Große Verunsicherung unter Syndikusanwälten

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 30.04.2014

Das BSG hat mit drei Urteilen vom 3.4.2014 (B 5 RE 3/14 R u.a.) für eine große Verunsicherung unter den rund 40.000 Syndikusanwälten in Deutschland gesorgt. Bislang waren diese Unternehmensjuristen in der Regel nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, sondern im Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Das erleichterte den Wechsel z.B. von einer Anwaltskanzlei in ein Unternehmen und sorgte für eine geschlossene Rentenbiographie im Anwaltsversorgungswerk. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV Bund) befreite die Betroffenen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von ihrer Versicherungspflicht, wenn sie im Unternehmen rechtsberatend, -entscheidend, -gestaltend und -vermittelnd tätig waren.

Neufassung des Befreiungstatbestandes 1995

Zur Überzeugung des BSG war diese Praxis zu großzügig. Seit einer Gesetzesänderung im Jahre 1995 durften von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nur befreit werden

Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind

und wenn weitere (hier unproblematische) Voraussetzungen erfüllt sind.

Zwei-Berufe-Theorie

Zur Überzeugung des BSG seien Syndikusanwälte jedoch nicht "wegen" ihrer Tätigkeit für das Unternehmen im Anwaltsversorgungswerk versichert. Vielmehr übten sie zwei Berufe aus: die abhängige Beschäftigung im Unternehmen und als Nebentätigkeit den Beruf als Rechtsanwalt (sog. Zwei-Berufe-Theorie). Damit könnten Sie nur wegen ihrer Nebentätigkeit (die sich typischerweise auf Rechtsberatung und -vertretung im Familien- und Freundeskreis beschränkt) Mitglied im Rechtsanwaltsversorgungswerk sein, in ihrem Hauptberuf gehörten sie in die gesetzliche Rentenversicherung.

Finanzielles Risiko von über 50.000 Euro pro Syndikusanwalt

Die Entscheidung führt nicht nur für die betroffenen Syndikusanwälte, sondern auch für deren Arbeitgeber zu großer Rechtsunsicherheit. Sie fragen sich, ob sie künftig Rentenversicherungsbeiträge für ihre Beschäftigten entrichten und im Gegenzug die Beitragszahlung an das Anwaltsversorgungswerk einstellen müssen. Da die meisten Betroffenen über der Beitragsbemessungsgrenze verdienen, beläuft sich das finanzielle Risiko für jeden Mitarbeiter monatlich auf (5.950 Euro x 18,9% Beitrag =) 1.124,55 Euro. Die Beitragsansprüche der Rentenversicherungsträger verjähren erst in vier Jahren, sodass das Gesamtrisiko pro Mitarbeiter bei fast 54.000 Euro liegt.

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39 Kommentare

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Der Aufruf des BUJ wurde, soweit ich mich erinnere, schon auf Beck Online veröffentlicht (ein Link dazu wäre vielleicht nicht schlecht). Leider befürchte ich, dass der BUJ mit der derzeitigen Strategie nichts an der Lage der Syndikusanwälte wird ändern können. Nach meinem Gefühl haben Sie kaum Rückhalt aus der Anwaltschaft (Kammern/Versorgungswerke) zu erwarten. Damit dürfte die Lobbyarbeit in Berlin schwer werden. Statt sich hier (vergeblich) Verbündete suchen zu wollen, sollte der BUJ viel eher auf die Unternehmen zugehen. Die werden nämlich die wahren Leidtragenden sein, wenn die Syndicies ihre Zulassung tatsächlich zurück geben und sich jedes Unternehmen Rechtsrat wird teuer einkaufen müssen. Ferner wüsste ich nicht, warum ich aus einer mittelständischen- oder Großkanzlei in ein Unternehmen wechseln sollte. Das Anwerben von Topjuristen dürfte damit in Zukunft für Unternehmen schwierig werden.

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Dass den Versorgungswerken unser Schicksal gleichgültig ist, wage ich zu bezweifeln. Denn das Urteil des BSG bedeutet, sieht man sich den bislang allein vorliegenden Terminsbericht an, nichts anderes, als dass JEDER angestellte Rechtsanwalt nicht mehr von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden kann, weil es alleine auf die Weisungsabhängigkeit ankommt. Damit fallende tausende zuverlässig zahlende Beitragszahler weg, die alle Beiträge rund um die Beitragsbemessungsgrenze eingezahlt haben.

Dass den Kammern unser Schicksal egal ist, überrascht nicht. Ich selbst habe von der Kammer nichts, bis auf den Umstand jährlicher Kontoplünderungen wegen des Beitrags. Warum sollten die jetzt aus ihrem Tiefschlaf erwachen?

Eine breite Öffentlichkeit wird erst aufmerksam werden, wenn auch die Versorgungswerke der Ärzte, Architekten, Apotheker usw. in die Knie gehen werden. Das Bundessozialgericht hat nicht anderes getan als das, wozu die Politik nie den Mut hatte: Es hat die berufsständische Versorgung in eine schwere Krise gestürzt, um vermeintlich gute Risiken in die gesetzliche Rente zu zwingen.

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> Denn das Urteil des BSG bedeutet, [...] dass JEDER angestellte Rechtsanwalt nicht mehr von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden kann, weil es alleine auf die Weisungsabhängigkeit ankommt.

 

Ja, das lese ich aus eurer Feder ständig zum Thema. Bei sachgerechter Auslegung des bisher bekannten Wortlauts kommt es aber nicht auf angestellt, freiberuflich an, sondern darauf, ob der Jurist gegenüber dem Mandanten weisungsanhängig ist. Ein in einer Kanzlei angestellter Anwalt ist gegenüber der Kanzlei weisungsabhängig, aber nicht gegenüber dem Mandaten. Das ist aber mit dem Leitbild des freien Mandats vereinbar, der Justiziar ist es nicht.

 

So ausgelegt, ist die Entscheidung gut nachvollziehbar.

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Naja, abgesehen von meinen persönlichen Interessen scheint mir der BSG Ansatz nicht unvernüftig zu sein, nämlich beitragsstarke Zahler nicht aus der Solidargemeinschaft auszugliedern.

Allerdings kann ich mir vorstellen, dass es für Unternehmen sinnvoll werden kann, eigene Anwaltskanzleien zu gründen, die nur mit der Beratung des Unternehmens befasst sind, also Deutsche Bank Ra Gellschaft usw.

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Ich schrieb:

Allerdings kann ich mir vorstellen, dass es für Unternehmen sinnvoll werden kann, eigene Anwaltskanzleien zu gründen, die nur mit der Beratung des Unternehmens befasst sind, also Deutsche Bank Ra Gellschaft usw.

In der dann aber keine angestellten Anwälte beschäftigt werden dürfen, weil die weisungsabhängig sind. Ob insgesamt eine Kanzlei, die nur für eine Mandanten arbeitet, die erforderlichen Kriterien zu erfüllen oder nicht vielmehr das BSG auch dieses Umgehungsgeschäft kassiert, bleibt dann abzuwarten.

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Ich schrieb:

Naja, abgesehen von meinen persönlichen Interessen scheint mir der BSG Ansatz nicht unvernüftig zu sein, nämlich beitragsstarke Zahler nicht aus der Solidargemeinschaft auszugliedern.

Dieses Argument - meistens gRV-versicherten angeführt - finde ich allerdings ziemlich unpassend. Schließlich wurde den gut verdienden Anwälten früher der Weg in die gRV versperrt, da sie bei ihren häufig hohen Einkünften zu zu hohen Rentenzahlungen geführt hätten. Da sollten sie doch bitte selbst Vorsorge treffen. Nachdem sich dann die Versorgungswerke etabliert haben und häufig zu ziemlich hohen Versorgungsbezügen - verglichen mit der gesetzl. Rente - führen, kam bei den gRV-Versicherten der Neidreflex auf und die Rentenversicherung wollte plötzlich auch ein möglichst großes Stück vom Einkommens-Kuchen haben, so dass die Befreiung immer schwieriger wurde.

Wenn man das ganze dt. Versorgungssystem inkl. Beamtenversorgung verändern würde, wäre das - wenn ordentlich gemacht (was bei unseren Politikern unwahrscheinlich ist)- ok. Wenn man ab einem bestimmten Stichtag die Versorgungswerke schließen würde (sofern das Vorgehen nicht zu einem finanziellen Kollaps führt)-auch ok. Aber den Syndikusanwälten, insbesondere denen, die noch befreit sind oder Vertraueensschutz genießen, quasi jegliche berufliche Wechselmöglichkeit für den Rest des Lebens zu verbauen, wenn sie eine "gesplittete Versorgungsbiografie" vermeiden wollen, ist völlig unverhältnismäßig. Und das, nur um die gRV (die mit der schwachsinnigen Mütterrente wieder viel Geld verprassen wird) als "Solidargemeinschaft" zu stützen, die früher so "solidarisch" war, von Anwälten eine eigene Altersvorsorge zu verlangen.

Schön auch, dass die Entscheidung von den finanziell zu Dienst- und Pensionszeiten bestens versorgten BSG-Richtern kommt, die sich nach einschlägigen Berichten durch außerdienstliche Tätigkeiten noch ein sehr üppiges Zubrot verdienen, aber dann nicht nur weltfremd sondern auch sehr einseitig zu Lasten einer Berufsgruppe urteilen und denen persönliche Bereicherung auf Kosten der Solidargemeinschaft vorwerfen.

 

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Schön auch, dass die Entscheidung von den finanziell zu Dienst- und Pensionszeiten bestens versorgten BSG-Richtern kommt, die sich nach einschlägigen Berichten durch außerdienstliche Tätigkeiten noch ein sehr üppiges Zubrot verdienen, aber dann nicht nur weltfremd sondern auch sehr einseitig zu Lasten einer Berufsgruppe urteilen und denen persönliche Bereicherung auf Kosten der Solidargemeinschaft vorwerfen.

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Sie sprechen mir mit diesem Kommentar aus der Seele

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KH schrieb:
Schön auch, dass die Entscheidung von den finanziell zu Dienst- und Pensionszeiten bestens versorgten BSG-Richtern kommt, die sich nach einschlägigen Berichten durch außerdienstliche Tätigkeiten noch ein sehr üppiges Zubrot verdienen, aber dann nicht nur weltfremd sondern auch sehr einseitig zu Lasten einer Berufsgruppe urteilen und denen persönliche Bereicherung auf Kosten der Solidargemeinschaft vorwerfen.
Beamter oder nicht - ich bin auf Ihre Argumentation gespannt, wie Sie - entgegen dem Gesetzestext - hier ein anderes Urteil als das des BSG begründen werden.

Wo war Ihr Aufschrei, als gesamtgesellschaftliche Lasten wie die Mütterrente auf die Schultern nur der Rentenbeitragszahler geladen wurden anstatt auf die der gesamten Bevölkerung?

Die DRV hat nun bereits - ohne Abwarten der Urteilsbegruendung - damit begonnen, Ablehnungsbescheide zu verschicken. Betroffen von den Ablehnungsbescheiden sind auch die sogenannten Altfaelle (AG-Wechsel vor 2012), fuer die die DRV noch im Januar einen gewissen Vertrauensschutz zugesagt hat. Die Begruendung der Ablehnung ist bei Altfaellen und 'Neubeantragungen' scheinbar identisch und basiert auch optisch auf einem einzigen Textbaustein. Betroffene sollten in jedem Fall im Hinblick auf eine mögliche Klage vor dem BVerfG und im Hinblick auf die noch ausstehende Begruendung des BSG zum Vertrauensschutz Widerspruch einlegen.

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Im Rahmen des Vertrauensschutzes ist zu beruecksichtigen, dass es zahlreiche Juristen gibt, die in der Vergangenheit (vor 2005) einen Befreiungsbescheid erhalten haben, nicht jedoch fuer die aktuelle Taetigkeit. Dies ergibt sich aus der Veroeffentlichung der Dt. Rentenversicherung auf deren Website. Erst 2005 hat das BSG dazu ausgefuehrt, dass erteilte Befreiungen taetigkeits- nicht personenbezogen seien. Diese Juristen haben formal einen Befreiungsbescheid und materiell haette ihnen ein solcher auch materiell nach der bisherigen Rechtsprechung fuer die Taetigkeit nach Wechsel der Taetigkeit erteilt werden muessen, waere nur ein Antrag gestellt worden. Im Baurecht gilt ein Bestandsschutz auch dann, wenn ein Objekt zu irgendeinem Zeitpunkt materiell genehmigungsfaehig war.

Wie im Baurecht gilt auch hier, dass in den oben beschriebenen Faellen Vertrauensschutz zu gewaehren ist.

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Die DRV hat nun bereits - ohne Abwarten der Urteilsbegruendung - damit begonnen, Ablehnungsbescheide zu verschicken. Betroffen von den Ablehnungsbescheiden sind auch die sogenannten Altfaelle (AG-Wechsel vor 2012), fuer die die DRV noch im Januar einen gewissen Vertrauensschutz zugesagt hat. Die Begruendung der Ablehnung ist bei Altfaellen und 'Neubeantragungen' scheinbar identisch und basiert auch optisch auf einem einzigen Textbaustein. Betroffene sollten in jedem Fall im Hinblick auf eine mögliche Klage vor dem BVerfG und im Hinblick auf die noch ausstehende Begruendung des BSG zum Vertrauensschutz Widerspruch einlegen.

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Wieso Vertrauensschutz? Das Gesetz gilt seit 1995 und wer es nicht befolgt, hat die Risiken selbst zu tragen. Oder gibt es eine BSG-Entscheidung, die die bisherige Praxis erlaubt hätte? Die bloße Anwendung der nichtigen CGZP-Tarifverträge durch die Arbeitgeber hat auch keinen Vertrauensschutz geschaffen.

@Prof. Rolfs: Sie meinen sicher "... dürften von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nur befreit werden ..."

Aus der Pressemeldung des BSG zum Urteil vom 4.3. geht hervor, dass das BSG auch zum Vertrauensschtz und der Reichweite des Vertrauemsschutzes Stellung nehmen wird. Es ist also davon auszugehen, dass ein gewisser Vertrauemstatbestand zu beruecksichtigen sein wird.

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@ Mein Name

Danke für den Hinweis. Text ist geändert.

Vertrauensschutz: Die Betroffenen sind ja bislang durch die DRV Bund (bzw. früher die BfA) von der Versicherungspflicht befreit worden, wenn sie die vier Kriterien (Rechtsberatung, -entscheidung, -gestaltung und -vermittlung) erfüllt haben. Diese Befreiungsbescheide sind Verwaltungsakte (§ 31 SGB X), und auf deren Bestandskraft darf man vertrauen.

Ich habe heute selbst einen Ablehnungsbescheid der BFA auf meinen Befreiungsantrag erhalten.

Es handelte sich um einen erzwungenen Arbeitgeberwechsel in 2013 - mein Arbeitgeber wurde im Sommer 2013 von der Muttergesellschaft geschlossen.

Der Befreiungsantrag stammt aus September 2013 - der Bescheid ging erst heute ein. Tätig beim neuen Arbeitgeber als in allen rechtlichen Themen weisungsunabhängiger Syndikusanwalt, die Vorgaben des LSG BW (4 Entscheidungskriterien für die Befreiung) wurden beim Befreiungsantrag strikt dargelegt und nachgewiesen.

Es stellt sich mir die Frage, ob ein Widerspruch angesichts der BSG Entscheidung überhaupt Sinn macht.

Ich spiele momentan sogar mit dem Gedanken, u..a. aus diesem Grunde Deutschland zu verlassen und im Ausland eine Tätigkeit als leitender Angestellter aufzunehmen - ein Angebot aus einem Nachbarland liegt mir bereits vor. 

Das ist also auch eine gute Möglichkeit, in Deutschland (Heidelberg) teuer und gut ausgebildete Juristen an EU Nachbarstaaten zu verlieren ...

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Unter folgendem Link

http://www.agv-vers.de/publikationen/newsletter/aktuell/artikel/befreiung-von-der-gesetzlichen-rentenversicherungspflicht.html?type=98&cHash=89b54d0b36068d215183e042fe34ce9c):

veröffentlichte die AGV am 28.4.14 folgende Aussage:

"...Die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV) befindet sich aktuell noch in Gesprächen mit der DRV hinsichtlich der Umsetzung dieser Entscheidung in der Praxis. Bevor die DRV gemeinsam mit der ABV eine verbindliche Verfahrensweise festlegt, möchte sie die Entscheidungsgründe des BSG abwarten. Nach dem Eindruck der ABV ist die DRV jedoch gewillt, eine sachgerechte, am Rechtsfrieden orientierte Lösung für die Altfälle zu finden, zumal die DRV früher ebenfalls eine vom BSG abweichende Meinung vertreten und auch in der Praxis kommuniziert hatte. ..."

 

Nun ist die DRV jedoch bereits dazu übergegangen, Ablehnungsbescheide zu verschicken - das passt doch nicht zusammen?!?

Ist jemandem Hintergrund dieser 'Gespräche' bekannt?

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Ich frage mich, warum die Abfassung des Urteils so lange dauert. Normalerweise habe die Richter doch schon vor der mdl. Verhandlung Voten angefertigt. Es würde mich nicht wundern, wenn Sie jetzt merken, dass die Entscheidung vielleicht doch nicht die klügste war. So richtig leuchtet es mir auch noch nicht ein. " ... wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten ..."

Wegen welcher Beschäftigung ist man denn grundsätzlich in beiden Versicherungen versichert? Für die Tätigkeit als angestellter Anwalt, wenn die Stelle nur von Anwälten besetzt werden kann. Also die Stelle für Anwälte ausgeschrieben ist?

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RA Christian Häntschel schrieb:

Ich frage mich, warum die Abfassung des Urteils so lange dauert. Normalerweise habe die Richter doch schon vor der mdl. Verhandlung Voten angefertigt. Es würde mich nicht wundern, wenn Sie jetzt merken, dass die Entscheidung vielleicht doch nicht die klügste war. So richtig leuchtet es mir auch noch nicht ein. " ... wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten ..."

Für das Urteil aus Okt. 2012, das für erste Besorgnis sorgte, waren die Urteilsgründe erst mehrere Monate später online. Abgesehen davon, dass das Urteil aus April für viel stärkere Aufregung gesorgt hat, und zu hoffen bleibt, dass die Begründung bald abrufbar ist, ist ein Monat ja noch ein eher überschaubarer Zeitraum (warte z.B. schon länger auf die Begründung einer BAG-Entscheidung aus Jan. 2014).

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@ RA Christian Häntschel

Die Absetzung der Urteile dauert beim BSG immer etwas länger. Und die Veröffentlichung bei juris erfolgt erst, wenn die Urteile den Parteien zugestellt und die EBs bzw. ZUs von diesen zurück sind.

Die Vorschrift hat auch in der Auslegung des BSG noch einen weiten Anwendungsbereich. Sie betrifft neben angestellten Rechtsanwälten in Anwaltskanzleien auch andere Berufsgruppen, z.B. Ärzte im Krankenhaus. Deren Berufsordnung ist nämlich deutlich großzügiger als die BRAO. Wenn Sie die vom BSG zitierte BGH-Entscheidung nachlesen, können Sie sehen, dass es Mitte der 1990er-Jahre durchaus Bestrebungen gab, die Syndikustätigkeit als anwaltliche Tätigkeit in der BRAO zu verankern. Das ist aber damals gescheitert.

Vielen Dank für die Hinweise.

Wenn man das so versteht, was hindert Unternehmen daran, Anwaltsstellen auszuschreiben? Dann bestünde Versicherungspflicht im Versorgungswerk wegen der Tätigkeit im Unternehmen. Es ist doch rein faktisch so, dass trotz eines möglichen Direktionsrechts, ein solches kaum ausgeübt werden dürfte. Jedenfalls nicht in größeren (inhaltlichen) Umfang als in einer Kanzlei. Sollte das nicht als Umgehungsgeschäft kassiert werden, und mir fällt ad hoc kein Grund ein warum dem so sein sollte, dann werden wir in Zukunft einfach echte Anwaltsstellen in Unternehmen sehen und alles ist wieder gerade gerückt. Fast alles zumindest. Universitätsmitarbeiter mit Anwaltszulassung (wie mich) wird es nach wie vor "erwischen", da TVL 13 Stellen eben nicht auf Anwälte ausgeschrieben werden.

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Das Problem liegt in § 46 Abs. 1 BRAO. Dort ist die "Zwei-Berufe-Theorie" relativ eindeutig verankert. In der Eigenschaft als Unternehmensjurist kann man nicht Rechtsanwalt sein. Das geht nur als "Nebentätigkeit". Es gab, wie man bei BGH NJW 2011, 1517 deutlich nachlesen kann, in den 1990er-Jahren Bestrebungen, dies zu ändern. Aber eben nur Bestrebungen, und am Ende keine Mehrheit.

Man kann das inhaltlich so und so sehen, aber was heisst das denn für Anwälte, die fast 15 Jahre in ein Versorgungswerk eingezahlt haben ind - wie ich - leider im April d.J. Ihren Arbeitgeber wechseln? Fange ich mit Mitte 40 jetzt noch bei der gesetzl Tentenversicherung an? Da werde ich ja am Ende weder vom Versorgungswerk noch von der BfA einen sinnvollen Betrag erhalten. Und nun? Kündigen und selbstständig machen? 

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Entweder kündigen und selbstständig.

Alternativ Anwaltszulassung zurückgeben, sofern das in Betracht kommt. Falls das nicht in Betracht kommt, doppelt zahlen und ggfs. Mindestbeitrag sozusagen als private Vorsorge aufstocken.

Letzte Alternative: ausländischen AG suchen, dort sozialversicherungspflichtig und freiwillig den Mindestbeitrag (ca. 100€) bei dem Versorgungswerk erhöhen.

Ich rechne fest mit einer Verfassungsbeschwerde und werde selbst Widerspruch und Klage gg den Bescheid einlegen. Dazu hat mir auch das Versorgungswerk geraten.

 

MfG,

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Da der Verrentungsfaktor bei den Versorgungswerken Jahr für Jahr abnimmt und die Verrentungsfaktoren innerhalb der ersten 10 Jahre am höchsten sind (d.h. die hohen Anwartschaften werden am Anfang erworben), dürfte der Verlust bei Ihnen selbst bei einem Wechsel zur DRV im Alter von Mitte 40 eigentlich gar nicht mehr so erheblich sein; die Rente bei der DRV hat nämlich einen einheitlichen Verrentungssatz, der sich am Durchschnittseinkommen bemißt.

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Herzlichen Dank. Ich muss das glaube mal hochrechnen (lassen). In Zahlen habe ich das noch nicht nachvollziehen können. Ging nir davon aus, dass es für Rente aus der DRV in meinem Alter zu spät ist. Ich werde mal beim Versorgungswerk und der DRV nachfragen. Danke für den Hinweis.

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Sie koennen das auch selbst errechnen; auf der Webseite der DRV werden Broschueren veroeffentlicht, mit Hilfe derer man seine Rente hochrechnen kann. Sehr verstaendlich erklaert mit Beispielen.
Auch die Rente beim Versorgungswerk laesst sich selbst errechnen. Sie benoetigen lediglich die aktuelle Verrentungstabelle - moeglicherweise Teil der Satzung oder auf der entsprechenden Webseite abrufbar. Dieser entehmen Sie dann die fuer Ihr Alter geltenden Prozentsaetze fuer jedes zukuenftige Jahr, multiplizieren diese wiederum mit den monatlichen Beitraegen und erhalten so die jaehrlichen Anwartschaften. Ein bisschen herumprobieren; irgendwann kommt man dahinter...

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Gibt es denn erste Ideen, Bestrebungen bzgl. der Gründung eigener Syndikus-RA-Gesellschaften? Problematisch ist hier natürlich ein etwaiges Umgehungsgeschäft und, nachdem die Kammern selbst eher zurückhaltend in dieser Thematik sind, diese der Zulassung einer RA-GmbH zustimmen müssen. Liegen hier schon Erfahrungswerte/Projekte vor?

 

Danke!

SBl

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Bin besonders betroffen von diesen Urteilen, da ich gerade die Tätigkeit wechsele und nach 332 Beiträgen in Verbänden - alle beruflichen Zeiten als Syndikus bei mehreren Arbeitgebern einschließlich Nachzahlung aus der Referendarzeit durch die Rentenversicherung - jetzt in die gesetzliche RV zurückkehren "darf". Denke, man sollte gerade im Hinblick auf solche langen Versicherungsbiografien Bestandsschutz gewähren. Z.B. haben wir beim Wechsel von der privaten zur gesetzlichen Krankenversicherung für den Zugang zur gesetzlichen Kasse im Rentenbezug eine den gesamten Erwerbs- und Versicherungsverlauf betrachtende Lösung, die allerdings nicht auf die Interessen der Versicherten, sondern auf die des Solidaritätsgedankens der Versichertengemeinschaft abstellt. Vergleichbares in anderer Richtung wäre ggf. auch hier , die bisherige Diskussion erweiternd, unter dem Gesichtspunkt Vertrauensschutz denkbar.

Eine generelle Lösung für die zukünftige Befreiung bietet sich m.E. nach nur durch eine gesetzliche Änderung der BRAO an, die die Syndikustätigkeit in der Anwaltschaft gleichstellt.  Nur dieser Umweg über das Standesrecht ergibt neue Ansätze für die Befreiungstatbestände im SV-Recht, in der Neiddebatte wird sich sonst kein Blumentopf gewinnen lassen. Und da müssen jetzt die Kolleginnen /Kollegen der freien Anwaltschaft einmal ein bisschen locker lassen, denn auch Sie profitieren über die Kammerbeiträge und Versorgungswerke und manches Mal auch Mandatsbindungen, s.u. von den Syndikuskollegen.

Entgegen Herrn Prof. Rolfs sehe ich das Tätigkeitsverbot nach § 46 I BRAO und die Zwei-Berufe-Theorie nicht so eng. Dort wird ja nur die Unvereinbarkeitsregel für den Unternehmensjuristen vor Gerichten und Schiedsgerichten festgelegt. Das spielt heute in Unternehmen regelmäßig keine große Rolle, da diese Verfahren nach außen traditionell an Verbände im Arbeitsrecht oder sonst Kanzleien vergeben werden. Aber alle anderen Bedingungen anwaltlicher Tätigkeit werden durch die Unternehmensjuristen erfüllt. Als Verbandsvertreter habe ich sogar als "Syndikus" die Mitglieder jahrelang vor den Gerichten vertreten.

Hoffe, die Initiativen, auch auf der Verbändeebene, gehen in die richtige Richtung.

HW

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Es ist schön, dass das BSG hierzumindest einmal ein Machtwort gesprochen hat, denn in der Praxis haben sich Syndikusanwälte, Mitarbeiter in Personalabteilungen und Sachbearbeiter jeweils immer einem Marathon ausgesetzt, wer die Tatigkeitsbeschreibung so gut verbiegen kann, dass die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgreich sein wird. Bei vielen Betroffenen hat dies zu sehr bemerkenswerten Auswüchsen der allseits bekannten "Rosinentheorie" geführt. Einerseits wollte man keinesfalls mehr die Tätigkeit als Rechtsanwalt ausüben, sodnern lieber entspannt im Sessel und Schoß eines großen Unternehmens arbeiten. Andererseits wollte man die vermeintlichen Vorzüge des Anwaltsversorgungswerks genießen.

 

Sicherlich wird diese BSG-Entscheidung (wen wundert´s) auch maßgeblich politisch beeinflusst sein, denn die gesetzliche Rentenversicherung braucht ja dringend Beitragszahler. Liebe Syndikus-Kollegen! Grämt Euch nicht. Dauerhaft wird das Anwaltsversorgungswerk nicht viel leistungsfähiger sein, als die gesetzliche Rentenversicherung. Kollegen, die sich mit dieser Materie eindringlichst befasst haben, prangern schon seit je her die unglaubwürdigen Zukundtsprognosen diesesVersorgungsträgers an. Die einzigen Verlierer werden diejenigen sein, die auf die von den Versorgunsgwerken angebotenen Berufsunfähigkeitsschutz angewiesen sind. Wer weiss aber schon, wie lange die Versorgungswerke sich diesbezüglich noch von der gesetzlichen Rentenversicherungs abgrenzen wird können.

 

Nicht nachvollziehbar fände ich inwieweit "angestellten Rechtsanwälten" einer Kanzlei die Befreiung verweigert werden sollte. Ihr Berufsbild ist zumeist exakt dasjenige eines klassischen Rechtsanwalts. Anders mag man dies für große "law firms" sehen, denn dort üben die Sachbearbeiter in den Back-offices sicherlich keine klassische Rechtsanwaltstätigkeit aus.

 

Soweit ich die Entscheidungsgründe verstanden habe, sind angestellte Rechtsanwälte aber auch nicht per se von der Befreiung ausgeschlossen.

 

 

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Das ganze lässt moderen Konzernstrukturen völlig unberücksichtigt. Der, der als Syndikus bei der Muttergesellschaft angestellt ist und zwar als Anwalt deshalb, damit er auch für die ganzen Tochtergesellschaften tätig werden darf, ist bei einem nicht-anwaltlichen AG beschäftigt, soll dann also nicht mehr ins Versorgungswerk, obgleich er als "echter" Anwalt für die Töchter tätig ist.

Hier hat es sich das BSG doch sehr einfach gemacht. Wie auch in vielen anderen Bereichen passt das Recht nicht unmittelbar auf moderne Unternehmensstrukturen und die Rechtssprechung tut sich beim auffinden wirklich sachgerechter Lösungen nicht hervor...

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Wo bleiben die Entscheidungsgründe? Enttäuschend, dass man die zahlreichen Betroffenen nach so einer Grundsatzentscheidung so lange "hängen" lässt.

 

Zumal die Pressinfo anscheinend ja schon vor der mündlichen Verhandlung ausformuliert gewesen sein muß...

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Nächste Woche sind seit dem Urteil drei Monate vergangen. Zur Problematik der Begründung des BSG im Sitzungsbericht zu der zukünftigen Befreiung der bei einem anwaltlichen Arbeitgeber angestellten Anwälte vgl. Krenzler, BRAK-Mitteilungen 2014, S. 128. Wie sich das Gericht hier winden will, fragt sich derzeit wohl jeder.

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Jetzt sind bereits über 4 Monate seit der BSG-Entscheidung vergangen und wir nähern uns sogar der 5-Monats-Marke. So langsam könnte das BSG die Entscheidungsgründe wirklich mal offenlegen.

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