suchen.  Ich glaube, Sie haben nur die Zeit nach 17 Uhr in Erinnerung, wo es im östlichen Teil der Rampe wieder langsam leerer wurde.

 

Schauen Sie sich doch mal die Bilder an:

16:31 http://www.youtube.com/watch?v=QF3PMPl7iqs

16:38 http://www.youtube.com/watch?v=-2onoJLq2-8

16:54 http://www.youtube.com/watch?v=xxd_KlaCiNY

 

Da ist auch im östlichen Bereich der Rampe kein Millimeter platz! Auch im östlichen Teil der Rampe gab es Überkletterungen am Lichtmast.

0

Interessant in Bezug auf das Verhältnis von Zivil- zu Strafprozess auch in Bezug auf die Haftung ist ein Blick nach Österreich: im Dezember 1999 wurden in der Menge bei der Air & Style-Snowboardveranstaltung in Innsbruck mehrere Besucherinnen nach Sturz auf einem abschüssigen, sich verengenden Weg erdrückt. Das Bergisel-Stadion war in den Jahren zuvor dem Veranstaltungsamt mehrmals als "nicht geeignet" für Großveranstaltungen bei Nacht beschrieben worden. 

Obwohl der Strafprozess noch nicht abgeschlossen war (der angeklagte Chef des Sicherheitsdienstes wurde später freigesprochen; die genehmigende Beamtin wurde nicht angeklagt), sprach der Richter drei Jahre später den Geschädigten (Pflegefälle) Schadenersatz in Millionenhöhe zu, und zwar durch die strafrechtlich nicht belangten Körperschaften Land Tirol und Stadt Innsbruck:

"... weil die Bundespolizeidirektion als Funktionsträger des Landes hätte erkennen müssen, dass das Stadion für eine derartige Veranstaltung keine geeignete Betriebsanlage darstellte." Das Gericht habe auch eine Haftung der Stadt Innsbruck als gegeben angesehen. Die Stadt ist Eigentümer des Bergiselstadions: "Sie hat das Stadion weitervermietet. Dem Mietvertrag entspringen Schutzwirkungen zugunsten Dritter."

Bergisel-Drama: Ein Angeklagter (Straf, Aug. 2001)
Bergisel-Opfer will Land Tirol klagen (Zivil, Sept. 2001)
Bergisel-Drama: Gericht sieht Schuld bei Stadt & Land (Zivil, Nov. 2002)
Stadt und Land haften (Zivil, Nov. 2002)
Sieben Millionen für Bergisel-Kinder (Zivil, Dez. 2002)
Bergisel-Prozess: Staatsanwalt beruft (Straf, Dez. 2003)
Sechs Tote im Bergstadion: Freispruch (Straf, Mai 2005)

Einen Teil der 10,7 Millionen Entschädigung wollte die Versicherung im Zuge der Amtshaftung vom österreichischen Staat zurückbekommen, scheiterte damit jedoch:

Bergisel: Klage gegen die Republik (Dez. 2003)
Urteil 1Ob12/06f des OGH (März 2006) und Regressforderung zurückgewiesen (PDF, Juli 2006) - dort auch Beschreibung der Warnungen und des Hergangs.

 

Sehr geehrter Gast A. M.,

Sie schreiben:

1. Es bestand die Möglichkeit der Durchsagen für das gesamte Areal.

2. Beim Betrachten des Materials zur Parade müsste aufgefallen sein, dass das gesamte Gelände komplett beschildert war.

3. Bauzaun stimmt.

zu 1. Es hätte wohl die Möglichkeit gegeben, über die Musik-PA Leute anzusprechen.Diese Möglichkeit wurde in den entscheidenden Minuten und auch vorher nicht genutzt, um den Menschen, die aufs Gelände wollten oder die über die Rampe das Gelände verlassen wollten, Informationen zu geben. Offenbar sollte das Vergnügen oben auf dem Platz nicht gestört werden, so hat man den Eindruck. Die geforderte ELA war jedenfalls nicht installiert, das ist wohl unstreitig.

zu 2. Ihr Eindruck täuscht. An den entscheidenden Stellen - dem Weg aus Tunnel über Rampe Richtung Gelände (und zurück), gab es keine Beschilderung. Sehr viele Besucher verloren dort ab ca. 16 Uhr die Orientierung, weil es nicht (wie vorher) einen "Strom" gab, dem man einfach folgte. Sie wussten nicht, wo es weitergeht. Für die Massenturbulenz an dieser Stelle spielt es keine Rolle, ob an anderen Stellen Schílder standen. jedenfalls auf dem unteren Drittel der Rampe fehlte eine Beschilderung.

zu 3.  Bislang ist mir keine Aussage eines Zeugen bekannt, der über diesen Bauzaun gestolpert wäre. Es erscheint mir möglich, dass die Massenturbulenz an dieser Stelle (wegen des "Drangs" zur Treppe) auch ohne diese Stolperfalle erklärbar ist.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Henning Ernst Müller schrieb:

zu 2. Ihr Eindruck täuscht. An den entscheidenden Stellen - dem Weg aus Tunnel über Rampe Richtung Gelände (und zurück), gab es keine Beschilderung. Sehr viele Besucher verloren dort ab ca. 16 Uhr die Orientierung, weil es nicht (wie vorher) einen "Strom" gab, dem man einfach folgte. Sie wussten nicht, wo es weitergeht. Für die Massenturbulenz an dieser Stelle spielt es keine Rolle, ob an anderen Stellen Schílder standen. jedenfalls auf dem unteren Drittel der Rampe fehlte eine Beschilderung.

Es gab auch keine Beschilderung am Ende der Tunnelstrecken nach rechts (Ost) bzw. links (West). Selbst als dier Zustrom noch fließend war zeigten sich dort unten an der rampe viele Teilnehmerinnen verwirrt. Den Weg wiesen die aus der gegenüberliegenden Tunnelröhre wahrnehmbarer Gegegnverkehr und die laute Musik aus dem norden des Veranstaltungsgeländes. Eine visuelle Beschilderung auf das Gelände gab es hier nicht, lediglich über dem Container des Crows Manageers für das Verlassen des Geländes.
 

Henning Ernst Müller schrieb:

zu 3.  Bislang ist mir keine Aussage eines Zeugen bekannt, der über diesen Bauzaun gestolpert wäre. Es erscheint mir möglich, dass die Massenturbulenz an dieser Stelle (wegen des "Drangs" zur Treppe) auch ohne diese Stolperfalle erklärbar ist.


Es gibt keine Aussage zum "Stolpern", jedoch eine zum "sich Verfangen im Gitter" während des beginnenden Gedränges.

0

Sehr geeehrter Herr Prof. Müller, eine ELA dient nach DIN dazu, Alarmierungstöne abzugeben und im Brandfall die Räumung von Gebäuden einzuleiten. Sie ist daher in allen der Öffentlichkeit zugänglichen Gebäuden vorgeschrieben.

Dazu zählen in Deutschland auch Sportstadien.

Musikveranstaltungen im Freien ( z.B. Wacken, Rock am Ring oder RheinKultur) und auch Veranstaltungen wie die Loveparade in Duisburg benutzen für Notfalldurchsagen an das Publikum die vorhandenen Beschallungsanlagen. Durchsagen an das Publikum sind im Fall der Loveparade 2010 über die Floats an das Publikum am Rampenkopf gemacht worden. Nachzuprüfen ist das durch Anfragen an die Float-Betreiber bzw. die Clubs.

 

Gruß A.M.

0

Eine ELA muss mehr können als nur Alarmierungstöne. Gefordert ist die Möglichkeit von Sprachdurchsagen. Diese müssen verständlich sein sowohl in Bezug auf Lautstärke als auch in Bezug auf Tonqualität. Hier sind Normen einzuhalten.

Das ist bei einer Musikveranstaltung gelegentlich schwierig. Da ist - Aufgabe fürs Sicherheitskonzept!!! - schon mal notwendig, die PA herunterzuregeln bzw. die notwendigen Durchsagen über die PA zu machen. Wichtig ist dabei, dass Durchsagen, die nur für Teilbereiche gelten nicht das gesamte Publikum erreichen. Eine ELA muss also einzelne Bereiche getrennt ansprechen können. Lebenswichtig wird das bei Notfällen. Es kommt regelmäßig vor, dass gleichzeitig folgendes eintritt:

Bereiche A, B. C - hier besteht keine Gefahr und daher darf hier keine sinnlose Warnung erfolgen

Bereich D - hier besteht Gefahr, die Gäste müssen sofort evakuiert werden in Bereich G

Bereich E - hier muss Platz für Rettungskräfte gemacht werden, aber nicht evakuiert

Bereich F - Einlass, hier müssen Verzögerungen angekündigt werden

Bereich G - die Evakuierten müssen wieder beruhigt werden

Für alle 7 Bereiche sind völlig unterschiedliche Ansagen in unterschiedlichem Tonfall nötig. Das geht nur über eine ELA und nicht über eine PA. Deswegen schreibt der Gesetzgeber in den VStättVO und SBauVO eine ELA zwingend vor.

 

 

0

Sehr geehrter  Meister für Veranstaltungstechnik,

 

den Begriff ELA kennt die SOBauVO nicht.

Meinen könnten Sie die "Alarmierungsanlage", eben die in öffentlichen Gebäuden notwendige für die akustischen Signalgebungen.

In den meisten Fällen gekoppelt an die Brandmeldeanlage, hier löst der externe Brandalarm  den internen akustischen Alarm aus.

In diesem Anwendungsfall kann man natürlich auch Durchsagen über die hier eingesetzten Schallwandler machen. Eben aus der Brandmeldezentrale.

Eine Brandmeldeanlage bei Veranstaltungen im Freien ist nicht zwingend, wenn nicht gar kompeltt sinnlos. (Zu betrachten je nach Veranstaltungscharakter.)

Daraus folgt, dass eine Alarmierungsanlage nicht vorhanden sein musste, weil eben keine Brandmeldeanlage notwendig war.

Um den Wirkungsberich der offensichtlich auf der Loveparade in Duisburg eingesetzen Lautsprecheranlage einschätzen zu können, empfehle ich folgendes Video:

http://www.youtube.com/watch?v=8dYlBkHpRok

Damals wusste noch niemand von den dann eingetretenen katastrophalen Ereignissen.

Aber die Dimensionierung wird klar.  Wer mit Anlagen dieser Größenordnung vertraut ist, weiß um die Möglichkeiten, Lautsprechergruppen zu selektieren.

Außerdem gab es 15 Floats, die offensichtlich über die UKW-Frequenz der PA  selektiv ansprechbar waren.

Mit freundlichen Grüßen

A.M.

 

 

 

 

 

 

+

0

Sehr geehrter Herr A.M.,

Sie dürften mit Ihrer Wahrnehmung, eine normgerechte ELA sei installiert gewesen, ein wichtiger Zeuge sein. Bislang wurde m. W.  (jedenfalls im Ergebnis) nicht diesem Bericht von Herrn Evers widersprochen, was die geforderte Installation einer ELA bei der Loveparade angeht.

Dass die Möglichkeit besteht, Mikros und Lautsprecher der Musikanlagen zu benutzen, habe ich oben selbst angeführt. Das ist aber keine ELA (siehe Beitrag des MfV).

Durchsagen von den Floats an die sich drängelnden Menschen unten an der Rampe gab es nicht. Es wurde meines Wissens  sogar erwogen, den orientierungslosen Menschen dort vom Polizeihubschrauber aus Durchsagen zu machen, weil man keine andere Möglichkeit sah, mit Ihnen effektiv zu kommunizieren, um sie z.B. darauf hinzuweisen, dass sie nun (ca. 16.45 Uhr) auf der östlichen Rampenseite Platz haben, um aufs Gelände zu kommen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Lieber A.M.,

das ansonsten ja durchaus saumseelige Bauamt der Stadt Duisburg war nicht der Auffassung, auf eine ELA könne verzichtet werden.
Es hat die prüffähigen Unterlagen dazu zweimal bei Lopavent angefordert.
Auch im Brandschutzgutachten, inklusive der dort gemachten aussagen zur Entfluchtung wird eine ELA Anlage vorausgesetzt.

Fakt ist:
eingebaut war sie nicht. Vom Bauamt bei der Abnahme wurde sie weder abgenommen noch nachgefordert.
 

0

Sehr geehrter Gast A.M.,

Sie meinen, die SBauVo kenne keine ELA.

Bitte lesen Sie § 20 Abs.2 und 3  NW SBauVO - dort heißt es:

(2) Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen von insgesamt mehr als 1 000 m² Grundfläche müssen Alarmierungs- und Lautsprecheranlagen haben, mit denen im Gefahrenfall Besucher, Mitwirkende und Betriebsangehörige alarmiert und Anweisungen erteilt werden können.   (3) In Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen von insgesamt mehr als 1 000 m² Grundfläche müssen zusätzlich zu den örtlichen Bedienungsvorrichtungen zentrale Bedienungsvorrichtungen für Rauchabzugs-, Feuerlösch-, Brandmelde-, Alarmierungs- und Lautsprecheranlagen in einem für die Feuerwehr leicht zugänglichen Raum (Brandmelder- und Alarmzentrale) zusammengefasst werden.

 

Wegen der Besonderheit der LoPa wurde natürlich auf der Grundlage dieser Vorschriften in der Genehmigung etwas Konkreteres geregelt. Wenn dort eine ELA mit bestimmten Kriterien vorgeschrieben war, dann ist das die entscheidende Rechtsgrundlage, die nicht einfach mit dem Hinweis auf die vorhandenen Lautsprecher abgetan werden kann. Das Veranstaltungsgelände begann direkt hinter den Vereinzelungsanlagen. lautsprecher, mit denen Besucher auf dem Weg von diesem Eingang bis zum eigentlichen Vergnügungsgelände hätten angesprochen werden können, existierten m. W. nicht. Haben Sie andere Informationen?

Vielen Dank für den in der Tat sehenswerten Video-Link, wo noch einmal eindringlich gezeigt wird, in welchem Geist im Vorfeld hier das Schiff Loveparade auf die Klippe gesetzt wurde. Ich schätze einmal, denjenigen, die dort sprechen, sind viele ihrer (jetzt nur noch als traurige Satire wiederholbarer) Äußerungen inzwischen sehr peinlich.

1 Million Watt - also ein Watt (nach dortigen Äußerungen) bis zwei Watt (nach den "Planungen" im Sicherheitskonzept) bis vier Watt (nach der Genehmigung)  pro Besucher, das ist schon was. Erheblich mehr (man verzeihe den physikalisch unzulässigen Vergleich)  als die jedem Besucher zur Verfügung stehende Fläche von 0,5 Quadratmeter (nach Genehmigung und Planung) oder eben nur 0,15 Quadratmeter (nach den Äußerungen "1 Million und mehr") betragen hätte. Ein "bisschen Gedränge" gehört aber zum Konzept der Loveparade.

Zum Lautsprechereinsatz: Dort wo es nötig gewesen wäre, bestand offenbar keine Möglichkeit der akustischen Ansprache der Menschen, die in Todesangst einen Ausweg suchten (so m. W. das bisherige Ermittlungsergebnis) , oder es bestand (laut Ihrer Meinung) zwar die Möglichkeit, sie wurde aber (fahrlässig von wem?) nicht genutzt.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Seiten

Die Kommentare sind für diesen Beitrag geschlossen.