Wie ist das eigentlich mit dem Lüften

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 21.07.2014

Zwar steht die kalte Jahreszeit nicht unmittelbar bevor. Indessen laufen derzeit die Prozesse über die Minderungen (§ 536 BGB) wegen Schimmelbildung während der letzten Heizperiode. Deshalb sollen die gültigen Grundsätze in Erinnerung gerufen werden:
Für die Behandlung dieser Phänomene bei Anwendung des § 536 BGB gilt die Sphärentheorie (MünchKomm/Häublein, § 536 BGB Rz. 32; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 536 BGB Rz. 447 f.). Danach findet eine Beweislastverteilung nach Risikokreisen statt (vgl. BGH v. 11.7.2012 – VIII ZR 138/11; NZM 2012, 637). Regelmäßig ist das Bestehen des Feuchtigkeitsschadens (auf der Wand) unstreitig. Zumindest kann der Vermieter es nicht einfach bestreiten. Deshalb ist grundsätzlich ein Mangel der Mietsache gegeben.
Als Ursache für das Phänomen kommt sowohl eine schlechte bauliche Substanz als auch eine Verletzung der Obhutspflicht durch den Mieter in Betracht. Da sich der Mangel unmittelbar am Gebäude befindet und der Vermieter gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB dafür die Verantwortung trägt, muss zunächst ermittelt werden, ob die Feuchtigkeitserscheinungen auf einer fehlerhaften Bausubstanz beruhen. Diese Last obliegt dem Vermieter. Hat er den Beweis erbracht, dass eine aus seinem Risikobereich stammende Ursache (Mangel am Gebäude) nicht in Betracht kommt, muss der Mieter darlegen und beweisen, dass er seine Obhutspflicht erfüllt und im Hinblick auf den üblichen Umfang ausreichend geheizt und gelüftet hat. Ist auch dieser Beweis geführt, muss der Vermieter wiederum darlegen und beweisen, dass sich die Feuchtigkeit gleichwohl durch zumutbare Maßnahmen des Mieters hätte verhindern lassen.
Die Feststellung, ob ein Baumangel vorliegt oder nicht, ist in den meisten Fällen relativ einfach durch einen Sachverständigen festzustellen. Verläuft dieser Teil der Beweisaufnahme für den Mieter negativ, gelten für sein Lüftungsverhalten folgende Grundsätze:
Zunächst ist davon auszugehen, dass sich eine Wohnung mit alltagsüblichem Lüftungsverhalten schimmelfrei halten lassen muss (LG Konstanz v. 20.12.2012 – 61 S 21/12 A, NZM 2013, 506; LG Aurich v. 9.2.2005 – 2 T 51/05, WuM 2005, 573). Voraussetzung dafür ist, dass sich das notwendige Verhalten in den üblichen Grenzen hält. Insoweit ist dem Mieter zumutbar, in den einzelnen Räumen ein Raumklima zu schaffen, bei dem eine durchschnittliche Zimmertemperatur von 20 °C herrscht und die in den Räumen produzierte Feuchtigkeit durch dreimaliges Stoßlüften (LG Konstanz v. 20.12.2012 – 61 S 21/12 A, NZM 2013, 506 - Lüften bei geöffneten Fensterflügeln) von 10–15 Minuten täglich ausgeglichen wird (OLG Frankfurt v. 11.2.2000 – 19 U 7/99, NZM 2001, 39). Das gilt grundsätzlich auch für den berufstätigen Mieter (LG Frankfurt v. 7.2.2012 – 2-17 S 89/11, ZMR 2012, 552 - für 3–4 mal tägliches Stoßlüften; zweifelnd LG Konstanz v. 20.12.2012 – 61 S 21/12 A, NZM 2013, 506). Selbst das fünf- bis sechsmalige Lüften täglich kann verlangt werden (LG Hagen v. 19.7.2012 – 1 S 53/12, DWW 2012, 263; a.A. LG Dortmund v. 25.9.2012 – 1 S 73/11, ZMR 2013, 718.). Insoweit muss der Vermieter auf die Notwendigkeit und den Umfang des notwendigen Heizens und Lüftens nicht hinweisen. Dieses Wissen kann er als allgemein bekannt voraussetzen (AG Nürtingen v. 9.6.2010 – 42 C 1905/09, MietRB 2011, 40).
Allerdings darf keine besondere Belüftungsart praktiziert werden müssen. Denn lässt sich die Feuchtigkeit (auch bei Altbauten) z.B. wegen der Anordnung der Räume (entlang einem Flur hintereinander gereiht, also ohne gegenüberliegende Zimmer) nur durch eine besondere Art der Lüftung (z.B. sog. L- oder U-Lüftung) verhindern, besteht eine Hinweispflicht des Vermieters (LG Kleve v. 9.1.2003 – 6 S 329/01, WuM 2003, 142). Das Gleiche gilt nach Ausführung von Sanierungsarbeiten im laufenden Mietvertrag, wenn der Vermieter sich erfolgreich gegen Gewährleistungsrechte verteidigen will (LG Neubrandenburg v. 2.4.2002 – 1 S 297/01, WuM 2002, 309).
 

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