LAG Köln: Müssen Pilotinnen mindestens 1,65 m groß sein?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 25.06.2014

Das LAG Köln hat mit Urteil vom 25.6.2014 die Klage einer 19-jährigen Bewerberin gegen die Lufthansa auf Zahlung von 135.000 Euro abgewiesen. Die Klägerin hatte sich als Pilotin beworben und die Einstellungstests erfolgreich absolviert. Erst danach fiel bei der Lufthansa jemandem auf, dass nach dem geltenden Tarifvertrag Pilotinnen und Piloten eine Körpergröße von mindestens 165 cm haben müssen (und höchstens 196 cm groß sein dürfen). Dieses Mindestmaß unterschritt die 161,5 cm große Klägerin um 3,5 cm. Die Lufthansa lehnte ihre Einstellung daraufhin ab.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 Abs. 1, 2 AGG. Sie fühlt sich mittelbar (§ 3 Abs. 2 AGG) wegen ihres Geschlechts diskriminiert: Wesentlich mehr Frauen als Männer würden die geforderte Mindestgröße nicht erreichen. Die Lufthansa hält die Mindestgröße für sachlich gerechtfertigt i.S. von § 3 Abs. 2 AGG und zugleich für eine entscheidende berufliche Anforderung i.S. von § 8 AGG: In den Schulungsflugzeugen der Lufthansa im amerikanischen Phoenix/Arizona habe man bereits vor Jahrzehnten getestet, wie groß oder klein ein Pilot maximal sein dürfe. "Wir suchen ja händeringend Bewerber. Jemanden wegen seiner Körpergröße auszusortieren, fällt uns wirklich nicht leicht", sagte ein Lufthansa-Sprecher.

In erster Instanz hatte die Klage keinen Erfolg. Da die Mindestgröße tarifrechtlich geregelt sei, hafte die Lufthansa nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit (§ 15 Abs. 3 AGG). Ein solches qualifiziertes Verschulden falle ihr aber nicht zur Last. Die Klägerin hält § 15 Abs. 3 AGG - wie viele Autoren in der Arbeitsrechtswissenschaft - für mit Unionsrecht unvereinbar und daher für unanwendbar.

Ihre Berufung hatte beim LAG Köln gleichwohl keinen Erfolg: Zwar würden Frauen durch die Größenregelung mittelbar benachteiligt. Der Anspruch stehe der Klägerin aber gleichwohl nicht zu. Ihr sei durch die Absage kein Schaden entstanden. Hätte sie den Ausbildungsplatz bekommen, hätte sie sogar einen Eigenanteil leisten müssen. Zudem würden Sicherheitsgründe die Mindestgröße für Piloten rechtfertigen.

Die Revision wurde zugelassen.

(LAG Köln, Urt. vom 25.6.2014 - 5 Sa 75/14, Presseberichte hier)

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7 Kommentare

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Die 1,65 werden doch im Polizeidienst auch akzeptiert. Und ein Kissen auf dem Sitz (!) dürfte wohl aus Sicherheitsgründen problematisch sein.

Wie üblich hat man für die Diskriminierung von Frauen viel Verständnis, bei Männern nicht: Für einen Bootsführerschein wird eine augenärztlich bestätigte Farbensehfähigkeit benötigt (also auch rot-grün Sehen). Leider haben ca 9 % der Männer (aber nur 0,9 % der Frauen) hier Probleme. Mittelbare Diskriminierung? Literatur: Fehlanzeige. Gender-Lehrstühle (100 % Frauen): Schweigen.

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Abgesehen von der möglichen Geschlechterdiskriminierung scheint mir hier entscheidend zu sein, dass die Klägerin die Klage gegen das falsche Unternehmen gerichtet hat. Es gibt nicht DIE Lufthansa. Laut der Pressemitteilung des LAG Köln wäre potentieller Arbeitgeber nicht die Lufthansa AG, sondern die Lufthansa Flight Training GmbH gewesen. Nach § 6 Abs. 2 AGG muss sich die Klage aber gegen den potentiellen Arbeitgeber richten...

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@ Nils Kratzer

Wenn Sie inhaltlich zu dem Urteil Stellung nehmen möchten, können Sie das gerne tun. Persönliche Angriffe auf Mitglieder des Gerichts werden jedoch auch weiterhin konsequent gelöscht.

Nur etwa 3 Prozent der Männer sind größer als 1,96 Meter; etwa 40 Prozent der Frauen, aber nur 4 Prozent der Männer sind kleiner als 1,65 Meter.

Selbstverständlich handelt es sich um eine geschlechtsspezifische Diskriminierung: die 97%-Perzentile und Arbeitsplätze sind ganz offensichtlich geschlechterspezifisch auf Männer konstruiert. 

 

Sofern die Urteilsgründe richtig zitiert worden sind, so ist dieses Urteil grundlegend falsch. Es wurden grundlegende juristische Anwendungsfehler begangen, da das Wesen von juristischen Grundbegriffen wie "Schadensersatz" und "Entschädigung" verkannt wurde.

 

Ob der Bewerberin ein materieller Schaden entstanden ist oder nicht, ist für die Frage ob ein Anspruch auf "Entschädigung" dem Grunde nach besteht völlig unerheblich. Das Gesetz differenziert in seinem Wortlaut schon nach einem Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG sowie nach einem Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

 

Nach der Rechtsprechung des BAGs und den Unionsvorgaben soll die Entschädigung hinsichtlich der Höhe abschreckende Wirkung haben. Es soll der konkrete potentielle Arbeitgeber davon abgehalten werden weiter zu diskriminieren und auch dritte Arbeitgeber sollen davon abgehalten werden künftoig Bewerber zu diskriminieren.

 

Im konkreten Fall ist eine Entschädigung von EUR 135.000,- viel zu niedrig, weil dies kein Betrag ist, der ein Unternehmen wie die Lufthansa davon abhalten könnte, künftig weiter zu diskriminieren.

 

Die Bewerberin hätte offenbar den Ausbildungsplatz bei benachteiligungsfreier Auswahl auch erhalten, so dass sie nicht auf  die Gelktendmachung vom maximal drei Bruttomonatsgehältern beschränkt ist.

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Ich habe dieses Urteil nicht verstanden. Hat die Bewerberin  auch die GmbH verklagt oder lediglich die AG?

 

Ich finde übrigens die meisten Äußerungen des Herrn Kollegen Kratzer zutreffend. Ich fühle mich bei dem Diskurs um AGG Fragen und die konsequenten Beiträge des Herrn Kollegen häufig an Elisabeth Selberts und ihre kompromisslose Haltung die zu der Errungeschaft "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" geführt hat erinnert. Auch ihre radikalen Thesen wurden belächelt und für untunlich gehalten. Bleibt zu hoffen, dass es mit dem AGG etwas schneller geht...

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