Entschädigungsloser Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund?

von Dr. Philippe Rollin, veröffentlicht am 14.07.2014

Einem Gesellschafter, der aus seiner Gesellschaft ausscheidet, steht grundsätzlich ein Abfindungsanspruch zu. Dieser bemisst sich grundsätzlich nach dem Verkehrswert seiner Beteiligung und ist sofort in bar fällig. Das kann für die Gesellschaft und etwaige persönlich haftende Gesellschafter (§ 128 S. 1 HGB) nicht nur teuer, sondern existenzgefährdend sein. Gerade wenn ein ausscheidender Gesellschafter an einem großen Teil des Vermögens der Gesellschaft beteiligt war, fehlt es häufig an der notwendigen Liquidität.

In Gesellschaftsverträgen finden sich daher häufig Regelungen, die den Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters zu dessen Lasten und zugunsten der Gesellschaft beschränken oder zumindest modifizieren. Wenn bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages alle Gesellschafter optimistisch in die Zukunft der Gesellschaft blicken und ein Ausscheiden für unwahrscheinlich halten, akzeptieren sie solche Regelungen typischerweise. Solche Regeln können z.B.

- die Fälligkeit des Anspruchs hinausschieben, z.B. durch eine Ratenzahlung (mit oder ohne Sicherheitsleistung durch die Gesellschaft und mit oder ohne Verzinsung, die in Niedrigzinszeiten unerwartet attraktiv sein kann);

- das Bewertungsverfahren festlegen, z.B. durch Einschaltung eines Schiedsgutachters (§§ 317 ff. BGB); oder

- die Bewertungsmethode ändern, insbesondere statt des Verkehrswerts den (häufig viel niedrigeren) Buchwert festlegen.

Dahinter stecken viele weitere Details, z.B. kann man noch nach dem Anlass des Ausscheidens des Gesellschafters differenzieren, und etwa den Gesellschafter, der silberne Löffel stiehlt, schlechter stellen als den, der unverschuldet berufsunfähig wird und nicht mehr für die Gesellschaft tätig sein kann.

All das ist nach Maßgabe der Vertragsfreiheit grundsätzlich möglich. Wer in eine Gesellschaft eintritt, kann sich typischerweise auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrages einstellen. Trotzdem setzt die Rechtsprechung der Gestaltungsfreiheit Grenzen und erklärt gelegentlich Abfindungsklauseln für allgemein oder im Einzelfall unwirksam. Eine solche Unwirksamkeit wirft wieder die Frage nach der Rechtsfolge auf - vollständige Nichtigkeit oder geltungserhaltende Reduktion auf das „gerade noch“ erlaubte?

Mit einer Variante hat sich jüngst der II. Zivilsenat des BGH beschäftigt (Urteil vom 29. April 2014, II ZR 216/13):

Hier ging es um den weitesten Fall der Abfindungsbeschränkung, nämlich den vollständigen Ausschluss des Abfindungsanspruchs. Diesen sah die Satzung einer GmbH für den Fall vor, dass der ausscheidende Gesellschafter die Interessen der Gesellschaft oder die Gesellschafterpflichten grob eigennützig verletzt. Der Ausschluss der Abfindung wurde als Vertragsstrafe des ausscheidenden Gesellschafters deklariert.

Eine solche Regelung hält der II. Zivilsenat für nichtig, weil sie den ausscheidenden Gesellschafter zu sehr und zu pauschal belaste. Demgegenüber seien die Interessen der Gesellschaft nicht schützenswert.

 

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