Wer entscheidet, ob das Kind beschnitten wird?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 08.08.2014
Rechtsgebiete: Familienrecht8|7525 Aufrufe

Die geschiedenen Eheleute (sie Christin, er Muslim) üben das Sorgerecht für ihre beiden Söhne gemeinsam aus.

Die Kindesmutter hat an Eides statt versichert, dass die Kindeseltern sich einig darüber waren, die Kinder im christlichen Glauben zu erziehen. So wurde T auch in einem katholischen Kindergarten angemeldet. Entgegen der Vereinbarung der Eltern nutze der Vater nunmehr die Umgangskontakte, um den Kindern den moslemischen Glauben nahe zu bringen. In einem Telefonat am 01.04.2014 habe der Kindesvater geäußert, dass er die Kinder nunmehr beschneiden lassen werde. Das fehlende Einverständnis der Kindesmutter würde ihn nicht interessieren. Auch im Rahmen des Telefonats vom 04.04.2014 sei von ihm erneut das Thema der Beschneidung zur Sprache gebracht worden. Er habe der Kindesmutter mitgeteilt,  er wolle seine Kinder vor dem Fegefeuer bewahren. Im Übrigen habe sie die falsche Religion.

Das AG hat im Wege der einstweiligen Anordnung die Entscheidungsbefugnis über eine Beschneidung auf die Kindesmutter übertragen und dem Vater untersagt, entsprechende Maßnahmen zu veranlassen.

Es entspreche dem Wohl der Kinder, dass die Kindesmutter die Entscheidung für die Beschneidung treffe. Das Gericht gehe davon aus, dass die Kindesmutter besser geeignet sei, die insoweit erforderliche Entscheidung für die Kinder zu treffen. Die Mutter habe bislang die Kinder im christlichen Glauben erzogen und beabsichtigte, dies auch fortzusetzen, so wie es die Eltern früher vereinbart hätten. Zudem sei die Mutter die Hauptbetreuungsperson der Kinder. Es oblag insoweit bislang ihr die religiöse Erziehung in das tägliche Leben der Kinder einzubinden. Die Mutter möchte weiterhin die Kinder im christlichen Glauben erziehen und lehnt daher die Beschneidung der Kinder ab. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beschneidung eine endgültige Maßnahme darstellt, und der bisherigen Erziehung durch die christliche Mutter, entspreche es dem Wohl der Kinder, wenn die Mutter über die Frage der Beschneidung allein entscheidet. Dies gelte vor allem aber auch zur Vermeidung einer Gefährdung des Wohls der Kinder. Diese dürfte jedoch vorliegen, wenn hier ohne Begleitung der Hauptbetreuungsperson eine Beschneidung an den noch kleinen Kindern erfolgen würde.

Soweit die Kindesmutter jedoch die Übertragung der Teilbereiche Gesundheitsfürsorge und das Recht zur Entscheidung über die religiöse Erziehung beantragt hat, sei eine derart umfassende Anordnung im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht erforderlich. es genüge eine Entscheidung nach § 1628 BGB.

AG Düsseldorf Beschluss v. 07.04.2014 - 269 F 58/14

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8 Kommentare

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Was ist denn das für eine Begründung? Das liest sich ja irgendwie so, also ob es darauf ankäme, dass es die Mutter sei, die dagegen ist und dass sie christlich sei.

Dabei ist die Sache doch eigentlich klar: In die Beschneidung eines Sohnes einzuwilligen, setzt das Einverständnis beider Elternteile voraus. Wenn ein Elternteil aus gleich welchem Grund nicht einverstanden ist, ist diese ethisch sowieso nicht zu vertretende Körperverletzung schlicht und ergreifend eine illegale Körperverletzung, da ändert auch der Unrechtsparagraph §1631d BGB nichts daran.

... es mag eine Körperverletzung sein, letztlich wiegt diese nicht schwerer als das Stechen von Ohrlöchern kleiner Mädchen. Ich nehme an, dass 98 % der Juden und Moslems spätestens mit der ersten Bewusstseinsbildung froh darüber sind, beschnitten worden zu sein. Niemand hat ein Problem damit, warum die deutsche Justiz nun meint, sich hier einmischen zu dürfen, ist nicht ersichtlich. Das Wie mag man ja regeln und die Beschneidung Ärzten vorbehalten, aber das Ob geht die deutsche Justiz nichts an, es sei denn es kommt zum Konflikt weil die Eltern sich uneins sind.

 

 

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Schwierige Angelegenheit, bleibt nur die Empfehlung "bi-religiösen" Ehen sich zu Beginn damit auseinander zu setzen und zu regeln. Für Muslime und Juden ist die Beschneidung eines Jungen eine absolute Selbstverständlichkeit, über deren Richtigkeit und Erforderlichkeit keine Sekunde gezweifelt wird. An dem Artikel ist zu kritisieren, dass durchgehend die Beschneidung von einem "Kind" und nicht einem "Jungen" die Rede ist. Ich gehe davon aus, dass es sich auch in dem Fall um die Beschneidung eines Jungen, einem Eingriff, der harmloser als jegliches Piercing oder tattoo ist, und nicht um die indiskutable menschenverachtende Beschneidung eines Mädchens geht, die in der islamischen Welt von nur einigen wenigen Fanatikern vertreten wird.

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Motorpsycho schrieb:
Was ist denn das für eine Begründung? Das liest sich ja irgendwie so, also ob es darauf ankäme, dass es die Mutter sei, die dagegen ist und dass sie christlich sei.
Da habe ich auch gestutzt. Aber es bezieht sich wohl darauf, dass die Mutter im Gegensatz zum Vater die Vereinbarung über die religiöse Erziehung eingehalten hat und die Hauptbetreuungsperson ist. Bleibt die Frage, wie angesichts der Absichtserklärungen des Vaters eine rechtswidrige Genitalverstümmelung verhindert werden soll.

Pargmatiker schrieb:
Für Muslime und Juden ist die Beschneidung eines Jungen eine absolute Selbstverständlichkeit, über deren Richtigkeit und Erforderlichkeit keine Sekunde gezweifelt wird.
Völliger Unsinn und unwahr.
Pargmatiker schrieb:
die Beschneidung eines Jungen, einem Eingriff, der harmloser als jegliches Piercing oder tattoo ist
Noch schlimmere Unwahrheit. Auf welchem von der Außenwelt abgeschnittenen Eiland haben Sie das Jahr 2013 verbracht?

Die Beschneidung eines Jungen ist in keinster Weise harmlos, sondern verletzt viele seiner Grundrechte - unter anderem seine Menschenwürde und das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG)! Es ist unfassbar, dass in einem aufgeklärten Land eine wie auch immer geartete religiöse Beschneidung eines Kindes für "harmlos" oder "richtig" und "erforderlich" gehalten wird. Nein, es ist nicht erforderlich, sofern nicht medizinisch einwandfrei indiziert, sondern eine Körperverletzung, die dem Kind sein restliches Leben lang Schaden bereitet - gleicherdings für Jungen wie für Mädchen.

Wie kann man die Beschneidung von Mädchen als Körperverletzung darstellen und gleichwohl dem Jungen diese Würde absprechen? Es ist gerade zu skandalös, wie auf einer juristischen Plattform über solche Thematiken diskutiert wird, ohne sich die rechtlichen - und kindeswohlorientierten - Grundlagen herzunehmen. Das ist, wie Ihr Name andeutet, auch nicht pragmatisch, sondern eine klare Kindeswohlgefährdung.

Es geht in diesem Verfahren offenkundig nicht darum, dass es ausgerechnet die Mutter ist, die hier im Sinne des Kindes handelt, sondern es ist ein sorgeberechtigter Elternteil, welcher sein Kind vor Übergriffen Dritter schützt (als solche betrachte ich eine ungenehmigte Körperverletzung am Kind!). Offensichtlich ist sich der Kindsvater nicht über die Tragweite seiner willentlichen Entscheidung bewusst und kann gar nicht ermessen, was er dem Kind hiermit anzutun vermag. Das Kind muss auch vor einem solchen Vater unbedingt geschützt werden.

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Eine Beschneidung eines Jungen mit dem Ohrlochstechen bei Mädchen zu vergleichen, zeugt entweder von totaler Unkenntnis der Sache oder ist das bewusst aufgetischte Märchen eines Beschneidungsbefürworters. Tatsächlich ist die Vorhaut der empfindsamste Teil am männlichen Körper, während die Nervendichte an den Ohren äußerst gering ist. Bei der Beschneidung werden von den drei sensiblen Teilen des Penis zwei, nämlich Vorhaut und Bändchen abgetrennt, und die Eichel, ein inneres Organ zum äußeren gemacht. Bei einer Radikalbeschneidung gehen immerhin 75% der Empfindungsnerven verloren. Die Eichel verhornt nun individuell verschieden stark, was bei manchen Männern zum totalen Gefühlsverlust führt. Aber Pragmatiker weiß genau,  so etwas wäre nur bei Frauen schlimm. Und dann meint Pragmatiker noch, dass alle dann über die Zwangsbeschneidung glücklich wären. Dem ist leider nicht so, ich kenne EINIGE Muslime deren Glück über die Beschneidung bis zur Selbstmordgefährdung reicht.

Für extrem religiöse mag eine Genitalverstümmelung ein Glücksfall sein, wird doch die böse Sexualität, die allen Religionen große Probleme bereitet, durch diese „göttliche“ Genitalverstümmelung eingeschränkt …  

Aber solange es sich nur um Jungen handelt, ist alles kein Problem. Das Recht auf einen unversehrten Körper fängt ja erst bei wirklichen Kindern, also Mädchen an. Da ist sogar schon das Anritzen der Klitorisvorhaut strafbar. Das ist die Gleichheit der Geschlechter vor dem Gesetz.

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Was passiert denn, wenn er sich nicht daran hält?

Kann der Vater dann wegen Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft bestraft werden?

Ich hoffe doch nicht nur der Vater, sondern auch der Täter. Ich hoffe, dass das jedem Arzt und jedem nicht-ärztlichen Beschneider klar ist und diese ihren Aufklärungs- und Prüfungspflichten gewissenhaft nachkommen. Ansonsten hilft ihm auch §1631d BGB nicht. Ohne rechtlich wirksame Einwilligung handelt es sich klar um eine strafbare Körperverletzung.

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