Zustellungsrecht: Die Zustellungsanordnung des Vorsitzenden!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.05.2014

Zustellungen sind fehlerträchtig - das ist allen Bloglesern sicher bekannt. Gerade im OWi-Bereich mit kurzen Verjährungsfristen ist dies ein für Verteidiger fruchtbares Gelände. Hier hat es mal wieder ein schönes Zustellungsproblem im normalen Strafverfahren zum BGH geschafft. Es ging dabei um die Anordnung der (formal nach außen hin gut aussehenden) Zustellung durch den Vorsitzenden - echtes StPO-Basiswissen also:

Die Wirksamkeit einer förmlichen Zustellung setzt voraus, dass sie auf einer (wirksamen) Zustellungsanordnung des Vorsitzenden beruht, § 36 Abs. 1 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 1955 – 1 StR 45/55, bei Holtz, MDR 1976, 814; Urteil vom 18. Dezember 1985 – 2 StR 619/85, NStZ 1986, 230 jeweils mwN; Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 StR 420/10, NStZ 2011, 591, 592). Die Anordnung ist zwar nicht an eine besondere Form gebunden und kann folglich sowohl schriftlich als auch mündlich getroffen werden. In Anbetracht ihrer Bedeutung für die Wirksamkeit der Zustellung muss sie aber im Zeitpunkt der Zustellung aktenkundig, im Falle einer mündlichen Anweisung daher jedenfalls in einem Vermerk der Geschäftsstelle festgehalten sein. Denn die Rechtssicherheit gebietet es, dass von vornherein auch für Dritte erkennbar ist, ob im Zeitpunkt der Zustellung eine dem § 36 Abs. 1 StPO entsprechende Anordnung vorlag. Anderenfalls ließe sich – wenn überhaupt – unter Umständen erst nach längeren Nachforschungen klären, ob der Zustellung eine wirksame Anordnung zugrunde lag, die Rechtsmittelfrist demnach in Lauf gesetzt worden ist. Die hiermit verbundene Rechtsunsicherheit kann aber nicht hingenommen werden (OLG Zweibrücken, MDR 1986, 1047; LG Zweibrücken, NStZ-RR 2013, 49; vgl. LR-StPO/Graalmann-Scheerer, 26. Aufl., § 36 Rn. 7; SK-StPO/Weßlau, § 36 Rn. 4; KK-StPO/Maul, aaO, § 36 Rn. 2; Pollähne in HK-StPO, 5. Aufl., § 36 Rn. 5; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 36 Rn. 1; KMR-StPO/Ziegler, 69. EL (Stand: Okt. 2013), § 36 Rn. 4; vgl. auch Meyer-Goßner, aaO, § 36 Rn. 3: stets schriftlich; aA SSW-StPO/Mosbacher, § 36 Rn. 5, wonach die Dokumentation im Zeitpunkt der Zustellung keine Wirksamkeitsvoraussetzung darstellt).

Hieran fehlt es vorliegend. Den Verfahrensakten ist eine den Urteilstenor betreffende Zustellungsanordnung des Vorsitzenden nicht zu entnehmen. Der Zustellungsmangel ist auch nicht gemäß § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 189 ZPO durch den tatsächlichen Zugang geheilt worden. Dies würde voraussetzen, dass eine förmliche Zustellung von dem für das Verfahren zuständigen Organ – im Fall des § 36 Abs. 1 StPO also vom Vorsitzenden – beabsichtigt war (MüKoZPO/Häublein, 4. Aufl., § 189 Rn. 3; LR-StPO/Graalmann-Scheerer, aaO, § 37 Rn. 95). Ist ein solcher Zustellungswille des zuständigen Organs – wie hier – mangels Zustellungsanordnung nicht feststellbar, so tritt keine Heilung gemäß § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 189 ZPO ein (OLG Celle, Beschluss vom 15. September 2010 – 1 Ws 398/10, NStZ-RR 2011, 45 [Leitsatz]).

BGH, Beschluss vom 6.3.2014 - 4 StR 553/13

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