Vergessen, die Öffentlichkeit herzustellen

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 02.09.2014
Rechtsgebiete: Familienrecht1|2856 Aufrufe

Scheidungstermin. Ausweislich des Protokolls wird in „nichtöffentlicher Sitzung“ verhandelt.

Am Ende verkündet der Richter den Scheidungsbeschluss, was auch im Protokoll festgehalten wird.

Was fehlt, ist die Wendung, dass die Verkündung  „nach Herstellung der Öffentlichkeit" erfolgte.

Die Verkündungen von Endentscheidungen in Ehe- und Familienstreitsachen müssen jedoch in jedem Falle öffentlich erfolgen (§ 173 I GVG).

Einer der Versorgungsträger legt Beschwerde ein.

Nach Auffassung des OLG Celle berührt die fehlende (Feststellbarkeit der) Öffentlichkeit einer durch die entsprechende Sitzungsniederschrift der Sache nach feststehenden Verkündung nicht das Existent-Werden der Entscheidung, sondern wirft lediglich die Frage nach den Folgen von Mängel ihrer Verlautbarung auf.

Verkündungsmängel stünden dem wirksamen Erlass einer Entscheidung nur dann entgegenstehen, wenn gegen elementare Formerfordernisse verstoßen wurde (so schon BGHZ 14, 39).

Entscheidendes Erfordernis einer Verlautbarung der Entscheidung sei die Möglichkeit der Kenntniserlangung durch die Beteiligten, die durch die Herstellung der Öffentlichkeit in keiner Weise berührt wird. Dies gelte jedenfalls dann, wenn - wie gerade auch im Streitfall - die Beteiligten und ihre bestellten Verfahrensbevollmächtigten im Verkündungstermin anwesend sind. Auch da die Entscheidung auf einem derartigen formalen Verlautbarungsmangel nicht einmal beruhen könne und sich für die Beteiligten keine ersichtlichen Benachteiligungen ergeben, liege jedenfalls unter den Umständen des Streitfalles eine wirksame Verkündung des Beschlusses vor.

OLG Celle v. 20.08.2014 - 10 UF 21/14

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1 Kommentar

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So auch in "eigener" Sache jüngst auch das OLG München. Ich halte das für bedenklich. Natürlich wird die Entscheidung nicht "falscher" dadurch, dass sie den Beteiligten in nicht-öffentlicher Sitzung verkündet wird. Aber das Öffentlichkeitsprinzip ist ein Fundamentalprinzip des Rechtsstaats und soll verhindern, dass Gerichte Entscheidungen treffen, die niemandem außer den Beteiligten bekannt werden. Geheimentscheidungen - also solche, die grundsätzlich nur den Beteiligten zur Kenntnis gelangen - sollen verhindert werden, damit sich die Öffentlichkeit über den Inhalt der im Namen des Volkes ergehenden Entscheidungen informieren und sie ggf. kritisieren kann und letztlich dann durch Wahlen ggf. eine Änderung der Gesetzgebung herbeiführen kann.

Eine Verletzung dieses Fundamentalprinzips dadurch defacto heilen zu lassen, dass die Verletzung im konkreten Einzelfall keine Auswirkung hat, ist m.E. mit dem Wesen des Fundamentalprinzips unvereinbar. Ein Fundamentalprinzip muss gelten, gerade auch dann, wenn es im Einzelfall irrelevant ist, ob das Fundamentalprinzip beachtet wurde.

 

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