Mo.-Sa., 7-18 h ist nicht Christi Himmelfahrt

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.08.2014

Mal wieder einmal ein Fall aus dem Leben: Da ist an einer Schule ein Geschwindigkeitsbegrenzungsschild mit Zusatz "Mo.-Sa., 7-18 h"  angebracht - und dann findet an Christi Himmelfahrt eine Geschwindigkeitsmessung statt. Das AG Wuppertal dazu:

I.
Nach dem Bußgeldbescheid vom 20.08.2013 wird dem Betroffenen Folgendes zur Last gelegt:
Er soll am 09.05.2013, dem Himmelfahrtstag, um 09:50 Uhr in Wuppertal auf der I-Straße, südlich der Hausnummer 195, in Fahrtrichtung Süden, als Führer des Pkw Skoda, amtliches Kennzeichen N, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 13 km/h überschritten haben und - nach Abzug der Toleranz - 43 km/h schnell gefahren sein. Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h ist dort in diese Fahrtrichtung durch Zeichen 274 mit darunter befindlichen Zusatzzeichen „Schule“ sowie „Mo.-Sa., 7-18 h“ angeordnet. Wegen der Einzelheiten wird auf das auf Bl. 12 der Akte befindliche Lichtbild, das in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden ist, gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen.
Durch das stationäre Geschwindigkeitsüberwachungsgerät der Firma Traffiphot, das an dieser Stelle gestanden hat, wurde der Geschwindigkeitsverstoß erfasst.
Wegen dieses Verstoßes ist gegen den Betroffenen ein Bußgeldbescheid erlassen worden, der eine Geldbuße in Höhe von 25,00 € anordnete. Gegen diesen Bußgeldbescheid vom 20.08.2013, der am 21.08.2013 wirksam zugestellt wurde, hat der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch eingelegt, so dass das gerichtliche Verfahren durchzuführen war.
Von dem ihm gemachten Vorwurf ist der Betroffene nach eingehender Prüfung aus rechtlichen Gründen freizusprechen.
II.
Nach Auffassung des Gerichts galt die mit Zeichen 274 angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung an dem Tattage, dem Feiertag Christi Himmelfahrt, nicht. Vielmehr war davon auszugehen, dass die übliche innerörtliche Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h, die nicht durch besondere Zeichen 274 vorgegeben zu werden braucht, sondern sich unmittelbar aus § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO ergibt, betrug. Diese war vom Betroffenen nicht überschritten worden.
Maßgeblich war hier, dass an der konkreten Örtlichkeit keine uneingeschränkte Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h angeordnet wird, sondern diese steht in Kombination mit den verwendeten Zusatzschildern. Zwar spricht der Zusatz „Mo.-Sa., 7-18 h“ zunächst dafür, dass eine Beschränkung allein auf Werktage erfolgen sollte, und damit die Geschwindigkeitsbeschränkung auch dann gelten sollte, wenn ein gesetzlicher Feiertag auf einen Tag von Montag bis Samstag fällt. Doch stehen die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung sowie auch das Zusatzschild „Mo.-Sa. 7-18 h“ in unmittelbarem Kontext mit dem weiteren Zusatzschild „Schule“. Die Geschwindigkeitsbeschränkungsanordnung sowie das Zusatzschild „Mo.-Sa. 7-18 h“ kann aufgrund der Beschilderung nicht isoliert von dem weiteren Zusatzschild „Schule“ betrachtet werden, sondern die Beschilderung ist in ihrer Gesamtschau zu würdigen. Legt man hier die entsprechende Gesamtschau an, so ist offenkundig, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung an der Örtlichkeit von montags bis samstags den Zweck haben soll, den ungehinderten Schulbesuch zu ermöglichen und die - vornehmlich - Kinder besonders schützen soll. Hier besteht eine so enge, für jeden Verkehrsteilnehmer deutlich erkennbare Verknüpfung zwischen der Geschwindigkeitsbeschränkungsanordnung und dem Zusatzzeichen „Schule“, dass ersichtlich wird, dass die Anordnung an dieser Örtlichkeit hinfällig wäre, wenn sie nicht gerade dem ungehinderten Zu- und Abgang von der Schule dienen sollte. Da an Sonntagen keine Schule stattfindet, sind daher auch konsequent die Sonntage von der Geschwindigkeitsbeschränkung ausgenommen.
Gleiches muss dann aber auch für gesetzliche Feiertage gelten, wenn diese auf einen der Werktage fallen. Denn an diesen findet ebenfalls kein Schulbesuch statt, so dass es des besonderen Schutzes, der mit der örtlichen Schilderkombination offenkundig hergestellt werden soll, nicht bedarf. An gesetzlichen Feiertagen wie Christi Himmelfahrt sind die Schulen vollständig geschlossen und finden noch nicht einmal Projekttage oder Ähnliches statt.
Insoweit ist der Fall daher vorliegend auch anders gelagert als bei der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28.05.2013 (Az.: [2 Z] 53 Ss-OWi 103/13 [50/13]). Denn in dem Fall, den das Oberlandesgericht zu bewerten hatte, war neben der durch Zeichen 274 angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung und dem Zusatzzeichen „Mo.-Fr. 6-18 h“ ein weiteres Zusatzzeichen „Kinder“ angebracht. Liegt eine solche Konstellation vor, so ist - anders als hier - nicht offenkundig erkennbar, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung einem ungehinderten Besuch einer Einrichtung dienen soll, die nur zu bestimmten Zeiten bzw. nur an bestimmten Tagen geöffnet hat; vielmehr ist auch an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen mit spielenden Kindern zu rechnen, so dass der Schutzzweck der Geschwindigkeitsregelung nicht gleichermaßen offenkundig und abgrenzbar ist wie im hier vorliegenden Fall.
Da die Geschwindigkeitsvorgabe von 30 km/h am Tattage demnach keine Gültigkeit hatte, der Betroffene gleichzeitig aber die gültige Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h nicht überschritten hatte, war er von dem Vorwurf freizusprechen.

AG Wuppertal, Urteil vom 28.01.2014 - 12 OWi-723 Js 1323/13-224/13 = BeckRS 2014, 12298

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5 Kommentare

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Die Argumentation des Gerichts - so begrüßenswert sie auch für den Betroffenen ist - würde konsequent weitergedacht bedeuten, daß die Geschwindigkeitsbegrenzung auch in den Schulferien keine Anwendung findet. Ob dasGericht sich dieser Konsequenz bewußt war?

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In den Schulferien könnten die vom Gericht angesprochenen Projekttage stattfinden. D.h. die Geschwindigkeitsbegrenzung würde in den Schulferien Anwendung finden (außer an Sonn- und Feiertagen).

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Das wird das Gericht bestimmt erkannt haben, aber wie es damit umgehen würde, erscheint mir auch zweifelhaft. Eine implizite Beschränkung für schulfreie Tage jenseits allgemeiner Feiertage erscheint problematisch. Jedenfalls ich wüsste nicht aus dem Kopf, wann jeweils die Schulferien beginnen und enden.

Wenn die Geschwindigkeitsbegrenzung allein durch die Anwesenheit der Schule und den Besuch durch Schüler in der Schulzeit begründet ist, wäre es aber eigentlich konsequent, das Schild während der Ferien abzuhängen o. ä. Vielleicht ist zu dieser Frage mehr die Verkehrsbehörde gefragt als das Gericht.

 

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Leser schrieb:

Das wird das Gericht bestimmt erkannt haben, aber wie es damit umgehen würde, erscheint mir auch zweifelhaft. Eine implizite Beschränkung für schulfreie Tage jenseits allgemeiner Feiertage erscheint problematisch.

Das ist genau der Grund, weshalb da "Mo.-Sa." und nicht "An Schultagen" drauf steht. Der VA wäre für den durchschnittlichen Adressaten der Allgemeinverfügung zu unbestimmt und daher rechtswidrig. Das gilt auch für die Auslegung des AG, zumal die Zusatzbeschilderung "Schule" gar nicht zur Modifikation des Regelungsgehalts angebracht wird, sondern um die Akzeptanz gegenüber der Geschwindigkeitsbegrenzung zu erhöhen und ihre Einhaltung zu verbessern.

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Ein weites Feld für fröhliche Einlassungen  a la:

 "Ich habe mich erkundigt, am Freitag endet für alle Klassen der Unterricht um 13 Uhr. Da galt wohl um 17 Uhr entgegen der Beschilderung keine Geschwindigkeitsbeschränkung".

 

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