Loveparade 2010 - Anklageerhebung nach fast vier Jahren

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 11.02.2014

Soeben wurde mitgeteilt (Quelle-Der Westen), dass die Staatsanwaltschaft Duisburg Anklage erhoben hat. Nicht nur die lange Dauer dieses Ermittlungsverfahrens - trotz des außergewöhnlichen Umfangs erscheinen mehr als dreieinhalb Jahre sehr lang, sondern auch die Frage, wer von den zunächst 16 Beschuldigten nun angeklagt wird, hat in jüngster Zeit die Öffentlichkeit stark beschäftigt (Artikel aus der SZ).

UPDATE 12.02.2014:

Soweit die heutige Pressekonferenz in n-tv übertragen wurde, gibt es wenig Neues. Natürlich wurde dort ja auch nicht die Anklageschrift (556 Seiten) vorgelesen. Hier ein

Ticker-Protokoll der Pressekonferenz bei "Der Westen". Hier der Link zu der gleichzeitig verbreiteteten Pressemitteilung der StA Duisburg.

Einige kurze Überlegungen im Sinne einer ersten Einschätzung dazu:

1. Es wird von der StA maßgeblich darauf abgestellt, dass Planung und Genehmigung der Loveparade die wesentlichen Fehler enthielten, die quasi "notwendig" und entscheidend zu der Katastrophe führten. Dies entspricht einer Überlegung, die in diesem Blog schon kurz nach der Katastrophe angestellt wurde und dem Gutachten von Keith Still (unten verlinkt): Die erwartete Menschenmenge konnte nicht in beiden Richtungen durch Tunnel und über die Rampe geführt werden, ohne dass es im Nadelöhr zu einem gefährlichen Gedränge kommen musste. Diese in der Planung und Genehmigungsphase vorhersehbare (tödliche) Gefahr hat sich in den Todesfällen und Verletzungen realisiert. Insofern können nach Ansicht der StA die Sorgfaltspflichtverletzungen kausal mit den tatbestandlichen Erfolgen verknüpft werden und letztere sind auch objektiv zurechenbar. Die StA geht davon aus, dass die vor diesem Hintergrund beschuldigten Personen die Gefahren nicht nur erkennen mussten, sondern sie auch hätten verhindern können (durch andere Planung bzw. Nichtgenehmigung des geplanten Ablaufs).

Diejenigen Vorgesetzten, die keinen konkreten Einblick in die Planungsunterlagen hatten, oder denen das nicht nachweisbar ist, wurden deshalb nicht angeklagt. Auch daran ist (zumindest bei einigen der Beteiligten) Kritik möglich. Vielleicht gibt es ja auch ein Klageerzwingungsverfahren aus den Reihen der Nebenkläger/Verletzten. Allerdings sind solche Verfahren (schon rein statistisch betrachtet) nicht sehr erfolgsträchtig.

2. Man kann ein bisschen spekulieren, was die Verteidigungslinie der nun angeklagten Mitarbeiter der Stadt Duisburg und Lopavent sein wird. Ich schätze aus den frühzeitigen Erklärungen und späteren (spärlichen) Äußerungen der jetzt beschuldigten Ebenen, man wird sich auf Folgendes berufen: Jeweils der "anderen" Seite wird man die Hauptverantwortung zuzuweisen versuchen, d.h. die planenden Mitarbeiter von Lopavent  werden den genehmigenden der Stadt Duisburg vorhalten, sie hätten sich auf letztere "verlassen" können und dürfen. Die Mitarbeiter der Stadt werden sich darauf berufen, dass die Pläne entscheidende Gefahren außen vor gelassen hätten bzw. dass man sich darauf hätte verlassen dürfen, dass Lopavent wesentliche Gefahren durch zugesagte (aber dann nicht eingehaltene) Sicherungsmaßnahmen hätten begrenzen sollen: Lautsprecher, Rampe ohne Zäune, viel mehr Ordner, effektives Crowd-Management. Zusätzlich werden beide jetzt angeklagten Ebenen sich dadurch zu entlasten suchen, dass sie der dritten Ebene, der Polizei, eine entscheidende Rolle zuweisen: Die Polizei habe am Veranstaltungstag zu einer Zeit, zu der man die schlimmste Gefahr noch hätte abwenden können, falsch reagiert (an den falsche Stellen Sperren errichtet bzw. die Vereinzelungsanlagen zur Unzeit geöffnet). Zudem habe die Polizei auch im Genehmigungsverfahren nicht eingegriffen, sondern sogar ihr Einvernehmen erklärt, ohne das die Veranstaltung nicht hätte stattfinden dürfen.

3. Folgt man dem Gutachten von Still (wie die StA), dann können diese Entlastungsstrategien nicht erfolgreich sein.

Allerdings ist die Stärke dieses Gutachtens zugleich seine Schwäche: Es ist - mit der Aussage, dass die Veranstaltungsplanung im Grunde schon die Katstrophe "beinhaltete" - stark, weil es auf die Details (wo und  wann genau kommt es zu der tödlichen Massenturbulenz?) dann nicht mehr ankommt. Aber wenn entscheidend für die "Tödlichkeit" der Massenturbulenz gewesen sein solte, dass sie an genau dieser Stelle auf der Rampe auftrat, dann können die Details des Ablaufs doch nicht mehr ganz außer Betracht bleiben. Und die Erklärung dafür ist im Gutachten m.E.  zu knapp geraten (siehe schon hier).

Die StA beruft sich in Ihrer Pressemitteilung allein auf das Gutachten Still, wenn sie begründet, warum die polizeilichen Maßnahmen nicht strafrechtlich relevant seien, Zitat:

"Andere Ereignisse am Veranstaltungstag sind strafrechtlich nicht relevant geworden. Insbesondere die polizeilichen Maßnahmen waren nach den Feststellungen eines international anerkannten Sachverständigen weder für sich genommen noch insgesamt ursächlich für den tragischen Ausgang der Loveparade."

Still hatte allerdings die entsprechende Frage der StA anders beantwortet. Auf die Frage, ob das Gedränge auch (teilweise) auf Polizeisperren zurückgeführt werden könne, antwortete Still, dass diese Sperren (in den Tunneln) auch eine Folge des Eingangssystems gewesen seien und insofern auch von der (fehlerhaften) Planung verursacht wurden. Er wolle aber nicht darüber spekulieren, warum die Polizeisperren an diesen Positionen errichtet worden seien. Da es hauptsächlich um die Polizeisperre AUF der Rampe geht, die nach meiner Meinung durchaus zur Massenturbulenz an der konkreten Stelle beigetragen hat, ist m.E. die Schlussfolgerung der Staatsanwaltschaft in der Pressemitteilung nicht ganz schlüssig. Möglicherweise ist aber die Anklageschrift hier überzeugender. 

Man muss also abwarten, wie diese konkreten Umstände in der Anklageschrift bewertet werden, und (natürlich entscheidend) wie das Gericht sie wertet.

Zusammen mit vielen Kommentatoren hier und anderswo haben viele Menschen im Internet bereits im September 2010 unabhängig von polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermitlungen die wesentlichen Ursachen benennen können. Damals fasste ich dies in einem Beitrag für den Beck-Blog zusammen:

Zwei Monaten nach den tragischen Ereignissen - im Internet weitgehend aufgeklärt

Zitate aus der damaligen Zusammenfassung:

Schon bei der Planung der LoPa hat man nicht beachtet, dass der ohnehin problematische gemeinsame Ein- und Ausgang zwischen den Tunneleingängen und der oberen Rampe zwar knapp die erwarteten Besucherströme in einer Richtung verkraften konnte, aber nicht die (vorab angenommenen) Besuchermengen in beiden Richtungen. Durch Ein- und Ausgang hätten über mehrere Stunden hinweg laut Planung in der Summe hundertausend und mehr Personen pro Stunde geschleust werden sollen. Trotz des erkennbaren Widerspruchs (60.000 Personen/Stunde  maximaler Durchgangsstrom in einer Richtung unter optimalen Bedingungen, 100.000 Personen/Stunde in gegenläufigen (...)

(...)
Die Auflagen der Genehmigung, die u.a. beinhalteten, die Zuwege und Fluchtwege von Hindernissen frei zu halten, wurden in eklatanter und gefährlicher Weise missachtet. Die Zu- und Abgangsrampe wies am Veranstaltungstag noch etliche Hindernisse auf (...)

Als es dennoch zu Stauungen (wie nach der Entfluchtungsanalyse vorhersehbar und unvermeidlich zunächst  am oberen Rampenende) kam, fehlte das Konzept für diesen Fall. (...)


Wer sich über die bisherigen Diskussionen informieren möchte, kann sie hier finden - unmittelbar darunter einige Links zu den wichtigsten Informationen im Netz.

Mai 2013 (130 Kommentare, ca. 11000 Abrufe)

Juli 2012 (68 Kommentare, ca. 6500 Abrufe)

Dezember 2011 (169 Kommentare, ca. 7700 Abrufe)

Juli 2011 (249 Kommentare, ca. 13000 Abrufe)

Mai 2011 (1100 Kommentare, ca. 12000 Abrufe)

Dezember 2010 (537 Kommentare, ca. 10000 Abrufe)

September 2010 (788 Kommentare, ca. 19000 Abrufe)

Juli 2010 (465 Kommentare, ca. 28000 Abrufe)

Ergänzend:

Link zur großen Dokumentationsseite im Netz:

Loveparade2010Doku

speziell: Illustrierter Zeitstrahl

Link zur Seite von Lothar Evers: DocuNews Loveparade Duisburg 2010

Link zur Prezi-Präsentation von Jolie van der Klis (engl.)

Weitere Links:

Große Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag NRW

Kurzgutachten von Keith Still (engl. Original)

Kurzgutachten von Keith Still (deutsch übersetzt)

Analyse von Dirk Helbing und Pratik Mukerji (engl. Original)

Loveparade Selbsthilfe

Multiperspektiven-Video von Jolie / Juli 2012 (youtube)

Interview (Januar 2013) mit Julius Reiter, dem Rechtsanwalt, der eine ganze Reihe von Opfern vertritt.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

155 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Nordrhein-Westfalen hat seit dem 10.04.2014 eine neue Sonderbauverordnung: https://recht.nrw.de/lmi/owa/pl_text_anzeigen?v_id=4620100107092033646#d...

Für die juristische Betrachtung der Loveparade muss natürlich die alte SBauVO herangezogen werden: http://www.mbwsv.nrw.de/service/downloads/Bauen/Sonderbauten/1-Sonderbau... Dort bitte nachlesen die § 14 (1)5, § 20 (2)(3), § 26 (1)(2)(3), § 38 (4)

1. Die ELA war gesetzlich vorgeschrieben - es mussten Durchsagen möglich sein - nicht nur Alarmierungstöne. Und eine ELA, die gegen die Lautstärken der Loveparade ankommt, ist keine triviale Aufgabe.

2. Der Betreiber musste den Betrieb einstellen, wenn die ELA nicht betriebsbereit war. Der Beginn der Veranstaltung war also bereits mit diesem Punkt illegal.

3. ELA steht so nicht im Gesetz - aber kein Praktiker sagt jedesmal: "Elektroakustische Alarmierungsanlage/ Lautsprecheranlage mit zentralen Bedienungsvorrichtungen und Vorrangschaltung der Polizei zum Zwecke von Anweisungen an Publikum und Beschäftigte im Notfall" - die Abkürzung ELA ist unverwechselbar und hat sich deshalb eingebürgert.

0

Der Begriff ELA hat seine historische Bedeutung in der 110-Volt-Technik, als Lautsprecher noch mit für Personen gefährlichen Spannungen betrieben worden sind. Es stand als Abkürzung für elektrische Lautsprecheranlage. Übliche Lautsprecheranlagen zu der Zeit wurden mit kleinen Spannungen betrieben. 

Spannungen kleiner 50 Volt. Diese Anlagen wurden umgangssprachlich nicht als 'elektrisch' angesehen. 

0

Meister für Veranstaltungstechnik schrieb:

Nordrhein-Westfalen hat seit dem 10.04.2014 eine neue Sonderbauverordnung: https://recht.nrw.de/lmi/owa/pl_text_anzeigen?v_id=4620100107092033646#d...
Für die juristische Betrachtung der Loveparade muss natürlich die alte SBauVO herangezogen werden: http://www.mbwsv.nrw.de/service/downloads/Bauen/Sonderbauten/1-Sonderbau...

Ich habe beide Gesetzesfassungen mal kurz überflogen, aber als Laie finde ich die Änderungen nicht sofort heraus. Können sie diese kurz benennen? Vor allem unter dem Gesichtspunkt, ob das Gesetz von 2014, wenn es 2010 schon gültig gewesen wäre, eine andere Bewertung der Pflichtverletzungen zur Folge hätte, wie sie sich jetzt darstellt.

Die Sonderbauverordnung (die neue wie die alte) erklärt zwar in § 1 (1) 2 ihre Anwendungsbereich auf "Versammlungsstätten im Freien mit Szenenflächen", aber ansonsten merkt man dem Dokument (dem neuen wie dem alten) schon an, dass es vordergründig für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen gedacht ist.
Z.B. wird in § 7 (1) die notwendige Entfernung bis zum nächsten Ausgang von der lichten Höhe über der "zu entrauchenden Ebene" abhängig gemacht.
Und in $ 7 (3) heißt es "Die Entfernung von jeder Stelle eines notwendigen Flures oder eines Foyers bis zum Ausgang ins Freie oder zu einem notwendigen Treppenraum darf nicht länger als 30 m sein.".
Sie vertreten ja m.W. die Auffassung, dass Tunnel und Rampen bei der LoPa als Flure bzw. Foyers einzustufen seien. Danach hätte eigentlich nur der Osttunnel den Vorschriften nicht entsprochen. Für die Stelle, wo das Unglück passierte, könnte man das insofern als irrelevant ansehen, weil sich die Rampe ja im Freien befand.

Ich habe auch an vielen anderen Stellen im Gesetz den Eindruck, dass stets der "Abstand ins Freie" das Kriterium aller Überlegungen ist.

Ich weiß nicht, ob es bei der anstehenden Gerichtsverhandlung eine Strategie der Angeklagten sein könnte, die Anwendbarkeit der SBauVO insgesamt in Frage zu stellen. Ich rechne aber schon damit, dass man zumindest über ihre Auslegung streiten wird.

So oder so scheint mir in der Bundesrepublik ein Mangel zu sein, dass es keine eindeutigen, geschweige einheitlichen Gesetze zu den Sicherheitsanforderungen bei Großveranstaltungen (ob mit oder ohne Umzäunung) gibt. Und - das entsetzt mich umso mehr - die Lehre, die man aus der Loveparade von 2010 zu ziehen scheint, ist es, die Gesetze nun so zu verändern, dass künftig Großveranstaltungen wie z.B. die LoPa auch unter keine der gültigen Vorschriften mehr fallen.

Mir ist nämlich kürzlich diese sehr interessante Broschüre untergekommen:

Bevölkerungsschutz 1/2014 "Sicherheit bei Großveranstaltungen"
hrsg. vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) (hier der Direktlink zum Download).

Darin sind sehr viele relevante Artikel zu "unserem" Thema, insbesondere:

  • Beate Koellen und Dieter Franke "Ein diffiziles Thema" (S. 3-4)
  • Annegret Frankewitsch "Brauchen wir ein Veranstaltungsgesetz?" (S. 5-7)
  • VokerLöhr "Handlungsbedarf für den Gesetzgeber" (S. 8-10)
  • Carsten Laube und Philipp Kuschewski "Polizeiliches Management von Großveranstaltungen" (S. 15-18)

Zum einen kann man den Artikeln entnehmen, dass es bei den Genehmigungsbehörden bislang Rechtsunsicherheiten gibt.

" ...eine Großveranstaltung hat einen Veranstalter, mehrere beteiligte Genehmigungsbehörden, einen Veranstaltungsort meist im Besitz eines Dritten, Brandschutz und Rettungsdienst von öffentlicher Seite, privatrechtlich eingebundenen Sanitätsdienst sowie einen ebenso vertraglich verpflichteten Ordnungs- bzw. Sicherheitsdienstleister. Veranstalter haben nicht immer, aber bei Großveranstaltungen meistens, ein professionelles und damit auch kommerzielles Interesse. Für Genehmigungsbehörden stellt dieser Verwaltungsakt oftmals eine eher selten zu erfüllende Aufgabe dar mit der damit verbundenen Problematik der Unsicherheit."
(Koellen / Franke, S. 3)

Auch unter Experten scheint es Zweifel zu geben, dass die vorhandenen Rechtsvorschriften passend zu den real stattfindenden Großveranstaltungen sind:

Als Beurteilungsmaßstab dienen in Duisburg einerseits alle einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, Regeln und Normen, andererseits deren praktische Anwendung und Umsetzung in der realen Veranstaltungspraxis. Was aber, wenn es keine eindeutigen Regeln und Verhaltensweisen gibt, an denen sich „richtig oder falsch“ bemisst?
Welchen Sicherheitsanforderungen unterliegen Großveranstaltungen im Freien mit oder ohne Umzäunung und wie ist es mit einem alten Industrie- oder Bahnhofsgelände? Welche Genehmigungs- und Sicherheitsanforderungen bestehen für das Public-Viewing auf dem Marktplatz während der kommenden Fußball WM in Brasilien. Können Sie dies auf Grundlage des geltenden Rechts eindeutig beantworten?
(Löhr, S. 8)

Eine Autorin geht auch davon aus, dass die SBauVO "eigentlich" für Veranstaltungen in Gebäuden gedacht ist:

Im Gegensatz zu Veranstaltungen in geschlossenen Räumen, die nach der SonderbauVO geregelt werden, sind Veranstaltungen im Freien wegen der sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen im Gelände ungleich schwieriger einer typisierenden Betrachtung zugänglich.
(Frankewitsch, S. 7)

Damit das künftig klarer wird, scheint es Bestrebungen zu geben, die Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättV) und die daran orientierte Sonderbauverordnung (SBauVO) dahingehend zu ändern, dass Veranstaltungen wie die LoPa künftig gar nicht mehr in ihr Anwendungsgebiet fallen:

Der Anwendungsbereich der Sonderbauverordnung ist rückläufig. Es ist zukünftig damit zu rechnen, dass Veranstaltungen wie die Loveparade in Duisburg komplett aus dem Anwendungsbereich der Sonderbauverordnung fallen.
(Frankewitsch, S. 7)

Musikfestivals wie die Loveparade werden allerdings nach dem Willen der ARGEBAU in Zukunft nicht mehr den Sicherheitsbestimmungen nach Versammlungsstättenrecht unterliegen. Mit der Umsetzung der neuen MVStättV und der aktuellen EU-notifizierten Musterbauordnung (MBO) in den Bundesländern, sind nur noch solche Flächen als „Versammlungsstätten im Freien“ anzusehen, auf denen Tribünen als bauliche Anlagen dauerhaft errichtet werden. Die typischen Open-Air-Veranstaltungen fallen damit regelmäßig nicht mehr unter den Anwendungsbereich der Verordnung, auch dann nicht, wenn dort Tribünen als fliegende Bauten für Besucher vorübergehend aufgestellt sind.
(Löhr, S. 8)

Die anstehende Änderung der MVStättV führt im Ergebnis dazu, dass für Open-Air-Konzerte, die außerhalb von Stadien, Arenen oder Freilufttheatern mit „festen“ Tribünen stattfinden, keine der bislang geltenden baurechtlichen, technischen und betrieblichen Sicherheitsbestimmungen zum Schutz der Besucher mehr unmittelbar Anwendung finden.
(Löhr, s. 9)

Die Broschüre ist am 6.3.2014 herausgegeben worden, die Gesetzesänderung in NRW erfolgte einen Monat später. Ich konnte - wie gesagt - erstmal keine Änderungen finden, die die Skepsis der Autoren begründen würde. Vielleicht übersehe ich ja auch etwas, deshalb meine Eingangsfrage. Vielleicht stehen aber die entscheidenden Änderungen erst noch an?

Andererseits gibt es Bestrebungen, die zu erwartende Rechtslücke mit einem neuen (Groß-)Veranstaltungsgesetz zu schließen.

Die von den Behörden von den Veranstaltern erhobenen Forderungen, insbesondere nach Sicherheitskonzepten für Veranstaltungen im Freien, verlangen nach Grundsatzentscheidungen.
Positiv wäre die Konzentration in einem Gesetz, das ein Mehr an Verbindlichkeit darstellen würde als Orientierungsrahmen.
(Frankewitsch, S. 7)

Jedoch:

Die geltende Rechtslage betreffend Großveranstaltungen ist unübersichtlich. Es gibt keine einheitliche Definition der Großveranstaltung und auch der Versuch der Definition im Orientierungsrahmen würde wahrscheinlich nicht den Anforderungen entsprechen, die an eine gesetzliche Regelung zu stellen wären.
(Frankewitsch, S. 6)

Auch aus der Arbeit einer Projektgruppe berichtet sie wie folgt:

Jeder, der sich zu diesem Thema äußerte, verstand unter „Veranstaltungsgesetz“ etwas anderes: Die einen forderten detaillierte Regelungen vergleichbar der Sonderbauverordnung für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen (sic!), weitere erhofften, mit ihren Brauchtumsveranstaltungen eine Ausnahmeregelung im neuen Veranstaltungsgesetz für sich reklamieren zu können. Wieder andere wollten eine möglichst flexible Rahmengesetzgebung.
(Frankewitsch, S. 5)

Annegret Frankewitsch betrachtet in ihrem Artikel. die verschiedenen Aspekte und Hürden, die auf dem Weg zum Veranstaltungsgesetz zu beachten bzw. zu nehmen sind und kommt (nachdem sie eingangs die Notwendigkeit eines Veranstaltungsgesetzes bejaht hatte) zu dem Fazit:

Die eingangs gestellte Frage möchte ich mit einem „ja, aber“ beantworten. Ja, ein Veranstaltungsgesetz könnte Regelungslücken schließen, aber es wird kein Allheilmittel sein. Entscheidend wird es sein, das Komplexitätsproblem einer Veranstaltung zu lösen. Dies kann nur gelingen, wenn auch die behördenübergreifende Prüfung und Betrachtung einer Großveranstaltung und einzelne Verfahrensregeln in das Gesetz mit aufgenommen würden.
(Frankewitsch, S. 7)

Die Autorin hat wohl erkannt, dass es in dem Dschungel der Interessen, Befindlichkeiten und Rechtsauffassungen heutzutage kaum noch möglich ist, mal etwas grundlegend Neues und Vernünftiges zu Stande zu bringen. Das zeigt, dass wir wohl noch lange auf so ein Gesetz warten dürfen. In der Zwischenzeit werden aber schon mal alle vorhandenen Vorschriften so angepasst, dass es de facto gar keine mehr gibt.

Schließen möchte ich mit diesem bemerkenswerten Zitat:

Die „sicherheitsrelevanten Nachwirkungen“ der Loveparade können damit eine erneute Katastrophe nach der Katastrophe auslösen, sollten für Veranstaltungen im Freien keine klaren rechtsverbindlichen Strukturen geschaffen werden.
(Löhr, S. 8)

Die Formulierung "Katastrophe nach der Katastrophe" ist jüngst schon im Zusammenhang mit der Loveparade gebraucht worden, siehe z.B. hier:

0

In einer "Nachforderung fehlender Unterlagen" des Duisburge Bauamtes an den Veranstalter Lopavent wurde als Unterpunkt eine "zielorientierten Brandschutzkonzeptes" eine " Darstellung der Elektro-akustischen Alarmierungsanlage" (ELA-Anlage) gefordert.
Mehrmals!
Dargestellt wurde sie nicht!
Eingebaut auch nicht!
wie im Bauamt die Forderung danach versenkt, wurde ist bisher unklar.

0

Sehr geehrter Gast A.M.

da haben Sie Recht. Die Verstärkeranlagen mit 110 Volt Ausgängen werden heute noch unter dem Begriff ELA vertrieben. Die Technik hat sich im Prinzip bewährt und wird heute noch genutzt.

Für Nichttechniker: Es gibt in einer "klassischen" ELA einen oder mehrere zentrale Verstärker. Am Ausgang wird das Lautsprechersignal mit einem Trafo auf 110 Volt hochtransformiert. Am Ende der Lautsprecherleitungen ist dann wieder ein Transformator, der das Lautsprechersignal wieder heruntertransformiert und dann kommt der eigentliche Lautsprecher. Das Ganze macht man, weil dann die Lautsprecherleitungen einen viel geringeren Quaerschnitt haben können - man spart teures Kupfer. Es wurden früher tatsächlich Telefonklingeldrähte benutzt und das bei sehr langen Leitungslängen bis zu mehreren Hundert Metern. Und man sparte  früher (zu Zeiten der Röhre) an der Anzahl der teuren Verstärker. Bei dieser Art der Tonübertragung litt die Tonqualität früher ganz erheblich. Das hört man heute immer noch auf Bahnhöfen...

Mit einer ELA für eine moderne Versammlungsstätte und erst recht für ein großes Sportstadium oder die Loveparade hat das nichts mehr zu tun. Diese Anlagen sind viel leitungsfähiger und auch komplexer. Allerdings kommen die gesetzlichen Vorschriften für diese "elektroakustischen Alarmierungsanlagen" aus dieser Historie. Die Notwendigkeit von Durchsagen und zielgerichteten Alarmierungen waren vor einem halben Jahrhundert schon lange erkannt und als gesetzliche Vorgabe umgesetzt. Das ist ja gerade das Unfassbare. Selbst mit dem Baurecht, speziell der Versammlungsstättenverordnung der 1970er Jahre wäre die Loveparade eine illegale Veranstaltung gewesen. Auch die juristische Argumentation und die Begründung der Anklage wären nicht wesentlich anders gewesen. Selbst im Kaiserreich hätte es zu einer Verurteilung gereicht - immerhin ist die VStättVO eine Reaktion auf den Wiener Ringtheaterbrand von 1881. Danach waren z.B. ausreichende Notausgänge unabdingbar.

0

Für alle, die es nicht verfolgt haben: Seit dem Osterwochenende ist auf der Seite loveparade2010doku ein "Illustrierter Zeitstrahl" abrufbar, der als Ergebnis umfassender Recherchen alle Videos und Informationen zum Ablauf der Katastrophe in genialer Weise verbindet.

Der Link  lohnt sich unbedingt! Ich wage mal eine Behauptung: So nah an die "Wahrheit" kommt bislang keine Dokumentation irgendeines geschichtlichen Ereignisses.

Henning Ernst Müller schrieb:

... Ich wage mal eine Behauptung: So nah an die "Wahrheit" kommt bislang keine Dokumentation irgendeines geschichtlichen Ereignisses.

 

Sehr geehrter Prof. Müller,

vielen Dank für die Anerkennung. Da haben wir ja wohl "Historisches" geleistet. :-)

Allerdings hatten wir mit dem "Illustrierten Zeitstrahl" die Möglichkeiten von wordpress.com (unserem Bloghoster) offenbar ausgereizt. Deshalb wurde diese spezielle Seite nun ausgelagert. Wie ich sehe, haben Sie die Links sowohl oben im Artikel als auch in Ihrem Kommentar schon geändert. Das zeigt mir, dass Sie unseren Blog recht intensiv verfolgen.

Ich wollte bei dieser Gelegenheit auch mal meine Anerkennung aussprechen, dass Sie nun schon über Jahre hinweg am Thema dranbleiben und dieses Blog hier (und seine Vorgänger) betreuen. So etwas gibt bei juristischen Themenblogs sicher auch nicht alle Tage. 

Sie wissen sicher, dass ich bei meiner persönlichen Bewertung des Unglücks ganz nah an den Argumentationen von Lopachron bin. Irgendjemand schrieb hier vor kurzem, dass die Polizei ja gar keinen Stau verursacht habe, östlich auf der Rampe sei ja noch genug Platz gewesen.

Wenn ich - der an der Synchronistion der über 600 Videos des Zeitstrahls keinen geringen Anteil habe - so etwas höre, kommen mir echt Selbstzweifel, wozu ich das eigentlich getan habe. Einige Mitdiskutierer scheinen hier nicht mit den Fakten vertraut zu sein, erlauben sich aber Urteile.

Indes hat der Mann nicht ganz Unrecht, die Polizei hat nämlich mit ihren Ketten nicht einen, sondern gleich drei Staus verursacht. Was an sich bei Großveranstaltungen noch kein Problem darstellt. Das Problem war nur, dass die angestauten Besucher aus drei Richtungen alle auf denselben Punkt zustrebten. Da es zwischen den drei Polizeiketten keinerlei Entfluchtungsmöglichkeit gab, war m.E. schon mit der Errichtung der PK3 auf der Rampe abzusehen, dass es zu Problemen kommen muss, wenn auch nur eine der Ketten aufgelöst würde. Und was sollte man anderes vorgehabt haben, als die Ketten irgendwann aufzulösen? Ich habe nirgendwo Bemühungen gesehen, die Leute an einer der Ketten z.B. zurückzuschicken. 

Der verantwortliche EA/F muss sich - wie wir kürzlich im Doku-Blog herausgefunden haben - zu dieser Zeit in Containernähe aufgehalten haben. Stellen Sie sich seine Sicht zwischen 16:02 Uhr und 16:13 Uhr vor. Er sieht, wie Tausende Menschen an PK1 (Westtunnel) aufgehalten werden, er sieht wie Tausende Menschen an PK3 (Rampe) aufgehalten werden und er weiß, dass es an PK2 (Osttunnel) nicht anders aussieht. Ihm muss doch irgendwie klar werden, dass hier gerade der größte Bockmist veranstaltet wird, der bei der gegebenen Situation (Tunnel und untere Rampe ohne Fluchtwege) überhaupt möglich ist. Die Menschenmassen, die man da gerade anstaut, werden irgendwann aufeinandertreffen!

Als PK2 gegen 16:13 Uhr überrannt wird, strömen die Leute durch den Osttunnel auf die Rampe. Letzte Chance das Unheil zu verhindern, wäre gewesen, die PK3 auch sofort aufzulösen, damit die somit entzerrten Massen noch irgendwie aneinander vorbeikommen. Stattdessen wird PK3 weiter gehalten, was dazu führt, dass sich Ankömmlinge und Heimkehrer jeweils geballt gegenüberstehen. Damit nicht genug: PK1 wird um 16:20 Uhr kontrolliert aufgelöst, so dass die Ankömmlinge aus dem Westtunnel nun auch noch auf die Rampe strömen. Noch weitere 5 Minuten wird die PK3 gehalten (wozu? weshalb?) - auf beiden Seien nun dichtgedrängt Tausende Besucher. Das ist kein gewöhnlicher Stau mehr, das sind nun zwei massive Staus, die sich direkt gegenüberstehen.

Und als die PK3 dann kurz vor 16:25 zwangsläufig aufgelöst wird, passiert das Unvermeidliche: Die aufgestauten Besucher müssen - um in die jeweils gewünschte Richtung zu kommen - sich gegenseitig durchdringen. Die Folge ist extreme Menschenverdichtung, Orientierungslosigkeit, Suchen nach Fluchtpunkten, zusätzlicher Druck in Richtung der ausgemachten Fluchtpunkte usw. - wir wissen, wie es ausging.

Ich hatte es schon in den Anfangszeiten dieses Blogs hier gefragt: Was hatte die Polizeiführung eigentlich vor, als sie in den Tunneln und auf der Rampe ihre Sperren errichtete? Wie sollte es anschließend weitergehen?

Der Tenor der Meinungen, die man hier so liest, scheint zu sein: Es ist völlig Wurscht, was sie vorhatte. Sie hat sich das schwachsinnige Besucherführungskonzept ja nicht selber ausgedacht, also hat sie auch keine Verantwortung für die Folgen all ihrer Handlungen, die sie ja nur notgedrungen aufgrund des Hilfeschreis des (zweifellos überforderten) Veranstalters unternahm.

Stellen Sie sich eine eingleisige Bahnstrecke vor, auf der auf jeder Seite (verschuldet von anderen) ein Zug steht. Es gibt keine Ausweichmöglichkeit, also sagt der Stellwerksleiter: "Sche... drauf, alle Signale auf grün!". Und der soll nicht verantwortlich gemacht werden können, weil ja die Behörde, die diese eingleisige Bahnstrecke geplant hat, hätte wissen müssen/können, dass die Kapazität nicht ausreichen wird?

Ich weiß, Beispiele hinken. Aber ich werde es nie begreifen, weshalb die Polizei, die die verheerende Situation im unteren Rampenbereich durch ihre Sperrmaßnahmen erst geschaffen hat, straffrei davonkommen soll, weil - so sinngemäß die Begründung - es früher oder später aufgrund nicht eingehaltender Vorschriften sowieso gekracht hätte.

Ich bin ja gespannt, ob es in dem nun zu erwartenden Verfahren gelingen wird, irgendjemand eine Schuld nachzuweisen, weil sein Handeln/Nichthandeln ursächlich und zwangsläufig zu Todesopfern führen musste. Ich glaube eher, das wird so ähnlich ausgehen, wie die Sache mit dem Düsseldorfer Flughafenbrand. Alle (Baufirma, Flughafenbetreiber, Feuerwehr) hatten ein "bisschen" Schuld, aber keiner so richtig. Die jetzige Konstellation (Mitarbeiter der Stadt und des Veranstalters auf der Anklagebank) wird, wie Sie ja auch schon mutmaßten, dazu führen, dass man sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben wird bzw. auf die Polizei verweisen wird.

Um nicht missverstanden zu werden - eine alleinige Bestrafung von verantwortlichen Polizeibeamten fände ich auch nicht gerecht. Wenn sie denn angeklagt worden wären, müssten schon die Umstände geprüft werden, aufgrund derer sie erst zu eigenen Entscheidungen gezwungen wurden.

Weshalb aber jemand für seine eigenen Entscheidungen (niemand hat die Polizei gezwungen in nicht entfluchtbaren Tunneln Menschen aus verschiedenen Richtungen anzustauen und anschließend aufeinander loszulassen!) nicht mehr selber gerade stehen soll, übersteigt mein logisches Verständnis und ist mit meinem Rechtsempfinden nicht in Übereinklang zu bringen.

Abschließend eine Frage, weil ich mich damit nicht auskenne: Wird die Anklageschrift noch vor Eröffnung des Verfahrens irgendwie öffentlich zugänglich sein?

Mit besten Grüßen

Pilsbierchen
(einer der Aktivisten des loveparade2010doku-Blogs)

 

0

Pilsbierchen schrieb:

Der Tenor der Meinungen, die man hier so liest, scheint zu sein: Es ist völlig Wurscht, was sie vorhatte. Sie hat sich das schwachsinnige Besucherführungskonzept ja nicht selber ausgedacht, also hat sie auch keine Verantwortung für die Folgen all ihrer Handlungen, die sie ja nur notgedrungen aufgrund des Hilfeschreis des (zweifellos überforderten) Veranstalters unternahm.

Hier noch einmal der Hinweis auf eine juristische Betrachtung der fahrlässigen Tötung:

I. Tatbestand

1. Erfolg

→ (+), Tod von insgesamt 21 Menschen

2. Handlung

→ (+), Polizei hat Zu- und Abgänge gesperrt und geöffnet

3. Kausalität i.S.d. Äquivalenztheorie

→ (?), es ist nicht nachweisbar, inwieweit die Polizeiketten zur Verdichtung der Besuchermassen beigetragen haben. Ohne Polizeisperren wären zu- und abströmende Besucher ebenfalls am Fuß der Rampe aufeinander getroffen und hätten sich gegenseitig blockiert. 

4. Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt

a) Objektive Sorgfaltspflichtverletzung

→ (?) ein Verstoß gegen Anweisungen des verantwortlichen Veranstalters ist bisher nicht bekannt geworden

b) Objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts

→ der eingetretene Erfolg und der wesentliche Kausalverlauf müssen objektiv aus Sicht eines beobachtenden Dritten (und nicht aus Sicht des Täters) vorhersehbar gewesen sein

→ das ist der Fall, wenn der eingetretene Erfolg und der Kausalverlauf nicht außerhalb der Lebenserfahrung liegen und man mit dem Erfolgseintritt rechnen musste

→ (?), vermutlich zu bejahen, falls es jemanden gab, der einen umfassenden Überblick über die Gesamtsituation hatte

c) objektive Vermeidbarkeit des Erfolgseintritts

→ objektive Vermeidbarkeit liegt vor, wenn jeder objektive Dritte den Erfolg hätte vermeiden können

→ (-), vermutlich zu verneinen: niemand hat bisher darlegen können, wie Stau und Verdichtung durch die sich begegnenden Besucherströme bei der gegebenen Ausgangslage (genehmigtes Konzept, keine Kontrolle der Auflagen am Veranstaltungstag) verhindert hätten werden können

d) Objektive Zurechnung

aa) Rechtlich relevante Gefahr

(+) Polizei war zur Sicherung der Veranstaltung mit eingebunden, zur Vermeidung von Gefahren für Leib und Leben der Besucher 

bb) Realisierung im konkreten Erfolg

(1) Dritter verursacht den tatbestandlichen Erfolg eigenverantwortlich

→ (?), vermutlich ja, da die genehmigte Besuchersteuerung nicht geeignet war, einen Stau durch das Aufeinandertreffen der ankommenden und abgehenden Besicher mit lebensgefährlicher Verdichtung zu vermeiden

(2) Pflichtgemäßes Alternativverhalten

→ hat der Täter objektiv fahrlässig gehandelt, wäre aber der tatbestandsmäßige Erfolg auch bei fehlerfreiem Verhalten (sog. pflichtgemäßem Alternativverhalten) eingetreten, dann war der Erfolg unvermeidbar; es kommt dann nicht mehr auf die tatsächlich gegebene Pflichtverletzung an

→ mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit der Erfolg auch bei sorgfaltsgemäßem Handeln hätte eingetreten sein müssen, ist streitig (Rspr., Vermeidbarkeitslehre , Risikoerhöhungslehre)

→ Pflichtwidrigkeitszusammenhang jedenfalls (-), wenn der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre

→ dafür spricht, dass bisher kein Alternativverhalten der Polizei genannt wurde, das ein Aufeinandertreffen der ankommenden und abgehenden Besucher verhindert hätte

II. Rechtswidrigkeit

→ (+), es liegen keine Rechtfertigungsgründe vor

III. Schuld

1. Schuldfähigkeit (+)

2. Persönliche Vorwerfbarkeit der Handlung

a) Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung

→ für die Schuld des Täters ist erforderlich, dass der Täter subjektiv nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage und fähig war, sorgfaltsgemäß zu handeln

→ (?)

b) Subjektive Vorhersehbarkeit

→ der Täter muss in der Lage gewesen sein, vorherzusehen, dass er den Erfolg verursachen würde

→ (?)

3. Zumutbarkeit

→ schließlich muss es dem Täter zumutbar gewesen sein, die Sorgfaltspflicht zu erfüllen; dabei kommt es auf eine objektive und nicht auf eine subjektive Sicht des Täters an

→ (?)

IV. Ergebnis

→ (-)

 

Sehr geehrter Pilsbierchen,

ich habe den Doku-Blog und die dortigen Kommentare regelmäßig verfolgt, wenn auch zum Teil in größeren Abständen.

Was die Polizeisperren angeht, bin ich - wie ja schon mein Beitrag oben zeigt -  genau wie Sie (schon seit 2010) der Ansicht, dass diese bei der Ursachenkette für die tödlcihe Massenturbulenz nicht ausgespart werden können. Es ist daher auch unglücklich, dass keine Anklage gegen einen Polizeibeamten erfolgt, der diese Ketten angeordnet hat. Jedoch, wie schon in der Auseinandersetzung mit Lopachron geäußert, mag es dafür Gründe geben, die uns bisher nicht bekannt sind. Zwar zeigt die Videodokumentation hervorragend, was die Menschen wann getan haben, aber sie zeigt nicht den jeweiligen Informationsstatus und die Gedankengänge der Verantwortlichen. Deshalb kann (nicht muss) es so sein, dass die Staatsanwaltschaft zutreffenderweise von einer Anklage abgesehen hat, weil es dem zuständigen Polizeibeamten aus irgendeinem Grund nicht möglich war das zu beachten, was wir alle nun erkennen. Bleibt hingegen die Argumentation der StA auf dem Niveau wie das Still-Gutachten (das sich ja einer Aussage zu den Polizeiketten weitgehend enthalten hat), dann wäre das in der Tat eine verfehlte und unzureichende Argumentation.

Die Anklageschrift und die Inhalte der Ermittlungsakten bleiben bis zur Hauptverhandlung unter Verschluss. Das ist ganz allgemein auch sinnvoll, weil sich sonst die Zeugen vor ihrer Aussage im Gerichtssaal taktisch darauf vorbereiten könnten, von welchen Tatsachen die Staatsanwaltschaft ausgeht und wie andere Zeugen im Vorverfahren ausgesagt haben. Zudem sollen die Laienrichter von den Akten unbeeinflusst bleiben. Die entsprechende Norm (§ 353d Nr.3 StGB) verbietet allerdings nur die "wörtliche Mitteilung", so dass schon häufig in anderen Verfahren Inhalte aus den Akten und Anklageschriften durchgesickert sind und  in indirekter Form veröffentlicht wurden. Ob dies auch mit der Anklageschrift hier passieren wird, weiß ich nicht. Eine offizielle Veröffentlichung vor der Hauptverhandlung wird es jedenfalls nicht geben.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:

Deshalb kann (nicht muss) es so sein, dass die Staatsanwaltschaft zutreffenderweise von einer Anklage abgesehen hat, weil es dem zuständigen Polizeibeamten aus irgendeinem Grund nicht möglich war das zu beachten, was wir alle nun erkennen.

Da wir nun den Aufenthaltsort (und auch einen Teil der Denkweise) dieses Beamten (EA/F SdV) zwischen 15:30 und 17:30 Uhr kennen, kann man dies m.E. zu 99,9% ausschließen. Er hat die (Fehl-)Entwicklung seiner taktischen Maßnahmen sozusagen hautnah mitbekommen, aber nicht reagiert, solange die Situation noch ungefährlich war.

Der "Chef" der Polizeimaßnahmen kann sich nicht NUR darauf verlassen, Informationen zugefunkt zu bekommen. Er muss sich diese m.E. auch selbst beschaffen, soweit sie für die Durch- bzw. Weiterführung seiner Maßnahmen essenziell sind. Insbesondere hätte er seine Polizeiketten-Maßnahme den wieder notwendig gewordenen Schleusenöffnungen (egal aus welchem Grund, im Westen aufgrund von Panikgefahr) anpassen müssen (mit sofortiger Aufgabe der Ketten) , anstatt abgeblich "blind und naiv" davon auszugehen, dass beide Schleusen während seiner Maßnahmen in einem utopischen Zeitraum zwischen 15:50 und 16:30 Uhr geschlossen bleiben.

Mein Eindruck ist der,  dass der EA/F SdV (der ja nur als Vertretung für den geplanten EA/F fungierte) recht wenig Ahnung hatte und nur die Vorschläge der 15. BPH abgenickt hat. Als es dann schief lief, wollte keiner mehr Verantwortung übernehmen...

Es ist ja offensichtlich, dass die StA mit einer stark konstruierten Interpretation des Stiill-Gutachtens versucht, eine strafrechtliche Relevanz der Polizei sozusagen "von einem Experten abgesegnet" abzwimmeln - keine Rede von eindeutigen eigenen Ermittlungsergebnissen. Ein "mehr" an Begründung wird es deshalb m.E. auch nicht geben...

 

 

0

Wer sich für die möglicherweise strafrechtlich relevante Beurteilung bzw. Bewertung der Polizeimaßnahmen bei der LOPA interessiert und mit dem o.g. selbst gebastelten Prüfungsschema nicht zurecht kommt, der starrt einfach 10 Minuten hierauf: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/ce/Strafgesetzbuch_f%C3%...

 

Im Ergebnis läuft das auf das Gleiche hinaus. Jedenfalls bei mir... ;-)

0

Hallo lopachron,

ich versuche mich mal an einer Übersetzung (auch wenn Prof. Müller es hier und hier schon auf den Punkt gebracht hat: durch ihre Planung/Genehmigung haben sie (= Lopavent/Stadt) verboten riskant  die Gefahr erhöht, dass Massenturbulenzen entstehen und damit auch die Gefahr, dass polizeiliche Versuche, diesen Massenturbulenzen zu begegnen, erst recht schief gehen. Insofern haften sie "im Durchgriff" für das von ihnen veranlasste Verhalten (auch) der Polizeibeamten. Und entgegen Ihrer Auffassung spricht die Kausalität der Polizeisperren für die Todesfälle nicht etwa gegen sondern gerade FÜR die Verantwortung von Lopavent/Stadt.)

Äquivalenztheorie heißt: ohne die Handlung/das Unterlassen wäre es nicht zum "Erfolg" (im juristischen Sinn) gekommen. Alleine das ist schon wie o.a. fraglich: ohne die Sperre auf der Rampe wäre es woanders zum Aufeinanderprallen der Ströme mit den tödlichen Verdichtungen gekommen.

Sorgfaltspflichtverletzung: Fahrlässigkeit liegt nur vor, wenn man nicht angemessen sorgfältig handelt. Das ist einfach zu beurteilen beim Verstoß gegen gesetzliche Grundlagen (SBauVO) und schwierig bei seltenen bzw. einzigartigen Situationen ohne eindeutige Rechtsgrundlage. 

Vermeidbarkeit des Erfolgseintritts: der "Erfolg" hätte bei anderer Vorgehensweise verhindert werden können. Auch das ist hier sehr zweifelhaft: nach dem was bekannt ist, hatte die für diesen Abschnitt verantwortliche Polizei nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: entweder die Leute erdrücken sich an den Zugangsanlagen im Tunnel oder eben woanders.

Ab 16 Uhr wären die Todesfälle vermutlich nur zu verhindern gewesen, wenn man die Veranstaltung abgebrochen und das Gelände über die Autobahn geräumt hätte, um dort Platz für die Menge in den Tunnels zu schaffen. Um das beurteilen zu können, hätte der Polizeiführer aber das Gesamtkonzept kennen müssen, was wahrscheinlich nicht der Fall war. Außerdem liegt die Entscheidungsgewalt für den Abbruch - wenn noch nicht konkret Leib und Leben gefährdet sind - beim Veranstalter. Der - in Person des Crowdmanagers, der den besten Überblick über Situation an den kritischen Stellen hatte - hat dies aber nicht veranlasst.

Unter diesen Bedingungen konnte die Polizei keine Maßnahmen treffen, die die Katastrophe noch verhindert hätten - alle wären "falsch" gewesen, weil sie zu Toten und Verletzten geführt hätten.

Oder haben Sie einen Vorschlag, welche Maßnahmen in dem eng begrenzten Abschnitt ein Unglück sicher vermieden hätten, trotz Massenandrang, nicht funktionierenden Pushern/Floats, abgehenden Besuchern und Stolperfalle Bauzaun?

Mein Name schrieb:

...die für diesen Abschnitt verantwortliche Polizei nur die Wahl zwischen Pest und Cholera ...

Oder haben Sie einen Vorschlag, welche Maßnahmen in dem eng begrenzten Abschnitt ein Unglück sicher vermieden hätten, trotz Massenandrang, nicht funktionierenden Pushern/Floats, abgehenden Besuchern und Stolperfalle Bauzaun?

 

Punkt 1 halte ich für Quatsch. Die Polizei hatte die Wahl ihre eingezogenen Sperren aufgrund der erneuten und notwendigen Schleusenöffnungen aufzugeben. Sie hatte die Wahl, anstatt der vorgezogenen Tunnelsperren normale Schleusensperren anzuordnen. Sie hatte die Wahl, die PK3 nach Durchbruch der PK-Ost aufzugeben. Usw. usw. usw.

 

Punkt 2: Gar keine Polizeimaßnahmen hätten ein Unglück im unteren Rampenbereich relativ sicher verhindert - ebenso wie Polizeisperren ausschließlich an den Schleusen zur Entlastung des Rampenkopfes. Der deutlichste Beweis dafür ist die Tatsache, dass in den 20 Minuten vor den Polizeimaßnahmen ebenso viele Leute absolut problemlos den unteren Rampenbereich und die 10.59-Meter-Stelle passiert und das Hauptgelände erreicht haben, wie in den ersten 20 Minuten während der Polizeimaßnahmen hinter den Polizeiketten angestaut wurden. Zudem hätten es ohne Polizeiunterstützung (PK3) niemals 6.000 Abgänger auf die Hauptrampe geschafft. Natürlich - es hätte Probleme gegeben - das Aufeinanderprallen wäre aber wohl am Rampenkopf passiert - aber da gab es nunmal keine Mauern - was einen glimpflicheren Ausgang vermuten lässt...

 

Und nochmal: Auch ohne unser "Nachher-Wissen": Die Polizei und der EA/F hatten sehr wohl eine Wahl und mehrere Möglichkeiten. Der größte Fehler war es, nicht auf die offenen Schleusen zu reagieren, sondern die Polizeimaßnahmen STUR so durchzuführen, als wenn die Schleusen geschlossen gewesen wären.

5

@Mein Name,

an einigen Stellen Ihres Prüfungsschemas (ich weiß nicht, woher Sie das haben, aber es entspricht nicht ganz dem gängig gelehrten Konzept der Fahrlässigkeit) möchte ich einhaken. Sie schreiben:

3. Kausalität i.S.d. Äquivalenztheorie

→ (?), es ist nicht nachweisbar, inwieweit die Polizeiketten zur Verdichtung der Besuchermassen beigetragen haben. Ohne Polizeisperren wären zu- und abströmende Besucher ebenfalls am Fuß der Rampe aufeinander getroffen und hätten sich gegenseitig blockiert.

Ich denke an der Kausalität der Polizeiketten für das Gedränge zu diesem Zeitpunkt und an dieser Stelle gibt es kaum einen Zweifel, wenn man sich die Entwicklung der Ströme anschaut. Ohne die Polizeisperren wäre es wahrscheinlich auch zum Gedränge kommen, irgendwann und irgendwo. Dadurch wird aber gerade die konkrete Kausalität für die Massenturbulenz gerade dort nicht ausgeschlossen.

a) Objektive Sorgfaltspflichtverletzung

→ (?) ein Verstoß gegen Anweisungen des verantwortlichen Veranstalters ist bisher nicht bekannt geworden

Bei der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung kommt es nicht auf irgendwelche Anweisungen des Veranstalters an, sondern darauf, dass in der Situation, in der die Ketten errichtet (und geöffnet) wurden, die Pflicht bestand anders und sorgfältiger zu handeln, um Schäden abzuwenden. Das kann man bejahen, sofern der Informationsstand dem entsprach, was wir heute sehen (Beweisfrage).

aa) Rechtlich relevante Gefahr

→ (+) Polizei war zur Sicherung der Veranstaltung mit eingebunden, zur Vermeidung von Gefahren für Leib und Leben der Besucher

Die Bezeichnung "rechtlich relevante Gefahr" ist nicht korrekt - bitte beschweren Sie sich beim Autoren des Schemas. Die objektive Zurechnung ist dann gegeben, wenn der Täter durch seine Handlung eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen oder erhöht hat und diese sich im Erfolg verwirklicht hat. Ihre Antwort gehört zur objektiven Sorgfaltspflichtverletzung. Hier geht es darum, ob die Ketten nicht nur kausal waren, sondern objektiv auch ein unerlaubtes Risiko darstellten. Ich würde dies bejahen.

bb) Realisierung im konkreten Erfolg

Hier geht es erst einmal darum, dass die Massenturbulenz (m. E.) unmittelbare Folge der pflichtwidrigen Sperren war. Das ist m. E. zu bejahen (Beweisfrage).

 

(1) Dritter verursacht den tatbestandlichen Erfolg eigenverantwortlich

→ (?), vermutlich ja, da die genehmigte Besuchersteuerung nicht geeignet war, einen Stau durch das Aufeinandertreffen der ankommenden und abgehenden Besicher mit lebensgefährlicher Verdichtung zu vermeiden

Hier geht es darum, ob das Handeln eiens anderen die obj. Zurechnung ausschließt/unterbricht. Ein heikler Punkt, den Sie fehelrhaft beantworten (vielleicht aber auch die StA). Die Handlungen der Polizei geschahen im Rahmen der fahrlässig herbeigeführten Situation. Wenn Sie Recht hätten, würde die Polizei nie verantwortlich für Fehler bei heiklen Einsätzen, deren Ursache in der Sphäre anderer liegt. Ich weiß, dass das von Seiten der Polizei z.T. so gesehen wird, aber es ist m.E. eben nicht richtig: In komplexen Situationen können durchaus mehrere Ebenen verantwortlich sein. Im Grunde machen Sie den umgekehrten Fehler, den andere z.T. eingewandt haben (s.o. meine Antworten auf Lopachron). Sie denken, es gebe eine Distribution der Verantwortung. Aber dem ist nicht so: es können durchaus mehrere für ihre eigene Fahrlässigkeit verantwortlich sein! Die Polizei wird nicht dadurch von der Verantwortung entlastet, dass andere die Situation herbeigeführt haben, in der sie ihre Fehler machten - jedenfalls nicht bei der obj. Zurechnung.

→ Pflichtwidrigkeitszusammenhang jedenfalls (-), wenn der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre

→ dafür spricht, dass bisher kein Alternativverhalten der Polizei genannt wurde, das ein Aufeinandertreffen der ankommenden und abgehenden Besucher verhindert hätte

Es kommt mir so vor, als hätten Sie wesentliche Punkte unserer Diskussion einfach ignoriert. Das pflichtgemäße Alternativverhalten der Polizei wäre gewesen, die Sperren zeitweise nur an den Vereinzelungsanlagen  zu errichten. Man kann m. E. ausschließen, dass dann DIESER Erfolg (Massenturbulenz zwischen den Betonwänden am Fuß der Rampe) eingetreten wäre. Dieser Erfolg ist m. E. auch rechtlich ein anderer als ein Gedränge an anderer Stelle des Geländes - da es nur hier harte Wände in drei von vier Himmelsrichtungen gab. Auch an anderen Stellen des Geländes (insb. am Kopf der Rampe) hätte es gefährlich werden können, aber mit deutlich anderen Ausweichoptionen.

Wie Sie erkennen können, sehe ich die Sache jedenfalls auf theoretischer und objektiver Ebene ganz anders als Sie. Ihr Prüfungsschema ist zudem nicht richtig und auch nicht zutreffend  beantwortet.

Hinsichtlich der für mich noch nicht ganz geklärten Beweisfragen (auch hinsichtlich des Pfilchtwidrigkeitszusammenhangs)  und hinsichtlich insbesondere der subj. Vorhersehbarkeit kann es allerdings so sein, dass die Polizeiverantwortlichen  nicht strafbar sind. Dazu müsste man auch deren Zeugenaussagen bzw. Beschuldigtenangaben kennen. Was wussten die Entscheidungsträger wann und welche Entscheidungsoptionen standen ihnen (subj.) zur Verfügung. Dies kann ich derzeit ohne Aktenkenntnis nicht einschätzen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Sehr geehrter Mein Name,

Sie schreiben:

Äquivalenztheorie heißt: ohne die Handlung/das Unterlassen wäre es nicht zum "Erfolg" (im juristischen Sinn) gekommen. Alleine das ist schon wie o.a. fraglich: ohne die Sperre auf der Rampe wäre es woanders zum Aufeinanderprallen der Ströme mit den tödlichen Verdichtungen gekommen.

Das trifft nicht zu. Die Äquivalenztheorie besagt, dass alle Ursachen auf der Ebene der Kausalität rechtlich gleich ("äquivalent") sind, egal ob sie näher dran oder weiter entfernt sind vom Erfolg. Bei dem relevanten Erfolg einer Straftat geht es um den konkret eingetretenen Erfolg. Die Kausalität wird gerade nicht dadurch beeinträchtigt, dass es an anderer Stelle oder zu anderem Zeitpunkt zu einem ähnlichen Erfolg gekommen wäre. Solche hypothetischen Annahmen sind für die Kausalitätsfrage irrelevant.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Interessant finde ich aus der o.g. Broschüre des BBK auch noch dieses Zitat:

Die Frage, ob für das Entstehen einer Katastrophe eine Person oder mehrere Personen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können, hängt regelmäßig an einem juristisch seidenen Faden. Der strafrechtlich relevante Vorwurf kann fast nie auf eine „aktive Handlung“ der Beschuldigten zurückgeführt werden sondern liegt im Bereich des „Unterlassens“. Die Staatsanwaltschaft muss dadurch eine Kausalitätskette nachweisen an deren Ende das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ die Katstrophe vermeidbar gewesen wäre, wenn alle Beschuldigten die ihnen obliegenden Pflichten angemessen erfüllt und eben diese nicht unterlassen hätten. (Löhr, S. 8)

Wenn aktives Handeln "fast nie" der Auslöser von Katastrophe ist, heißt das aber nicht, dass es nicht doch einmal so sein könnte. Nach Lopachrons (und meiner) Auffassung ist es nicht primär durch Unterlassung zum Unglück gekommen, sondern durch aktives (Falsch-)Handeln (vor allem der Polizei). Die Staatsanwaltschaft scheint aber "fast nie" mit "niemals" zu verwechseln und untersucht deshalb erst gar nicht ernsthaft, ob operative Kräfte vor Ort falsch gehandelt haben könnten.

0

Sehr geehrter Pilsbierchen,

Ihre Beiträge sind fachlich absolut korrekt. Die Situation ist mehr als unbefriedigend. Zu den Unterschieden:

1. Zum Zeitpunkt der Loveparade galt die "alte" SBauVO. Danach müssen und werden die Ereignisse bei der Loveparade beurteilt und abgeurteilt werden.

2. Die Baubehörden aller Bundesländer haben entsetzt festgestellt, dass man für illegal erteilte Genehmigungen und absichtliche Duldung von Baurechtsverstößen strafrechtlich belangt werden kann. Deswegen wurde weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit nach Möglichkeiten gesucht, ganze Typen von Veranstaltungen und Versammlungsstätten aus den Versammlungsstättenverordnungen und Sonderbauverordnungen heraus zu nehmen. Das Mittel der Wahl ist die Begriffsdefinition der Versammlungsstätte. Gibt es keine baulichen Anlagen mehr (im Entwurf war vorgesehen keine Tribünen mehr) dann hat die SBauVO keinen Geltungsbereich. Und dann muss auch kein Bauantrag gestellt, bearbeitet und genehmigt werden. Veranstaltungen wie die Loveparade wären dann nur noch nach dem allgemeinen Ordnungsrecht zu genehmigen. Das Ordnungsrecht greift aber erst nach dem Unglück, vor allem weil alle Beteiligten wie Ordnungsamt und Polizei keine Fachkenntnis besitzen müssen und daher jeden Wahnsinn mitmachen können ohne belangt zu werden. Nach heutiger SBauVO läge der "schwarze Peter" wieder beim Ordnungsdezernenten Rabe.

3. Eine Abgrenzung von Veranstaltung gegenüber Großveranstaltung macht keinen Sinn. Alle Veranstaltungen müssen sicher und legal sein. Es gibt kein unterschiedliches Schutzbedürfnis - es sind immer Menschen auf Veranstaltungen und der Schutz gilt den Menschen. Die gesamte Änderungen an VStättVO und SBauVO in allen Bundesländern erfolgte erkennbar aus unlauteren Motiven und muss für die Zukunft als extrem schädlich angesehen werden. Der rechtsfreie Raum ist gewollt.

4. Die Regelungen für jedes einzelne Bundesland hat mit der föderalen Struktur der BRD zu tun. Der Bund tut sich schwer damit, den Bundesländern diese Kompetenz weg zu nehmen. Diesen Fall gab es vor der Fußball WM 2006. Die Fifa und der DFB verlangten Rechtssicherheit. Ansonsten wären die Spiele nicht nach Deutschland vergeben worden. Die Versammlungsstättenverordnungen der einzelnen Bundesländer waren komplett veraltet und überhaupt nicht mehr kompatibel. Alle Bundesländer hatten - weitgehend unsinnige - Sonderregelungen. Technisch und bezüglich Sicherheit waren die Vorschriften auf einem Stand zwischen 1930 und 1975. Daher wurde auf ganz massiven Druck eine einzige (sic!) Musterversammlungsstättenverordnung MVStättVO festgelegt. Diese musste angeblich freiwillig von allen Bundesländern gleichlautend in Landesrecht umgesetzt werden. Danach wurden dann die Stadien zur WM geplant, genehmigt und gebaut.

5. Diese MVSTättVO hatte ganz wichtige und sinnvolle neue Regelungen für Sportstadien. Alle anderen großen Versammlungstsätten im Freien z.B. Musikveranstaltungen wurden nicht bedacht. Deswegen galt die SBauVO NRW zwar für die Loveparade, hatte aber diese unsystematischen Bezeichnungswechsel von "Versammlungsstätte im Freien" zu "Sportstadien", auch wenn juristisch korrekt nur der erste allgemeine Begriff ist. Die MVStättVO ist halt extra für die Fußball-WM geschrieben worden. Spannend waren damals die Vorabzüge und Entwürfe der MVStättVO und der vorangestellte Verteiler: an den erster Stelle befanden sich die Vertreter des DFB, die Berufsverbände aus der Veranstaltungstechnik und der Veranstaltungswirtschaft kamen in der Rangfolge viel weiter hinten... Übrigens ist bei dieser Überarbeitung viel verbessert und es sind historische Altlasten entfernt worden. Für die Theater war das sehr positiv. Nach der WM ging dann wieder die föderale Änderungswut los.

0

Sehr geehrter Pilsbierchen,

"Veranstaltung im Freien" wird als Begriff sehr gerne verwendet, um angeblich zu begründen, das keine Sicherheitsmaßnahmen nötig sind. Dabei stimmt das oft nicht.

1. Bauliche Anlagen müssen kein Dach haben. Ohne Dach ist man gefühlt im Freien, aber eben nicht auf einer freien Verkehrsfläche. Man kann sich eben nicht frei bewegen. Deswegen sind hier die gesetzlichen Vorschriften zu Rettungswegen so wichtig.

2. Ein Raum muss nicht nach oben geschlossen sein und kann trotzdem ein massives Brandschutzproblem haben. Eine geschlossene Rauchwolke kann duchaus auf eine Tribüne oder auch eine in der Ebene befindliche Menschenmenge zutreiben und dann die Atemluft in Höhe der Menschen verdrängen. Diese Fälle gab es. Auch im angeblich "Freien" sind bestimmte Versammlungsstätten nur dann sicher betreibbar, wenn es Brandmeldeanlagen, Rauchabzugsanlagen und Feuerlöschanlagen gibt.

3. Bei der Loveparade hatte man sogar den besonders gefährlichen Fall eines unterirdischen Teils einer Versammlungsstätte - nämlich den Tunnel. Ein Tunnel ist übrigens ein ziemlich geschlossener Raum; ganz ohne Notausgänge - also illegal. Genau hier zeigt sich die Lüge von der angeblichen Veranstaltung im "Freien". Da der Veranstalter bei der Planung grob fahrlässig kein Gefahrenkaster erstellt hat (wichtiger Vorwurf von Prof Still ) ist auch nicht aufgefallen, dass ein besonders hohes Risiko im Tunnel herrschte. Sobald irgendein luftverdrängendes Gas oder Rauch in diesen Tunnel eingedrungen wäre, hätte es extrem viele Tote gegeben. Mögliche Unfallszenarien sind a) ein brennendes Fahrzeug z.B. der Polizei (deswegen sind Motorfahrzeuge in Versammlungsstätten grundsätzlich verboten), b) eindringende Gase, die schwerer als Luft sind z.B aus einem defekten Kesselwagen eines vorbeifahrenden Zuges auf der Bahnstrecke über dem Tunnel c) ein Brand an einer der Versorgungsleitungen oder elektrischen Installationen im Tunnel. Der Kesselwagen wäre das Horrorszenario schlechthin gewesen - bei z.B Ammoniak, Dimethylether oder Propylen wäre keine einzige Person mehr aus dem Tunnel heraus gekommen - es hätte Tausende Tote gegeben. Das ist ja das Entsetzliche. Die 21 Toten und mehr als 500 Verletzten bei der Loveparade gab es bei Mormalbetrieb ohne jegliches Unfallgeschehen, technisches Versagen oder Wettereinfluss.

5

Sehr geehrter Meister für Veranstaltungstechnik,

vielen Dank für Ihre ausführlichen Antworten. Zunächst gilt es ein Mißverständnis aufzuklären. Sie hatten geschrieben, dass es seit dem 10.04. eine neue Sonderbauverordnung gäbe und dazu diesen Link gepostet:
https://recht.nrw.de/lmi/owa/pl_text_anzeigen?v_id=4620100107092033646#d...
Wenn man das Dokument öffnet steht oben drüber "mit Stand vom 10.4.2014". Ich hatte angenommen, dass es sich tatsächlich um die neue SBauVO handelt, aber nun merke ich, dassin § 146 folgendes steht:
(1) Diese Verordnung tritt am 28. Dezember 2009 in Kraft.
(2) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2014 außer Kraft.
Hier stimmt doch etwas nicht. Ist das womöglich noch der alte Text?

Ihre Ausführungen in Kommentar #15 belegen ja, dass tatsächlich wesentliche Veränderungen getroffen wurden, aber genau die konnte ich im Text Ihres Links gar nicht finden. Falls tatsächlich die neue SBauVO bereits in Kraft getreten ist, kann man eigentlich nur kommentieren, dass der Schlendrian munter weiter geht. Das MIK von NRW ist nicht in der Lage, den gültigen Gesetzestext auf seinem eigenen Rechtsportal zu posten.
(Ich fand gerade Ihren Kommentar, wo Sie darauf hingewiesen hatten, dass bei einer Beratung im Bauordnungsamt im Februar 2010 die Beteiligten sich einig waren, dass die VStättVO bei der Lopa Anwendung finden solle, d.h. die wussten gar nicht, dass es inzwischen eine SBauVO gibt.)

Das heißt, ich kenne den neuen Text gar nicht. Aber Ihre Ausführungen belegen, dass die Änderungen, die von mehreren Autoren der zitierten Broschüre des BBK kritisiert werden, offenbar tasächlich derzeit in geltendes Recht verwandelt werden.

Zu Ihrem zweiten Antwortbeitrag:
Ich kann Ihren Begründungen von der Logik her mit jedem Satz folgen. Ich bin halt bloß nicht sicher, ob diese Begründungen in jedem Fall durch das Gesetz so abgedeckt sind, dass jedermann, der es anwenden soll, auch versteht.  

"Ohne Dach ist man gefühlt im Freien, aber eben nicht auf einer freien Verkehrsfläche."

Mir war entgangen, dass in § 6 (1) tatsächlich definiert ist: "Rettungswege müssen ins Freie zu öffentlichen Verkehrsflächen führen." Jedoch halte ich es für interpretierbar, dass es vom "Ausgang ins Freie" bis zur "freien Verkehrsfläche" noch eine unbestimmte Weglänge geben darf.

"Ein Tunnel ist übrigens ein ziemlich geschlossener Raum; ganz ohne Notausgänge - also illegal"

Illegal im Sinne der SBauVO bei Veranstaltungen. Aber nicht illlegal als öffentliche Straßenführung, sonst dürfte es ihn in seiner normalen Zweckbestimmung (Fahrzeug- und Fußgängerverkehr) ja gar nicht geben. Ich weiß, dass Sie die Tunnel immer als Teil des Veranstaltungsgeländes sehen.
Aber es ist Ihnen bestimmt nicht entgangen, dass die gesamte Karl-Lehr-Str. inkl. der Tunnel im Masterplan nicht als Veranstaltungsfläche, sondern als "geführter Laufweg" ausgewiesen ist. Im Detailplan haben die Tunnelabschnitte gar keine farbliche Markierung, aber die erkennbaren Abschnitte der Karl-Lehr-Straße sind hier ebenfalls violett dargestellt (Laufweg) und nicht rot (Besucherfläche). Zwar hatte der Veranstalter die Verantwortung ab den Schleusen, aber ich würde schon in Rechnung stellen, dass die Tunnelstrecken eher den Charakter von Zuwegen hatten, denn Party war hier unten nicht geplant.

Sie werden mir sicher mit den geeigneten Stellen aus der SBauVO widersprechen wollen. Aber ich würde Sie bitten, mir folgende Frage zu beantworten:
Nehmen wir an, jemand wäre auf die Idee gekommen, die Vereinzelungsanlagen nicht weit vor den Tunneln zu errichten, sondern erst auf der Rampe, sagen wir 30 m vor der Floatstrecke. Dann wäre die gesamte Karl-Lehr-Straße doch kein Veranstaltungsgelände gewesen und hätte nicht der SBauVO unterlegen, oder? Und obwohl diese Konstellation noch viel bescheuerter ist, als das, was tatsächlich gemacht wurde, wäre sie womöglich gesetzeskonform gewesen?

Ich wollte mit diesem Beispiel deutlich machen, dass man allein mit Versammlungsstätten- und Sonderbauverordnungen nicht alle Probleme abdeckt, die eine Großveranstaltung mit sich bringt. Beim nächsten Mal kommt einer auf die Idee, genau das zu machen, was ich da geschrieben habe und wenn es zum Unglück kommt, kann man niemanden vorwerfen, die Gesetzeslage missachtet zu haben.

Deshalb meine ich, dass ein Großveranstaltungsgesetz her muss. Und darin sollte - als Lehre von Duisburg - mindestens verankert sein:
1. die notwendige Anzahl und Breite von Zugängen (nicht nur Rettungswegen!), pro zu erwartender Besucherzahl
2. eine zwingende Festlegung, dass es getrennte Ein- und Ausgänge geben muss, wenn "fliegender" Besucherwechsel zu erwarten ist
3. die Festlegung, dass Notausgänge nicht erst dann zu öffnen sind, wenn der oberste Veranstaltungsleiter es anweist, sondern wenn die operativen Veranstaltungskräfte es für notwendig erachten
4. den Besuchern muss es jederzeit möglich sein, die Veranstaltung zu verlassen (ein Zustand, wie auf der Loveparade, dass Besucher zum Teil das Veranstaltungsgelände gar nicht mehr verlassen können, ist in jedem Falle zu vermeiden)
5. temporäre Sperrmaßnahmen (wie Ordner- oder Polizeiketten), dürfen nur dann erfolgen, wenn zu erwarten ist, dass die Zielrichtung der Besucher in absehbarer Zeit wieder frei ist
6. sollte dies nicht zu erwarten sein, ist aktiv auf die Besucher einzuwirken, dass diese den Rückweg antreten
7. temporäre Sperrmaßnahmen dürfen nicht dazu führen, dass sich angestaute Besucherströme aus entgegengesetzten Richtungen anschließend begegnen, ohne dass dazwischen ein ausreichender Raum zur "Entzerrung" verfügbar ist.
8. der Verantwortungsträger für den öffentlich Raum bis zum Veranstaltungsgelände (i.d.R. die Polizei) hat dafür zu sorgen, dass der Besucherzufluss reguliert erfolgt.
9. er darf auf keinen Fall auf den Veranstalter einwirken, mehr Personen auf das Gelände zu lassen, als dieser verantworten kann. Dies gilt nicht nur bei der Gefahr einer totalen, sondern auch bei einer partiellen Überfüllung
10. sollte der Verantwortungsträger aus Punkt 8. nicht in der Lage sein, seinen Aufgaben nachzukommen und sollte er deshalb Punkt 9 außer Kraft setzen, dann hat er auch die Verantwortung für eventuelle Folgen zu übernehmen

0

Hallo Pilsbierchen,
da etwas unter Zeitdruck nur zwei kurze Anmerkungen:

Die Versammlungsstätten beginnt an den Abzäunungen bzw den zur Kontrolle errichteten Vereinzelungsanlagen.
Diese Barriere unterscheidet das Gelände des Veranstalters gerade von einem öffentlichen Gelände.

Die Sicherstellung der Ordnung in einer Gemeinde fällt nicht in die Zuständigkeiten der Polizei sondern der kommunalen Ordnungsämter.

Zum hypothetischen "Veranstaltungsgelände erst ab Rampenfuss".
Bei der bekannten "filetierung des Veranstaltungsgeländes" haben ja offensichtlich werder Polizei noch Feuerwehr noch Ordnungsamt gemerkt, dass sie laut Sonderbauverordnung dem Sicherheitskonzept explizit hätten widersprechen können.
In diesem neuen Szenario hätten diese drei Insitutionen, die Personenströme auf dem öffentlichen Straßenland und das Wegekonzept verantworten müssen und gewußt, dass sie es genehmigen oder ablehnen können. Das gilt für jede Demonstration.

Ich spekuliere ja ungern:
aber das wäre das Ende der Loveparade Duisburg mit Zu- und Abgang via Karl Lehr Tunnel gewesen.

0

Danke Lothar,

für die Anmerkungen. Du bestätigst ja meine Vermutung:

Die SBauVO findet Anwendung, weil die Karl-Lehr-Str. als Veranstaltungsgelände deklariert wurde. Wäre sie nicht als Veranstaltungsgelände deklariert worden, sondern als das, was sie de facto war, nämlich Zuweg, würde die SBauVO hier nicht greifen. Somit könnte die Rechtswidrigkeit der Genehmigung auch nicht mehr mit der SBauVO begründet werden.

Wenn in einem solchen Falle Polizei, Feuerwehr und Ordnungsamt die Veranstaltung genehmigt hätten, würde der gesunde Menschenverstand sagen: Die sind wahnsinnig. Aber es gibt wahrscheinlich kein Gesetz, welches dieser Genehmigung entgegengestanden hätte, oder?

 

0

zur Erinnerung

das Hillsborough-Unglück vor 25 Jahren und seine Folgen

http://www.sport1.de/de/fussball/fus_international/fussball_internationa...

Zitate:

Jeder, der auch nur ein einziges Mal auf der Tribüne gestanden hatte und dabei zuerst wie Vieh in das Fußballstadion hinein- und später wieder hinausgeführt worden war,konnte nachvollziehen, was die Fans durchgemacht haben mussten.

Nachdem das Spiel gerade einmal wenige Minuten unterbrochen worden war, beschuldigte bereits der verantwortliche Polizeichef die Fans des FC Liverpool,eine Absperrung gewaltsam geöffnet zu haben 

Der in wenigen Sekunden in Umlauf gebrachte Kommentar formte die Schilderung der Ereignisse in den folgenden Jahrzehnten und so behauptete man lange, dass die Fans nicht nur selbst für ihren Tod verantwortlich seien, sondern auch den der anderen mitverschuldet hätten.

Erst im Jahr 2012, also 23 Jahre nach der Katastrophe, wurde der bis dato als sicher geltende Ablauf der Ereignisse infrage gestellt und diskutiert. Eine unabhängige Untersuchungskommission stellte fest, dass die Schuld für das Unglück keineswegs bei den Fans zu suchen sei. Zudem legten neue Beweise den Schluss nahe, dass einige der Opfer wohl überlebt hätten, wenn die Ordnungs- und Rettungsdienste vor Ort schneller reagiert hätten und koordinierter vorgegangen wären.

PS:
ohne Enfluchtungsgutachten währe die Veranstaltung absolut nicht genehmigungsfähig gewesen.

Zitat: Gegenverkehr ist spannend.

mffffG 

0

@Pilsbierchen:
das ist keine Frage der Deklaration glaube ich:

In Köln wird regelmäßig der Ronacalli Platz (zwischen Dom und Römisch Germanischem Museum bespielt.

Wenn ich kein Eintrittsgeld nehme ist das eine Veranstaltung im öffentlichen Raum, ähnlich, wie die öffentlichen Ereignisse im Karneval. 
Das muss man dann mit den Ordnungsämtern absprechen, eine Gnehmigung bekommen und evtl Geld für die Nutzung des öffentlichen Raumes bezahlen.

Zäune ich ein, und führe Einlaßkontrollen durch, auch wenn keine bezahlten oder Gratis/zähltickets kontrolliert werden, was ja bei der Loveparade auch eine Option gewesen wäre, unterbinde ich die Verbindung zum öffentlichen Straßenland.

Letzte Variante hat Lopavent gewählt und daher war auch nichts umzudeklarieren, sondern lediglich Genehigungen zu manipulieren...

Zu den Vorschriften im öffentlichen Ordnungsrecht kenne ich mich nicht gut aus.

Wir haben aber hier in Köln immer wieder Konflikte in diesem zusammenhang.
Vor wenigen Tagen wollten die Bayer AG und die Kölner Messe jede Demonstration kritischer Aktionäre, gegen die Bayer HV unterbinden. Dir Polizei unterstützte das und kassierte eine einstweilige Verfügung:
http://www.cbgnetwork.de/downloads/Beschluss_VerwG_Koeln.pdf

0

Ist es richtig, dass z.B. Beamte der Polizei spätestens ab dem Sommer 2015 gar nicht mehr angeklagt werden können, weil dann die vom max. zu erwartenden Strafmaß abhängige Strafverfolgungsverjährung (3-5 Jahre) bereits abgelaufen ist?

M.E. ist doch dann Tür und Tor für Manipulationen und absichtlich verschleppte Verfahren geöffnet, oder? Wie z.B. bei dem LPD Simon - erst auf der Verdächtigenliste nach 6 Monaten - dann Still-Gutachten 1 nach 1,5 Jahren - dann Still-Gutachten 2 nach knapp 3 Jahren - daraufhin verschwindet er nach knapp 4 Jahren von der Angeklagtenliste und gleichzeitig werden auch andere potentielle Verdächtige seitens der Polizei-/Einsatzführung m.E. unzureichend bzw. gar unbegründet explizit entlastet - und nach 5 Jahren war's das schon...

 

0

zu #23 als Antwort auf Evers.

Mangelnde Transparenz der Zuständigkeiten:

Rabe, jäger, von Schmeling = Polizei (gaben die Kommandos)

in Absprache mit Schreckenberg = ganztägiger inoffizieller Leiter des Krisenstabes

Janssen = offizieller Leiter des Krisenstabes ab 16 Uhr

Rabe = offizieller Leiter des Krisenstabes bis 16 Uhr

Polizei = war komplett außen vor

Feuerwehr + Katastrophenamt = gab es nicht

Rabe = Rechts-/Sicherheitsdezernent (nur die Sicherung der Veranstaltung, der Einhaltung der Versicherungsklauseln), Chef der Ordnungsbehörde, der seine Leute freistellte und Dressler ins Messer laufen ließ

Sauerland = Mitveranstalter

Stadt = Gastgeber, Mitveranstalter

Land = Gastgeber, Mitveranstalter, politischer Wille

Ruhr2010 = Gastgeber, Mitveranstalter, politisch-wirtschaftlicher Wille

0

Felix Licht schrieb:

in Absprache mit Schreckenberg = ganztägiger inoffizieller Leiter des Krisenstabes

Feuerwehr + Katastrophenamt = gab es nicht

 

Wo ist das mit Schreckenberg dokumentiert? Der Krisenstab der Stadt saß ja in der Leitstelle der Feuerwehr Duisburg, Wintgenstr. 111. Dort hatte die Feuerwehr m.E. den technisch besten Einsatzstab der ganzen LOPA. (inkl. ÜK-Kameras)

0

lopachron schrieb:

Felix Licht schrieb:

in Absprache mit Schreckenberg = ganztägiger inoffizieller Leiter des Krisenstabes

Feuerwehr + Katastrophenamt = gab es nicht

 

Wo ist das mit Schreckenberg dokumentiert? Der Krisenstab der Stadt saß ja in der Leitstelle der Feuerwehr Duisburg, Wintgenstr. 111. Dort hatte die Feuerwehr m.E. den technisch besten Einsatzstab der ganzen LOPA. (inkl. ÜK-Kameras)

 

Dies wurde deutlich als das ZDF Heute Journal Sch. als Mitglied des Krisenstabes vorstellte und live interviewte davor. Er sprach da stellvertretend für Rabe, der wiederum später danach an anderer Stelle interviewt wurde, vermutlich auf dem Gelände. Dass Rabe den Krisenstab ab gegen 16 Uhr nicht mehr geleitet hatte, konnte man wiederum von dessen Vertreter, dem damaligen Bildungs- und Jugenddezernenten in einem Interview bei xtranews.de erfahren, der weder über die Planungen im Bilde noch für die LP gewesen war. Originalziate aus diesen Interviews u.a. erfährt man in dem dreiteiligen Buch, das Antonia Colloni bei epubli herausgegeben hat, der 1. Teil inzwischen bei Amazon erhältlich, die beiden anderen Teile im Laufe der kommenden 2-3 Wochen.

0

Felix Licht schrieb:

Dies wurde deutlich als das ZDF Heute Journal Sch. als Mitglied des Krisenstabes vorstellte und live interviewte davor. ...

Vielen Dank . Habe den Beitrag wiedergefunden bzw. einen vom WDR: http://www.youtube.com/watch?v=IreaH16lm_c

0

@lopachron,

Sie schreiben:

Ist es richtig, dass z.B. Beamte der Polizei spätestens ab dem Sommer 2015 gar nicht mehr angeklagt werden können, weil dann die vom max. zu erwartenden Strafmaß abhängige Strafverfolgungsverjährung (3-5 Jahre) bereits abgelaufen ist?

Es ist richtig, dass die Verjährung bei § 222 StGb fünf jahre beträgt. Sie beginnt regulär mit Tatbeendigung, also am 24.07.2010. Allerdings wird sie unterbrochen (und beginnt dann von neuem zu laufen), wenn bestimmte strafprozessuale Maßnahmen durchgeführt werden. D.h. es kommt für den Ablauf der Verjährung bei dem zunächst beschuldigten Polizeibeamten darauf an, wann die letzte Maßnahme dieser Art  durchgeführt wurde. Ab diesem Zeitpunkt beginnt dann die Verjährungsfrist von fünf Jahren erneut (§ 78 c Abs. 1 und 3 StPO). So könnte etwa hier die Beauftragung des Sachverständigen Still für den Verjährungszeitpunkt eine Rolle spielen (§ 78c Abs. 1 Nr.3 StPO). Das Datum habe ich nicht parat, aber es dürfte wohl nicht schon im Sommer 2010 liegen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Ok - vielen Dank. Außer bei den anfänglich Verdächtigten/Beschuldigten (inkl. Simon) ist also mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen,  dass alle anderen potentiellen "LOPA-Straftäter" ab Sommer 2015 sozusagen aus dem "strafrechtichen" Schneider sind.

 

Henning Ernst Müller schrieb:

strafprozessuale Maßnahmen

 

LOL - das erinnert mich wieder an die Hausdurchsuchungen bei Stadt und Veranstalter schon im Januar 2011. Was wollten die denn da noch finden? Vielleicht leere Ordner, leere CD/DVD-Boxen oder neu angeschaffte Festplatten? Der Verdacht auf vorhandene Beweismittel in den Privat- und Geschäfträumen bei Stadt, Lopavent und Polizei müsste ja spätestens am 25.07.2010 vorhanden gewesen sein.

Wenn alle Ermittlungen (z.B. der Polizeieinsatz) auch auf diese Weise durchgeführt wurden: Na, dann gute Nacht!

 

Die StA und die Ermittler scheinen zwar Berge an Beweisakten aufgetürmt zu haben - ich fürchte aber, dass niemand wirklich dazu gekommen ist, den ganzen Kram auch vernünftig auszuwerten, zu bewerten und in ein objektives Ergebnis zu überführen. Vermutlich pickte man sich einfach einseitig die Themen und Kandidaten heraus, wo man bei einer Anklage die größten Erfolgsaussichten sah, ohne den Innenminister zu verärgern... :-)))

 

Und da man bei den (telefonischen) Zeugenbefragungen und spontanen Hausdurchsuchungen vermeintlich auch nichts großartig Verwertbares gefunden hat, stützt(e) man sich jetzt bei der Anklage anscheinend zunehmend (natürlich nicht ausschließlich) auf die Still-Gutachten, welche die planerischen Ursachen der Katastrophe vielleicht eingeschränkt darstellen, die operativen Ursachen m.E. aber überhaupt nicht beleuchten...

0

Sehr geehrter Pilsbierchen,

bei der Gesetzeslage bis 2010 und auch seitdem ist nach meiner Meinung nicht eine unzureichende Gesetzeslage, sondern eine mangelhafte Anwendung das Problem.

Veranstaltungen haben immer Risiken. Deswegen muss immer sorgfältig und vorsichtig geplant, vorbereitet und durchgeführt werden. Verantwortungslose Planungen können nur verhindert werden, wenn genehmigende Behörden kompetent sind und korrekt arbeiten. Und genau das war nicht der Fall.

Ich wäre eher für verpflichtende und umfangreiche Weiterbildungen der Mitarbeiter der beteiligten Behörden - also Bauämter, Ordnungsämter, Polizei, Rettungsdienste, Feuerwehren. Und für Nachschulungen und Monitoring.

Die Staatsanwaltschaft begründet die Anklagen offensichtlich mit einer gesetzeswidrigen Genehmigung der Loveparade. Diese Gesetzeswidrigkeit hätte doch eigentlich vorher allen Beteiligten auffallen müssen. Ist sie aber nicht. Also ist Inkompetenz und mangelndes Wissen eine entscheidende Ursache. Da hilft aber kein Gesetz.

Auch die gesamte Organisation war grob fahrlässig. Der Krisenstab ist sich ja bis heute nicht einig, wer was hätte tun müssen oder nicht. Dewegen ist auch gut, dass der Gesetzgeber eindeutig festgelegt hat, dass bei bestimmten Gefahren der Veranstalter bzw. sein Beauftragter (z.B. technischer Leiter) die Veranstaltung abbrechen muss. Zusätzlich können Polizei/ Ordnungsamt/ Bauamt selber eingreifen. Auch dies gibt die SBauVO/ MVStättVO her - auch wenn z.B. Polizeibeamte dies teilweise nicht glauben.

Den britischen Ansatz halte ich für viel besser: http://www.hse.gov.uk/event-safety/ Praktische und hilfreiche Anweisungen. Das Ganze ist nicht immer gesetzlich geregelt - aber wers nicht macht, begeht halt im Zweifelsfall eine Sorgfaltspflichtverletzung. Die Checklisten sind klasse und können jedem deutschen Veranstalter nur empfohlen werden, z.B. : http://www.hse.gov.uk/voluntary/assets/docs/village-hall.pdf  Das umfangreiche Puple Book ist legendär und sollte jedem Veranstalter vorliegen: http://www.qub.ac.uk/safety-reps/sr_webpages/safety_downloads/event_safe... Hier wird umfangreich alles abgedeckt, was zu einer seriösen Planung gehört.

 

5

P.S. Dass es Feuerwehr und Katastrophenamt nicht gegeben hatte, wird m.M.n. dadurch deutlich, dass es ab gegen 16 Uhr deren Leiter (Rabe) nicht mehr gab, da der wiederum mit Jäger sein Ding machte.

0

Hat es bislang noch niemanden gewundert, weshalb Schreckenberg für eine Gegenprüfung seines Kollegen Klüpfels 20.000 € von Rabe hatte erhalten sollen? Ein ganz gutes Werkvertragshonorar, nicht? Ne, die Asche hatte es für die Leitung des Krisenstabes gegeben! Und da diese Honorarvereinbarung nicht näher beziffert gewesen war, unterstreicht dies zudem das Vorgehen, dass nämlich Sch. der inoffizielle Leiter und Rabe der offizielle war, ZDF Heute Journal Liveschalte nach 22 Uhr am 24.7.2010 sei Dank.

Warum aber wird nicht gegen Sch. und Klüpfel ermittelt, die eigentlichen vom BMBF finanzierten Halunken im Hintergrund? Na, weil dann das ganze s.g. Sicherheitskonzept Stadt-Land-Polizei-Innenministerium-Staatsanwalt-Forschung ans Licht kommen würde und zudem der Bund mit reingezogen werden würde.

Rabe-Jäger-von Schmeling bildeten maßgeblich das Lagezentrum und waren sogar live vor Ort am GSE, mit bestem Blick auf die Lage vom stehenden McFit-/WDR-Float aus im Hintergrund von Schaller und Bug, festgehalten vom WDR, Aktuelle Stunde.

Von wem gingen die Weisungen aus aufgrund, wie lopachron feststellt, 1A-Ü-Kameras? in der Feuerwehr Richtig, von Schreckenberg. DER hatte das eigentliche Konzept mit allen Schikanen und Staus entwickelt gehabt, tat das, was er als Stauexperte am besten konnte, und ohne die 1/3-Entfluchtungsberechnung von Klüpfel wäre das Alles sowieso nicht gegangen.

Aber das haben wir hier alles längst wieder und wieder durchgekaut. Doch auf mich hört ja keiner.

0

Sehr geehrte Herren Licht und Lopachron,

dass Prof. Schreckenberg im Zeitpunkt des Interviews (wohl einige Stunden nach 17 Uhr)  im Krisenstab zu tun hatte oder als Mitgleid desselben bezeichnet wird, ist nicht dasselbe wie "ganztägiger inoffizieller Leiter des Krisenstabs". Seine offenkundige Ahnungslosigkeit beim Interview (schlimm genug) - die Todesfälle seien durch Leute zustandegekommen, die von der Treppe herunterfielen - spricht m. E. eher dagegen, dass er Kamerablick auf die Rampe hatte.

Allerdings halte ich nach wie vor die Rolle Schreckenbergs im Vorfeld der LoPa für nicht hinreichend beachtet - er hat das Sicherheitskonzept, dass mit den von Still als nicht durchführbar erkannten Zahlen arbeitete, "abgesegnet", einschl. des TraffGo-Gutachtens.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Müller,

so alleine gesehen, mag das stimmen. Nicht aber, wenn man bedenkt, dass Rabe nach 15:30 Uhr überhaupt nicht mehr im Krisenstab vor Ort gewesen war, wodurch man auch von keiner Leitung bis 15:30 sprechen kann, würde ja keinen Sinn machen. Man fragt sich schließlich, ja wie, und ab 15:30? Oder glauben Sie es, dass der ehem. Jugend-, Kultur- und Bildungsdezernent, der an keiner einzigen Planungssitzung teilgenommen hatte und zudem gar keinen Bock auf die LP gehabt hatte, diesen Stab leiten konnte?

Besten Gruß

Felix Licht

0

P.S.

Dessen Ahnungslosigkeit war so ahnungslos nicht, sondern nur gespielt.

Ja, fraglich bleibt, ob er Rampenkamerabilder hatte, wurden doch dort die Kabel abgerissen.

Ja, das Interview entstand einige Stunden nach 17:00 Uhr, nämlich live mit Beginn des heute Journals.

Wie gesagt, Sch. hatte oder hätte 20.000 € erhalten, inkl. Leitung des Krisenstabes.

0

PPS

Wenn er jedoch keine Rampenkamerabilder gehabt haben sollte, dann fragt sich, wie er gewusst haben konnte, was offiziell passiert sein sollte, wodurch die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass er doch Einsicht gehabt hatte, die die Stürzenden bzw. Springenden und gezielten Übersteiger gesehen haben müsste, aus der er seine "Einschätzung" (auf die man sich offiziell geeinigt hatte) ableiten konnte.

0

Interessant ist auch, dass vor dem Interview zunächst mit Rabe gesprochen wurde, der also für die offizielle Fassung zunächst wohl die Weichen gestellt hatte und dass Sch. als Panikforscher vorgestellt wurde, der "am Sicherheitskonzept mitgearbeitet" hatte.

0

Korrektur: Nicht mit Rabe, sondern mit Jäger

0

Angenommen, es hatte nirgendwo Kamerabilder aus dem Rampenbereich gegeben, ein Grund, weshalb Jäger und von Schmeling vor Ort nachgeschaut hatten, was der Grund dafür gewesen war. Was sahen sie? Sie sahen Männer, die sich an den kabeln zu schaffen gemacht hatten und daraus möglicher Weise fälschlicherweise abgeleitet hatten, dass sie diese zum Hochklettern genutzt hatten, was eine gründliche Fehleinschätzung war, da deren Absicht einzig und allein darin bestanden hatte, einen 100%igen uneinsehbaren rechtsfreien Raum zu erschaffen. Sie aber wurden dabei beobachtet, was sie taten, mehrfach. Jäger machte dann daraus: Hochgeklettert, abgestürzt, es gibt immer einige, die sich nicht an die Spielregeln halten. Hallo Herr Jäger, hielten Sie sich an die Spielregeln? Ja, könnte er antworten, das Spiel war bereits in vollem Gange, ich hatte es so gemacht, wie Wolf sie mir erklärt hatte. Auch Schreckenberg hielt sich an die Spielregeln, er schwieg. Und die Staatsanwaltschaft auf Weisung des Innenministeriums auch, sie ermittelt nicht.

0

Sehr geehrter Herr Licht,

nach meinen Informationen (die ich gerade für diesen Zweck nochmal durchgeschaut habe) hat Prof. Schreckenberg zwar im Vorfeld Beratungsleistungen für das Ordnungsamt erbracht und auch eine Stellungnahme zum Entfluchtungsgutachten TraffGo abgegeben. Aber mir erscheint es eher so, dass er für die stromlinienförmige Genehmigung der Veranstaltung gebraucht bzw. missbraucht wurde. Man wollte ihn bewusst einbeziehen, damit er nicht auf die Idee kommt, die Veranstaltung vorab von außen zu kritisieren. Vielleicht entstammt auch das großzügige Pauschalangebot von 20.000 Euro dieser Motivlage. Den internen Kritikern konnte man (sprich: Rabe) dann jeweils sagen, dass Herr Prof. Schreckenberg darauf schaue bzw. dass Herr Prof. Schreckenberg das Konzept befürwortet habe. An seine Empfehlungen hat man sich allerdings nur zum Teil gehalten. Soweit ich weiß, ist er ohnehin nur recht spät mit dünnen Informationen versorgt worden - er sollte sich halt nicht zu sehr einmischen. Insbesondere Lopavent wollte wohl nicht, dass er Einblick bekommt und dann in der Öffentlichkeit unkontrolliert  ihre Veranstaltungsvorbereitungen kritisiert. Wenn man ihm etwas vorwerfen kann, dann ist es, dass er sich auf dieses Spiel eingelassen hat, es jedenfalls nicht durchschaute. Und dass er (ebensowenig wie TraffGO selbst) aus den Zahlen im Entfluchtungsgutachten nicht das herleitete, was jeder daraus herleiten konnte: Das Konzept passt vielleicht bei der Entfluchtung, aber es haut nicht hin beim Einlass (!). Aber ist das genug für einen strafrechtlichen Vorwurf? Wohl kaum.

Dass Prof. Schreckenberg nachmittags (inoffiziell) den Krisenstab "leitete", wie Sie behaupten, dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Es hätte auch nicht der Intention der Einbeziehung Schreckenbergs entsprochen, ihm eine so verantworltiche Aufgabe zuzuweisen. Noch nicht einmal dafür, dass er dort während des Nachmittags überhaupt anwesend war, gibt es belastbare Informationen. Um es auf den Punkt zu bringen: Sie (in Ihrer Anonymität) sind der einzige, der so etwas  behauptet.

Ihre Vermutungen hinsichtlich der Kameras bedürfen keines Kommentars - sie sind schlicht abwegig.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Sehr geehrter Herr Müller,

zunächst zum Letzteren, den Kameras: Wie erklären Sie sich dann das Fehlen der Kamerabilder und die Kletterer an den Kabeln, und warum schließen Sie einen Kausalzusammenhang aus? Würde das nicht auch das Vorortsein von von Schmeling und Jäger erklären, zu sehen um etwa 16:45 Uhr auf dem stehenden Schaller-Float?

zu Schreckenberg: wie erklären Sie sich dann das Live-Interview, und die Anrede als "Mitglied des Krisenstabes", der Sch. nicht widersprochen hatte? Glauben Sie, Sch. wäre just zu diesem Zeitpunkt dort aufgetaucht? Weshlb äußert er sich überhaupt, und warum dann nicht Janssen als deren inoffiziell-offizieller Leiter? (Weil der a) nicht da war, b) nicht wollte oder a) + b). Und wenn man auch diesen Fakt anzweifeln will, warum hatte man dann nicht Rabe interviewt als offiziellen Leiter? (Weil der niht dort war, und man eben den nahm, der vor Ort gewesen war und was sage konnte.)

Es war die Bedingung gewesen: Sowohl das Brandschutzkonzeot Jaspers als auch Klüpfels Entfluchtungsanalyse musste gegengeprüft werden, beides durch Sch. Jaspers wies explizit darauf hin, dass falls die Entfl.-Analyse zu einem negativen Ergebnis komme, keine Genehmigung erteilt werden könne, s. Analge 26: Gesprächsvermerk vom 25.6.2010. Anzunehmen ist, dass Jaspers das von Rübel hatte. 

Ich halte es für absolut ausgeschlossen, dass Sch. aus der Stadtkasse einen Betrag von 20.000 erhalten haben sollte lediglich für die Gegenleistungen "Beratung(en) Ordnungsamt" + "Gegenprüfung E.-Analyse". Finden Sie nicht auch, dass das stinkt?

Ich halte es für Unsinn, dass Sch. mit dem Geld lediglich ruhig gestellt werden sollte, denn warum sollte er Kollege Klüpfel öffentlich kritisieren? Die arbeiten seit Ewigkeiten zusammen!

Er ist auch nicht mit "dünnen" Informationen versorgt worden, sondern mit denen, die diese Analyse plausibel hatten erscheinen lassen, wohlgemerkt: ein Drittel hatte Klüpfel entfluchtet, so passte das.

Sie sprechen von einem Spiel, auf dass sich (der arme) Schreckenberg da eingelassen hatte, und was dieser naive Forscher auch gar nicht durchschauen konnte, ach Gott. Weshalb nehmen Sie ihn in Schutz? Auch mutmaßen Sie hier selber in unzulässiger Weise, lieber Herr Müller.

Ein strafrechtlicher Vorwurf reicht aus: Es ging schließlich nicht nur um die Einlasszahlen! Es ging um eine rechtlich unanfechtbare, also "glaubhafte" Analyse. Ich werfe ihm vor, dass er gewusst hatte, was er da abgesegnet hatte und dafür kassierte. Schlielich ist er Professor und hatte Klüpfel ausgebildet!

Ich behaupte, auch Sie können Sich kein urteil über die "Intention der Einbeziehung Schreckenbergs" erlauben. Nebulös ist aber doch ein nicht näher umrissener "Werkvertrag" zwischen Rabe und Sch. über 20.000 Euro, der auf eine verschleierte Intention hindeutet. Und dass niemand ein Interesse daran gehabt hatte, dass Sch. öffentlich auftritt und dadurch seinen Namen riskiert ist auch klar, am allerwenigsten er selber.

Ich in meiner Anonymität bin die Einzige die das behauptet, vielleicht deshalb, weil keinem anderen dieses Interview noch sehr präsent ist und die Informationen über Janssen habe, die aber öffentlich zugänglich sind, wie auch das Interview, wenn man es denn mal anfordern täte, woraus sich nämlich ein strafrechtlicher Vorwurf ableiten ließe.

 

Beste Grüße vom Autorenteam Licht-Colloni

0

P.S. Ich setze sogar noch eins drauf: Maßgeblich und weitgehend kamen die Weisungen, also auch für die polizei und den Crowd Manager, von Schreckenberg. Das mag möglicher Weise ab dem zeitpunkt anders gewesen sein als Jäger "Herr der Lage" war, was aber erst zum Zeitpunkt der ersten Todesfälle der Fall war, da vor Ort, vor allem, wenn man davon ausgeht, dass Sch. keine Rampenkamerabilder mehr empfangen hatte, womit gleichfalls ein strafrechtlicher Vorwurf gegen Unbekannt bzw. gegen die noch zu identifizierenden Kabel-, Plakatwand- und Klettertäter. Doch selbst wenn Sch. weiterhin Bilder empfangen hätte, hätte das weder bedeutet, dass er die Lage realistisch hätte überblicken können, noch dass die Polizei eingeschritten wäre, denn die hatte ja die genau gegenteilige Empfehlung erhalten gehabt. Rechtlich gesehen war es wichtig, dass die Polizei auf dem Veranstaltungsgelände weder vor Ort war noch was zu sagen hatte, was auch der Grund dafür ist, dass die polizeiketten im Tunnel kein Thema sind.

1

Hier mehr zu den neuen Zivilklagen: http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/loveparade-anwaeltin-reicht-30-...

Die Anwältin sieht auch das Land als Dienstherren der Polizei in der Pflicht (§ 278 BGB). Die Polizei habe erkennen müssen, dass die LoPa schlecht organisiert war und sie absagen oder abbrechen müssen.

Die Polizei hat doch eigentlich genug Erfahrungen mit Großveranstaltungen, so dass ihr die so nicht tolerierbare Stolperfalle "Bauzaun auf Gullischacht" auffallen und auf ihre Beseitigung hätte drängen müssen. 

Mein Name schrieb:

Hier mehr zu den neuen Zivilklagen: http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/loveparade-anwaeltin-reicht-30-...

Die Anwältin sieht auch das Land als Dienstherren der Polizei in der Pflicht (§ 278 BGB). Die Polizei habe erkennen müssen, dass die LoPa schlecht organisiert war und sie absagen oder abbrechen müssen.

Die Polizei hat doch eigentlich genug Erfahrungen mit Großveranstaltungen, so dass ihr die so nicht tolerierbare Stolperfalle "Bauzaun auf Gullischacht" auffallen und auf ihre Beseitigung hätte drängen müssen. 

 

@Mein Name, auch der damalige und jetzige Innenminister Jäger musste eigentlich die Örtlichkeit (und damit auch die Problematik) kennen. 

So soll er seinen Wohnsitz in Duisburg-Duissern haben, und das ist ca. 3 km vom Tunnel entfernt.

0

Seiten

Die Kommentare sind für diesen Beitrag geschlossen.