Die Mär von der Kündigungsfrist

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 22.05.2014

Die Frist des § 573c BGB hat bei der Vermieterkündigung den Zweck, dem Mieter ausreichend Gelegenheit zu geben, neuen Wohnraum zu finden. Je länger er in sein Umfeld eingebunden ist, um so stärker sind seine sozialen Kontakte. Deshalb verlängert sich die Kündigungsfrist nach fünf und acht Jahren um drei Monate.
Nach herrschender Meinung muss der Vermieter neun Monate warten, bis er eine Räumungsklage erheben darf. Denn solange der Mieter der Kündigung nicht widerspricht, soll eine Besorgnis i.S.v. § 259 ZPO nicht bestehen. Diese Situation soll der Vermieter auch nicht durch eine Aufforderung, sich zur Kündigung zu erklären, „verbessern“ können, weil kein Anspruch bestehen soll, vor Ablauf der Frist zu erklären, ob die Kündigung akzeptiert wird (z.B. AG Hersbruck v. 23.8.2012 – 3 C 461/12,; AG Berlin-Charlottenburg v. 21.4.1989 – 13 T 179/8; AG Köln v. 12.5.1976 – 154 C 3915/75; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 11. Aufl., § 546 BGB Rz. 128).
Diese Meinung ist nicht haltbar. Eine Rechtsprechung, die den Mieter zum Vertragsbruch verleitet, ist unzulässig (BGH v. 9.7.2003 – VIII ZR 311/02). Das ist hier der Fall:
Bei begründeter Kündigung endet der Mietvertrag. Mit Ablauf der Kündigungsfrist tritt Verzug ein und der Mieter macht sich schadensersatzpflichtig, wenn er nicht auszieht. Erverhält sich vertragswidrig.
Die Kündigungsfrist hat den Zweck, dem Mieter ausreichend Gelegenheit zur Wohnungssuche zu geben und nicht die Wohndauer im Mietobjekt zu verlängern.
Antwortet er auf eine Anfrage nicht, ist die Besorgnis, dass er sich der rechtzeitigen Erfüllung entziehen wird, begründet. Schon aus § 241 Abs. 2 BGB ergibt sich insoweit eine Pflicht zu antworten. Denn der Vermieter hat von Anfang an ein Interesse daran zu erfahren, ob der Mieter bei Mietende auszieht. Er muss z.B. seinen eigenen Umzug organisieren, einen Nachmieter finden oder eine Planung realisieren, indem der (millionenschwere) Aufträge an Handwerker erteilt. Der Mieter muss, wenn er bei der kurzen Kündigungsfrist die Kündigung für begründet hält, nach einem Monat Widerspruch nach § 574 BGB erheben. Das Gesetz sieht also selbst eine Frist vor, die es dem Mieter erlaubt, zu einer Bewertung der Kündigung zu kommen.
Die Gefahr, dass eine Erklärung als Anerkenntnis zu werten ist (so: Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 11. Aufl., § 546 BGB Rz. 128), ist unbeachtlich. Abgesehen davon, dass auch der Mieter bei seiner Rechtsausübung rechtlichen Rat in Anspruch nehmen kann, besteht kein schützenswertes Interesse, seine Antwort zurück zu halten, weil bis zum Ablauf der Kündigungsfrist die Einsicht kommen könnte, die unwirksame Kündigung zu akzeptieren.
Im Übrigen wird bei langer Kündigungsfrist dem Mieter die vom Gesetz eingeräumte Dauer zur Wohnungssuche nicht genommen, da eine Verurteilung allenfalls zum Ablauf der der Kündigungsfrist verlangt werden kann.
Daher besteht die Besorgnis i.S.d. § 259 ZPO, wenn der Mieter zu der Aufforderung des Vermieters, sich zum Auszug bei Ablauf der Kündigungsfrist zu erklären, schweigt (LG Bonn v. 17.10.2013 – 6 S 33/13). 

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2 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Kollege Lützenkirchen,

diese Meinung teile ich nicht. Eine allgemeine Pflicht zum Antworten auf Schreiben einer Vertragspartei gibt es mE nicht. Eine solche Pflicht wäre auch sehr weitgehend, denn viele Menschen haben ein Problem mit der Schriftlichkeit. Ich habe Mandanten die auf von einem einfachen Briefwechsel überfordert wären. Diesen dann die Pflicht aufzuerlegen auf jedes Schreiben zu antworten würde diese Menschen deutlich belasten.

Das Ergebnis ist zwar in einigen Fällen unbefriedigend (gerade wenn man den Streit förmich riechen kann), aber solche Situation gibt es im Mietrecht öfters. Wahrscheinlich wäre es besser für das Wohnraummietrecht wie für das Arbeitsrecht intensiv Sonderregeln zu schaffen

 

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Jörg Manthe

Klaus.Luetzenkirchen schrieb:

Der Mieter muss, wenn er bei der kurzen Kündigungsfrist die Kündigung für begründet hält, nach einem Monat Widerspruch nach § 574 BGB erheben. Das Gesetz sieht also selbst eine Frist vor, die es dem Mieter erlaubt, zu einer Bewertung der Kündigung zu kommen.


Andersrum kann man aber sagen: Das Gesetz sieht vor, dass der Vermieter zwei Monate Zeit hat für seine konkrete Planung (vorausgesetzt, er hat auf die Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen), nicht über die ganze Kündigungsdauer. Denn die Frist zur Bewertung der Kündigung endet immer 2 Monate vor Ende der Kündigungsfrist, auch wenn die 6 oder 9 Monate beträgt. Es können sich nämlich durchaus im Laufe dieser Frist noch neue Entwicklungen ergeben, die einen Widerspruch erlauben. Das hat vor allem bei längeren Kündigungsfristen Bedeutung.

Es wäre deshalb ohnehin fraglich, welchen Wert beispielsweise bei einer 6-monatigen Kündigungsfrist eine nach 2 Monaten erklärte Zustimmung hat, wenn sich einen Monat später Widerspruchsgründe ergeben und der Widerspruch dann rechtzeitig erklärt wird.

Eine vor Ablauf der Frist auf Anfrage des Vermieters erklärte Zustimmung zur Kündigung könnte man als "abweichende Vereinbarung" im Sinne des § 574 IV BGB ansehen, wenn mit der Zustimmung auch auf ein zukünftig noch entstehendes Widerspruchsrecht verzichtet würde.

Bliebe also ohnehin nur eine "vorbehaltlich eines Widerspruchsrechts i.S.d. §§ 574 ff. BGB" erteilte Zustimmung, die dann wiederum die gesetzlich vorgesehenen zwei Monate Planungssicherheit bringen würde. Falls ein "Anspruch auf Antwort" bestehen sollte, kann der Mieter den natürlich auch mit: "Kann ich leider noch nicht sagen, das wird noch geprüft" erfüllen, solange seine Widerspruchsfrist noch läuft.

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