Das Strafmaß im Prozess gegen Uli Hoeness

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 13.03.2014

Was unter höchstem Medieninteresse einschließlich Spiegel-Online Live-Ticker (fast) aus dem Münchener Gerichtssaal heute stattfindet, ist auch deshalb so spannend, weil sonst ja regelmäßig Absprachen das Strafmaß im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht bestimmen. Natürlich wissen wir nicht, ob nicht auch im Fall Hoeneß das Strafmaß längst abgesprochen wurde (vgl. dazu Heribert Prantl), aber zumindest momentan herrscht der Eindruck vor, als sei dies nicht der Fall. Die Staatsanwaltschaft fordert 5 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe, angesichts der Höhe des eingeräumten Steuerhinterziehungsbetrags sicherlich nicht unangemessen; die Möglichkeiten der Ausgestaltung des Vollzugs und der Vollstreckung (§ 57 Abs.2 StGB) können selbst diese Strafe erträglich(er) erscheinen lassen.

Die Verteidigung hält die Selbstanzeige für wirksam, zumindest für schuld- und strafrelevant, so dass für eine Verfahrenseinstellung bzw. eine zur Bewährung auszusetzende Freiheitsstrafe plädiert wurde. Richtig ist wohl, dass ohne diese Selbstanzeige ein Nachweis der Steuerhinterziehung (zum jetzigen Zeitpunkt) nicht möglich gewesen wäre. Und dass bei Spekulationsgeschäften dieser Art die in § 371 AO geregelte Selbstanzeige kaum zeitnah (formal vollständig) erstellt werden kann.

Die Frage, welche Rolle die Selbstanzeige spielt, ist daher zur entscheidenden geworden. Die erst während des Hoeneß-Verfahrens (und teilweise dadurch ausgelöste) rechtspolitische Diskussion über die Selbstanzeige darf hier naturgemäß keine Rolle spielen. Dass die Selbstanzeige nicht vollständig die Anforderungen des § 371 AO erfüllt, lässt sich aus den bekannt gewordenen Fakten aus der Hauptverhandlung schließen. Ich schätze aber, dass das Gericht dennoch einen strafmildernden Effekt der Selbstanzeige bejaht und damit die von der Staatsanwaltschaft geforderte Freiheitsstrafe erheblich unterschritten wird.

Aktuelle Meldung: 3 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe

Zur Rolle der (formal unvollständigen) Selbstanzeige wird - im Falle der Revision - sicherlich auch noch der BGH Stellung nehmen.

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54 Kommentare

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Udo Vetter (law blog) meint, der Strafantritt werde sich sicherlich durch die Revision (beiderseits) noch erheblich verzögern, zumal das Gericht durch Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 StPO) einen Revisionsgrund geschaffen habe. Ich bin anderer Auffassung. Ich tendiere zu der Annahme von Prantl, der das schnelle Durchziehen der Hauptverhandlung trotz zusätzlicher 70.000 Seiten Material als Teil eines - ggf. unausgesprochenen - Deals ansieht. Herr Hoeneß wollte die Sache schnell vom Tisch haben und 3,5 Jahre erscheinen (bei offenem Vollzug und Halbstrafenentlassung) nicht gar so lang. Ich glaube daher nicht, dass er bzw. sein Verteidiger Revision einlegen wird.

Laut Spiegel Online  hat die Verteidigung nun bereits Revision angekündigt, so schnell kann man widerlegt werden.

Ergänzung am 14.03.: Nun war meine erste Einschätzung doch richtig: Hoeneß akzeptiert das Urteil. Das ist konsequent, denn das Strafmaß ist im konkreten Fall im Vergleich zu anderen Fällen der Steuerhinterziehung gering, auch wenn ich der Freiheitsstrafe (bei Vermögensdelikten) im Allgemeinen  skeptisch gegenüberstehe.  Und dass das Verfahren "schnell" über die Bühne gehen sollte, war offenbar für Hoeneß ganz wichtig. Deshalb erschien es mir psychologisch wenig sinnvoll, das Verfahren durch eine Revision mit zweifelhaften Erfolgsaussichten in die Länge zu ziehen.

Henning Ernst Müller schrieb:

Ich tendiere zu der Annahme von Prantl, der das schnelle Durchziehen der Hauptverhandlung trotz zusätzlicher 70.000 Seiten Material als Teil eines - ggf. unausgesprochenen - Deals ansieht.

 

Halten Sie das wirklich für möglich? Geheime Deals sind doch seit der Regelung in der StPO auf jeden Fall ein Verfahrensfehler und damit ein Revisionsgrund?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in dieser Hinsicht eine Verständigung gegeben hat.

 

 

Oder wie genau meinen Sie das mit dem "uausgesprochenen Deal"?

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@Prof. Müller

(etwas) off topic: Wie bewerten Sie eigentlich die Einlassungen des BGH-Richters Fischer (etwa in der FAZ) zu einem Zeitpunkt, als das Verfahren noch lief? Es ist ja nicht so, dass Herr Fischer kaum Gelegenheit hätte, sich zu strafrechtlichen oder rechtspolitischen Fragen zu äußern. Er ist bekanntermaßen Mitverfasser des StandardRspKommentars, der bei jedem Strafrichter und Staatsanwalt auf dem Tisch liegt, schreibt Aufsätze in Fachzeitschriften und gelegentlich auch Urteile. Wie finden Sie es, wenn dieser BGH-Richter dann noch in einem Interview einer großen Tageszeitung über den Sinn (oder Unsinn) von strafbefreienden Selbstanzeigen räsonniert (und dabei zu dem Ergebnis kommt, die Selbstanzeige sei systemwidrig und gehöre abgeschafft)? Dies alles, wie gesagt, noch während der Prozeß gegen Hoeneß im Gange ist.

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Daß Richter zu rechtspolitischen Fragen Stellung nehmen und sogar Wünsche äußern, passiert nun wirklich dauernd - sei es auf Tagungen oder in der Fachliteratur. Das haben Sie ja auch geschrieben. Warum das problematisch werden sollte, wenn es in der Tagespresse geschieht, leuchtet mir nicht ein.

Daß sich Fischer in seinem Interview (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/recht-steuern/die-sicht-des-juristen-steuerhinterziehung-ist-eine-ganz-normale-straftat-12837671.html?printPagedArticle=true) gerade nicht zum konkreten Fall Hoeneß äußern wollte, hat er dort klargestellt:

"Soweit Sie damit auf einen speziellen Fall anspielen: Das weiß ich nicht; ich kenne diesen Fall nicht und möchte dazu nicht Stellung nehmen."

"Zum Fall Hoeneß will ich nichts sagen."

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Zwei Sachen habe ich nicht verstanden:

 

1. Wie konnte man im Hinblick auf § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO in Erwägung ziehen, die Selbstanzeige sei wirksam gewesen? Ob sie spät oder nicht vollständig kam, spielt dabei doch keine Rolle.

 

2. Wie konnte das Gericht - ausweislich der Berichterstattung in den Medien - im Hinblick auf § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO einen besonders schweren Fall verneinen? Der BGH zieht die Grenze des "großen Ausmaßes" bei 100.000,- Euro.

 

 

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@Jens Reichert

Ich halte die Beteiligung von Richtern im rechtspolitischen Diskurs rechtlich für unproblematisch, sofern sie sich aus der Bewertung konkreter Fälle heraushalten, bevor diese rechtskräftig sind. Allerdings gibt es gewisse - wissenschaftssystematische - Vorbehalte gegen die quasi-offizielle Kommentierung durch Richter der höchsten Instanzen, denn dadurch wird die Rechtswissenschaft als unabhängig kommentierende Instanz praktisch  "umgangen". Sie haben ja Recht, dass der Kommentar von Fischer praktisch auf jedem Richtertisch liegt, bezahlt von der Justiz. Bei Herrn Fischer, der ja ein kritischer Kommentator auch seiner Richterkollegen ist, erscheint mir das weniger problematisch als in anderen Fällen, in denen per Kommentar (also nicht nur durch Entscheidungen, sondern auch durch abstraktere Stellungnahmen) den unteren Instanzen mitgeteilt wird, was die Richter der höheren Instanzen denken.

@Hermann Schmidt

1. § 398a AO setzt die 50.000-Euro Grenze faktisch außer Kraft.

2. Ein bes. schwerer Fall liegt "in der Regel" vor...d.h. mit entsprechender Begründung kann von dieser Regel abgewichen werden.

 

Besten Gruß allerseits

Henning Ernst Müller

 

zu #7

Henning Ernst Müller schrieb:

Allerdings gibt es gewisse - wissenschaftssystematische - Vorbehalte gegen die quasi-offizielle Kommentierung durch Richter der höchsten Instanzen, denn dadurch wird die Rechtswissenschaft als unabhängig kommentierende Instanz praktisch  "umgangen".

Wie ist die unabhängig kommentierende Instanz "Rechtswissenschaft" zu verstehen? Als Rechtsorgan? Was macht sie unabhängig vom Gesetzgeber (Bindung an Gesetze) und der Rechtsprechung (Rechtsfortbildung)?

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@ Prof. Dr. Müller

 

1. Nach allem, was man weiß, hat Herr Hoeneß die Voraussetzungen des § 398a AO aber nicht vollständig erfüllt, weder zum Zeitpunkt der Strafanzeige noch zum Zeitpunkt des Urteils.

 

2. Kann man es bei dieser Größenordnung ernsthaft so sehen, daß eine Ausnahme vom Regelfall vorliegt?  Welche Variante greift eigentlich? Die alte Fassung, nach der zum großen Ausmaß auch noch der grobe Eigennutz hinzukommen muß? Oder die neue Fassung, bei der das große Ausmaß genügt?

 

Müßte eigentlich unter Günstigskeitsgesichtspunkten (§ 2 StGB) die alte Fassung zur Anwendung kommen oder kann auch die neue Fassung maßgeblich sein, weil die Tat selbst zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch nicht beendet war (Herr Hoeneß soll ja immer noch keine richtige und vollständige Steuererklärung abgegeben und die Steuer nicht vollständig entrichtet haben)?

 

Allerdings dürften auch die Tatbestandsmerkmale der alten Fassung nach der einschlägigen Rechtsprechung des BGH erfüllt sein. Groben Eigennutz kann man wohl nicht ernsthaft verneinen, wie es die Kammer offenbar getan hat.

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@Herr Schmidt:

ad 1.

Nach allem, was man weiß, hat Herr Hoeneß die Voraussetzungen des § 398a AO aber nicht vollständig erfüllt, weder zum Zeitpunkt der Strafanzeige noch zum Zeitpunkt des Urteils.

Das kann ich leider nicht beurteilen, da ich die Einzelheiten nicht kenne - weder die Selbstanzeige im Wortlaut ist mir bekannt, noch ggf. die bestimmten Fristsetzungen der Behörden (auf die es nach dem Wortlaut des § 398a AO ankommt, nicht auf den Urteilszeitpunkt).

ad 2.

Kann man es bei dieser Größenordnung ernsthaft so sehen, daß eine Ausnahme vom Regelfall vorliegt?  Welche Variante greift eigentlich? Die alte Fassung, nach der zum großen Ausmaß auch noch der grobe Eigennutz hinzukommen muß? Oder die neue Fassung, bei der das große Ausmaß genügt?

Ob man das ernsthaft so sehen kann oder nicht, dazu müsste man die Urteilsbegründung im Wortlaut kennen. Bisher weiß ich nur aus zweiter bis dritter Hand (wie ja auch Sie), dass das Gericht § 370 Abs. 3 Nr.1 StGB (angeblich) nicht angewendet hat.  Und es gilt die Tatzeitnorm, also die Zeit, zu dem der Täter die tatbestandsmäßige Handlung begangen hat oder hätte handeln müssen (§ 8 StGB). Die "Beendigung" ist nicht entscheidend.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Das Verfahren wirft auch letztendlich ein Licht auf unsere Gesellschaft : Wer bestimmt was  strafbar ist ? Schaffen sich die, die bestimmen was Straftaten sind, nicht selber angenehme Freiräume? Klar - Uli Hoeness hat gegen das Recht verstossen - jeder kleine Handwerker der 5000 -10000 € UmsatzSteuer nicht ordentlich abfuehrt (auch ohne Hinterziehungsabsichten) bekommt die Wucht des Systems zu spüren. Warum sollte das für Hoeness anders sein?

 

Aber was sind die 27 Mio von Hoeness gegen die Milliarden-Vernichtung durch "Veruntreuung" oder "Mir-Kann-Doch-Nichts-Passieren" Einstellung von Leuten wie Wowereit (BER Flughafen) , Beck (Nürburgring) , Matthäus Meier (Lehman Bros.) - nur einige Beispiele. Von den Zahlungen an Bankvorstände von Pleitebanken die mit ebenfalls den gleichen Staatsgeledern gerettet werden mußten, ganz zu schweigen. Löcher die nun mit Hoeness-Millionen (u.a.) gestopft werden.

Ich glaube dem Rechtsbewusstsein der Bürger entgeht so etwas, dass diese Hoeness Millionen im Steuerausgleich nicht mal "das Schwarze unterm Fingernagel" einer gesellschaftlichen Gruppe in Dland ausmachen, die im Gegensatz zu dem (sicherlich auch nicht ohne gesellschaftlichen Einfluss) Bayern Manager Hoeness eben bestimmen was Recht oder Unrecht ist bzw. wo die Grenzen sind.

Wer also "Sparsam" sein möchte (oder gemeinnützig verschwenderisch) muss eben das Lager wechseln. Da gibts eben statt Haftstrafen Abfindungen und Pensionen.

Es gibt eben noch eine andere Kluft als die zwischen "Arm und Reich". Man mag eben Leuten wie Hoeness auch unterstellen dass ihm dies bewusst ist - seine Mittel aber leider nicht die gleichen - trotz des grossen FCB im Rücken.

 

 

@ Gast,

Sie fragen:

Oder wie genau meinen Sie das mit dem "uausgesprochenen Deal"?

Ich meine nicht, dass hier über das Strafmaß eine explizite Absprache im Hinterzimmer stattgefunden hat (siehe schon oben im Ausgnagsbeitrag), sondern dass hier zur Vermeidung eines erheblich längeren Verfahrens stillschweigend konkludent allseits auf eine detaillierte Aufklärung verzichtet wurde und man sich quasi auf die eingestandene hinterzogene Steuersumme "einigte", ohne dies weiter aufzuklären. Dass jetzt seitens der Verteidigung Revision eingelegt werden soll, scheint nur auf den ersten Blick gegen ein Einverständnis hinsichtlich des Strafmaßes zu sprechen. Aber ob es wirklich zu einer Revision kommt, steht längst nicht fest. Sicherlich wird man sich die schriftlichen Urteilsgründe noch einmal genau anschauen, dann - nach Abklingen des großen medialen Drucks - überlegen, ob die Erfolgsaussichten der Revision wirklich so gut sind, ob sich nicht doch mit der Strafe (Stichwort offener Vollzug mit Freigängerstatus) leben lässt und ob ein Hinauszögern wirklich (auch psychologisch) Sinn macht. Erst nach diesen Überlegungen entscheidet sich dann, ob die Revision tatsächlich betrieben wird.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Strafmaß bei Gemeinwohlverbrechen, hier Steuerhinterziehung im großen Stil: 1 Jahr pro Million?

Spekulanten sind ungerechterweise von Haus aus im Steuervorteil: sie zahlen nur 25% - statt möglicherweise 47,5% "Spitzensteuersatz", Soli und evtl. Kirchensteuer. Im großen Stil funktioniert natürlich nur, wenn entsprechende Gagen - von Gehalt kann man in diesen Fällen ja nicht mehr sprechen - dahinterstehen. Obwohl also auch noch enorme Summen zur Verfügung stehen und ein extremer und ungerechter Steuervorteil durch die Kapitalertragssteuer vorliegt, reicht auch das noch nicht. Diagnosefaktoren: a) maßlose Gier, b) maßlose Ansprüche, c) maßlose Vorstellungen, was man leistet und einem infolgedessen zusteht, d) normative Defizite (Gewissen), e) hohe Abwehr- und Neutralisationsmechanismen, f) sonstige.

Steuerhinterziehung im großen Stil wurde durch die Neoliberalisierung in der Nationalökonomie sehr gefördert. So wurde rücksichts- und verantwortungsloses Wirtschaften mit der Neoliberalisierung (Thatcher, Reagan und ihr ökonomischer Ideologe Milton Friedman) "normal". Gigantische Vermögen und Wirtschaftswerte wurden einzelnen Hasardeuren, wie man sie heute noch im Bankgeschäft zu Abertausenden findet, überlassen, die ihre Macht hemmungslos ausnutzen und es immer noch können. Auswege wurden sowohl gesucht als auch gefunden. Eine der besten Ideen ist zweifellos die Idee der Gemeinwohlökonomie (Felber), die Transaktionssteuer (Tobin-Taxe) und der Postwachstumsansatz, der auf Umstellung abzielet und solche Binsenweisheiten anerkennt, dass die Ressourcen nicht unendlich sind.

Obwohl das Kriterium einer stabilen Gesellschaft und Welt bereits von Aristoteles - den man an dieser Stelle in unseren Gymnasien natürlich nicht lehrt - abschließend formuliert wurde, fehlt immer noch das allgemeine gesellschaftliche Bewusstsein dafür.

Zum Strafmaß Hoeness: Ich kenne einen Fall, der hat auch 3,5 Jahre bekommen, weil er 300.000 Euro hinterzogen hatte. Das ist der Faktor 95. Einen Fußballclub aufbauen, dessen Erfolg nur durch Geld zustande kommt, ist keine Lebensleistung, sondern ein Verbrechen an der Grundidee des Sportes - nämlich eines fairen Kampfes - in dessen Folge Korruption und Bestechlichkeit einkehren, wie wir es nun überall im Geldsport vorfinden.  Geldsport als Lebensleistung?

Neid, Missgunst, Gier, Gerechtigkeit, ...:

http://www.sgipt.org/politpsy/aktuell/pwk/pwk02-48.htm

Gemeinwohlökonomie:

http://www.sgipt.org/lit/deuticke/GemOek.htm

Tobin-Taxe:

http://www.sgipt.org/politpsy/finanz/sv_tobin.htm

Abwehr- und Neutralisationsmechnaismen:

http://www.sgipt.org/forpsy/gewtyp0.htm#3.%20Gewissens-Abwehr%20durch%20...

Staatslehre des Aristoteles:

http://www.sgipt.org/politpsy/staatsl/aris5P8.htm

#15 Sehr geehrter Herr Sponsel, ich finde Ihr Engagement für die Aufklärung zur Psychiatrie bewundernswert. Ich kann auch die moralische Entrüstung zu den Zockerbrigaden und Managergehältern gut nachvollziehen. Aber das sind hauptsächlich politsche und gesellschaftliche Fragen. Ihre Argumente auf die Forensik umgemünzt, würde auch dort moralische Bewertungen als Ersatz für rechtsstaatliches Handeln entschuldigen. Das ist sicher nicht ihr Ziel. Stellen Sie sich einfach Klein-Uli vor, der gelangweilt von Würsten und Pokalen (das ganze Kinderzimmer voll) nach neuen Spielen und Herausforderungen suchte. Frage: Warum hast Du wieder was angestellt? Antwort: Weiß nicht? Jetzt gibt es für Uli halt Stubenarrest. Vollkommen uninteressant. Die eigentliche Show mit XXL-Faktor geht nämlich weiter.
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Irgendwie habe ich ein Problem mit dem Verhältnis Urteilsbegründung und Strafe. Wenn man den normalen Fall der Steuerhinterziehung annimmt reicht der Strafrahmen von Geldstrafe bis zu fünf Jahre Gefängnis. Dann liegen 3,5 Jahre deutlich über der Mitte. Da hier gewichtige Strafmilderungsgründe vorliege (umfassendes Geständnis, keine Vorstrafe) stellt sich mir die Frage, wie hoch denn die Strafe ohne das Geständnis bei Konfiktverteidigung ausgefallen wäre. Denn an der Einordnung als "normale" Steuerhinterziehung kann ja das Prozessverhalten nichts ändern; es würde nur das strafmildernde Geständnis wegfallen, dass Fehlen von Vorstrafen würde aber bleiben.

 

 

Sehr verehrter Professor,

es ist mir durchaus klar, dass die Bevölkerung als auch die Fachwelt von der hohen Geschwindgkeit des Verfahrens sowie der schwindelerrregenden Summen "überfahren" wurde. Mit Abstand betrachtet, wundere ich mich langsam wie dogmatisch unsauber mit der Figur der Selbstanzeige umgegangen wurde, als auch wie sallop das Gericht selbst in der Beweisaufnahme gehandelt hat.

Natürlich deutet das auf einen Deal hin.

Richter Heindl zaubert in der Mittagspause noch schnell den Solidaritätszuschlag aus dem Hut...

Nachdem Feigen den "Fehler" mit der Anerkennung von 27,2 Mio gemacht hat, verhilft Heindl ihm so zu einem Revisionsgrund.

 

Es ist doch so, dass es dem Gericht genauso unmöglich war über Nacht eine korrekte Aufstellung zustande zu bringen wie dem Selbstanzeiger selbst.

 

Wenn man nämlich mal richtig ordentlich nachrechnen würde, was tatsächlich für ein Delta zu einer ordnungsgemässen Steuererklärung vorliegt, dann wage ich zu spekulieren, dass da was im einstelligen Millionenbereich rauskommt.

 

Hoeness hat ja auch ordentlich deklarierte Spekulationsgeschäfte in Deutschland gemacht. Da halt nur mit Verlusten. Wenn er die einzelnen Steuerarten gegenrechnet drückt das das Ganze schon einmal. Verlustvorträge sind meines Erachtens auch zulässig. Diese werden vom Gericht aber bestimmt nicht berücksitigt worden sein.

 

Real kommt am Ende eine ganz andere Summe raus.

 

Und dann steht man da: 28,5 Mio = 3,5 Jahre

                                     vlt. 9 Mio =  x Jahre ?

 

Die haben haargenau gewusst, was die da treiben. Im Gegensatz zu den Theoretikern an der Uni ist der Instanzenzug ja bei Profis Teil der Strategie.

 

Damit ist spieltheoretisch auch klar, dass die StA ebenso Revision einlegen muss, um dem populistischen Strafzorn gerecht zu werden. Anders können die den ja nicht über den zwei Jahren halten.

 

Und das dieses Standgericht reiner Populismus war ist klar. Selbst Frau Wolff redet ganz gegen ihre eigene Natur von verbotenen Vernehmungsmethoden.

 

Die haben uns vor aller Augen verarxxxt.

 

 

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Ich bin gespannt wie der Ulli seine 28,5 Mio € Steuerschuld in welcher Zeit zurückzahlt.

Was wäre wenn er so viel gar nicht mehr hat ?

Kann man so eine Summe auch absitzen im Gefängnis ?

 

 

 

 

0

Gerade liest man, dass Herr Hoeness keine Revision einlegen will. Da bietet sich die Vermutung an, dass es eine Absprache mit der StA gibt, dass keiner Rechtsmittel einlegt. Die Sache ist schon seltsam.

Ganz so seltsam finde ich das Verhalten von Uli H. nicht. Dies gilt unabhängig von der Frage, die m.E. ohne weitere Kenntnisse nicht seriös beantwortet werden kann, ob es ein stillschweigendes Einverständnis gegeben hat.

 

Denn die öffentliche Meinung dürfte sich klar gegen Uli H. gedreht haben. Dies konnte er nur stoppen bzw. sogar ändern, indem er das Urteil akzeptiert und weiter den reuigen Sünder gibt. Ob er dies ist, kann ich selbstverständlich nicht beurteilen.

 

Eine weitere Diskussion in der Öffentlichkeit hätte sein Lebenswerk und auch den FC Bayern noch stärker beschädigt.

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@Gast Nr. 18:

10 Millionen hat er ja gleich mit der Selbstanzeige bezahlt, 5 Mio sollen als Kaution hinterlegt sein im Zusammenhang mit dem Haftbefehl, also sind schon mal mehr als 50 % einigermaßen gesichert.

 

Diejenigen, die umrechnen, was es pro € an Freiheitsstrafe gibt, tun das ja auch nicht bei sonstigen Delikten. Diebstahl  von 50 € und 5 Tagessätze Geldstrafe = 10 €/Tag, Diebstahl von 10.000 € gibt dann 1000 Tage = knapp 3 Jahre, also über der Hälfte des gesetzlichen Strafrahmens? 
Strafmaßvergleiche sind nun einmal schwierig.

In Frankfurt gab es für mindestens 230 Millionen Umsatzsteuerhinterziehung maximal 7 Jahre 10 Monate. Und das war eine organisiert mit Scheinfirmen agierende Bande. (siehe Zeit: Mehrjährige Haftstrafen für Betrug mit CO2-Zertifikaten). Frohes Umrechnen!

 

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Was Uli an Steuern und Zinsen wird nachzahlen müssen hat mit den 7 oder 28 Mios aus dem Prozess nichts zu tun. Hier waren nur 5 Jahre relevant. Für die abzuführenden Steuern und Zinsen kommen weitere 5 Jahre rückwaärts hinzu. Strafrelevant und steuerrelevant sind zwei Paar Schuhe! 

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@Herrn Manthe,

Sie schreiben:

Gerade liest man, dass Herr Hoeness keine Revision einlegen will. Da bietet sich die Vermutung an, dass es eine Absprache mit der StA gibt, dass keiner Rechtsmittel einlegt. Die Sache ist schon seltsam.

Das Verhalten von Herrn Hoeneß ist überhaupt nicht "seltsam". Es war m.E. vorhersehbar (deshalb ja auch meine Kritik an Udo Vetter, im ersten Kommentar s.o.): Herr Hoeneß war doch offenbar von Anfang an daran interessiert, dass sich das Verfahren nicht quälend lange hinzieht. Insofern gab es eine ("stillschweigende") Übereinkunft (Prantl nennt es Deal) oder auch Interessengleichheit mit Gericht und StA, das Verfahren nicht zeitlich aus dem Ruder laufen zu lassen.

Insofern wäre ein monatelanges Bangen, ob die Revision erfolgreich ist bzw. (bei Erfolg der Revision!), ein weiteres monatelanges Bangen mit anschließender deutlich längerer neuer Hauptverhandlung, die keinesfalls ein erheblich geringeres Strafmaß garantiert, kaum erträglicher, als jetzt den in der Öffentlichkeit als "ehrenhaft" angesehenen  Zug zu machen, das im Strafmaß vergleichsweise durchaus angemessene/milde Urteil zu akzeptieren.

Zu diesem Schritt bedurfte es keiner Absprache, auf Rechtsmittel zu verzichten. Ich halte den Schritt für logisch nachvollziehbar.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

@Prof. Müller

Wenn "the proof of the pudding in the eating" ist, dann kann Ihre These, "es bedurfte keiner Absprache, auf Rechtsmittel zu verzichten", gegenwärtig bei Stand des Wissens nicht falsifiziert werden. Anders wäre es, wenn die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Revision einlegte (bis 19. Feber 2014). Das wär dann ein (schwaches) Indiz für die These. Es gäb noch eine dritte Deutungsvariante, aber die bleibt jetzt mal bewußt draußen vor. Besten Gruß, T. Hausen

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@Prof. Müller, Ihre Bewertung erweist sich nun als richtig, auch Ihre Lageskizze zur Praxis 42 Monate St. Adelheim, die dann faktisch auf 21 Monate, und, weil Erstverurteilung, "Freigang" und in der zweiten Halbzeit "Heimschläfer-Status ist richtig. Vermutlich sollte die Kuh schnell vom Eis, weil die von der Staatsanwaltschaft angekündigte BGH-Revision bessere Annahmechancen hat(te) und weil irgendjemand inzwischen dem Ex-Bayern-München-Präsidenten Ullrich H. gesteckt hat, daß die Höchststrafe immer noch 10 Jahre ist ...

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@ Professor Müller: Das seltsam war auch nicht nur auf das Verhalten des Herrn Hoeness bezogen, sondern auf den Ablauf. Der Rücktritt war vorhersehbar, da haben sie recht. Der Verzicht auf die Rechtsmittelmöglichkeit hingegen nicht, denn theoretisch kann noch die StA in Revision gehen und dann hat er wenig eigene Möglichkeiten. Ich sehe nicht, was er verliert wenn er mit der Entscheidung wartet, aber vielleicht sehe ich es zu theoretisch. So wird die Sache in Bayern bleiben.

 

Staranwalt Strate: "Hoeneß kann sich über Urteil freuen" (Hamburger Abendblatt)

"In Bayern gibt es bei diesen Hinterziehungssummen in der Regel eine Freiheitsstrafe zwischen acht bis zehn Jahren", sagte Strate dem Hamburger Abendblatt.
Zum Verzicht Hoeneß' auf Revision sagte Strate: "Das ist für mich ein untrüglicher Hinweis auf informelle Absprachen." So relaxt, wie sein Verteidiger agiert habe, als die Summe der hinterzogenen Steuern von 3,5 Millionen Euro auf 27 Millionen Euro hochgerechnet wurde, könne man sich eigentlich nur verhalten, wenn man "den Sturm schon hinter sich und sein Schiff bereits in den Hafen gesteuert hat". "Wenn auch mit einigen Leckagen", hob Strate im Abendblatt hervor.

 

Die Steuerhinterziehung ist in Deutschland eine Steuerstraftat, die nach § 370 der AO mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe geahndet wird.

Ist das falsch ?

In Bayern gibt es bei diesen Hinterziehungssummen in der Regel eine Freiheitsstrafe zwischen acht bis zehn Jahren", sagte Strate dem Hamburger Abendblatt (Wochenend-Ausgabe).

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@Herr Lippke, Sie schreiben:

Wie ist die unabhängig kommentierende Instanz "Rechtswissenschaft" zu verstehen? Als Rechtsorgan? Was macht sie unabhängig vom Gesetzgeber (Bindung an Gesetze) und der Rechtsprechung (Rechtsfortbildung)?

Die Rechtswissenschaft ist kein Rechtsorgan. Und genau das macht sie unabhängig von Gesetzgeber und Rechtsprechung. Art. 5 Abs.3 GG.

 

@Gast: das Strafmaß ist nach § 370 Abs.3  6 Monate bis 10 Jahre, dies gilt bei hohen Summen "in der Regel".

 

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Die SPD will Konsequenzen aus dem Fall Hoeneß ziehen und die strafbefreiende Selbstanzeige abschaffen: Vizechef Carsten Schneider verlangt für Steuerbetrüger härtere Strafen und höhere Strafzuschläge. SPD-Chef Gabriel nimmt die Schweizer Banken in die Pflicht. Sie müssten jetzt "alles offen" legen.

 

http://www.heute.de/

 

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Welche Konsequenz soll das sein ? Haftstrafen auch für Verschwender von Steuergeldern (vor allem in der eigenen Partei - einige Namen wurden hier ja schon genannt). Interessant ist dass in Spanien es derzeit eben genau gegen Politiker Haftstrafen gibt, denen unterstellt werden muß (nachgewiesen) , dass sie etwas "zu leichtfertig" mit Steuergeldern umgegangen sind ... gut. Vielleicht würde dann auch die Einstellung des Steuerbürgers sich ändern...u.a. in Deutschland. Denn gesäht wird diese "Basis-Einstellung" zum Thema Steuern genau an dieser Stelle ... keiner wird als "Steuerhinterzieher" geboren - er lernt es... von wem ??

Sehr geehrter Prof. Dr. Müller,

herzlichen Dank für den Hinweis auf das GG. Man sollte das öfter lesen und am besten im Gerichtssaal immer dabei haben. Allerdings habe ich gehört, dass dies auch als querulantische Unbotmäßigkeit empfunden werden kann.

Sie schreiben: "Die Rechtswissenschaft ist kein Rechtsorgan. Und genau das macht sie unabhängig von Gesetzgeber und Rechtsprechung. Art. 5 Abs.3 GG."

OK kein Rechtsorgan, sie handeln also nicht als juristische Person und haben keine Ermächtigungen als solche zu handeln.

Der Zusammenhang war: "Allerdings gibt es gewisse - wissenschaftssystematische - Vorbehalte gegen die quasi-offizielle Kommentierung durch Richter der höchsten Instanzen, denn dadurch wird die Rechtswissenschaft als unabhängig kommentierende Instanz praktisch  "umgangen"."

Wenn ich zusammenführe: Wenn kein Rechtsorgan aber Instanz, dann ist hier Instanz nicht im Sinne des Instanzenzuges oder formaler Teil des Rechtssystems gemeint, sondern das informelle Selbstverständnis des Dazugehörens. So wie z.B. der Bundespräsident eine begleitende First Lady hat, ohne das dies formal geregelt wäre. Sie zu übergehen, wäre formal nicht sanktioniert, aber mehr als unhöflich.

Die Unabhängigkeit vom Gesetzgeber und der Rechtsprechung leiten Sie aus Art. 5 Abs.3 GG ab. Im Satz 2 des Abs.3 wird die Freiheit aber etwas eingeschränkt: Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Begrenzt dieser Teil die Freiheit nicht wieder auf die in Abs. 2 genannte Schranke der Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Wo ist das Mehr des Abs. 3 gegenüber dem Abs. 1 und 2, das gerade die Rechtswissenschaften unabhängig macht, die ja die Vorschriften der allgemeinen Gesetze zum Objekt der wissenschaftlichen Untersuchung hat? Wäre es zumindest theoretisch möglich, dass auf der einen Seite die Rechtswissenschaft und auf der anderen Seite Gesetzgeber/Rechtsprechung grundsätzlich divergieren? Würde die Rechtswissenschaft dann nicht u.U. gegen Abs. 2 verstossen. Zum Beispiel, wenn bestehende Gesetze nicht als Ausgangspunkt rechtswissenschaftlicher Überlegungen oder Kommentare akzeptiert werden, ohne das gleich eine Verfassungswidrigkeit des Gesetzes vorliegt? Liegt der Unterschied zu sonstigen natürlichen Personen möglicherweise gerade darin, dass Sie die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen überprüfen lassen können, ohne direkt betroffen zu sein? Ist die Unabhängigkeit der Rechtswissenschaften eher informell als formal geregelt?

Freundliche Grüsse

Lutz Lippke

2

Der Verdacht (Joachim Jahn, FAZ)

Hoeneß’ Verzicht auf Rechtsmittel nährt einen schlimmen Verdacht: Das Urteil des Münchner Landgerichts, mit dem er zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, war möglicherweise zu milde. Der Fußballfunktionär und Wurstfabrikant hatte noch in der Verhandlung den Eindruck erweckt, nur widerstrebend alle Karten auf den Tisch zu legen. Dass er nun über Nacht zu dem Schluss gekommen sein sollte, er habe eine Freiheitsstrafe verdient, scheint wenig wahrscheinlich. Schließlich hatte sein Verteidiger auf eine Einstellung des Verfahrens (und „hilfsweise“ auf eine Bewährungsstrafe) plädiert.
Was Hoeneß vor einer Revision in Karlsruhe zurückschrecken lässt, ist wohl eher die Angst, dass es dann noch schlimmer für ihn kommen könnte. Denn es ist gut vorstellbar, dass die Bundesrichter eine ähnlich strenge Elle anlegen wie die Staatsanwaltschaft, die zwei Jahre Knast mehr gefordert hatte. Und womöglich fände eine andere Strafkammer bei einer Neuauflage des Prozesses noch weitere Leichen im Keller: Dass Hoeneß unmittelbar vor der Verhandlung weitgehend unsortierte Berge von Kontounterlagen einreichte und die Richter diese dann in einem Turboprozess von nur vier Tagen prüften, lässt das nicht als undenkbar erscheinen.
Da kann man nur an die Staatsanwaltschaft appellieren, ihrerseits in die Revision zu gehen.
[...]

 

Mein Name schrieb:

Dass Hoeneß unmittelbar vor der Verhandlung weitgehend unsortierte Berge von Kontounterlagen einreichte und die Richter diese dann in einem Turboprozess von nur vier Tagen prüften, lässt das nicht als undenkbar erscheinen.
Da kann man nur an die Staatsanwaltschaft appellieren, ihrerseits in die Revision zu gehen.
[...]

 

Vielleicht hat Hoeneß Verteidigung nur einen schrägen, strategischen Humor gehabt.

Wenn das Gericht es schafft aus dem Wust über Nacht ein wirksames Urteil zu zimmern, wieso soll das für die Selbstanzeige plötzlich nicht mehr gelten?

 

Bei diesem Urteil hat Heindl nicht an Gerechtigkeit gedacht, sondern einfach nur an sich.

5

Sehr geehrter Herr Lippke,

zugegeben ist es schwer Ihrer Argumentation zu folgen. Und wir bewegen uns hier weit off topic, dennoch möchte ich antworten. Was Sie sagen sind überwiegend Selbstverständlichkeiten, aber einigen Ihrer Schlussfolgerungen ist zu widersprechen.

Wenn ich zusammenführe: Wenn kein Rechtsorgan aber Instanz, dann ist hier Instanz nicht im Sinne des Instanzenzuges oder formaler Teil des Rechtssystems gemeint, sondern das informelle Selbstverständnis des Dazugehörens.

Ja.

So wie z.B. der Bundespräsident eine begleitende First Lady hat, ohne das dies formal geregelt wäre.

Ja, wenn Sie es so ausdrücken wollen.

Die Unabhängigkeit vom Gesetzgeber und der Rechtsprechung leiten Sie aus Art. 5 Abs.3 GG ab. Im Satz 2 des Abs.3 wird die Freiheit aber etwas eingeschränkt: Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Ja, aber die Lehre ist nur ein Teil der Rechtswissenschaft.

Begrenzt dieser Teil die Freiheit nicht wieder auf die in Abs. 2 genannte Schranke der Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Wo ist das Mehr des Abs. 3 gegenüber dem Abs. 1 und 2, das gerade die Rechtswissenschaften unabhängig macht,

Unverständlich.

die ja die Vorschriften der allgemeinen Gesetze zum Objekt der wissenschaftlichen Untersuchung hat?

Die Rechtswissenschaft ist eben nicht nur an die geltenden Gesetze gebunden, sondern kann z.B. Gesetze kritisieren und auch andere Gesetze vorschlagen.

Wäre es zumindest theoretisch möglich, dass auf der einen Seite die Rechtswissenschaft und auf der anderen Seite Gesetzgeber/Rechtsprechung grundsätzlich divergieren?

Ja, nicht nur theoretisch, sondern zig-tausende Male im Jahr.

Würde die Rechtswissenschaft dann nicht u.U. gegen Abs. 2 verstossen.

Nein.

Zum Beispiel, wenn bestehende Gesetze nicht als Ausgangspunkt rechtswissenschaftlicher Überlegungen oder Kommentare akzeptiert werden, ohne das gleich eine Verfassungswidrigkeit des Gesetzes vorliegt?

Nein.

Liegt der Unterschied zu sonstigen natürlichen Personen möglicherweise gerade darin, dass Sie die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen überprüfen lassen können, ohne direkt betroffen zu sein?

Nein. Die Rechtswissenschaft kann prüfen, aber nichts "überprüfen lassen". Ihr Instrument ist das argumentierende Wort, nicht die Klage und nicht das Urteil. Das ist es ja gerade, was ich für problematisch an Richter-Kommentaren halte: Richter haben schon genug Macht durch ihre Entscheidungen. Aber man kann ihnen das Kommentieren natürlich nicht verbieten.

Ist die Unabhängigkeit der Rechtswissenschaften eher informell als formal geregelt?

Nein. Unabhängig bedeutet eben unabhängig von (prozessualen) Regeln. "Informelle Regeln", das  ist ein Pleonasmus.

Der Preis ist (oft) Bedeutungslosigkeit, weil weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung auf Wissenschaftler hören müssen, oder nur dann, wenn die Ansicht "genehm" ist.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Prof. Dr. Müller,

ich danke Ihnen herzlich für die Aufklärung. Nachdem ich mir Pleonasmus mit Wortreichtum ohne Informationsgewinn erklären konnte, sind meine Fragen beantwortet. Danke!

Herzliche Grüsse

Lutz Lippke

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Henning Ernst Müller schrieb:

Sehr geehrter Herr Lippke,

............

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Sehr geehrter Herr Professor Müller, ich verweise auf Ihren beitrag oben, aktuell #1 auf dieser Seite, den ich wegen seiner Länge nicht zitiere, aus dem ich aber einen wesentlichen Inhaltspunkt so fasse: Die von Ihnen vertretene Rechtswissenschaft ist unabhängig von Rechtsprechung und hat vollständige Freiheit betreffend Kritik und Vorschlagswesen selbst bezogen auf die Gesetze.

 

Sehr geehrter Herr Professor Müller, wie erklären Sie es vor diesem Hintergrund, dass trotz offenkundig verbreiteter Entgleisungen der Rechtspraxis so wenig Kritik von den Vertretern der Rechtswissenschaft geäußert wird, wie, dass es nicht einmal einen einzigen Vertreter der Rechtswissenschaft gibt, der von grundsätzlichen Fehlern des Rechtssystems redet?

 

Mit Besten Grüßen

R. Martinez

 

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R. Martinez schrieb:
 dass es nicht einmal einen einzigen Vertreter der Rechtswissenschaft gibt, der von grundsätzlichen Fehlern des Rechtssystems redet
Dann haben Sie aber nicht einmal gegoogelt ... hier nur ein Beispiel von vielen.

Mein Name schrieb:

R. Martinez schrieb:
 dass es nicht einmal einen einzigen Vertreter der Rechtswissenschaft gibt, der von grundsätzlichen Fehlern des Rechtssystems redet
Dann haben Sie aber nicht einmal gegoogelt ... hier nur ein Beispiel von vielen.

 

Seit wann sind Staatsanwälte Vertreter der Rechtswissenschaft?

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Wenn das Gericht den besonders schweren Fall einer Steuerhinterziehung verneint hat, müsste dann nicht die Verjährungsfrist für den normalen Fall zur Anwendung kommen?! Beträgt diese dann nicht fünf Jahre?

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@ Gast2 #38:

5 Jahre gilt nur für leichtfertige Verkürzung, nicht für Hinterziehung (§ 169 (2) AO)

@Mein Name, ich widerspreche nur ungern:

Zur Verjährung des § 370 AO: Nach § 78 Abs.3 Nr.4, Abs.4 StGB beträgt sie eigentlich nur 5 Jahre, allerdings gilt seit 2008 § 376 AO, d.h. die 10jährige Verjährung ist speziell für alle bes. schw. Fälle nach § 370 Abs.3 AO geregelt. Zur konkreten Anwendung vgl. dieses BGH-Urteil aus dem vergangenen Jahr (BGH 1 StR 73/13): Es kommt für die Verjährung nicht auf die konkrete Anwendung an, sondern ob § 370 Abs.3  AO hätte angewendet werden können. Die Verjährung beginnt mit dem Steuerbescheid für das Jahr, für das die Steuer hätte entrichtet werden müssen.

Die strafrechtliche Verjährung ist von  der steuerrechtlichen Festsetzungsfrist zu unterscheiden.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

@Mein Name:

Sie verwechseln die Festsetzungsfrist für die Besteuerung (die ist in 169 AO geregelt) mit der Verjährung der Steuerstraftaten, die in § 376 AO und im StGB  geregelt ist. 

 

@Gast Nr 38: Nein, auch wenn das Gericht im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung nicht zu einem besonders schweren Fall kommt, gilt die 10jährige Verjährungsfrist des 376 AO , da es alleine auf die Frage ankommt, ob eine der typisierten Begehungsweisen des besonders schweren Falles vorliegt (BGH 1 StR 73/13).

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Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

entschuldigung, als #1 wurde Ihr Beitrag während des Abfassens meiner Antwort angezeigt - Ihr Beitrag, auf den ich mich soeben bezog, hat aktuell die #36 !

 

Mit Besten Grüßen

R. Martinez

 

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@ Gast #43:

Auch in Deutschland stehen Politiker vor Gericht, die leichtfertig mit Steuergeldern umgehen: Nürburgring-Prozess in Koblenz - Anklage fordert vier Jahre Haft für Deubel

Und auch wenn Sie es kaum glauben mögen: auch in einer so "idealen" Steuerzahlerwelt wie der Schweiz gibt es Schweizer, die dort Steuern hinterziehen. Steuerhinterziehung ist keine "Selbstverteidigung", auch wenn das die Kriminellen gerne so darstellen möchten - es ist Habgier.

Ich verstehe das Hoeneß-Strafmaß nicht. Mir hilft da auch kein Vergleich zu dem, was in der Praxis üblich ist. Denn das verstehe ich noch weniger. Ich bezweifle auch, dass ich Brauchbares in der schriftlichen Urteilsbegründung finden werde.

Wenn es um Schuldausgleich (46 StGB) geht, dann erscheint die archaische Formel Gleiches mit Gleichem zu vergelten (erwidern, heilen, tilgen) wenigstens bei Vermögensdelikten für geeignet. Einen Vermögenseingriff mit einem Vermögenseingriff zu vergelten, das wäre doch ok, oder nicht?

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