Klassiker des Verkehrsrechts: § 315b bei Polizeiflucht!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.02.2014
Rechtsgebiete: PolizeifluchtStrafrechtVerkehrsrecht|22966 Aufrufe

Heute mal wieder echtes Basiswissen - nicht wie sonst hier im Blog üblich vom BGH,  sondern vom OLG Hamm. Thema ist die Polizeiflucht:

Der Angeklagte hat sich darüber hinaus wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB) in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB), Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 StGB) und Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Entgegen der Revisionsbegründung tragen die getroffenen Feststellungen insbesondere auch den Schuldspruch wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB.

Entscheidende Voraussetzung für eine Verurteilung nach dieser Strafnorm ist, dass der Täter das von ihm gesteuerte Fahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt; er muss mit seinem Verhalten verkehrsfremde Zwecke verfolgen. Das ist nur dann der Fall, wenn seine Verkehrsteilnahme durch ein verkehrsfeindliches Verhalten unter bewusster Zweckentfremdung seines Fahrzeugs geprägt ist (vgl. BGH, NStZ-RR 1997, 261; NStZ 1985, 267).

In den Fällen der sog. „Polizeiflucht“ ist nach gefestigter Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, wie folgt zu unterscheiden: Fährt der Täter auf eine Polizeisperre aus Beamten oder Fahrzeugen zu, so liegt eine bewusste Zweckentfremdung des Fahrzeugs zu verkehrsfeindlichen Zwecken dann vor, wenn das Fahrzeug mit Nötigungsabsicht eingesetzt worden ist (vgl. BGHSt 28, 87, 91). Demgegenüber ist keine Zweckentfremdung gegeben, wenn der Täter sein Fahrzeug nur als Fluchtmittel zur Umgehung einer Polizeikontrolle oder Festnahme eingesetzt hat und dabei von Anfang an nicht auf den Polizeibeamten bzw. sein Fahrzeug zufahren, sondern an ihm vorbeifahren fahren wollte. Im letztgenannten Fall kommt es nicht darauf an, ob es dann auf irgendeine Weise gleichwohl zu einer konkreten Gefährdung oder Verletzung des Beamten oder zu einem Sachschaden kommt. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Fahrzeugführer die Möglichkeit der Gefährdung oder Verletzung erkannt und eine solche Folge in Kauf genommen hat, weil ihm seine Flucht nur um den Preis einer nicht unerheblichen Gefährdung des Beamten und/oder seines Fahrzeugs möglich erschien (vgl. BGHSt 28, 87, 91; BGH, NStZ 1985, 267; OLG Hamm, NStZ-RR 2001, 104, 105).

Hiernach ist der Tatbestand des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt. Denn das Landgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass der Angeklagte die Möglichkeit einer – dann auch stattgefundenen – Streifkollision mit dem Polizeifahrzeug erkannt und diese billigend in Kauf genommen hat, um flüchten zu können. Dem Angeklagten war von Anfang an bewusst, dass das Polizeifahrzeug so abgestellt worden war, dass er der geöffneten Fahrertür nicht ausweichen konnte. Darüber hinaus ergibt sich aus den Feststellungen, dass dem Angeklagten bewusst gewesen ist, dass es sich bei dem Polizeifahrzeug um eine Sache von bedeutendem Wert handelt und dass dem Fahrzeug wegen der Streifkollision auch ein bedeutender Schaden gedroht hat (vgl. zu diesem „doppelten“ Prüfungsschritt: Senatsbeschluss vom 04. Juni 2013 - 5 RVs 41/13 -). Diese Feststellungen hat das Landgericht mit nachvollziehbarer, widerspruchsfreier und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstoßender Begründung auf das Ergebnis der Beweisaufnahme gestützt, namentlich die Einlassung des Angeklagten, die (im allseitigen Einverständnis verlesene) Aussage des Zeugen X und die in Augenschein genommenen Lichtbilder des beschädigten Streifenwagens. Danach steht auch das Überschreiten des in der Rechtsprechung anerkannten Grenzwertes für Sachwert und Schadenshöhe - mindestens 750,- € (vgl. BGH, NStZ-RR 2012, 185, 186; Senatsbeschluss vom 04. Juni 2013 - 5 RVs 41/13 -) - außer Frage.

Entgegen der in der Revisionsbegründung vertretenen Ansicht kann nicht davon die Rede sein, das angefochtene Urteil „vermenge Elemente des bedingten Vorsatzes sowie der Fahrlässigkeit“. Das Landgericht ist bezogen auf den Tatbestand des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB rechtsfehlerfrei von einem (reinen) Vorsatzdelikt ausgegangen, weil hinsichtlich des Gefährdungsobjekts ausschließlich auf das Polizeifahrzeug abgestellt worden ist. Insoweit konnte - wie bereits ausgeführt - „doppelter“ Vorsatz sowohl hinsichtlich eines geeigneten Tatobjekts (fremde Sache von bedeutendem Wert) als auch des drohenden bedeutenden Schadens festgestellt werden. Demgegenüber hat das Landgericht nicht feststellen können, dass der Angeklagte - wiederum bezogen auf den Tatbestand des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB - (auch) die Gefährdung von Leib und Leben des Zeugen X für möglich erachtet und billigend in Kauf genommen hätte. Hinsichtlich der eingetretenen Körperverletzung des Polizeibeamten hat das Landgericht lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf ausgemacht, so dass der Angeklagte der fahrlässigen Körperverletzung (§ 229 StGB) schuldig ist.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss v. 6.9.2013, 5 RVs 80/13

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