OLG Hamm: 7 Monate für den Besitz von 19,31 Gramm Haschisch sind zu viel

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 31.08.2014

Das OLG Hamm hat mit Beschluss von 6.3.2014 (1 RVs 10/14 = NStZ-RR 2014, 214) eine Verurteilung durch das Amtsgericht im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, das gegen einen betäubungsmittelabhängigen und mehrfach wegen Besitzes von Betäubungsmitteln vorbestraften Angeklagten, dem der Besitz von 19,31 Gramm Haschisch vorgeworden wurde, eine Freiheitstrafe von 7 Monaten verhängt hatte. Der Strafsenat ist der Auffassung, dass das angefochtene Urteil den Anforderungen an einen gerechten und angemessenen Schuldausgleich nicht mehr gerecht wird. Mit anderen Worten: 7 Monate sind dem OLG Hamm trotz der Vorstrafen des Angeklagten einfach zu viel.

Relativierend führt das OLG Hamm aber aus, dass es eine Freiheitsstrafe sehr wohl für erforderlich hält, aber nur im unteren Bereich des Möglichen. Insoweit wird ausgeführt:

„Der Senat merkt jedoch ergänzend an, dass nach den gegebenen Umständen allerdings die Verhängung einer auch vollstreckbaren kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1StGB vorliegend angesichts der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten grundsätzlich nicht zu beanstanden und vielmehr sogar naheliegend ist. Durch die Existenz der Vorschrift § 47 Abs. 1 StGB kommt der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck, auch in Fällen objektiv verhältnismäßig geringen Tatunrechts namentlich in den Fällen vorangegangener wiederholt fruchtloser Sanktionen mit der im Verhältnis zur Geldstrafe deutlich belastenderen Strafart der Freiheitsstrafrecht reagieren zu können. Dementsprechend steht außer Zweifel, dass auch in Fällen der Bagatellkriminalität die Festsetzung einer Freiheitsstrafe nicht ohne Weiteres gegen das Übermaßverbot verstößt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 09. Juni 1994 – 2 BvR 710/94 -, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 22. Juli 2003 - 5St RR 167/03 - juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 25. Oktober 2005 -2 St OLG Ss 150/05 -, juris). Bei Festsetzung deren Höhe ist jedoch gerade im Bereich der Bagatellkriminalität zu beachten, dass das in § 38 Abs. 2 StGB festgesetzte Mindestmaß von einem Monat im Vergleich zu einer nach dem Gesetz grundsätzlich primär vorgesehenen Festsetzung einer Geldstrafe das insoweit gemäß § 40 Abs. 1 S. 2 StGB festgelegte gesetzliche Mindeststrafmaß von 5 Tagessätzen Geldstrafe bereits deutlich übersteigt und auch die gewählte Sanktionsart für sich genommen eine erheblich belastendere Beschwer darstellt. In den Fällen eines vom äußeren Tatbild eher nur geringen kriminellen Unrechts ist daher auch im Fall der Erforderlichkeit der Festsetzung einer Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB sorgfältig zu prüfen, ob zur Einwirkung auf den Täter sowie zur Herbeiführung eines gerechten Schuldausgleichs tatsächlich auch hinsichtlich deren Höhe die Verhängung einer möglicherweise auch deutlich über das Mindestmaß hinausgehenden Freiheitsstrafe tatsächlich rechtlich geboten erscheint.“

Rechtlicher Hintergrund:

§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG sieht für den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren vor. Nach § 38 Abs. 2 StGB liegt die Untergrenze der Freiheitsstrafe bei 1 Monat.

Beim Umgang mit Betäubungsmitteln in geringer Menge zum Eigenkonsum kann der Staatsanwalt nach § 31a BtMG von der Strafverfolgung absehen oder das Gericht nach § 29 Abs. 5 BtMG von Strafe absehen. Für Cannabis haben die Bundesländer für die Anwendung des § 31a BtMG jeweils in Richtlinien Vorgaben gemacht, was unter der geringen Menge zu verstehen ist. In dem vorliegenden Fall in Nordrhein-Westfalen kommt die Anwendung des § 31a BtMG – unabhängig von den Vorstrafen des Angeklagten - nicht in Betracht, da die dortige Einstellungsgrenze von 10 Gramm deutlich überschritten ist. Hierzu führt das OLG Hamm aus:

„Stellt man auf die Richtlinien zur Anwendung des § 31a Abs. Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes gemäß des Runderlasses des Justizministeriums und des Ministeriums für Inneres und Kommunales in Nordrhein-Westfalen vom 19. Mai 2011 - JMBL. NRW S. 106 - ab, so ist von einer geringen Menge zum Eigenverbrauch gemäß Ziffer II. 1. der Richtlinien bei Cannabisprodukten bis zu einer Gewichtsmenge von 10 g auszugehen, welche hier allerdings ungeachtet der mangelnden Feststellung eines Wirkstoffgehalt des sichergestellten Haschisch um nahezu 100% überschritten worden ist.“

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4 Kommentare

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Auch wenn die Entscheidung nicht mit der hier diskutierten direkt vergleichbar ist, kann man aus der jüngeren Judikatur des BGH noch auf den Beschluss des BGH vom 15.04.2014 - 2 StR 626/13- hinweisen: 0,5 Gramm Haschisch + einschlägige Vorstrafen + laufende Bewährung = 3 Monate ohne Bewährung. So jedenfalls das LG Erfurt. a.A.: der BGH.

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Was muss in einem Richter vorgehen, der einen Kiffer wegen des Besitzes einer Monatsration Haschisch 7 Monate wegsperren will?

 

 

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Bei aller (bei mir durchaus vorhandenen) Begeisterung für Verbote von Drogen: Ein Sprung von "keine Strafe" bei bis zu 10 g zu "7 Monate ohne" bei bis zu 20 g ist krass. Zu krass. Auch eine kurze Freiheitsstrafe finde ich persönlich hier problematisch. Es geht nicht an, den "Verbrauchern" einerseits zu signalisieren, dass geringe Mengen "okay" sind, dann aber bei geringsten Überschreitungen zu harten Strafen zu greifen. Eine klare Grenzziehung wäre sinnvoller - ganz verbieten oder ganz erlauben, aber bitte kein Drahtseilakt, wo ein paar Krümel mehr oder weniger plötzlich über Freiheit oder Gefängnis entscheiden.

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Dass Verfahren wegen geringer Menge eingestellt werden passiert aber nur, wenn nicht bereits Vorstrafen existieren, va wenn bereits gegen das BtMG verstoßen wurde.

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