Eindrücke vom neunten Tag der Hauptverhandlung gegen Gustl Mollath

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 17.07.2014

Nach achteinhalb von siebzehn (geplanten) Tagen füllt sich noch einmal der Gerichtssaal. Immerhin soll mit B. der Vorsitzende des Gerichts als Zeuge gehört werden, das Herrn Mollath im Jahr 2006 auf unbestimmte Zeit in der Psychiatrie unterbrachte. Die damalige Verhandlung dauerte nur einen halben Tag.

B., seit einigen Jahren Richter im Ruhestand, stellt gleich zu Beginn klar, dass er sich an nichts erinnere. Er habe das Urteil noch einmal gelesen, aber auch da sei ihm keine originäre Erinnerung an das Verfahren gekommen. Er weiß natürlich, dass damit seine Vernehmung eigentlich schon am Ende ist. Alle Versuche, ihn durch Vorhalt aus dem Urteil oder anderen Aktenbestandteilen doch noch zu einer Erinnerung zu bringen, werden scheitern. Für die Frage, ob die angeklagten Taten Herrn Mollath nachgewiesen werden können, ergibt sich nichts aus dieser Vernehmung.

Immerhin lässt er sich ein, dass er selbst mittlerweile Fehler im Urteil erkannt hat: Die Verwechslung der Festnahmesituationen und die jedenfalls aus dem Wortlaut erkennbare „Unlogik“, dass die Ehefrau auch während ihrer Bewusstlosigkeit noch die Tritte gespürt  habe. Er wolle sich dafür nicht entschuldigen, das sei eben „passiert“ und könne nicht mehr rückgängig gemacht werden.  Wenn er nur diese beiden Fehler erkennt, dann  lässt sich schließen, dass er mit dem Urteil auch jetzt noch zufrieden ist – nur ein paar Formulierungsfehler seiner Berichterstatterin hat er übersehen, als er das Urteil unterzeichnete. Und „dem BGH hat das Urteil gereicht.“ Das klingt wie ein Echo der „handwerklichen Fehler“, die Anfang 2013, als das Dach ihres Hauses schon lichterloh in Flammen stand, auch die Nürnberger Gerichtspressestelle öffentlich einräumte, um wenigstens Teile des Dachstuhls zu retten.

Auch als RA Strate ihn damit konfrontiert, dass B. die Entpflichtung des Verteidigers abgelehnt habe, obwohl dieser doch in einem Interessenkonflikt gestanden habe, bleibt er bei seiner Rechtsauffassung: Schließlich könne es nicht sein, dass ein Angeklagter durch sein Verhalten die Auswechslung des Pflichtverteidigers herbeiführe. Allerdings müsste er – nicht nur in diesem Fall – bei der Lektüre des Wiederaufnahmeantrags Strates (von ihm als „Pamphlet“ bezeichnet) doch auch weitere Fehler erkannt haben. Fehler, die sich darauf beziehen, dass wesentliche Teile der Würdigung sich auf Beweise beziehen, die in die damalige Hauptverhandlung gar nicht ordnungsgemäß eingeführt wurden oder schlicht im Urteil verfälscht wurden. Fehler, die sich aus mangelnder oder ausfallender Beschwerdebearbeitung ergeben, und insbesondere auch die dreiwöchige Verzögerung der nach Menschen- und Grundrechten unverzüglich zu gewährenden Eröffnung des Unterbringungsbefehls. Letzteres war auch nach Ansicht des Vertreters der Staatsanwaltschaft in der laufenden Hauptverhandlung ein schwerwiegendes Versäumnis. All das ist kein Thema dieses Prozesses und dieser Vernehmung, man ahnt aber auch schon, wie er im Falle einer Befragung antworten würde: Ich erinnere mich nicht, oder, wie bei der Frage nach Martin M., dem neuen Mann der ehem. Frau Mollath: Klar kenne ich den vom Handball, aber da war kein privater Kontakt, das hatte keine Bedeutung.

Allgemein beklagt B., dass man in der Justiz immer mehr Boote mit derselben Anzahl Ruderer bewegen solle – aber er will den entstehenden Zeit- und Termindruck nicht als Entschuldigung für Fehler im konkreten Fall vorbringen.

Ansonsten offenbart sich hier ein Richter „alter Schule“, der sich nicht in den Terminkalender pfuschen lässt, es sei denn, dass einer noch einen Beweisantrag stellt, den man nicht nach § 244 Abs.3 StPO ablehnen kann.  Man hätte als Verteidiger den Lauf des Geschehens mit der  Stellung eines Beweisantrags vielleicht etwas aufhalten können. Oder damit, dass man der Verlesung des Attests widersprochen hätte. Oder dass man auf der Vorführung des Videos vom Reifenstecher bestanden hätte. Die Chancen einer Revision hätten sich vergrößert, vielleicht hätte man auch die Schöffen beeinflussen können. Aber die Überzeugung dieses Vorsitzenden hätte sich wohl kaum geändert. Der Schöffe W. hat zuletzt bekundet, Herr B. habe schon während der Verhandlung geäußert, dem Mollath schaue der Wahnsinn aus den Augen. B. drückt jetzt hierzu seine Empörung aus – nicht durch Abstreiten (denn das würde ja Erinnerung implizieren) sondern durch den Hinweis, der Schöffe habe mit dieser Äußerung gegen das Beratungsgeheimnis verstoßen.

Ein Rätsel lässt sich wohl nicht mehr lösen: Wie kam es überhaupt dazu, dass die Sache Mollath in der Kammer des Zeugen landete? Strate hatte vermutet, die Akten seien gezielt verzögert worden, damit die Kammer des Vors RiLG B. zuständig werden würde. Nach der Vernehmung der Richterin H. in der vorigen Woche hatte ich kurz gedacht, das Rätsel sei gelöst. Denn H. sagte, die Kammer sei für die Unterbringungen zuständig gewesen - möglicherweise also eine Spezialzuständigkeit in der Geschäftsverteilung. B hingegen meint, seine Zuständigkeit („reiner Zufall“) habe sich strikt aus der Eingangsreihenfolge ergeben; er halte für „ völlig ausgeschlossen“, dass da in der Justiz manipuliert worden sei.

Im Anschluss, die Zuhörerreihen sind schon wieder deutlich gelichtet, werden Schreiben Herrn Mollaths verlesen.  Schreiben, die in seinem zur Verteidigung übergebenen Ordner enthalten waren. Zur Erinnerung: In der Frühzeit des Verfahrens gegen Mollath waren es u.a. diese Schreiben, die einige zu der Ansicht brachten, man habe es mit einem psychisch Gestörten zu tun. Es ist vielleicht sinnvoll, sich durch Zuhören einmal ganz auf den Inhalt statt auf das Lay-Out zu konzentrieren. Im Grunde sind diese Schreiben Mollaths aus (überwiegend) dem Jahr 2002 der interessantere Teil der Hauptverhandlung am heutigen Tage. Jedenfalls für die, die diese Schreiben noch nicht kennen. Es ergibt sich das Bild einer Beziehung nach ihrem  Scheitern: Vorwürfe des Verlassenen an die Frau, die sich nach über zwei Jahrzehnten von ihm abgewendet hat, nicht mehr auf seine Briefe und seine Anrufe reagiert oder nur noch sporadisch auf den Anrufbeantworter spricht. Der verzweifelte und zum Scheitern verurteilte Versuch, sie dazu zu bewegen, auf seine Warnungen zu reagieren, ein Gespräch mit ihm zu führen. Die Not, die sich daraus ergibt, dass sie die Rechnungen nicht mehr bezahlt. Man kann sich denken, dass ein klärendes Gespräch zu diesem Zeitpunkt längst unrealistisch geworden ist. Aber es geht auch weitschweifig um Einzelheiten der Banktätigkeiten seiner Frau, die ihm unrechtmäßig und darum gefährlich vorkommen, und die Zurückweisung des Angebots einer Art "Schweigegeld", wie er es empfindet.

Ob diese Briefe inhaltlich Hinweise auf eine Psychose bzw. einen Wahn geben, mögen Fachleute bewerten. Ich erkenne das nicht darin.

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85 Kommentare

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Mal zwei finanzielle Fragen:

-sollte das erste Urteil aufgehoben werden, bekommt Herr Mollath dann nur € 25.- am Tag (also ca. 70.000.-Euro gesamt), oder kann er auch noch zivilrechtlich Forderungeneinklagen?

-übernimmt der Staat Herrn Mollaths tatsächlich angefallene Anwaltskosten, oder gibt es da eine Deckelung?

Danke schon mal.                       ,                                                            

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@Prof. Müller:

"Schließt nicht aus" ist als Überschrift nicht irreführend, sondern besagt weder einen Nachweis noch einen fehlenden Nachweis. Die Frage, ob ein Zeuge oder Sachverständiger irgendetwas ausschließen könne ist jetzt keine besondere Journalistenmarotte, sondern eher bei den Juristen. Sie ist aus den Gerichtssälen - ich beschränke mich hier mal auf Zivilsachen, die ich bisher erlebt habe - offenbar nicht auszurotten und fällt immer wieder, vor allem dann, wenn von Anwaltsseite die Behauptungen eines Zeugen der Gegenpartei  "erschüttert" werden sollen. Die Frage ist meist völlig sinnlos, vor allem wenn die Tatsachengrundlage eines Gutachtens wackelig ist (wie z.B. hier, weil eine ausreichende Dokumentation der Verletzungen fehlt) und bei Zeugen ist sie ohnehin sinnfrei, weil jeder weiß, daß Zeugen irren können und man daher ohnehin nichts ausschließen kann.

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Und eine weitere Frage. Wird denn die Diagnose der Psychiater, die zu Herrn Mollaths Einweisung geführt hat auch "aufgehoben", oder bleibt es im Raume stehen, dass er an Wahnvorstellungen leidet bzw. gelitten hat?

Danke

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@gaestchen,

Sie schreiben:

"Schließt nicht aus" ist als Überschrift nicht irreführend, sondern besagt weder einen Nachweis noch einen fehlenden Nachweis.

Aber in die Überschrift gehört doch die zentrale Nachricht, nämlich das, was "neu", maßgeblich und erheblich ist. Insofern ist die Überschrift der SZ korrekt: "Gutachter sieht keinen Beweis für Misshandlungen", die des NB Kurier ist irreführend.

Die Frage, ob ein Zeuge oder Sachverständiger irgendetwas ausschließen könne ist jetzt keine besondere Journalistenmarotte, sondern eher bei den Juristen. Sie ist aus den Gerichtssälen - ich beschränke mich hier mal auf Zivilsachen, die ich bisher erlebt habe - offenbar nicht auszurotten und fällt immer wieder, vor allem dann, wenn von Anwaltsseite die Behauptungen eines Zeugen der Gegenpartei  "erschüttert" werden sollen. Die Frage ist meist völlig sinnlos, vor allem wenn die Tatsachengrundlage eines Gutachtens wackelig ist (wie z.B. hier, weil eine ausreichende Dokumentation der Verletzungen fehlt) und bei Zeugen ist sie ohnehin sinnfrei, weil jeder weiß, daß Zeugen irren können und man daher ohnehin nichts ausschließen kann.

Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, aber die Frage ob etwas nicht ausgeschlossen werden kann, ist durchaus in vielen Fällen (v.a. im Zivilrecht) sehr wichtig und keineswegs eine "Marotte der Juristen". Gerade wenn man einen Beweise erschüttern will, setzt man mögliche Alternativen ("nicht ausschließbar") dagegen. Hier, im konkreten Fall, ging es aber darum, ob mit dem Attest (und der Aussage des Arztes) die Täterschaft Mollaths bewiesen werden kann, nicht, ob es nur nicht ausgeschlossen werden kann. Der Staat trägt hier die Beweislast!

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Zur Richterwahl "durch das Volk". Betrachten Sie einmal, wie das konkret ausschauen würde (Beispiel Schweiz):

Auf Bundesebene haben die politischen Parteien das Sagen ohnehin allein, denn die Wahlen in das Bundesstrafgericht und in das Bundesverwaltungsgericht wie die Bestellung des höchsten Gerichts in Lausanne sind ausschliessliche Sache der Bundesversammlung. Die parlamentarische Gerichtskommission sollte die Ausmarchung zwar versachlichen und sicherstellen, dass weder bestens geeignete Kandidaten auf der Strecke bleiben noch geradezu untaugliche Anwärter ins Amt gelangen. In der politischen Wirklichkeit werden indes Bewerbungen hochqualifizierter Kandidaten ohne parteipolitischen Sukkurs vorzeitig ausgeschieden. Ein Parteiloser wurde seit 1942 nie mehr ins Bundesgericht gewählt. Und immer wieder gelangen dank starker innerparteilicher Unterstützung Richter ins Amt, an deren Befähigung früher oder später ernsthaft gezweifelt wird. Die Ausmarchung erfolgt in der Regel parteiintern, wobei Seilschaften in der Fraktion oft stärker wirken als der persönliche Auftritt der Kandidaten. Zum Kräftemessen in der Bundesversammlung kommt es nur dann, wenn ein Kandidat der Linken oder der Rechten nicht mehrheitsfähig ist oder wenn sich die Sitzansprüche nicht mathematisch genau aufteilen lassen.

(...)

Ernster zu nehmen ist das Damoklesschwert der periodischen Bestätigungswahlen, bei denen ein Richter sein Amt verlieren kann. Das führt zu einer Abhängigkeit von der jeweiligen politischen Konstellation im Parlament, welche die Position der Justiz als dritte Gewalt im Staat erheblich schwächt. Zumindest in Westeuropa steht die Schweiz denn auch, soweit ersichtlich, mit ihrem System einer parteipolitischen Wahl und Wiederwahl der Richter allein da.

(...)

Gerechtfertigt wird das schweizerische Unikum unter anderem damit, dass die arithmetische Aufteilung der Richtersitze gemäss den Fraktionsstärken im Parlament eine ausgewogene Verteilung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen im Gericht gewährleiste. Dabei wird übersehen oder ausgeblendet, dass der nicht unbeachtliche und vermutlich wachsende Teil der Bevölkerung, der bewusst keiner politischen Partei zugehören will, vom Richteramt ausgeschlossen wird. Auch wenn einzuräumen ist, dass auch in der Schweiz immer wieder gute und äusserst befähigte Personen Richter werden können, bleibt das Skandalon bestehen, dass das Parteibuch faktisch Voraussetzung für einen Einzug ins höchste Gericht bleibt. Dass damit ein gewaltiges fachliches und intellektuelles Potenzial vom Richteramt ausgeschlossen bleibt, zeigt nicht zuletzt ein Blick auf einen Teil der im Bundesgericht wirkenden Gerichtsschreiber.

(...)

Remedur geschaffen werden könnte nur über eine radikale Reform, für die indes der politische Wille jener erforderlich wäre, die heute die attraktiven Pfründen verteilen. Anzusetzen gälte es bei der fachlichen Selektion, indem für das Richteramt eine geregelte Ausbildung mit bestandener Abschlussprüfung sowie allenfalls ein Minimum an praktischer Erfahrung vorgeschrieben würde. Was für Anwälte selbstverständlich ist, die im Wettbewerb stehen und mit einem Entzug des Mandats rechnen müssen, sollte umso mehr für Richter gelten, die sich niemand aussuchen, geschweige denn entlassen kann.

Einzuräumen bleibt, dass auch eine strenge fachliche Selektion nicht auszuschliessen vermag, dass bisweilen Untaugliche den Gütetest bestehen. Gewährleistet wäre aber immerhin, dass nicht das Parteibuch allein den Sprung ins Richteramt ermöglicht. Sodann wäre die Selektion einem Gremium zu übertragen, das die Kandidaten nicht durch eine parteipolitische Brille begutachtet. Selbst eine Auslosung aus dem Kreis der zuvor fachlich Geprüften würde, sofern ein ausgewogener Sprachenproporz gewährleistet bliebe, mit Sicherheit kein schlechteres Ergebnis zeitigen als die heutige Richterkür. Schliesslich müsste die Wahl für eine grundsätzlich offene Amtsdauer gelten, die einzig durch Rücktritt, Erreichen des Rentenalters oder über ein geregeltes Impeachment wegen Amtsunfähigkeit enden könnte. Auf diese Weise entstünde eine Justiz, die dank unparteilicher Legitimation und ohne Furcht vor Wiederwahlen unabhängig ihres Amtes walten und selbständig als dritte Gewalt auftreten könnte.

Anders gefragt, wie sollte denn eine Richterwahl organisiert sein, woran einerseits die nötige Anzahl von Wählern überhaupt Interesse hat sich zu beteiligen, andererseits sich auch alle mit den Personen (Hunderte Ri am LG, Tausende am AG) intensiv genug beschäftigen, dass sie (ohne Parteienvorauswahl) tatsächlich die Qualität dieser Richter beurteilen können? Wie viele befähigte Juristen würden sich für eine Richterstelle interessieren, wenn sie nach 5 oder 10 Jahren dort einfach aufgrund Wahlentscheidung wieder rausfliegen? Ein guter Jurist kann schon jetzt in anderen Berufen viel mehr verdienen als in der Justiz...

 

Henning Ernst Müller schrieb:

 

Anders gefragt, wie sollte denn eine Richterwahl organisiert sein, woran einerseits die nötige Anzahl von Wählern überhaupt Interesse hat sich zu beteiligen, andererseits sich auch alle mit den Personen (Hunderte Ri am LG, Tausende am AG) intensiv genug beschäftigen, dass sie (ohne Parteienvorauswahl) tatsächlich die Qualität dieser Richter beurteilen können?

Ein Karsruher Amtsrichter wäre sicherlich nicht von der gesamtheit des deutschen Volkes zu bestimmen, sondern nur von den Bürgerinnen und Bürgern in seinem Gerichtsbezirk.  Woran die Menschen Interesse zeigen, hängt auch davon ab, wie gut man Ihnen Dinge schmackhaft macht. Bisher macht man es ihnen schmackhaft, alle paar Jahre wählen zu gehen und ansonsten auf den Staat zu vertrauen, und selbst das funktioniert ja insoweit, als dass die Massen sich zufrieden geben - solange sie nicht ahnen, was in Wahrheit läuft.

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Wie viele befähigte Juristen würden sich für eine Richterstelle interessieren, wenn sie nach 5 oder 10 Jahren dort einfach aufgrund Wahlentscheidung wieder rausfliegen? Ein guter Jurist kann schon jetzt in anderen Berufen viel mehr verdienen als in der Justiz...

Ich formuliere Ihre Frage einmal sinnverändernd um, wobei ich Ihnen auf diesem Wege eine Teilantwort gebe:

Wie viele befähigte Juristen würden sich für ein Abgeordnetenmandat interessieren, wenn sie nach 5 oder 10 Jahren dort einfach aufgrund Wahlentscheidung wieder rausfliegen? Ein guter Jurist kann schon jetzt in anderen Berufen viel mehr verdienen als in der Justiz...

 

-> Wie Sie sicherlich wissen werden, ist die Gruppe der Juristen in den Parlamenten stärker vertreten als jede andere Berufsgruppe!

 

Im Übrigen müssen es ja nicht unbedingt Juristen sein. Ich bin mir ganz sicher, dass Frauen wie Dr. Maria E. Fick (Menschenrechtsbeauftragte der Bayer. Ärztekammer) und  die Psychiaterin Hanna Ziegert nach einer sehr kurzen strafrechtlichen Grundausbildung bessere Richter wären als die meisten Zweier- oder Einser-Juristen.

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NPÖ schrieb:
Ich formuliere Ihre Frage einmal sinnverändernd um, wobei ich Ihnen auf diesem Wege eine Teilantwort gebe:

Wie viele befähigte Juristen würden sich für ein Abgeordnetenmandat interessieren, wenn sie nach 5 oder 10 Jahren dort einfach aufgrund Wahlentscheidung wieder rausfliegen? Ein guter Jurist kann schon jetzt in anderen Berufen viel mehr verdienen als in der Justiz...

-> Wie Sie sicherlich wissen werden, ist die Gruppe der Juristen in den Parlamenten stärker vertreten als jede andere Berufsgruppe!

Das ist in der Tat sinnverändernd und daher offtopic. Beamte sind wegen der Sicherheit ihres Beschäftigungsverhältnisses eher gewogen, für ein Mandat zu kandidieren - anders als ein Angestellter oder Selbstständiger haben sie nach Ablauf des Mandates keine gravierenden Nachteil zu befürchten. Und die meisten höheren Beamten sind nun mal Juristen. Dazu kommt, dass sich anwaltliche Nebentätigkeit hervorragend mit dem Mandat vereinbaren lässt - im Gegensatz zu fast allen anderen Berufen.

Wenn jemand ohne betriebswirtschaftliche Ausbildung ein Geschäft eröffnet, ist nichts dagegen zu sagen - er muss die Folgen selbst ausbaden, wenn er es nicht kann. Beim Richter müssen es andere ausbaden (wie beim Arzt, Baustatiker oder Steuerberater auch). Zugangsbeschränkungen, die eine fachliche Eignung voraussetzen, sind daher notwendig.

Henning Mueller schrieb:
Es kommt bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen darauf an, die Glaubhaftigkeit der jeweiligen Angaben zu prüfen und darüber zu entscheiden.

#40

Die Tatschilderung von Frau M. ist ja nun nachweislich in mindestens zwei Hinsichten falsch: 1. Sie hat angegeben, dass sie mit der flachen Hand geschlagen wurde - das kann laut Sachverständigem nicht zutreffen, 2. Sie hatte Hautabschürfungen am Rücken, die durch ihre Schilderung nicht gedeckt sind. Es kann also nicht so gewesen sein, wie sie behauptet. Das scheint mir einfach logisch zu folgen. Daraus folgt dann doch weiter, dass sie unglaubwürdig ist. Dieser Schluss wird noch  bestätigt durch die verschiedenen Versionen, die sie von dem Ereignis abgeliefert hat, von ihrer Weigerung, dem Sachverständigen die Narbe zu zeigen, und von dem Widerspruch in der Schilderung der angeblichen Bisswunde. Wenn es aber darum geht, ob Notwehr oder Mißhandlung, und der Mißhandlungsvorwurf nicht glaubwürdig ist, dann bleibt nur die Notwehr übrig. Oder gibt es gegen diese Alltagsüberlegung noch irgendwelche juristischen Einwände?

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Gutachter: „Misshandlungen keinesfalls beweisbar“

Vielleicht hat Gustl Mollath seine Frau geschlagen, gebissen und gewürgt. Beweisen lässt es sich allerdings nicht. Am zehnten Verhandlungstag legte der medizinische Sachverständige sein Gutachten vor und zerlegte das damals als Beweis vorgelegte Attest.

 

 

http://www.regensburg-digital.de/gutachter-misshandlungen-keinesfalls-be...

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Sehr geehrter Herr Gresch,

Sie schreiben:

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sollen Ärzte hinzugezogen werden, weil

- manche Tatsachen nicht von Juristen beurteilt werden können und sollen

- Ärzte Erfahrung mit "psychisch Kranken" haben

- Ärzte Bewertungen abgeben können, die gewissen Standards entsprechen.

Diese Aussage war zunächst einmal generell gemeint dazu, dass Sachverständige ggf. hinzugezogen werden sollen (und gesetzlich müssen), wenn Gerichte nicht über die Sachkunde verfügen, besteimmte Tatsachen zu eruieren und zu bewerten. Im Falle, dass psychische Erkrankungen in Farge stehen, sind dies (jedenfalls nach den gestezlichen Vorstellungen) Ärzte, speziell Fachärzte für Psychiatrie.

Dies setzt aber doch voraus, dass

(1) Ärzte diese gewissen Tatsachen besser beurteilen können als andere Menschen

(2) Ärzte aus ihren Erfahrungen mit "psychisch Kranken" gelernt haben

(3) die Standards tatsächlich zu einer Verbesserung der Bewertungen beitragen.

Es interessiert mich sehr zu erfahren, wie sie begründen, dass diese Voraussetzungen tatsächlich zutreffen. Es mag ja sein, dass dies plausibel erscheint, aber mir liegt eine Fülle empirischer Literatur vor, die Zweifel an den Voraussetzungen 1 und 2 nährt. Zur dritten Voraussetzung habe ich bisher noch keine Studien gefunden.

Wenn Sie (gemäß Ihrer Profession nehme ich das an) auf den Streit zwischen Psychologen und Psychiatern anspielen, so bin ich da grds. neutral. Mir würde es genügen, wenn Fachkundige etwas beitragen zur Sachkunde des Gerichts, einen Fall zu beurteilen. Angesichts des Falls Mollath (und der Lektüre der drei entscheidenden Gutachten) kommen mir auch erhebliche Zweifel an der Beurteilungsfähigkeit der betr. Gutachter im konkreten Fall. Ich hoffe aber doch, dass zumindest die Voraussetzung (2) zutrifft und auch in der psychiatrischen Erkenntnisfindung ein Fortschritt festzustellen ist. Nun werden Sie wahrscheinlich sagen, diese Hoffnung sei unberechtigt und mir empirische Studien dazu anbieten.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

 

Mit dem Streit zwischen Psychologen und Psychiatern haben meine Fragen nichts zu tun. Mich interessieren die Grundlagen des Vertrauens von Juristen auf die Fähigkeit von Psychiatern, Psychologen oder sonstigen Psycho-Gewerblern, "psychische Krankheiten" und "Schuldfähigkeit" zu diagnostizieren und Gefährlichkeit oder andere kritische Merkmale zu prognostizieren. Trotz intensiver Suche in den letzten 35 Jahren habe ich nämlich weder in der Praxis, noch in der wissenschaftlichen, empirischen Literatur Anhaltspunkte entdecken können, die dieses Vertrauen rechtfertigen könnten. Es will mir nicht in den Kopf, dass dieses Vertrauen auf Wunschdenken oder gar Gedankenlosigkeit beruht. Irgendetwas Substanzielles muss aus Sicht von Juristen die Auseinandersetzung mit solchen Gutachten nahelegen. Es kann doch nicht nur ein schieres Anmutungserleben, es sollte doch eine gewisse Rationalität im Spiel sein. Schließlich steht einiges auf dem Spiel. Ein nicht valides prognostisches Verfahren zur Gefährlichkeit beispielsweise führt zwangsläufig dazu, dass eine größere Zahl harmloser Menschen eingesperrt werden muss, um auch nur einen wirklich Gefährlichen an einer Gewalttat zu hindern. Sollte der Jurist unter diesen Bedingungen nicht von der Psychozunft den Nachweis verlangen, dass sie auch tatsächlich das diagnostizieren und prognostizieren können, was sie zu diagnostizieren und zu prognostizieren vorgeben? Und hätten nicht auch andere Beteiligte, beispielsweise Angeklagte ein Recht darauf?

 

Mit freundlichen Grüßen

Hans Ulrich Gresch

Herr Dr. Gresch,

 

Wie schätzen sie es ein, wenn 3 Psychiater und 3 Therapeuten zu sehr unterschiedlichen Diagnosen nach ICD 10 kommen ? 

 

Was können Menschen nun tun eine richtige Diagnose zu bekommen ?

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NPÖ schrieb:

 

ICD 10 ist keine Krankheit, sondern eine Kathegorie behaupteter Krankheiten, die sich oftmnals als Gesundheiten entpuppen. Wer rebelliert, anstatt zu schlucken, wer in der Lage ist, Menschen innig zu lieben, intensivste Sozialbeziehungen einzugehen und aufrechtzuerhalten - der ist zum Beispiel geisteskrank nach irgendeiner ICD-10 Norm.

 

 

Beispielweise wurde letztes Jahr mehr als 2 wöchige intensive Trauer nach dem Tod eines nahen Angehörigen in den Katalog der dringend behandlungsbedürftigen  sog. Depressiven Erkrankungen aufgenommen.

Soweit ich weiß, wurde noch nicht mal eine Staffelung im Sinne von:

5 Jahre verheiratet oder 1. Kind gestorben oder Kind unter 10 Jahren gestorben=> darf zwei Wochen (gesund) trauern

10 Jahre...........3 Wochen

15 Jahre ..........4 Wochen

 

in Erwägung gezogen.

 

Aber die Ärzte, die sich sowas ausdenken, wollen ja nur helfen, gell (Glaube ich sogar, die Frage ist blos:

Wem)

 

 

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Dann schätze ich das ICD 10 als ein Verfahren mit zu geringer Reliabilität ein. Das DSM ist aber auch nicht besser. Psychiatrische Diagnosen sind weder reliabel, noch valide. Sie mögen nützlich sein; allein, es fragt sich, für wen?

Hatte schon jemand aufgeführt das es Frauen gibt bei der die Haut schon bei leichtem Druck mit deutlichen und großen Hämatomen reagiert? Dazu braucht man Sie nicht mal festzuhalten, eine unabsichtliche falsch Bewegung beim Kuscheln reicht da schon.

Eine meiner Freundinen war so empfindlich das SIe schon beim Tanzen bei falschen Bewegungen und daraus folgenden "Kollisionen" mit anderen Paaren großflächige blaue Flecken bekan.

 

Wie ist die bei der Beschuldigerin?

 

 

 

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  Sehr geehrter Prof. Müller,   vielen Dank für Ihre umgehende Antwort.   Sie schreiben, ein "glaubhafter Zeugenbericht" kann als Beweis gewertet werden. Die Glaubwürdigkeit sollte geprüft werden. Wenn dies nicht geschieht, passiert aber auch nichts. Mit anderen Worten: Richter A findet mich sympathisch und glaubt mir, Richter B kann mich aus irgendwelchen Gründen nicht leiden und glaubt mir nicht. Die Folgen können zwischen Freispruch und lebenslänglich liegen. Das kann es doch nicht sein. Abgesehen von dem Fall Mollath geht es mir um die grundsätzlichen Dinge und damit verbunden um mögliche Verbesserungen für die Zukunft. Hier würde ich zuerst die fehlende Möglichkeit einer 2ten Instanz bei Verfahren vor dem Landgericht nennen. Bedarf es hier nicht zwingend einer Reform ?   Mit besten Grüßen
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Sehr geehrte Frau Kutschke,

Sie schreiben:

Gut gesprochen. Das Problem aber ist, dass sich Rich­ter, viele Juristen und am wenigsten „Ärzte, die Erfahrung mit psychisch Kranken haben“ ge­genseitig NICHT kontrollieren und so Urteile fallen, die keinen Standards entsprechen, keinen juristischen und keinen ärztlichen. Als Psychiaterin habe ich zum Gutachten Dr. Leipzigers eine umfängliche methodenkritische Untersuchung erstellt

Ich stimme Ihnen zu. Ich hatte mit dem von Ihnen zitierten Satz lediglich geantwortet auf die Frage, warum Psychiater überhaupt angehört werden, ob man nicht ganz auf sie verzichten solle. Ich glaube, Sie sind da derselben Ansicht wie ich. Dass es im Fall Mollath zu Begutachtungen gekommen ist, die nicht den Richtlinien entsprechen und die mich als Jurist auch in keiner Weise überzeugt haben, habe ich an verschiedenen Stellen geäußert. Das Problem ist, auch dafür - nämlich um festzustellen, dass es sich um nicht richtlinienkonforme und wahrscheinlich Fehlgutachten handelt -  auch für diese Feststellung braucht man einen Psychiater.

Nachdem das auf persönlicher Untersuchung fußende Gutachten Dr. Weinbergers vorliegt, be­steht beim jetzigen Wiederaufnahmeverfahren für die erneute Infragestellung Mollaths kein sachlicher Grund.

Der Grund der Beauftragung ist nicht unbedingt die "Infargestellung Mollaths", sondern er  ergibt sich daraus, dass die Anwendung der §§ 20, 21, 63 in Betracht kommt und dafür gesetzlich (formal) ein SV benötigt wird. Ich habe diese Zusammenhänge bereits mehrfach erläutert. Das Gericht wählt den Sachverständigen aus und hat, vielleicht auch, weil Herr Dr. Weinberger schon zuvor ein Gutachten erstattet hat, nicht auf diesen zurückgegriffen. 

Auch  eine erneute Beobachtung durch einen „namhaften“ Psychiater erlaubt à priori keine gutachtliche Schlussfolgerung bezüglich der angeblichen Tatzeiten.

Sehe ich genauso. Jedoch: erstens kommt es möglicherweise (seit heute: wahrscheinlich) gar nicht mehr zu einer Begutachtung, da der Tatnachweis nicht erbracht werden kann.

Zweitens wäre ein Sv auch dafür erforderlich ggf. eine nicht ausschließbare Schuldunfähigkeit (§ 20, in dubio pro reo) zu bestätigen, wofür eine Einschätzung der früheren Aketninhalte und Gutachten genügen kann.

Dem Gericht ist bereits bekannt, dass Herr Mollath keine Untersuchung durch Dr. Nedopil wünscht. Wozu dann noch die permanente Anwesenheit eines Psychiaters während des Prozesses ? Soll es etwa so weiter gehen, dass man Urteile auf Gutachten stützt, die eigentlich wegen der fehlenden eingehenden Exploration und Untersuchung gar nicht erstellt werden dürften?

Sie gehen (kontrafaktisch, wie ich meine) offenbar davon aus, dass der SV nur gegen bzw. zu Lasten des Angeklagten Stellung nehmen kann. Wird aber etwa § 20 StGB in dubio pro reo  bejaht, zugleich aber § 63 StGB verneint, wäre Ihr Argument nicht mehr tragfähig.

Soll es etwa so weiter gehen, dass man Urteile auf Gutachten stützt, die eigentlich wegen der fehlenden eingehenden Exploration und Untersuchung gar nicht erstellt werden dürften? Hat man nicht so die  Möglichkeit unliebsame Bürger in die Psychiatrie zu verräumen? Heißt  es etwa deshalb, das Gericht sei gezwungen im Rahmen der Aufklärungspflicht die Anwesenheit eines Psychiaters anzuordnen? Aber § 80 StPO besagt, dass die Anwesenheit des Sachverständigen nur auf dessen Verlangen zu gestatten ist. Da fragt man sich, warum Prof. Nedopil  seine Anwesenheit verlangt hat, wo er doch wissen muss, dass Herr Mollath sich von ihm nicht begutachten lassen wird.

Die Interpretation des § 80 StPO habe ich ja in meinem Beitrag überhaupt erst zur Sprache gebracht. Inzwischen hatte ich Gelegenheit, den SV in der Hauptverhandlung zu erleben und denke, dass seine Fragen an die Zeugen durchaus - auch aus Sicht von Herrn Mollath und seiner Verteidigung - sinnvoll sind. Wie oben schon gesagt: Auch die Kritik an den bisherigen psychiatrischen Einschätzungen bedarf eines Psychiaters.

Die Dauer-Präsenz des Prof. Nedopil dient allem Anschein nach hauptsächlich aber dazu, den noch ramponierten Ruf der deutschen Psychiatrie und ihrer Elite aufzupolieren.

Ihr Misstrauen in Ehren, aber diesen Anschein habe ich bislang nicht feststellen können (haben Sie irgendwelche objektiven Anhaltspunkte dafür?) Und wenn  Kritik an den psychiatrischen Gutachten  in diesem Prozess von einem allg. sehr anerkannten Psychiater käme, wäre dies m. E. umso nützlicher.

Hat man nicht so die  Möglichkeit unliebsame Bürger in die Psychiatrie zu verräumen?

Herr Mollath wird sicherlich nicht mehr in die Psychiatrie verräumt auf Grundlage der Ergebnisse dieses Prozesses.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

 

"Offen eingeräumt wird, dass der ganze Aufwand des Wieder­auf­nahmeverfahrens dazu dient, das angekratzte Vertrauen in die bayerische Justiz wieder herzustellen. Die Dauer-Präsenz des Prof. Nedopil dient allem Anschein nach hauptsächlich aber dazu, den noch ramponierten Ruf der deutschen Psychiatrie und ihrer Elite aufzupolieren. Nur eine Kapazität, eine Koryphäe wie Prof. Nedopil, wird es demnächst heißen, konnte die (längst fachkundig ausgewiesene) psychische Gesundheit und Ungefährlichkeit Mollaths erkennen."

Sehr geehrte Frau Kutschke,

es ist sehr frustrierend, aber höchstwahrscheinlich werden Sie damit recht haben. Klar ist doch, dass verursachend nicht nur Systemversagen (z.B. ein schlechtes Gesetz) oder die Fehleinschätzung Einzelner war, sondern ein Netzwerk von Personen, für die Regeln nur dann gelten, wenn deren Anwendungsergebnis ihrer Zielvorstellung entspricht. Mancher wunderte sich möglicherweise wirklich nur über diesen wirren Verschwörungskram, ärgerte sich über irgendetwas an Mollath und folgte seiner "Bürgerpflicht". Und nun? Irrtum eingestehen, Verantwortung übernehmen? Ausgeschlossen ist es, dass sich die echten Profiteure offenbaren, die intrigant und planend vorgingen. Deren Psyche ist bereits beseelt von einer bewussten und zielgerichteten Beugung des Rechts zu eigenen Gunsten. Gehen wir auch davon aus, dass es in diesem Netzwerk vielfältige Abhängigkeiten, hierarchische Abstufungen, Vergünstigungen, Erpressbarkeit und Fehlinformationen gibt und wir die Chefetage nur erahnen können. Während sich dieses Netzwerk insgesamt bis zu Mollaths Entlassung selbstgewiss gab und möglicherweise schon über eine Automatisierung der Zwangsverräumung sinnierte, wurden nach der Entlassung sofort Rettungsmaßnahmen für die wichtigsten Netzwerker eingeleitet. Das spürt auch der kleine Mitläufer und lässt die Hosen lieber an. Das Netzwerk stößt verwundete Teile ab, dämmt den Protest durch Mitarbeit ein und stabilisiert sich durch diese Unabkömmlichkeit.  Was nicht bedeuten soll, dass die Personen, denen diese Funktionen zugewiesen wurde oder auch einfach zufiel, selbst davon wissen, geschweige denn einverstanden sind. Es geht mehr um die Steuerungsfunktion des Zulassens oder Unterbindens. Also das was möglich ist, müssen wir möglichst produktiv für grundlegende Veränderungen verwerten. 

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Gast schrieb:

 

Es kann so gewesen sein, beweisbar ist es nicht

Von Beate Lakotta, Regensburg

 

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/gustl-mollath-rechtsmediziner-eise...

 

 

"…eine Bisswunde am Ellenbogen - eine entsprechende Narbe hat Petra M. in mehreren Gerichtsverhandlungen vorgezeigt …“

 

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/gustl-mollath-rechtsmediziner-eisenmenger-sagt-aus-a-981837.html

 

 

Nur ihr jetziger Mann hat sie sie ganzen Jahre über nie gesehen, weiß noch nicht mal, ob rechts oder links.

Böser Ehemann.

 

 

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Zur Zuverlässigkeit und Wissenschaftlichkeit von psychologischen Gutachten und juristischer Entscheidungsfindung und den möglichen Folgerungen sollte verstärkt nachgedacht werden.
Ein paar Semester Psychologie hatte ich als Naturwissenschaftler im Nebenfach. Was mir im Anfangssemester (Methodenlehre) auffiel, war das Bedürfnis der Psychologen, mit zu den (harten) Naturwissenschaften zu zählen. Die Messungen wurden über die Jahrzehnte verfeinert und sind durch fortgeschrittene Statistik durchaus auswertbar. Dies gilt aber üblicherweise für Auswertungen zu größeren Gruppen oder auch zur groben Klassifizierung einzelner, oft unklarer Eigenschaften. Man nehme z.B. den ungenauen und kulturkreisabhängigen IQ. Ein IQ von über 130 und Telefonbücher auswendig lernen, was soll der IQ da konkret aussagen? Viel Arbeit müssen Psychologen darauf verwenden, Fehler und Störquellen zu ermitteln und loszuwerden. Während sich die harten Naturwissenschaften ihre eigene exakte Welt basteln oder die Existierende ebenso exakt sezieren, sind Psychologen auf die Erkenntnis durch Beobachten, statistisches Auswerten und Interpretieren angewiesen. Bei ausreichend großer Testgruppe führt das bei sauberer Arbeit zu validen Ergebnissen. Damit können sogar psychologische Prognosen zu einzelnen Probanden erstellt werden, aber eben nur mit statistischen Wahrscheinlichkeiten. Sobald die nicht bei unmöglichen 100% liegt, kann der gerade vorliegende Fall Einer sein, auf den die Prognose nicht zutrifft und das noch ohne Anwendungsfehler.
In der Therapie kann der heilende Therapeut bei einer fehlerhaften Diagnose oder ungeeigneten Therapie seine Methode noch variieren, der Klient kann den Therapeuten wechseln oder die Therapie insgesamt abbrechen. Eventuell vollkommen schadlos.
Auch Richter und Gerichtsgutachter müssen mit Beobachten, Auswerten und Interpretieren zur Erkenntnis kommen. Der Unterschied zum Therapeuten ist jedoch der Zwang zur unumstößlichen Entscheidung und die zwanghafte Bindung an den gesetzlichen Richter. Das verleitet dazu, sich harte wissenschaftliche Erkenntnisfähigkeit einzureden und den kleinen Restfehler mit der persönlichen Erfahrung und Prognosefähigkeit auszugleichen. Wer gerichtliche Urteile liest, wird faktisch nie richterliche Zweifel an der eigenen Methodik zur Entscheidungsfindung entdecken. Wenn etwas zweifelhaft ist, dann sind es äußere Umstände, Tatsachen, Beteiligte oder Zeugen. Auch das wird mit "Exaktheit" registriert und in eine klare Entscheidung umgemünzt. Psychiatrischen Gutachtern sollte dagegen die Ungenauigkeit ihrer Methoden insbesondere bei der Anwendung im Einzelfall bewusst sein. Aber was soll ein Richter mit Prognosewahrscheinlichkeiten zwischen 50 - 90% zu einer psychischen Neigung, die keine Aussage zu einer konkreten Gefahr darstellt. Also muss der Gutachter umso mantrahafter an der Untersuchungsgrundlage festgehalten, dass die vorgeworfenen Straftaten auch wirklich verübt wurden, der Proband in seiner typischen Verfassung ist und die eigenen Beobachtungen objektiv und unbeeinflusst sind. Damit kann er dann schon konkreter werden. Mit dieser Idealvorstellung überspringt der Gutachter die Hürde zur harten Wissenschaft und misst förmlich mit dem Bandmaß. Auf eine ähnliche Idealisierung für seine absolute Urteilsfähigkeit setzt auch der Richter, die dann mit Unabhängigkeit, Unbefangenheit und Prozessgerechtigkeit beschrieben wird. Da kracht es also schon mächtig in der Theorie beider Professionen, ohne das andere Mängel dazukommen müssen.
Ein Kernproblem ist m.E. diese Sucht nach Unangreifbarkeit der Entscheidung, die durch idealisierte Unfehlbarkeit gerechtfertigt wird. Der Richter entscheidet durch seine besonders gute juristische Ausbildung, objektive Tatbestandsermittlung und korrekte Anwendung der richtigen Gesetze. Wenn die Juristen und Gutachter sich aber eingestehen würden, dass eindeutig, richtige Feststellungen in ihrer Profession schon grundsätzlich nicht möglich sind, dann wäre es ein Zeichen der Qualität, wenn der Zweifel oder die methodische Fehlertoleranz mit festgestellt und dokumentiert wird. Damit wären realistische Ansätze für Korrekturmöglichkeiten geschaffen, die nicht bedeuten, dass die Entscheidung auf schlechter Ausführung beruht. Ein Mentalitätswechsel in dieser Grundsatzfrage könnte sich damit auch positiv hemmend auf das Bedürfnis zur Manipulation von Verfahren auswirken. Vorausgesetzt es besteht die Absicht ein gerechtes Recntssystem zu etablieren.

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@ bille #31

Niemand wird Ihnen widersprechen, im Gegenteil Ihnen zustimmen (wie man sieht), dass nach längerer Zeit Details nicht mehr erinnerbar sind (gilt übrigens nicht nur für Ehestreit).

In dem von Ihnen zitierten Beitrag geht es aber konkret darum, dass der Richter Mollaths Aussage, er habe sich "nur gewehrt" auf das Detail des Beißens bezogen hat. Das hat doch nichts damit zu tun, woran sich Herr Mollath erinnert oder nicht.

 

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Zur Beurteilung der Wissenschaftlichkeit einer Prognose kommt es auf einen einzelnen Zahlenwert an, mehr ist nicht zu bedenken. Dieser Zahlenwert ist der Koeffizient prognostischer Validität. Er drückt den statistischen Zusammenhang zwischen der Prognose und dem prognostizierten Ereignis, beispielsweise einer Gewalttat, aus.

 

Ist die prognostische Validität gut, so ist zwangsläufig die Zahl der falsch positiv und der falsch negativ Eingestuften gering. Ist sie schlecht, werden beispielsweise viele Harmlose eingesperrt und viele Gefährliche laufen frei herum. Es handelt sich hier um einen Zusammenhang, der sich zwingend aus der mathematischen Beziehung zwischen Validität und Trefferquote ergibt.

 

Aus diesem Zusammenhang, unter Berücksichtung der Basisrate und des Selektionskriteriums (Beispiel: Grad der Gefährlichkeit, die eine Internierung rechtfertigt) ergibt sich die "number needed to detain", also die Zahl der Harmlosen, die eingesperrt werden müssen, um eine Gewalttat eines tatsächlich Gefährlichen zu unterbinden.

 

Je nach Studie finden sich hier Zahlen zwischen 6 und 16. Klartext: Die überwiegende Mehrheit der Leute, die wegen angeblicher Gefährlichkeit hinter psychiatrischen Gittern sitzen, stellen keine erhöhte Gefahr für die Allgemeinheit dar; sie sind sie gefährlich oder ungefährlich wie der Normalbürger.

 

Es sollte sich eigentlich von selbst verstehen, dass Prognosen solcher Art nicht beanspruchen können, wissenschaftlich fundiert zu sein, weil man ja sonst auch die Glaskugelschau oder das Kaffeesatzlesen als wissenschaftlich fundiert bezeichnen könnte. Es ist überdies zu bedenken, dass solche Prognosen oft auf klinischen Urteilen beruhen, d. h., der Gutachter unterhält sich mit dem Probanden, studiert die Akten und verbindet dann die so erhaltenen Eindrücke in seinem Kopf zu einer Vorhersage. Diese Form der Prognose hat die schlechteste prognostische Validität. Zumindest nicht schlechter, meist etwas besser sind statistische Methoden, die aber immer noch mit einer "number needed to detain" verbunden sind, die sich ethisch nicht rechtfertigen lässt.

 

Psychiater, Psychologen und andere "Experten" sind in solchen Fällen vor Gericht also entbehrlich, weil der Richter genauso gut den Saaldiener um eine Expertise bitten könnte. Hier wird also der Anschein von Objektivität und Wissenschaftlichkeit erweckt, der sich empirisch nicht rechtfertigen lässt. Es ist nicht gut für unsere Rechtskultur, wenn Illusionen der Gewissheit eine zentrale Rolle spielen.

 

Kurz: Zur Beurteilung der Wissenschaftlichkeit eines prognostischen Verfahrens ist zu prüfen, ob sich sich durch seine Anwendung die Trefferquote in einem praktisch akzeptablen Ausmaß steigern lässt. Wenn die Mitwirkung von Psychiatern und Psychologen nichts daran ändert, dass die überwiegende Zahl der wegen Gefährlichkeit Internierten in Wirklichkeit nicht gefährlicher sind als der Durchschnittsmensch, dann sind Zweifel an der Wissenschaftlichkeit ihrer Methoden gerechtfertigt. Sie schaffen kein oder nicht genug Wissen, um ethisch vertretbare Verhältnisse zu gewährleisten.

zu #18

"Es kann so gewesen sein" ist eine Hypothese im Stadium von Ermittlungen, die mit Gegenhypothesen und weiteren staatsanwaltlichen Ermittlungen überprüft werden muss.

Wenn Spekulationsgeschäfte auf dem Niveau von Vermutungen, Glaubensbekenntnissen und "Wetten das ..." wegen der billigen Produktionskosten schon die Journaille versaut, ist das die eine Sache. Bild ist mittlerweile fast überall, die 4. Gewalt eine Mär. Wenn aber Gerichte als hoheitliche Institutionen sich aus Billigkeitsgründen in Fragen von elementarem Recht oder Unrecht mit riskanten Spekualitionsgeschäften abgibt, dann sind alle Dämme gebrochen. Eine Notierung an der Börse des Bösen ist dann nur noch eine Frage der Zeit.  

 

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hugresch schrieb:

Zur Beurteilung der Wissenschaftlichkeit einer Prognose kommt es auf einen einzelnen Zahlenwert an, mehr ist nicht zu bedenken. Dieser Zahlenwert ist der Koeffizient prognostischer Validität. Er drückt den statistischen Zusammenhang zwischen der Prognose und dem prognostizierten Ereignis, beispielsweise einer Gewalttat, aus.

 

Ist die prognostische Validität gut, so ist zwangsläufig die Zahl der falsch positiv und der falsch negativ Eingestuften gering. Ist sie schlecht, werden beispielsweise viele Harmlose eingesperrt und viele Gefährliche laufen frei herum. Es handelt sich hier um einen Zusammenhang, der sich zwingend aus der mathematischen Beziehung zwischen Validität und Trefferquote ergibt.

 

 

Von Prognosen kann aus verschiedenen Gründen derzeit keine rede sein: Für eine Prognose wäre es z.B. auch nötig, die Lebensbedingungen einschätzen zu können, denen ein Proband in Freiheit ausgesetzt wäre.  Im Falle Mollaths war es nicht erkennbar, dass man sich solche Gedanken machte, und nachweislich kann Psychiatern keine Datenbasis zu schmal oder zu wacklig sein: Sobald es eine Akte gibt, hat ein Psychiater alles, was er zu brauchen meint.  Jede Behauptung eines Staatsdieners wird dann für bare Münze genommen, jede unbelegte Einschätzung zumindest dann, wenn sie dem Psychiater als passend erscheint.

 

Das, was derzeit läuft, kann nicht mit dem Bemühen um Gerechtigkeit verbunden werden, sondern nur noch damit, dass man nicht nur Gefährliche, sondern auch Unbequeme  und diverse andere (auszuplündernde Witwen z.B.) wegsperren will.

 

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Gast schrieb:

http://strate.net/de/dokumentation/Mollath-Hauptverhandlung-2014-07-18.pdf

 

War doch klar und auch an diversen Stellen im Internet nachzulesen gewesen:  Dass Petra M. an der fristlosen Kündigung vorbeikam, dass stattdessen ein Vergleich geschlossen wurde und sie eine hohe Abfindung erhielt, kann definitiv nur daran gelegen haben, dass die HVB eine  gerichtliche Klärung vermeiden wollte, um zu verhindern, dass Straftaten ans Licht gekommen wären, die sie lieber im Dunkeln lassen wollte.

Die Frage muss also lauten: Hat Petra Mollath die HVB damals erpresst?

 

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Gast schrieb:
und sie eine hohe Abfindung erhielt

Die Abfindung war vergleichsweise gering, soviel ich weiß, ich glaube 20.000.

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Neuergast schrieb:

Gast schrieb:
und sie eine hohe Abfindung erhielt

Die Abfindung war vergleichsweise gering, soviel ich weiß, ich glaube 20.000.

 

Für jemanden, der einen glasklaren Grund für eine fristlose Kündigung geliefert hat, dürften 20.000 € vergleichsweise üppig sein...

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Gast schrieb:

Neuergast schrieb:

Gast schrieb:
und sie eine hohe Abfindung erhielt

Die Abfindung war vergleichsweise gering, soviel ich weiß, ich glaube 20.000.

 

Für jemanden, der einen glasklaren Grund für eine fristlose Kündigung geliefert hat, dürften 20.000 € vergleichsweise üppig sein...

 

Das sehe ich anders! Für ein Vergleich (wohlgemerkt nach einer fristlosen Kündigung) ohne weiteren Hintergrund sind 20.000 Euro bei einer Angestellten in dieser Position (Anlageberaterin für mind. mittlere Vermögen) verdammt wenig. Ich kenne einen Fall von einer fristlosen Kündigung bei einem einfachen Facharbeiter mit weniger Anstellungsjahren und einen weit aus wackligeren Kündigungsgrund. Dort wurden eben auch genau 20.000 Euro bezahlt. Das bei einem Angestellten dessen Position im Vergleich zu Petra Mollath weit aus geringer war.

Ich denke (also "pers. Meinung"!), das bei diesem Treffen vor dem Arbeitsgericht schon alles ausgehandelt war. Petra M. war klar, das bei einer Verhandlung einiges von ihrer tätigkeit herauskommen würde und die Bank hatte kein Interesse das die Geschichte weiter in die Öffentlichkeit gezerrt wird (deswegen auch das Verschließen des Sonderberichtes). Unter siesem Gesichtspunkt ist für beide Seiten diese 20.000 Euro sozusagen das was man als unterste Schmerzgrenze zur Vermeidung weiterer Unannehmlichkeiten sehen kann.

Es ist der Preis mit dem beide Seiten leben konnten. Zudem für Petra M. keine Kündigung, sondern ein Auflösen des Arbeitsvertrages.

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€20.000 sind 3 bis 5 Bruttomonatsgehälter. Wesentlich wichtiger wird es Frau 3M gewesen sein, dass sie keine mutmaßlich unterschlagenen Provisionen zurückzahlen musste.

 

Offensichtlich hatte die Bank kein Interesse daran, Details vor Gericht diskutieren zu lassen.

 

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aus: http://www.justice.gov/tax/txdv06212.htm

"HVB, Germany’s second largest bank, entered a deferred prosecution agreement for its role in facilitating tax shelters marketed by KPMG. The agreement requires HVB to implement substantial changes in its operations and pay nearly $30 million to the United States in fines, penalties and restitution;"

 

das war 2005 oder 2006.

Wie lange gingen die Ermittlungen? Zusammenhang zu Mollath?

 

 

In Deutschland wurden in den 90er Jahren mehrere Banken durchsucht. War die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank dabei? War die Bayerische Vereinsbank dabei? Konnte sich die Bank (natürlich die Leute dort) damals sicher fühlen?

Wann war eigentlich die erste Durchsuchung bei der HVB? Warum dann auf einmal doch? Wenige Tage nach Erscheinen des Revionsberichts in den Medien gab es eine Durchsuchung bei der HVB. Zusammenhang?

 

Oder alles Staatsgeheimnis?

 

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Sehr geehrte Kommentatoren,

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Beste Grüße

Henning Ernst Müller

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