BAG zur Benachteiligung wegen einer Behinderung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 24.02.2014
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtBewerbungEntschädigungBehinderung2|5279 Aufrufe

Bewerben sich schwerbehinderte Menschen um einen ausgeschriebenen Arbeitsplatz, treffen den Arbeitgeber nach § 81 Abs. 1 SGB IX mehrere Förderpflichten. U.a. hat er unmittelbar nach Eingang der Bewerbung die Schwerbehindertenvertretung und den Betriebs- bzw. Personalrat vom Eingang der Bewerbung zu unterrichten und im Falle der Absage diese zu begründen. Eine Verletzung dieser Pflichten begründet die Vermutung (§ 22 AGG, siehe dazu bereits die Diskussion um diesen Blog-Beitrag) der Benachteiligung wegen der Behinderung (§ 1 AGG) und kann Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche auslösen (§ 15 AGG).

Voraussetzung der Benachteiligung "wegen" einer Behinderung ist natürlich, dass der Arbeitgeber überhaupt von ihr weiß. Informiert der Bewerber über seine Behinderung im Bewerbungsschreiben nur an versteckter Stelle, kann dies den Arbeitgeber entlasten.

Information über die Schwerbehinderung unter "sonstige Qualifikationen" versteckt

Der Kläger hatte sich um eine Stelle als Tenor am Theater der beklagten Stadt beworben. Die das Bewerbungsschreiben darstellende E-Mail enthielt keinen Hinweis auf die Schwerbehinderung des Klägers. Beigefügt waren dieser E-Mail drei Dateien, nämlich „Publicity-Fra", „Chorpartien" und „Lebenslauf F". Letztere Datei ist in acht Unterpunkte gegliedert, nämlich: „Persönliche Informationen" (vier Unterpunkte), „angestrebte Tätigkeit" (zwei Unterpunkte), „Ausbildung - akademische Grade" (sieben Unterpunkte), „Sprachkenntnisse" (fünf Unterpunkte), „Zusatzausbildungen" (Hinweis auf mindestens neun Meisterkurse), „Berufserfahrung" (20 Unterpunkte), „spezielle Qualifikationen" und „Hobbies" (fünf Unterpunkte). Der Gliederungspunkt

„spezielle Qualifikationen" auf S. 2 unten des Lebenslaufs hat dabei folgendes Erscheinungsbild:

„SPEZIELLE QUALIFIKATIONEN

• fundierte Softwarekenntnisse:

•PC Microsoft XP, Office-Paket (Word, Excel, Powerpoint), Adobe Photoshop Version 8, Corel Draw, Soundforge, WaveLab

•sonstige Qualifikationen:

•Diverse Tätigkeiten im Bereich Theatermanagement sowie im Bühnentechnischen Bereich

•Schwerbehindert nach SGB IX-GDB 60"

Bei der Sichtung der Bewerbungsunterlagen wurde dieser Hinweis vom Arbeitgeber übersehen, die Pflichten aus § 81 SGB IX wurden daher nicht erfüllt. Der Kläger wurde zum Vorsingen eingeladen, über seine Behinderung sprach er nicht. Das Theater entschied sich für einen anderen Tenor und sagte dem Kläger ab. Er verlangt drei Monatsgehälter Entschädigung (§ 15 Abs. 2 AGG). Seine Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg.

BAG: Bloß "eingestreute" Informationen sind keine ordnungsgemäße Information des angestrebten Vertragspartners

Zur Überzeugung des Achten Senats hat der Kläger die Beklagte nicht ausreichend auf seine Schwerbehinderung hingewiesen. Eine an versteckter Stelle im Bewerbungsschreiben eingestreute Information genüge den Anforderungen, die bei der Vertragsanbahnung nach Treu und Glauben (§ 241 Abs. 2 iVm. § 311 Abs. 2 BGB) zu stellen seien, nicht:

Soweit die Schwerbehinderteneigenschaft dem Arbeitgeber nicht nachweislich schon bekannt ist oder - etwa bei einem Vorstellungsgespräch - eine körperliche Behinderung offensichtlich bekannt wird, zB im Falle fehlender Gliedmaßen oder der Notwendigkeit, einen Rollstuhl zu benutzen, muss der Bewerber den Arbeitgeber über seine Schwerbehinderteneigenschaft informieren. Dies hat regelmäßig im Bewerbungsschreiben selbst unter Angabe des GdB, gegebenenfalls einer Gleichstellung zu geschehen, da der Arbeitgeber jedenfalls gehalten ist, bei jeder Bewerbung das eigentliche Bewerbungsschreiben zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BAG 16.9.2008 - 9 AZR 791/07 - BAGE 127, 367 Rn. 29). Sofern auf eine anderweitige Behinderung, die nicht unter das SGB IX fällt oder anerkannt ist, hingewiesen werden soll, ist die Behinderung iSd. AGG näher zu umschreiben. Wird die Information im Lebenslauf gegeben, so hat dies an hervorgehobener Stelle und deutlich, etwa durch eine besondere Überschrift hervorgehoben, zu geschehen. Im Falle einer Behinderung oder Schwerbehinderung wird ein Bewerbermerkmal mitgeteilt, über das nicht jede Bewerberin / jeder Bewerber verfügt. Durch den Hinweis sollen besondere Förderpflichten des Arbeitgebers ausgelöst werden. Wegen der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen und Rechte des Vertragspartners (§ 241 Abs. 2 BGB iVm. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) ist auch bei einer Bewerbung der Arbeitgeber über die besondere Situation des Bewerbers klar und eindeutig zu informieren. Daher sind „eingestreute" oder unauffällige Informationen, indirekte Hinweise in beigefügten amtlichen Dokumenten, eine in den weiteren Bewerbungsunterlagen befindliche Kopie des Schwerbehindertenausweises etc. keine ordnungsgemäße Information des angestrebten Vertragspartners.

BAG, Urt. vom 26.9.2013 - 8 AZR 650/12, BeckRS 2014, 66055

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

2 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Das ist sicherlich ein bemerkenswertes Urteil unter vielerlei Gesichtspunkten:

 

z.B.:

 

1.)

 

Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt kein Verschulden voraus, so dass der benachteiligende Arbeitgeber weder vorsätzlich noch fahrlässig handeln muss, um einem entsprechenden Anspruch ausgesetzt zu sein.

 

2.)

 

Wenn der Bewerber auf seine Schwerbehinderung hinweist, dann werden sich sicherlich wieder die ersten Stimmen erheben, die sagen, dass er sich bestimmt nicht ernsthaft beworben hat, weil er explizit auf sein Diskriminierungsmerkmal, die "Schwerbehinderung", hingewiesen hat.

 

Dies deute dann darauf hin, dass sich der Bewerber nicht ernsthaft beworben habe.

 

Also: liebe AGG-Gegner:

 

Eure "Wissenschaft" ist in sich unlogisch und unschlüssig.

5

Soll dass heißen dass wenn die Schwerbehinderteneigenschaft unter Persönliche Daten als anerkannt angegeben wird, auch nicht als Offensichtlich gild? Entschuldigung aber dass Urteil ist so nicht ganz richtig. Der Kläger hatte die Eigenschaft unter Spezifische Qualifikation angegeben, wass tatsächlich für den AG nicht sofort zu sehen war. Wenn man aber die Eigenschaft unter Persönliche Daten angiebt ist dass sofort zu sehen, da der AG dort auch sofort sieht nach welcher Lohnsteuerkl. er den AN anmelden muss.

0

Kommentar hinzufügen