Section Control: Man darf gespannt sein!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 03.09.2014
Rechtsgebiete: Section ControlStrafrechtVerkehrsrecht14|3922 Aufrufe

Der VGT hatte sich bereits für einen Section-Control-Versuch stark gemacht. In anderen Ländern laufen derartige Messungen bereits - angeblich erfolgreich. Jetzt geht es auch in Deutschland mit einem Pilotversuch los. Letztlich geht es um eine auf längerer Strecke ermittelte Durchschnittsgeschwindigkeit. Interessant wird sicher u.a die Frage sein, ob für diese Messungen auch wieder § 100h StPO als Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht herhalten muss. Immerhin werden scheinbar unabhängig von jedem Verdacht alle Verkehrsteilnehmer gemessen und vorerst datenmäßig erfasst - ob dann danach alles gelöscht wird, dürfte für die Notwendigkeit einer Ermächtigungsgrundlage doch eher keine Rolle spielen, oder?! Auf die Bloglesermeinungen bin ich gespannt. Vielleicht weiß ja jemand auch näheres zu dem Projekt in Niedersachsen?

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14 Kommentare

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Es ist bedenklich, dass kaum Bedenken dagegen erhoben werden, dass eine umfangreich Datenerhebung -ja eine Generalüberwachung der Bevölkerung- lediglich zur Verfolgung von Bagatellen erfolgen soll.

 

So ähnlich ist es bei den Verbindungsdaten. Riesenaufregung über die Speicherung, aber kaum Aufregung über die Mitteilung von Daten zur IP-Adresse und Verwendung wegen belangloser Urheberrechtsverstöße.

 

Von mir aus können umfangreiche Daten erhoben und gespeichert werden - aber nicht zur Verfolgung von Bagatellen.

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Hier die PM des IM Niedersachsen.

Laut heise.de soll für das Pilotprojekt eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Für eine reguläre Einführung müsse "entweder bundesweit das Straßenverkehrsgesetz oder nur in Niedersachsen das "Gefahrenabwehrgesetz" angepasst werden, in dem das problematische KFZ-Scanning geregelt ist." (Ignorieren Niedersachsen und Bayern bewusst ein Urteil des BVerfG?)

Hier mehr zur eingesetzten Technik: laut Herstellerprospekt werden anlagenintern keine Kfz-Kennzeichen übermittelt, sondern es werden verschlüsselte "Fahrzeug-IDs" abgeglichen.

Nach dem Studium des o.a. Urteils kann es m.E. keinen Unterschied machen, ob die Kennzeichen erfasst werden oder ob die Fahrzeuge auf andere Weise "ID-mäßig" erfasst werden. Bei letzterem stellt sich mir die Frage, was für Daten dort erfasst werden ("Weißer VW Polo"? Dann mal Glückauf, davon gibt´s viele).

Mich würde auch interessieren, wie die zu erfassenden Daten abgegriffen werden. Etwa über irgendwelche elektronischen Datenboxen ind den Fahrzeugen. Was ist dann mit Fahrzeugen, die nicht über einen derartigen technischen Schnick-Schnack verfügen. Oldtimer oder so.

Die dürfen dann rasen?!?

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Nicht nur die Mehrheit der Otto-Normalbürger, sondern auch die Mehrheit der Juristen, hat sich mit Macht und mit den grundlagen von Macht und mit der Physik von Macht bloß wenig beschäftigt.

Dementsprechend unsensibel und unbesorgt und regunslos bleibt "man" (die Mehrheit) gegenüber einem schleichenden Ausbau der Staatsmacht, unter anderem und vor Allem in Gestalt von immer mehr Kontrolle und immer mehr Überwachung.

In den Schulen befasst sich der Geschichtsunterricht und der Politikunterricht mit Symptomen von Macht und Machtmißbrauch, aber kaum mit deren Grundlagen und Ursachen und Wirkmechanismen.

Vermutlich ist das so gewollt - schließlich sind die Kultusminister ja Teil des Establishements und des Machtapparates.

Wer mehr wissen will, als das, was ihm in der Schule vermittelt wurde, dem sei erlaubt, die Werke "Macht" von Betram Russel (das wohl wichtigste und sprachlich und inhaltlich am leichtesten verständliche Grundlagenwerk über Macht), "Masse und Macht" von Elias Canetti, "1984" von George Orwell, sowie "Die Kultur der Renaissance in Italien" und "Weltgeschichtliche Betrachtungen" von Jacob Burkhardt, ans Herz zu legen.

Ohne bessere Bildung und ohne kritischeres Bewußsein wird die Bevölkerung dem kommenden Machtstaat (der mit mächtigen anderen Staaten und deren mächtigen Nachrichtendiensten sowie mit mächtigen privaten Netzwerken und Konzernen vernetzt und verbündet sein wird) hilflos ausgeliefert sein.

Auf Hilfe von Außen dürfen wir nicht hoffen - die USA, Großbritannien und Frankreich wünschen sich vermutlich sogar weniger Datenschutz in Deutschland, Russland und China haben selber genug eigene Sünden auf dem Kerbholz und außerdem auch genug eigene Probleme, und der Islam wird sich wünschen sich in Ländern ausbreiten und diese übernehmen zu können, in denen man dank weitgehender Kontrolle und Überwachung eine eventuell vorhandene Opposition leicht und schnell beobachten und ausfindig machen kann.

Unser liberales Bildungsbürgertum ist also völlig auf sich allein gestellt - und wenn es sich mehrheitlich passiv verhält oder gar opportunistisch anpasst, dann wird auch für kritische Geister jegliche Fundamentalopposition gegen den Kontroll- und Überwachungsstaat sinnlos bzw. wirkungslos.    

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Stimme Ihnen voll zu. Danke für die Literaturhinweise, manche kannte ich schon, manche aber nicht.

Letztlich geht es um die persönliche Freiheit eines jeden Einzelnen.

Erst wenn man

- einen Job nicht bekommt, weil der potentielle Arbeitgeber über weitergehende Informationen verfügt,

- eine Wohnung nicht bekommt, weil der potentielle Vermieter über weitergehende Informationen verfügt,

oder

- eine Versicherung nicht abschließen kann, weil der Vertragspartner über weitergehende Informationen verfügt,

- u.s.w.,

werden wir erkennen, wie stark die Einschnitte in die individuellen Freiheitsrechte jetzt schon sind bzw. künftig sein werden,

und dann ist es wohl zu spät, das Rad zurückdrehen zu wollen.

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ra.stroecker schrieb:

Erst wenn man

- einen Job nicht bekommt, weil der potentielle Arbeitgeber über weitergehende Informationen verfügt,

- eine Wohnung nicht bekommt, weil der potentielle Vermieter über weitergehende Informationen verfügt,

oder

- eine Versicherung nicht abschließen kann, weil der Vertragspartner über weitergehende Informationen verfügt,

- u.s.w.,

werden wir erkennen, wie stark die Einschnitte in die individuellen Freiheitsrechte jetzt schon sind bzw. künftig sein werden,

und dann ist es wohl zu spät, das Rad zurückdrehen zu wollen.

Diese Sichtweise halte ich für sehr einseitig. Ich sehe ein sehr berechtigtes Interesse potentieller Vermieter an Information. Würde das Risiko für private Vermieter vor Mietnomaden etc. durch eine ausreichende Informationsbasis vermindert, gäbe es mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr private Vermieter. Wir wollen selbst ein Haus verkaufen. Vermietung kommt wegen des hohen persönlichen Risikos für uns nicht in Betracht.

Ähnlich ist es bei kleinen Arbeitgebern. Bei großen Institutionen sind Ausfälle eher verkraftbar, bei klleinen Firmen kann ein Totalausfall zur Insolvenz führen. Da finde ich den Schutz vor Betrügern schon wichtiger als den Datenschutz.

Was Gesundheitsdaten angeht, gehe ich allerdings mit Ihnen. Hier ist ein strafbewehrter Datenschutz unverzichtbar.

Man muss schon im Einzelfall sehen, was wichtiger ist. Datenschutz ist kein Heiligtum.

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Wer aus Gründen der Sicherheit die Freiheit beschränken will, verdient weder Freiheit noch Sicherheit!

Und genau dies ist mit dem unbeschränkten Zugang zu privaten Daten möglich.

Toll, dass dies schon vor ca. 200 Jahren Benjamin Franklin so gesehen hat.

Schade, dass die jetzige Bevölkerung die erkämpften Freiheitsrechte so mir-nichts-dir-nichts aufgibt.

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ra.stroecker schrieb:
Wer aus Gründen der Sicherheit die Freiheit beschränken will, verdient weder Freiheit noch Sicherheit!

 

Das ist nur ein hohler Spruch. Man muss sich schon die Mühe machen, im einzelnen hinzusehen und zu entscheiden. Und Freiheit meint nur allzu oft bloß Schutz der Starken und Reichen vor ihrer Verpflichtung gegenüber der res publica.

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Mir ist die Messstrecke hinlänglich bekannt. Es ist die B6 in Richtung Norden ab Hildesheim. Dass die B6 an dieser Stelle eine Unfallstrecke ist, liegt an der schlechten Pflege und dem Straßenzustand. Teilweise sind Verkehrsschilder zugewuchert und nicht sichtbar und die Bebauung an sich ist irreführend. Diese Strecke sollte man zunächst in einen ordnungsgemäßen Zustand versetzen und dann messen. Mit der B6 im jetzigen Zustand muss section control zwangsläufig ein Erfolg werden.

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Das Problem ist, dass sich die Maßnahme gem- § 100h Abs. 2 S. 1 StPO nur gegen den Beschuldigten richten darf. Das ist beim normalen Blitzen schon problematisch, da eine Person eigentlich erst durch einen staatlichen Willensakt zum Beschuldigten wird. Da beim Blitzen alles vollautomatisch abläuft, liegt eigentlich dort schon kein staatlicher Willensakt vor, so dass die Voraussetzungen des § 100h Abs. 2 S. 1 StPO nach zutreffender Rechtsauffassung nicht erfüllt sind (vgl. AG Eilenburg, Urteil vom 28.10.2009, Az. 5 Owi 256 Js; anders die h.M.).

Werden aber erst einmal alle Autofahrer gefilmt, dann liegt schon rein objektiv noch kein Anfangsverdacht vor. Es fehlt offenkundig jegliche objektive Basis für einen Anfangsverdacht, so dass die Maßnahme auch nach h.M. nicht mehr unter § 100h Abs. 2 S. 1 StPO fallen dürfte. Da es sich insoweit um einen systematischen Verstoß handeln würde, hätte dies m.E. ein Beweisverwertungsverbot zur Folge.

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Vor dem drohenden Überwachungsstatt warnt auch der Richter am Bundesverfassungsgericht a.D. Papier in der gestrigen Süddeutschen Zeitung.

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Wenn man sich den Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden Artikerl vergegenwärtigt, wird wohl deutlich, dass jener Satz, den Sie als "hohl" zitiert haben, sich auf die Freiheit des Einzelnen gegen den Staat bezieht und, etwas weiter gedacht, wenn der Staat Bereiche Privaten (z.B. Konzernen pp.) überläßt, auch gegenüber diesen. Im Gegensatz zu Ihnen tendiere ich nicht zu einer Verengung durch Fokussierung auf bestimmte Einzelbereiche. Dies verschließt den Blick aufs Ganze

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Ich halte die Datenschutzbedenken für weniger gravierend als bei den
Mautbrücken. Es sollte im Feldversuch festgestellt werden, dass die
Daten tatsächlich gelöscht sind. Hierzu gehört auch, dass das
verwendete System transparent beschrieben ist (halte ich auch bei punktueller Überwachung im Bußgeldverfahren für wichtig) und auf die
Aufdeckung von möglichen Datenschutzrisiken (die die Löschung
verhindern) Belohnungen ausgelobt sind.

Das System hat gegenüber punktuellen Geschwindigkeitsüberwachungen den
Vorteil, dass ich es für einfacher nachvollziehbar halte und
Fehlmessungen a) unwahrscheinlicher und b) einfacher festzustellen sind
als bei herkömmlichen Systemen. Zudem werden (wie bereits hinreichend
diskutiert) nur kontinuierliche Geschwindigkeitsverstöße geahndet und
kein kurzfristiges zu starkes Beschleunigen beim Überholen.

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