BAG zur Haftung eines Krematoriumsmitarbeiters wegen Wegnahme von Zahngold

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 25.08.2014

Bereits vor über einem Jahr ist an dieser Stelle (Beitrag vom 19.7.2013) über ein viel beachtetes Urteil des LAG Hamburg (Urteil vom 26.6.2013, BeckRS 2013, 70585) zur Haftung eines Krematoriumsmitarbeiters für entwendetes Zahngold berichtet worden. Diese Entscheidung hat das BAG (Urteil vom 21.8.2014 – 8 AZR 655/13) nunmehr im Grundsatz bestätigt, allerdings in einem Punkt eine Nachlässigkeit des Berufungsgerichts korrigiert. Damals hieß es im Beck-Blog wörtlich:

„Die magische Anziehungskraft von Gold hat schon manch einen zu außergewöhnlichen Taten verleitet, selbst in Zeiten fallender Goldkurse. In dem vor kurzem vom LAG Hamburg (Urteil vom 26.06.2013 - 5 Sa 110/12, BeckRS 2013, 70585) entschiedenen Fall ging es um einen Mitarbeiter eines Krematoriums, der die Gunst der Stunde nutzte. Wie polizeilich angeordnete Videoaufzeichnungen ergaben, durchsucht der Mitarbeiter nach der Einäscherung der Leichname die Asche gezielt und steckte die gefundenen Gegenständen (insbesondere Zahngold) in seine Hosentasche ohne sie anschließend in den Tresor zu legen. Im Anschluss daran wurde das Gold veräußert. Dies geschah offenbar in großem Stil und unter Beteiligung weiterer Personen. Der Goldwert liegt im sechsstelligen Bereich. Seine Arbeitgeberin kündigte ihm daraufhin fristlos und verlangte Schadensersatz für das – mittlerweile verkaufte - Gold. Sie berief sich darauf, die mit der Einäscherung betrauten Mitarbeiter mehrfach eindringlich darauf hingewiesen zu haben, dass aufgefundenes Gold zu sichern und in ein dafür vorgesehenes Tresorbehältnis zu legen sei. Im Streit stand noch ein hoher Schadensersatzanspruch der klagenden Arbeitgeberin. Diesen bejahte des LAG. Allerdings lasse sich dieser nicht aus der Verletzung des Arbeitsvertrages (§§ 611, 280 Abs. 1 BGB) oder des Eigentums (§ 823 BGB) begründen. Denn mangels Eigentumserwerbs sei der Arbeitgeberin kein Schaden im Sinne dieser Vorschriften entstanden. Hierzu führt das LAG aus: `Die mit dem Leichnam fest verbundenen künstlichen Körperteile, z. B. das Zahngold, die in Form und Funktion defekte Körperteile ersetzen, sog. Substitutiv-Implantate, gehören zum Leichnam und teilen während der Verbindung dessen Schicksal. Sowohl der Leichnam als auch die künstlichen Körperteile stehen in niemandes Eigentum und gehören deshalb auch nicht zum Nachlass i. S. d. § 1922 BGB. Die künstlichen Körperteile werden allerdings mit Trennung vom Leichnam eigentumsfähig, sie werden nach der Einäscherung zur beweglichen Sache, § 90 BGB. Da mangels Universalsukzession diese Teile als herrenlose Sachen anzusehen sind, kann an ihnen nach § 958 Abs. 1 BGB durch Inbesitznahme Eigentum erworben werden. Allerdings verhindert § 958 Abs. 2 BGB einen Eigentumserwerb auf diesem Wege, sofern durch die Besitzergreifung das Aneignungsrecht eines Anderen verletzt wird. Inhaber dieses Aneignungsrechts ist der Erbe oder nach anderer Auffassung die Person, die im Einzelfall zur Totenfürsorge berechtigt ist.´ Also jedenfalls nicht der Krematoriumsbetreiber. Der Anspruch der Arbeitgeberin ergäbe sich jedoch aus § 667 BGB. Die auftragsrechtlichen Bestimmungen (§ 667 BGB) enthielten allgemeine Grundsätze, die auch für Arbeitsverhältnisse gälten. Der Herausgabeanspruch nach § 667 1. Alt. BGB beziehe sich auf alles, was der Beauftragte "zur Ausführung des Auftrags" erhalten habe. Gegenstand des Erhaltenen und damit des Herausgabeanspruchs könne jede rechtliche oder tatsächliche Position sein: Eigentum, Besitz, Inhaberstellung. Und wörtlich die Richter des LAG: `Anders gesagt: Im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses - und nicht nur bei Gelegenheit - war es Aufgabe des Beklagten, Edelmetalle zu sammeln, zu verbringen, zu wiegen usw. Ein eigenes Recht zum Besitz, zur Wegnahme bestand nicht, der Beklagte ist deshalb verpflichtet, diese ihm zur Verfügung gestellten Materialien an die Klägerin herauszugeben.´ Bei verschuldeter Unmöglichkeit der Herausgabe hafte der Beauftragte gemäß § 280 BGB auf Schadensersatz. Der Beklagte habe vorsätzlich den Herausgabeanspruch der Klägerin unmöglich werden lassen, indem das erlangte/erhaltene Edelmetall einer anderen Firma zur weiteren Verarbeitung, nämlich zum Einschmelzen, übergeben wurde. Der Wiederbeschaffungswert und damit der Umfang des zu ersetzenden Schadens i. S. d. § 249 BGB drücke sich im erhaltenen Entgelt aus.“

Das BAG teilt im Grundsatz die rechtliche Bewertung und stützt sich hierfür ebenfalls auf den entsprechend anwendbaren § 667. Allerdings sieht sich das BAG daran gehindert zu entscheiden, wem der Schadensersatzanspruch zusteht, da das Krematorium seit 2010 nicht mehr von der Klägerin, sondern von einer Tochtergesellschaft betrieben wird. Nach dem Vortrag der Parteien ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGBN stattgefunden hat und der neue Betreiber des Krematoriums nunmehr auch Anspruchsinhaber sei. Der Klägerin würde dann die Aktivlegitimation fehlen. Um dies zu klären, hat das BAG die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.

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