Mit 2,27 Promille in den Gegenverkehr gerast: Verurteilung wegen fahrlässiger KV aufgehoben...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 24.02.2014

Auf den ersten Blick erstaunlich. Dann aber doch ganz klar, da das LG wohl nicht klar genug festgestellt hat, woran es die Fahrlässigkeit knüpft, zumal offensichtlich Suidzidabsichten möglich schienen:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und Maßregeln nach den §§ 69, 69a StGB angeordnet. Hier-gegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Nach den Feststellungen fuhr der alkoholisierte Angeklagte, der eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,27 ‰ aufwies, in M. mit seinem Pkw Ford Fiesta bei Dunkelheit auf der vierspurigen Bundesstraße B 91, deren zwei Fahrbahnen im dortigen Bereich von einem mit Leitplanke versehenen Mittelstreifen getrennt werden. An einer nicht näher festgestellten Stelle im Straßenverlauf – möglicherweise an einer der verschiedenen Kreu-zungen oder bei einer 1,7 km vom späteren Kollisionsort entfernt gelegenen Tankstelle – gelangte der Angeklagte auf Grund eines alkoholbedingten Fahr-fehlers auf die Gegenfahrbahn der Bundesstraße. Als er die Überholspur der Gegenfahrbahn entgegen der Fahrtrichtung mit einer Geschwindigkeit von etwa 74 km/h mit eingeschaltetem Fernlicht befuhr, kam ihm auf derselben Fahrspur der Geschädigte, der mit seinem Pkw Nissan Almera gerade ein anderes Fahr-zeug überholt hatte, mit einer Geschwindigkeit von 63 bis 71 km/h entgegen. Beide von ihren Fahrern jeweils noch in Richtung Fahrbahnmitte gelenkten Fahrzeuge stießen ungebremst in der Fahrbahnmitte zusammen. Infolge der Kollision trugen sowohl die drei Insassen des Pkws des Geschädigten als auch der Angeklagte erhebliche Verletzungen davon.
Die Verurteilung wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung in Tat-einheit mit fahrlässiger Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Annahme, der Angeklagte sei auf Grund eines alkoholbedingten Fahrfehlers auf die Gegenfahrbahn gelangt, einer tragfähigen Begründung im Rahmen der Beweiswürdigung entbehrt.
Ausführungen zu den die Annahme eines alkoholbedingten Fahrfehlers in tatsächlicher Hinsicht tragenden Erwägungen des Landgerichts sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die Strafkammer hat die Umstände, unter denen der Angeklagte auf die Gegenfahrbahn geriet, nicht näher aufklären kön-nen. Die Möglichkeit, dass er sein Fahrzeug bewusst auf die Gegenfahrbahn steuerte, um in Suizidabsicht einen Zusammenstoß herbeizuführen, hat sie „nicht als zweifelsfrei erwiesen“ angesehen, weil die für eine Suizidabsicht zum Tatzeitpunkt sprechenden Indizien für eine entsprechende Feststellung nicht ausgereicht hätten. Damit hat die Strafkammer die Möglichkeit eines Suizidversuchs des Angeklagten indes nicht sicher ausgeschlossen. Lässt sich aber nicht ausschließen, dass der Angeklagte gezielt auf die Gegenfahrbahn fuhr, ist mit Blick auf den Zweifelssatz für die Annahme eines auf die alkoholische Beeinflussung zurückzuführenden Fahrfehlers als eindeutige Ursache für die spä-tere Kollision kein Raum.
Die Sache bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Sofern in der neuen Hauptverhandlung der zur Kollision führen-de Geschehensverlauf nicht eindeutig zu klären ist, wird eine Verurteilung auf alternativer Tatsachengrundlage (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 18. August 1983 – 4 StR 142/82, BGHSt 32, 48, 56 f.; Urteil vom 10. Februar 2011 – 4 StR 576/10, NStZ 2011, 460) zu prüfen sein.

BGH Beschluss vom 19.11.2013 - 4 StR 352/13

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